Innenarchitektur

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Innenarchitektur
Das Wichtigste in Kürze
Die Autoren
John Coles arbeitete nach seinem Architekturstudium an der Oxford
School of Architecture und als Art Director bei BBC Television.
Heute lehrt er an der Middlesex University in den Fachbereichen
Innenarchitektur und Design.
Naomi House studierte Innenarchitektur und Design an der Middlesex
University sowie Geschichte der modernen Architektur an der Bartlett
School of Architecture in London. Seit 2001 lehrt sie an der Middlesex
University Innenarchitektur und Design.
Aus dem Englischen übersetzt von Jean Christopher
John Coles & Naomi House
1. Auflage
© 2008 der deutschsprachigen Ausgabe:
Deutsche Verlags-Anstalt, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Titel der englischen Originalausgabe:
The Fundamentals of Interior Architecture
© AVA Publishing SA 2007
Übersetzung © 2008 Deutsche Verlags-Anstalt,
Verlagsgruppe Random House GmbH
Alle Rechte vorbehalten.
Innenarchitektur
Das Wichtigste in Kürze
Abbildungen auf der Umschlagrückseite (von links nach rechts):
Virgile and Stone, Villa Arena Einrichtungshaus, Blick in das Atrium,
Foto: Jannes Linders (siehe S. 27);
Blacksheep, Foto: Francesca Yorke (siehe S. 118);
Blacksheep;
Blacksheep, Hugh Grover Associates, Schaufenster (siehe S. 146, 164);
Jonathan Stickland, Loft, Blick in das Treppenhaus, Foto: James Morris,
www.jamesmorris.info (siehe S. 37);
Nick Coombe, Kunsthandwerksausstellung Beauty and the Beast:
New Swedish Design, Crafts Council, Innenansicht, Foto: James Morris
(siehe S. 73).
Grafische Gestaltung: Gavin Ambrose
www.gavinambrose.co.uk
Satz der deutschen Ausgabe: Boer Verlagsservice, München
Umschlaggestaltung der deutschen Ausgabe:
Susanne Ebersberger, DVA
Druck und Bindung: AVA Book Production Pte. Ltd., Singapur
Printed and bound in Singapore
ISBN 978-3-421-03705-3
www.dva.de
Deutsche Verlags-Anstalt
Inhalt
012
3456
Einführung
MATERIAL/Textur
Zur Benutzung
RAUM/Form
6
dieses Buchs
Einführung
8
ORT/Funktion
LICHT/Stimmung
PRÄSENTATION/
Schlussbetrachtung /
Repräsentation
Anhang
Raum & Ort
16
Analyse des Ortes
46
Den Raum erfassen
78
Lichtarten
120
Die wichtigsten
Gestaltungselemente
24
Arten von Innen-
58
Materialwahl
88
Lichtnutzung
130
Phasen eines
Literatur & Kunst
172
Die Wahrnehmung
98
Lichtplanung
142
Projekts
Gebäude
173
Darstellungstechniken 154
Register
174
Dank, Textquellen
176
& Komposition von
Innenräumen
räumen
von Materialien
Materialien für den
Innenausbau
108
148
Schlussbetrachtung 170
& Bildnachweis
Zur Benutzung dieses Buchs
6/7
Bildunterschriften
Jede Abbildung wird von einer
Bildunterschrift begleitet, die
weiterführende Informationen
zu dem dargestellten Projekt
liefert.
Kapiteleinführungen
Jedes Kapitel beginnt mit
einer kurzen Einführung, in
der die wesentlichen
Gedanken und Inhalte
zusammengefasst werden.
Zitate
Zitate berühmter Innenarchitekten, Architekten und Designer
bereichern die vermittelten
Inhalte.
Architektenbiografien
Im ganzen Buch finden sich
Informationen zum Werk und
zu einzelnen Projekten von
Architekten und Designern,
die die Innenarchitektur maßgeblich beeinflusst haben.
Unterkapitel
Jedes Unterkapitel beginnt
mit einer Auflistung der
behandelten Themen und
mit einem einführenden Text.
Zusammenfassende Fragen
Jedes Unterkapitel endet mit
einer Auswahl an Fragen, die die
wichtigsten Inhalte zusammenfassen. Sie helfen dem Leser zu
überprüfen, welche Inhalte er im
Gedächtnis behalten hat.
