2. heilbronner konzert Jahreszeiten Benjamin Schmid fr 12. oktober 2012 19.30 uhr theodor-heuss-saal, harmonie heilbronn 2. heilbronner konzert jahreszeiten Benjamin Schmid // Violine & Leitung Cosima Greeven // Rezitation Ruben Gazarian // Dirigent Württembergisches Kammerorchester Heilbronn Peter I. Tschaikowsky (1840 - 1893) Die vier Jahreszeiten op. 37a, bearb. für Streichorchester von L. Schatz Januar – Moderato semplice, ma espressivo Februar – Allegro giusto März – Andantino expressivo April – Allegro con moto e con poco rubato Mai – Andantino Juni – Andante cantabile Juli – Allegro moderato con moto August – Allegro vivace September – Allegro non troppo Oktober – Andante doloroso e molto cantabile November – Allegro moderato Dezember – Tempo di valse Pause Antonio Vivaldi (1678 - 1741) Quattro stagioni – Die vier Jahreszeiten op. 8, Nr. 1-4 La Primavera – Der Frühling E-Dur Allegro Largo e pianissimo Allegro (Danza pastorale) L‘Estate – Der Sommer g-Moll Allegro non molto Adagio, Presto Presto, tempo impettuoso déstate L‘Autunno – Der Herbst F-Dur Allegro Adagio Allegro (La Caccia) L‘Inverno – Der Winter f-Moll Allegro non molto Largo Allegro Kann und soll Musik „Programme“ wiedergeben, also mit instrumentalen Mitteln außermusikalische Ideen, Bilder oder Handlungen umsetzen? Oder folgt sie besser nur ihrer eigenen, inneren Logik? Der Streit um diese Frage erhitzte im 19. Jahrhundert die Gemüter, doch „Programmmusik“ gab es schon lange vorher, etwa zur Zeit des Barock. Ein beliebtes Sujet waren stets die Jahreszeiten – schließlich ließen sich in ihrem Rahmen die verschiedensten Natur- und Wetterphänomene tonmalerisch darstellen, ebenso aber auch menschliche Tätigkeiten und Stimmungen. Ins Thema „Jahreszeiten“ fügten sich feste Genres wie etwa die „Caccia“ (Jagdmusik), „Tempesta“ (Sturmmusik) oder „Pastorale“ (Hirtenmusik). Das gleiche Thema bot jedoch auch Raum für individuelle Einfälle, für Ideen, die so fantastisch erschienen, dass sie die überkommenen, rein musikalischen Formen sprengten und zu ihrer Rechtfertigung ein „Programm“ benötigten. Lerchenlied und Schlittenfahrt: Peter Tschaikowskys „Jahreszeiten“ Die Spätromantik war die große Zeit der Programmmusik – und doch sind die „Jahreszeiten“ des Spätromantikers Peter Tschaikowskys in mancher Hinsicht untypische Programmkompositionen. Denn normalerweise ließen sich Komponisten von einem bestimmten Stoff inspirieren, der dann durch die Musik – oft auch mithilfe eines beigefügten erklärenden Textes – im Geist des Hörers wieder wachgerufen werden sollte. Tschaikowsky allerdings legte seinem Zyklus zunächst nur recht allgemein die zwölf Monate als Idee zugrunde. Die konkreten Titel der ursprünglich für Klavier bestimmten Stücke und auch die Gedichtzeilen, die ihnen als Motti dienen und jeweils einen bestimmten Aspekt des Monats hervorheben, wurden größtenteils erst im Nachhinein ausgewählt. Und dies auch nicht durch den Komponisten selbst, sondern durch seinen Verleger. Er hieß Nikolai Matwejewitsch Bernard, gab in St. Petersburg die Monatsschrift „Nouvelliste“ heraus und wollte seinen Abonnenten in jeder Ausgabe des Jahres 1876 ein neues, zur Jahreszeit passendes Klavierstück bieten. Tschaikowsky nahm den Auftrag gerne an und akzeptierte auch sämtliche von Bernard vorgeschlagenen Überschriften und Verse (Diese werden auch im heutigen Konzert zu hören sein). Allzu schwer fiel ihm das vermutlich nicht, denn der nachträglich gefundene Inhalt passt meistens genau zum Charakter des Stücks – was für den literarischen und auch den musikalischen Sachverstand des Verlegers spricht. Mit der Entstehung der „Jahreszeiten“ verbindet sich übrigens noch eine schöne (aber leider wohl unwahre) Geschichte, die ein KonservatoriumsKollege des Komponisten überlieferte: Tschaikowsky, so heißt es, habe sich Monat für Monat kurz vor Redaktionsschluss von einem Diener an seinen