Programmheft Konzert 2003-02-06 und 2003-02-08

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Charakter des Stückes immer wieder von einer penetrant
für Musik und Tanz Köln, wo er seit 2000 auch als Prodekan
dazwischen spielenden Posaune zerstören lässt. Der zweite
und von 2007-2009 als Dekan tätig war; 2009 erfolgte seine
Satz zeichnet sich durch getragene, klagende Klänge in den
Wahl zum Rektor. Reiner Schuhenn zählt zu den gefragten
Holzbläsern aus, unterbrochen von bedrohlichen, chroma-
Chor- und Orchesterdirigenten in Deutschland, was seine
tisch ansteigenden Streicherklängen. Versteht man diesen
rege Konzerttätigkeit in Zusammenarbeit mit zahlreichen
Satz als Verbeugung gegenüber den Opfern und dem Leiden
Ensembles, Chören, Orchestern, namhaften Solisten und
des Krieges, bekommt die muntere Melodie, mit der die Kla-
Musik-Akademien dokumentiert.
rinette das folgende Scherzo des dritten Satzes eröffnet, eine
obszöne Dimension, welche die Erwartung einer triumphalen
Das Orchester
Huldigung des Herrschers anklagt. Unterstrichen wird dies
Das Aachener Studentenorchester e. V. wurde 1989 durch
durch die Verwendung von fis-moll im marschartigen Trio des
studentische Eigeninitiative gegründet. Es ist ein Laienorche-
dritten Satzes, einer Tonart, die seit der Romantik für den Tod
ster, das zwar von der RWTH unabhängig ist, aber trotzdem
steht. Der vor dem Finale eingeschobene vierte Satz kombi-
vorwiegend aus StudentInnen der Aachener Hochschulen
niert martialische Bläserklänge – wiederum eine Annäherung
besteht. Die große sinfonische Besetzung des Orchesters
an das Motiv des Kriegs – mit einem elegischen Thema, das
erlaubt es, auch romantische Werke aufzuführen, die zu spie-
vom Fagott vorgetragen wird. Das Intervall, mit dem dieses
len ein Laie später kaum mehr die Gelegenheit haben wird.
Thema beginnt, eine kleine Sexte, ist wiederum voller Symbolik und steht seit dem Barock für Schmerz. Nahtlos leitet
Unsere nächsten Konzerte:
das Fagott schließlich in den fünften Satz über. Dieses Finale
Wintersemester 2013/2014
stolpert von einer Groteske zur nächsten. Dabei nimmt die
Musik zwar gelegentliche Anläufe zu großen Klängen, bricht
Programm
Do, 11.07.2013, 19:30 Uhr
Sa, 13.07.2013, 19:30 Uhr
Aula I der RWTH Aachen
Templergraben 55
Do. 23. Januar und Sa. 25. Januar 2014
diese aber stets wieder ab oder führt sie bis in schwindelnde
Höhen weiter. Spätestens jetzt konnten die Machthaber nicht
mehr ignorieren, was ihnen da vorgespielt wurde: Anstelle
der erwarteten Triumphmusik bekamen sie eine Persiflage
auf das sich selbstgefällig feiernde System, eine Mischung
aus bayerischer Blaskapelle und Zirkusmusik - und mussten
es sich auch noch gefallen lassen, zum Schluss ebenso abrupt
Das
bedankt sich für die freundliche
Unterstützung der Proben bei:
Walter Mengler, Philipp Stümke und Saman Maroofi
Gefördert durch:
wie lieblos vor die Tür gesetzt zu werden.
Der Dirigent
Reiner Schuhenn wurde 1962 in Weingarten/Württemberg
geboren. Er studierte Germanistik, Philosophie, Schulmusik
und Kirchenmusik in Stuttgart und Wien, unter anderen bei
Bernhard Ader, Dieter Kurz, Helmut Wolf, Otmar Suitner, Peter
Kontakt:
Aachener Studentenorchester e.V.