Zur Benutzung dieses Buchs
Zur Benutzung dieses Buchs
Orientierung
Die Überschrift des jeweiligen
Kapitels steht oben links, die
Seitenzahlen finden sich
oben rechts auf jeder Seite.
Die Titel der einzelnen
Unterkapitel stehen ganz
unten rechts.
Einführung
Öffnet man die Tür eines beliebigen Gebäudes, irgendwo auf der Welt, und tritt ein, wird man unwillkürlich
auf den Raum hinter dieser Tür reagieren. In der Folge
wird sich dieser erste Eindruck vielleicht verstärken
oder auch verändern. Diese Eindrücke sind kein Zufall.
Sie sind das Ergebnis der Sinneswahrnehmungen
(sehen, hören, riechen und tasten), die dem Gehirn
übermittelt werden. Das Gehirn analysiert und vergleicht sie mit vorherigen Erfahrungen, mit dem Sinn
für Gleichgewicht und Proportion und mit der psychologischen, individuell oft sehr unterschiedlichen Reaktion auf Licht, Farbe und Geräusche.
All diese Wahrnehmungen und Gefühle, die wir beim
Betreten eines Raumes erfahren, spricht der Innenarchitekt in seinen Entwürfen an. Natürlich geht es in der
Innenarchitektur um mehr als um das Schaffen eines
eindrucksvollen Erlebnisses. Mit seinen Fähigkeiten
und durch die genaue Kenntnis von Theorie und Praxis
kann der Innenarchitekt eine Umgebung entwerfen,
die nicht nur ihren Zweck erfüllt, sondern auch den
Bedürfnissen der Nutzer entspricht.
Die Innenarchitektur ist ein Berufsfeld, das sich mit
dem Planen, Gestalten und Realisieren von Innenräumen beschäftigt und dabei Theorie, Geschichte sowie
die Prinzipien der Architektur berücksichtigt. In den
letzten Jahren hat die Innenarchitektur immer mehr
an Bedeutung gewonnen – unter anderem deswegen,
weil sie die Strenge des architektonischen Denkens
mit einem sinnlichen Ansatz verbindet.
Innenarchitektur ist nicht zu verwechseln mit dem
sogenannten interior design. Dieser ungenaue, nicht
geschützte Begriff ist zunehmend in Zeitschriften und
Millennium Dome, Ruhebereich
Ort: London, Großbritannien
Fertigstellung: 2000
Entwurf: Richard Rogers
Nicht alle für das Gebäude entworfenen Räume haben eine bestimmte Funktion. Die Qualitäten von Form, Farbe und Licht dieses
Ruhebereichs vereinen sich zu einem meditativen Erlebnis, an dem
der Besucher physisch und emotional teilhaben kann.
Foto: Jonathan Mortimer
8/9
Fernsehsendungen zu finden, bei denen es vorrangig
um die Auswahl von Vorhängen, Möbeln, Tapeten oder
Wandanstrichen geht – Aktivitäten, die besser mit
»Innenraumdekoration« betitelt wären.
Eine gelungene Innenarchitektur zeichnet sich durch
folgende Merkmale aus:
• Respekt gegenüber Raum und Kontext,
• den spielerischen Umgang mit dem Raum und dessen bewusste Manipulation,
• die Stimulation von Sinnesempfindungen wie Hören,
Berühren, Riechen und Sehen als notwendigen Teil
der Raumerfahrung,
• den Einsatz von Licht als raumdefinierendes Medium,
das Effekte und Behaglichkeit generiert,
• den Gebrauch von Materialien und Farben als integralen Bestandteil des entworfenen Interieurs.
Einführung
Einführung
Innenarchitektur. Das Wichtigste in Kürze
Einführung
Sowohl im philosophischen als auch im angewandten
Sinn ist die Innenarchitektur eine Disziplin, die sehr
eng (aber nicht ausschließlich) mit dem Umbauen von
bestehenden Gebäuden verbunden ist. Sie spielt
deshalb eine wichtige Rolle bei der nachhaltigen
Wiederverwendung der gebauten Umwelt. Es gibt
keinen Gebäudetypus, ob vornehm oder bescheiden,
dessen Räume nicht von einem Innenarchitekten
gestaltet werden könnten. Paläste, Hotels, Flughäfen,
Büros, Warenhäuser, Restaurants, Bahnhöfe, Eckgeschäfte oder Wohnungen, sie alle bieten die Gelegenheit der Umformulierung, Aktualisierung und
Verbesserung der Wohn- und Arbeitsumgebung. Um
diese Aufgaben zu erfüllen, muss man Gebäude und
Umgebungen analysieren können, die Wünsche des
Kunden genauso wie gesellschaftliche Erwartungen
verstehen und daraus ein Konzept entwickeln können,
das die verschiedenen Aspekte miteinander verbindet.