Auftrag erinnern lassen, sich dann an den Schreibtisch gesetzt und das Stück in einem Zug niedergeschrieben. Tatsächlich dürften die beiden ersten Nummern jedoch im Dezember 1875 entstanden sein, die drei folgenden vielleicht wirklich im Monatsabstand und die restlichen sieben im April und Mai 1876. Den Kalender-Zyklus eröffnet ein poetisches, nicht eigentlich programmatisches Charakterstück im Geist der „Kinderszenen“ Robert Schumanns. Zur intimen Träumerei dieses Januar-Stücks bildet der Februar mit seinem „Karneval“ einen starken Kontrast: Ausgelassene Feststimmung drückt sich hier in einem robusten russischen Volkston aus. Naturalistische Vogelstimmen-Imitationen bringt das folgende „Lied der Lerche“, das insgesamt jedoch viel melancholischer klingt, als es dem herannahenden Frühling angemessen scheint. Optimis- tischer wirkt da schon Tschaikowskys April-Musik – ihre aufsteigenden Melodielinien symbolisieren treffend die ersten die Schneedecke durchbrechenden Blumen. Mit dem Mai assoziierte Tschaikowsky eine zauberhafte Nachtmusik, mit dem Juni eine Barkarole. Dieses venezianische Gondellied malt sanften (im Mittelteil auch einmal stürmischen) Wellengang, obwohl es nicht im typischen wiegenden 6/8- oder 12/8-Takt, sondern im 4/4-Metrum steht. Russische oder ukrainische Volksmusikwendungen prägen sowohl die kraftvollen Rahmenteile als auch den bewegten Mittelabschnitt des Juli-Stücks; „Lied des Schnitters“ lautet der Titel dieser kürzesten Nummer des Zyklus. Dreiteilig (ABA) wie der Juli sind auch die meisten übrigen Stücke angelegt – so etwa der inhaltlich ähnliche August („Die Ernte“), in dem jedoch die Temporelationen gegenüber dem Vormonat umgekehrt sind: Die Außenteile drücken eine fast hektische Geschäftigkeit aus, während eine zentrale Passage den lyrischen Ruhepunkt bietet. Nicht fehlen darf im Herbst eines Jahreszeiten-Zyklus das Jagdstück; Tschaikowsky ordnet es dem September zu, lässt signalartige Fanfaren hören, ersetzt jedoch – in Analogie zur „Barkarole“ des Juni – den in der Jagdmusik üblichen 6/8- durch einen 4/4-Takt. Die Vergänglichkeit alles Lebens in der Natur ist ein weiteres typisches Herbstthema; es inspirierte Tschaikowsky zu einer seiner bekanntesten Melodien. An die schwermütige Schlichtheit dieser Oktober-Nummer scheint der November zunächst anknüpfen zu wollen. Das Hauptthema, obwohl in Dur gehalten, beschwört eine weite, kahle Winterlandschaft – schließlich handelt das Stück von einer Fahrt mit der „Troika“, dem russischen SchlittenDreigespann. Bald mischt sich jedoch das helle Bimmeln von Glöckchen in die Musik, und die Anfangsmelodie erklingt mit einer neuen, bewegteren Begleitung. Nach diesen durchaus einleuchtenden Monats-Vertonungen schließt Tschaikowsky seinen Zyklus in überraschender Weise ab: Er verbindet den Dezember und das Weihnachtsfest mit einem eleganten Walzer, der in jedem seiner Ballette einen Ehrenplatz hätte finden können. Gerade die beiden letzten Stücke, aber auch die turbulente Februar- oder die dramatische August-Nummer belegen im übrigen, dass Tschaikowskys Komposition klanglich weit über ihre ursprüngliche Bestimmung als Klaviermusik für Amateure hinausweist. Das Werk wurde denn auch oftmals orchestriert; die Streicherarrangements des heutigen Konzerts stammen von dem russischen Pianisten Leonid Schatz. Dudelsack und Kuckucksruf – Antonio Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ Antonio Vivaldi genoss bei seinen Zeitgenossen einen etwas zwiespältigen Ruf. Einerseits galt er als ein sehr rational denkender Komponist. In seinen etwa 500 Konzerten gelangen ihm immer neue Abwandlungen eines immer gleichen Formschemas: Diese sogenannte „Ritornellform“ setzt sich aus vier oder fünf Tutti-Abschnitten (Ritornellen) und drei oder vier eingeschobenen Solopassagen (Couplets) zusammen. Die Ritornelle stehen auf den harmonischen Hauptstufen; die Soli dagegen