Planyavsky und Sergiu Celibidache.
Nach umfangreicher
Martin Klasen, Trichtergasse 20 Tätigkeit als Kantor, Dirigent und Lehrbeauftragter an ver-
52064 Aachen, Tel.: 0176/28085027
schiedenen Hochschulen erfolgte 1999 seine Berufung als
E-Mail: [email protected]
Professor für Chor- und Orchesterleitung an die Hochschule
http://www.aso.rwth-aachen.de
Aachener
Studentenorchester
Musikalische Leitung:
Reiner Schuhenn
Peter Iljitsch Tschaikowsky (1840-1893)
von Dur in Moll gewendet, symbolisch untergeht. Den Sieg
„1812“ Ouvertüre Solennelle, op. 49
von Kirchenglocken der russische Sieg verkündet wird. Den
Sergej S. Prokofjew
(1891-1953)
Auszüge aus der Oper „Krieg und Frieden“, op. 91
Walzer - Allegro, ma non troppo
Mazurka - Animato
Finale - Allegro fastoso - Andante maestoso
Dmitri Schostakowitsch
(1906-1975)
Sinfonie Nr. 9, op. 70
Allegro - Moderato - Presto - Largo - Allegretto-Allegro
verkündet das Eingangsthema, mit dem unter dem Klang
W
ie in nur wenigen Künstlern zeigt sich in der Person
Dmitri Schostakowitschs die groteske Janusköp-
figkeit der stalinistischen Kulturpolitik. Bereits mit seiner
Abschluss bildet die russische Zarenhymne, die bis 1917 Nati-
ersten Sinfonie, seiner Examensarbeit, erlangte er internati-
onalhymne des russischen Zarenreiches war.
onalen Ruhm. Sein Lehrer und Förderer Alexander Glasunov
D
bekannte zwar, er fände die Musik schrecklich, weil er sie beim
ie dreiaktige Oper „Krieg und Frieden“ begann Sergej
Lesen der Partitur nicht hören könne. Das sei aber unwich-
Prokofjew unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs.
tig, weil die Zukunft nicht ihm, Glasunov, sondern „diesem
Erschüttert über den deutschen Überfall auf die Sowjetunion
Jungen“ gehöre. Für Schostakowitsch folgten Jahrzehnte
1941 beschloss er, ein Nationaloper zu schreiben, die sein Bei-
zwischen höchsten Auszeichnungen und tiefster Verdam-
trag zum Sieg in dem von Stalin in Anlehnung an den Krieg
mung, verbunden mit der ständigen Angst, als Volksfeind
gegen Napoleon ausgerufenen „Großen Vaterländischen
verhaftet und exekutiert zu werden. Dies lag gleichermaßen
Krieg“ sein sollte. Als Vorlage wählte er das gleichnamigen
an der paranoid auf die Person Stalins fixierte Kulturpolitik
Epos von Leo Tolstoi, das er zusammen mit seiner späteren
der Sowjetunion, deren Erwartungen der Komponist oftmals
Ehefrau Mira Mendelson für die Oper bearbeitete. 1943 hatte
nicht erfüllte, wie auch an der Kritik und dem Spott, die Scho-
er die Arbeit an der Oper abgeschlossen, doch verhinder-
stakowitsch in seine Kompositionen einstreute. Schostako-
ten öffentliche Diskussionen über Inhalt und Stil der Oper
witschs 9. Sinfonie weckte eine Vielzahl von Erwartungen:
eine Aufführung und zwangen Prokofjew zu zahlreichen
Nach den vorhergegangenen Kriegssinfonien, insbesondere
Änderungen an Partitur und Libretto. 1946, drei Jahre nach
der heroischen 7., „Leningrader“ Sinfonie, erwartete man
Abschluss der Komposition, konnte zumindest ein Teil der
von dem zweifachen Träger des Stalin-Preises nun eine tri-
jotr Tschaikowski schrieb die Ouverture solennelle
Oper in Leningrad aufgeführt werden. Zuletzt verfügte ein
umphale Hymne zu Ehren der siegreichen Sowjetunion und
P