Die Rolle des Innenarchitekten kann je nach fachlicher
Ausrichtung und Auftragsvorgabe sehr verschieden
10/11
sein. Sein Tätigkeitsbereich umfasst sowohl das Erfassen und die Interpretation der Bedürfnisse des
Bauherrn – sei es ein Privatkunde, ein öffentlicher
Auftraggeber oder ein Geschäftskunde – als auch
die Zusammenarbeit mit anderen Fachleuten, wie
Architekten, Ingenieuren, Heizungs- und Lüftungstechnikern, Handwerkern und Gutachtern. Dies ist wichtig,
um eine kreative Antwort auf die Bedürfnisse des
Bauherrn geben zu können und dafür zu sorgen, dass
das Konzept zu einer gebauten Realität wird. Während
des gesamten Prozesses trägt der Innenarchitekt die
Verantwortung dafür, dass unzählige notwendige
Entscheidungen getroffen, alle Arbeiten benannt und
dokumentiert werden und stellt sicher, dass rechtliche
und behördliche Auflagen eingehalten werden. All dies
summiert sich zu einer sehr anspruchsvollen Aufgabe,
die aber eine einzigartige Möglichkeit bietet: die
Lebensbedingungen von Menschen nachhaltig zu
verbessern.
Canary Wharf,
U-Bahn-Station
Ort: London, Großbritannien
Fertigstellung: 2000
Entwurf: Foster + Partners
Innenräume haben nicht immer
den Maßstab eines Wohnhauses. In der Londoner U-BahnStation Canary Wharf wird die
Bewegung vom dunklen Untergrund bis zum lichtdurchfluteten Erdgeschoss inszeniert wie
in einer Kathedrale.
Foto: Jonathan Mortimer
Einführung
Einführung
Cuckoo Club, Ideenskizze
Ort: London, Großbritannien
Fertigstellung: 2005
Entwurf: Blacksheep
Am Beginn des Entwurfsprozesses entwickelt der Innenarchitekt ein
Konzept und beginnt mit ersten Nachforschungen über das existierende Gebäude und dessen Umgebung. Ein Konzept bringt
schematisch die Hauptideen hinsichtlich Gestaltung und Funktion
der Räume zum Ausdruck. Die nebenstehende Zeichnung könnte
dem Bauherrn präsentiert werden, um die Entwurfsabsichten und
erste Vorstellungen von Form und Materialität zu kommunizieren.
12/13
MBAM (Marble Bar Asset Management) Geschäftsetage,
Rezeption
Ort: London, Großbritannien
Ausführung: 2004
Entwurf: Blacksheep
Innenarchitekten überprüfen fortwährend, ob das Verhältnis zwischen der kreativen Gesamtaussage und den detaillierten Einzelteilen eines Entwurfs noch stimmt. Das Bild zeigt eine klare und
minimalistische Herangehensweise an die Raumgestaltung ohne
überflüssige Details. Dies ist sowohl bei den wichtigsten formalen
Bestandteilen als auch bei der Materialwahl sichtbar. Interessant
sind hier vor allem die Anschlussdetails, wie die Verbindung zwischen Glaswänden und Bodenbelag oder des Thekenkorpus und
der Abdeckplatte aus Glas.
Foto: Francesca Yorke
Die einzelnen Kapitel des vorliegenden Buchs stellen
die grundlegenden Ideen und die wichtigsten Abläufe
aus der Berufspraxis des Innenarchitekten vor und
analysieren diese. Beschrieben werden nicht nur die
Ziele und der praktische Zweck des Entwerfens, son-
dern auch die Wertvorstellungen und Inhalte, die mit
den Entwurfsentscheidungen übermittelt werden sollen.