modulieren, sie werden aus den Ritornellen durch freie Fortspinnung gewonnen und bieten Raum für Virtuosität. Vivaldi hatte diesen Ablauf zwar nicht erfunden, doch er setzte ihn systematisch ein und machte ihn zum Standard für schnelle Konzertsätze. Andererseits jedoch war er nicht nur Komponist, sondern auch ein großer Geigenvirtuose und als solcher berühmt-berüchtigt für haarsträubend schwierige Passagen und verblüffende Improvisationen voller bizarrer Einfälle – Einfälle, die auch auf seine Kompositionen ausstrahlten. Offenbar kultivierte er diese Polarität des Maßvoll-Regelhaften und des Launenhaft-Flüchtigen sogar bewusst, denn sie spiegelt sich in Werktiteln wie „L’estro armonico“ („Die harmonische Eingebung“) oder „Il cimento dell’armonia e dell’inventione“ („Der Wettstreit von Harmonie und Erfindung“). Mit „armonia“ ist das rationale Element in der Musik gemeint, während „inventione“ für Inspiration und Phantasie steht. Die zwölfteilige Konzertsammlung „Il cimento dell’armonia e dell’inventione“ erschien 1725 unter der Opuszahl 8 in Amsterdam; komponiert hat Vivaldi die Stücke jedoch schon erheblich früher. Der Titel der Reihe passt besonders gut auf die ersten vier Konzerte. Denn diese „Quattro stagioni“ (Vier Jahreszeiten) enthalten zwar Ecksätze in der typischen Ritornellform, gewinnen ihren besonderen Reiz aber erst durch außer- gewöhnliche Details, die nicht innerhalb des kompositorischen Systems, sondern nur anhand des Programms zu erklären sind. Vivaldi teilt es bereits in den Titeln „Frühling“, „Sommer“, „Herbst“ und „Winter“ mit und konkretisiert es noch durch Überschriften im Notentext und durch vier (vielleicht von ihm selbst verfasste) „sonetti dimostrativi“, 14-zeilige Gedichte, die dem Druck beigegeben sind. Was nun das Verhältnis zwischen der Musik und ihrem „Inhalt“ betrifft, so ist die Grundstimmung oder -situation des jeweiligen Satzes oft den statischeren Ritornellen zugeordnet; flüchtigere Ereignisse finden dagegen ihren Platz in den Soloepisoden. Ein Beispiel dafür bietet schon der Kopfsatz des ersten Konzerts. Ritornelle im tänzerischen Rhythmus einer Bourreée drücken hier die Freude über den Frühling aus, während in den Soli Vogelgezwitscher, murmelnde Quellen und Frühlingsgewitter zu hören sind. Im Largo zeichnet die Sologeige den schlafenden Hirten, in den Tuttiviolinen rauschen Blätter und Zweige, während die Bratschen Hundegebell imitieren. Eine ländliche Szene mit den typischen Quinten des Dudelsacks beschließt das Konzert. Die drückende Mittagshitze ist Gegenstand des ersten Satzes im „Sommer“. Deutlich sind die Rufe des Kuckucks zu hören. Schwärme von Mücken stören im Mittelsatz die Ruhe des Schlafenden und im Finale gewittert es noch einmal. Im dritten Konzert, dem „Herbst“, wird die Ernte gefeiert; volkstümliche Tanzrhythmen bestimmen deshalb den Kopfsatz, doch in der Soloviolinstimme ist auch das Torkeln eines Betrunkenen dargestellt. Er ist im zweiten Satz eingeschlafen und wird – den kühnen Harmonien nach zu urteilen – von wilden Träumen heimgesucht. Hundegebell, Büchsenknall und das Stürzen des verwundeten Wildes ist im Finale zu hören – eine realistische Jagdszenerie. Bleibt noch der „Winter“: Hier ist im ersten Satz die Kälte mit Zähneklappern und wärmendem Fußstampfen versinnbildlicht. Im zweiten zeigt uns die Solovioline einen zufriedenen Menschen vor seinem Kaminfeuer, während das Pizzicato der TuttiGeigen das Prasseln des Regens ans Fenster malt. Zu einem heftigen Kampf zwischen dem südlichen Schirokko und dem kalten Nordwind kommt es im Finale; außerdem hat Vivaldi hier die Freuden und Leiden der Schlittschuhläufer und das Splittern des Eises in Musik gesetzt. Vivaldi und Tschaikowsky lebten in verschiedenen Musikepochen, auch in verschiedenen Klimazonen, und doch legten sie ihren „Jahreszeiten“-Zyklen ähnliche Programme zugrunde. Das überrascht zunächst – denn was kann