„1812“ als Auftragskomposition für die feierliche Ein-
offizieller Parteibeschluss der Kommunistischen Partei über
ihres Diktators, welche die 9. Sinfonie des (Deutschen) Bee-
weihung der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau. Der Bau
weitere Änderungen, nachdem Prokofjew 1948 gemeinsam
thoven übertreffen sollte. Tatsächlich enthielten erste Skiz-
dieser Kathedrale war unter Zar Alexander I. im Jahre 1817 als
mit Schostakowitsch des „Formalismus“ bezichtigt und zu
zen neben der orchestralen Besetzung auch einen Chor. Die
Dank für den Sieg über Napoleon begonnen worden. 1881
größerer Volkstümlichkeit aufgefordert worden war. Als im
Besucher der Uraufführung erlebten jedoch eine groteske
sollte sie fertiggestellt und eingeweiht werden. Aus diesem
Mai 1953 die Oper endlich in Florenz uraufgeführt wurde, war
Persiflage auf eine Sinfonie. Diese Provokation trug maß-
Anlass schrieb Tschaikowski eine Battaglia, ein musikalisches
Prokofjew bereits zwei Monate tot. Die Oper verkürzt den grö-
geblich dazu bei, dass Schostakowitsch 1948 unter dem Vor-
Schlachtengemälde, das den Sieg im „Vaterländischen Krieg“
ßeren Teil des Romans Tolstois im ersten Akt auf eine knappe
wurf des „Formalismus“ ein faktisches Berufsverbot erhielt,
darstellen sollte. Tschaikowski selbst beschrieb sie als „laut
Darstellung der Liebesgeschichte zwischen Andrei und Nata-
obwohl er seit Uraufführung der 9. Sinfonie einen weiteren
und lärmend“ und ohne künstlerischen Wert. Dennoch ist
scha sowie Pierre, und endet mit dem Aufmarsch der fran-
Stalinpreis, den Leninorden sowie eine Auszeichnung als
sie eines der populärsten Stücke Tschaikowskis. Die Ouver-
zösischen Armee. Der zweite Akt beschreibt die Schlacht bei
„Volkskünstler der Russischen Sowjetrepublik“ erhalten
ture beginnt mit den feierlichen Klängen eines orthodoxen
Borodino, die mit dem Rückzug der russischen Armee und
hatte. Wie Tschaikowskis „1812“ stehen der erste und der
Gottesdienstes, wonach die russischen Truppen aufgestellt
der Preisgabe Moskaus endet. Der dritte Akt nimmt schließ-
letzte Satz in der „heroischen“ Tonart Es-Dur. Insbesondere
werden. In der folgenden Darstellung der ersten Schlach-
lich die Handlung des ersten Akts mit der Gefangennahme
im Kopfsatz hält sich Schostakowitsch streng, geradezu skla-
ten tritt allerdings die Marseillaise als Sinnbild für die fran-
Pierres während der Plünderung Moskaus und dem Tod And-
visch, an die Sonatenhauptsatzform; sogar die Exposition
zösischen Erfolge bis zur Besetzung von Moskau hervor. Als
reis wieder auf und endet mit der Verkündung des Sieges
wird wiederholt. Formal erfüllte er also die Erwartungen, die
Gegenthema stellt Tschaikowski sodann einen russischen
durch Marschall Kutusow. Das Aachener Studentenorchester
an ihn gestellt wurden. Musikalisch ist der Kopfsatz jedoch
Volkstanz vor, der in der folgenden zweiten Schlachtdarstel-
spielt zwei Ballettmusiken - einen Walzer und eine Mazurka -
vor allem laut, kompositorisch bewusst einfallslos und gera-
lung mit der Marseillaise streitet bis letztere schließlich, nun
aus dem ersten Akt sowie das Finale der Oper.
dezu unverschämt kurz, zumal Schostakowitsch Aufbau und
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