Neben den unterschiedlichen Kenntnissen und Fähigkeiten wird dem Leser zugleich das wichtigste Fachvokabular der Innenarchitektur vermittelt.
Innerhalb des Buchs wird der Begriff »Innenarchitekt«
als allgemeine Bezeichnung für jemanden verwendet,
der Innenarchitekturen verwirklicht. Nicht jede Innenarchitektur wird tatsächlich von einem Innenarchitekten
realisiert. In manchen Ländern, wie England, ist die
Berufsbezeichnung »Architekt« durch vielerlei Bestimmungen geschützt, mit der Folge, dass es die Bezeichnung »Innenarchitekt« hier nicht gibt. In Deutschland ist
»Innenarchitekt« eine geschützte Berufsbezeichnung,
die nur nach Abschluss eines Studiums, einer berufspraktischen Tätigkeit und der Aufnahme in die Architektenkammer getragen werden darf. Historisch gesehen ist das, was wir heute Innenarchitektur nennen,
von Architekten und Handwerkern mit den noch heute
verwendeten Prinzipien geschaffen worden, lange bevor
diese formal definiert wurden.
Einführung
»Ich sehe die Architektur nicht als moralisches Vorhaben, als Wahrheit, wie
Gropius es tat, sondern als Erfindung –
so wie auch die Poesie, die Musik oder
die Malerei Erfindungen sind.«
Michael Graves
RAUM/Form
14/15
Innenarchitekten arbeiten mit jeder
Art und Größe von Gebäuden. Somit
ist auch die Zahl möglicher Entwurfsaufgaben nahezu unbegrenzt. Dieses
Kapitel zeigt, wie das bestehende
Gebäude den innenarchitektonischen
Entwurf beeinflussen kann. Es zeigt
auch die unterschiedlichen Hilfsmittel, derer sich der Innenarchitekt
bedienen kann, um das gewünschte
Raumerlebnis zu schaffen.
1
Innenarchitektur. Das Wichtigste in Kürze
RAUM/Form
16/17
Raum & Ort
In diesem Unterkapitel
Der Charakter eines Ortes / Umnutzung
In seinen Texten beschreibt Le Corbusier das Prinzip der Tabula Rasa als
eine Art städtebaulichen Kahlschlag, der als Grundlage für neue Entwürfe
Battersea Kraftwerk
Ort: London, Großbritannien
Fertigstellung: 2008 (geplant)
Entwurf: Universal Design
Studio
Die industrielle Vergangenheit
und Gegenwart dieses Gebäudes in einer der besten Lagen
Londons stellt die Planer vor
völlig neue Herausforderungen.
Die Umgebung ist beim Entwurf
genauso zu berücksichtigen
wie die Typologie und der Ausdruck des Bauwerks selbst.
Innenarchitekten müssen das
Umfeld eines Gebäudes genau untersuchen, um wichtige
Grundlagen für einen gelungenen Entwurf zu erhalten.
dienen soll. Insbesondere zeigt er, dass man auch aus dem Nichts einen
Ort schaffen kann. Der Begriff »Ort« bezeichnet eine bestimmte Stelle, die
entweder eine einzige, ganz spezifische oder mehrere unterschiedliche, sich
verändernde Identitäten haben kann und die oft eine besondere Beziehung
zur Architektur und zur Umgebung hat. Es ist wichtig, dass sich der Mensch
Der Charakter eines Ortes
Orte sind Räume, die eine bestimmte Bedeutung
haben, die sich erst im Lauf der Zeit herausbildet. So
gesehen ist die Kenntnis seiner Geschichte notwendig,
um einen Ort zu schaffen. Dabei kann es sich um
einen historischen Hintergrund handeln, der allgemein
bekannt ist, ebenso aber auch um individuelle Begebenheiten, die mit einem Ort eng verbunden sind: So
nimmt den Trafalgar Square in London jeder als beeindruckenden Ort wahr; aber die Straße, die man als
Kind täglich entlang gelaufen ist, versteht man selbst
besser als jeder andere. Die Wahrnehmung eines Ortes
kann also sowohl offensichtlich (wie im Fall des Trafalgar
Square) als auch sehr persönlich sein – und oft über-
schneiden sich diese beiden Erfahrungen auch. Das
Erfassen eines Gebäudes innerhalb seines räumlichen
Kontextes ist ein wesentlicher Teil des Entwurfsprozesses. Nur sehr selten wird ein Architekt im Sinn Le Corbusiers beauftragt werden, aus dem Nichts heraus zu
entwerfen; ein Innenarchitekt niemals. Die Aufgabe
des Innenarchitekten ist es zu verändern. So gelangt
neues Leben in Räume und Orte, die zwar ihren eigenen Charakter und ihre eigene Geschichte haben, aber
durch soziale oder wirtschaftliche Zwänge, um sich
an neue Trends anzupassen oder wegen eines Eigentümerwechsels eine neue Gestalt und Identität bekommen sollen. Damit diese Veränderung gelingt, muss
der Innenarchitekt die historischen Qualitäten des
Gebäudes erkennen und dieses Wissen für seinen Entwurf verwenden. So kann es – unter Berücksichtigung
der praktischen und ästhetischen Vorgaben – zu einem
Dialog zwischen dem neuen Interieur und dem bestehenden Gebäude kommen.