ein Italiener schon von Schlittschuhlauf und Zähneklappern verstehen? Was ein Russe von venezianischen Gondeln? Doch in die Barockperiode fällt eine der sogenannten „kleinen Eiszeiten“ – Vivaldi könnte durchaus Schlittschuhläufer auf den Kanälen seiner Heimatstadt Venedig gesehen haben. Und Tschaikowsky war mehrfach als Tourist in Italien – seine Reiseeindrücke teilte er noch in anderen Werken den daheimgebliebenen, für südländische Exotik empfänglichen Musikfreunden mit. Jürgen Ostmann besetzung 2. heilbronner konzert Violine I Zohar Lerner Dr. Nanna Koch Marlise Riniker Rebecca Boyer Aleksandar Maletic Midori Staudinger Violine II Johannes Hehrmann Stefan Schubert Gretchen Wallbrunn Frank Willekens Erika Araki ViolA Irene Lachner Hans Georg Fischer Stefan Maneth Götz Engelhardt Violoncello Gabriel Faur Sergej Drabkin Franc Quero-Lehmann Kontrabass John van Lierop Arthur Balogh Cembalo Peter Kranefoed Benjamin schmid violine & Leitung Benjamin Schmid, aus Wien stammend, gewann u.a. 1992 den Carl-Flesch Wettbewerb in London, wo er auch den Mozart-, Beethoven- und Publikumspreis errang. Seither gastiert er auf den wichtigsten Bühnen der Welt mit nahmhaften Orchestern wie den Wiener Philharmonikern, Philharmonia Orchestra London, Petersburger Philharmoniker, Concertgebouw Orchester Amsterdam oder Tonhalle Orchester Zürich unter Dirigenten wie Dohnányi, Zinman, Ozawa oder Metzmacher. Seine solistische Qualität, die außerordentliche Bandbreite seines Repertoires und insbesondere auch seine improvisatorischen Fähigkeiten im Jazz machen ihn zu einem Geiger mit unvergleichlichem Profil. Benjamin Schmids rund 40 CDs wurden u.a. mit dem Deutschen Schallplattenpreis, Echo Klassik, Grammophone Editor’s Choice oder der Strad Selection ausgezeichnet. Er konzertiert auf einer Stradivari Violine ex 1731, unterrichtet als Professor am Mozarteum in Salzburg und gibt Meisterklassen an der Hochschule Bern. Über Benjamin Schmid wurden mehrere Filme gedreht, die die herausragende künstlerische Persönlichkeit des Geigers in weltweiter TV-Ausstrahlung festhielten. 2006 erhielt Benjamin Schmid den „Internationalen Preis für Kunst und Kultur“ seiner Heimatstadt Salzburg, in der er mit seiner Frau, der Pianistin Ariane Haering, und den gemeinsamen drei Kindern lebt. Cosima Greeven Cosima Greeven wurde 1969 in Düsseldorf geboren und ist dort aufgewachsen. Nach dem Abitur studierte sie in Hamburg zunächst Politikwissenschaften und Afrikanistik. Sie besuchte die Clownsschule in Hannover, um anschließend ihre Schauspielausbildung in Hamburg zu absolvieren. Gastverträge führten sie an das Deutsche Schauspielhaus Hamburg und an das Jüdische Theater Hamburg. Cosima Greeven war am Landestheater Schleswig-Holstein engagiert, im Anschluss daran war sie Mitglied des Schauspielensembles am Theater Rudolstadt. Am Theater Heilbronn arbeitet sie regelmäßig als Gast. konzertvorschau redblue meets Klassik Twin clarinets sa 10. november 2012 // 20 uhr Veranstaltungscenter redblue, Böllinger Höfe Restaurant & Sportsbar ab 18 Uhr geöffnet. Werke von Bizet, Levitas, Giampieri, Mozart, Sarasate & Tschaikowsky Klarinetten im Doppelpack! Die Zwillinge Daniel und Alexander Gurfinkel begeistern durch musikalisches Feingefühl und Spielfreude. Lassen Sie sich vom emotionalen Klang ihrer Instrumente, der sich auf wunderbare Weise mit dem Streichorchester mischt, verzaubern! Duo Gurfinkel // Klarinette // Ruben Gazarian // Dirigent Württembergisches Kammerorchester Heilbronn impressum Herausgeber Württembergisches Kammerorchester Heilbronn Geschäftsführender Intendant: Dr. Christoph Becher Moltkestraße 11, 74072 Heilbronn Tel.: + 49-7131-87272, Fax: + 49-7131-627439 [email protected], www.wko-heilbronn.de Gestaltung parole GmbH, München, www.parole.de Druck Welker Druck Druck- und Verlags GmbH Otto Welker Fotonachweis Marco Borggreve, B. Salomon Redaktion Judith Heinrich