Es gibt viele Gründe, ein altes Gebäude umzubauen,
anstatt es einfach abzureißen und ein neues zu errichten. Da wären zunächst die Materialien und die Energie, die in dem bestehenden Bau schon umgesetzt
sind. Dieser Wert kann nur auf kostspielige und wenig
ökologische Weise ersetzt werden. Die Umnutzung
eines Gebäudes stellt eine bereichernde Erfahrung
dar, denn durch sie entsteht eine greifbare Verbindung
zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In
jedem Gebäude gibt es formale, materielle oder handwerkliche Spuren, die auf die Zeit seiner Erbauung verweisen, und meist auch später entstandene Um- und
Anbauten. Dadurch ergibt sich eine Lebendigkeit und
Vielfalt, die der Innenarchitekt in seinen Entwurf einfließen lassen kann. Die Form und Proportion der Räume,
die Gestalt und Anordnung der Fenster, die Oberflächen von Materialien und Tragwerk machen in der
Summe das aus, was man den Genius Loci nennt –
den Geist des Ortes. Der Innenarchitekt muss diesen
Geist erkennen und seine Qualitäten und Möglichkeiten
zu nutzen wissen.
Raum & Ort
Kapitel 1 RAUM/Form
mit den Orten, die er nutzt, identifizieren und sie begreifen kann.
Innenarchitektur. Das Wichtigste in Kürze
RAUM/Form
Kapitel 1 RAUM/Form
Konstruktion
Das Zusammenfügen von
Bauteilen zu einem Ganzen
wird in der Architektur
Montage oder Konstruktion
genannt.
Bausubstanz
Die »Hauptbestandteile« eines
Gebäudes – Wände, Böden
und Decken.
Carlo Scarpa (Italien)
1906–1978
Bedeutende Bauwerke:
Museo Castelvecchio, Verona, Italien
Brion-Vega Friedhof, San Vito d’Altivole, Italien
Carlo Scarpa ist für sein großes Geschick bei der Verwendung
roher Materialien sowie für seine umfassenden Kenntnisse handwerklicher Techniken und der venezianischen Kunst bekannt. Im
Gegensatz zu anderen Architekten des 20. Jahrhunderts wider-
den zeitgemäßen Anforderungen angepasst, indem
beispielsweise eine Heizungsanlage, ein neues Bad
oder eine neue Küche installiert werden. Bei Renovierungsarbeiten findet meist keine größere Veränderung
von Form oder Funktion des Gebäudes statt.
Von Sanierung spricht man bei einer bautechnischen
Modernisierung eines Gebäudes, um Mängel zu beseitigen, den Standard zu erhöhen und einer neuen Nutzung gerecht zu werden.
Bei einem Umbau wird eine neue Funktion in das
bestehende Gebäude gebracht, was zu wesentlichen
Veränderungen führen kann. Wie bereits erwähnt,
werden die dem Gebäude immanenten Ressourcen
genutzt, um das Neue mit dem Alten zu verbinden.
Innenarchitekten arbeiten vor allem in den Bereichen
Renovierung und Umbau, wobei sich die Kategorien
nicht gegenseitig ausschließen und teilweise auch
miteinander verknüpft sind. Als Beispiel sei hier der
Umbau des großen Innenhofes des British Museum
von Foster + Partners genannt, bei dem nicht nur
das zentrale Gebäude des Lesesaals eine neue Hülle
erhielt, sondern auch ein den Hof überspannendes
Glasdach errichtet und die internen Fassaden, die
man jahrelang vernachlässigt hatte, renoviert wurden.
Funktion
Der Zweck eines Gebäudes
und dessen praktische Nutzung.
Fassade
Die Außenflächen eines
Gebäudes.
stand er der Versuchung, das Bauen zu vereinfachen und nur auf
seine Funktion zurückzuführen. Seine Arbeit inspirierte viele Architekten und Designer, die das Handwerk und die Verwendung
luxuriöser Materialien in zeitgenössischer Art und Weise neu beleben wollten. Bis in die späten 1970er Jahre lehrte Scarpa Zeichnen und Innenarchitektur. Die meisten seiner Bauten wurden in
Norditalien realisiert, es gibt aber auch Gebäude, Landschaftsgestaltungen und Gärten von ihm in den USA, in Kanada und in
Saudi-Arabien.
Barbican Tower Apartment, Blick in das Schlafzimmer
Ort: London, Großbritannien
Fertigstellung: 2004
Entwurf: Nick Coombe
Der lange, bündig in die Wandoberfläche eingelassene Spiegel in
einem Schlafzimmer stellt mit seiner Panoramasicht auf die Stadt
den Zusammenhang zwischen dem Raum und der Umgebung her.
Die städtische Lage des Apartments wird dadurch zelebriert. Klare
Kanten und helle Wandflächen bestimmen den Raum.
Foto: James Morris, www.jamesmorris.info
Raum & Ort
Umnutzung
Bei jeder Umnutzung eines bestehenden Gebäudes
muss man sich mit der vorhandenen Konstruktion und
Bausubstanz auseinandersetzen; diese stabilisieren,
verstärken oder auf die neue Nutzung vorbereiten. Im
Wesentlichen wird man dabei mit den folgenden Fällen
zu tun haben:
Bei Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung wird das Gebäude in seinem aktuellen Zustand
konserviert. Es wird ausgebessert, um es vor dem weiteren Verfall zu bewahren – ohne den Versuch, es
umfassend zu reparieren oder zu sanieren. Dieses Vorgehen ist angemessen bei bedeutenden, oft denkmalgeschützten Gebäuden, die man nicht in den Originalzustand zurückführen will, die aber ohne solche Ausbesserungen mit der Zeit zerstört würden.
Bei einer Rekonstruktion wird der Ursprungszustand
des Gebäudes wiederhergestellt, selbst wenn dieses in
Teilen oder vollständig neu errichtet werden muss.
Dabei wird, soweit möglich, mit historischen Techniken
und Originalmaterialien gearbeitet. Derartige Maßnahmen sind umstritten, da nur ein schmaler Grat zwischen der historisch korrekten Rekonstruktion und
einer bloßen Nachahmung liegt.
Bei einer Renovierung wird das Gebäude erneuert und
18/19
Innenarchitektur. Das Wichtigste in Kürze
RAUM/Form
20/21
»Überall auf der Welt gibt es Gebäude,
die einer neuen Funktion zugeführt wurden und die ihren Benutzern nun besser
zu dienen scheinen als jemals zuvor …«
Peter Blake
Stella McCartney, Flagship Store UK, Innenansicht (rechts)
Ort: London, Großbritannien
Fertigstellung: 2002
Entwurf: Universal Design Studio
Durch die großen Öffnungen in der Fassade flutet das natürliche
Licht in den Innenraum. Die Fenster und Türen waren schon Teil des
Gebäudes, als es errichtet wurde, und entfalten nun ihre Wirkung in
der modernen Umgestaltung. Zugunsten eines maximalen Einfalls
von Tageslicht verzichtete man auf jeglichen Sonnenschutz, sodass
die Kleidungstücke optimal präsentiert werden können.
Foto: Richard Davies
Raum & Ort
Kapitel 1 RAUM/Form
Stella McCartney, Flagship Store UK, Außenansicht (links)
Ort: London, Großbritannien
Fertigstellung: 2002
Entwurf: Universal Design Studio
Innenarchitekten sind mit verschiedenen Bautypen konfrontiert, die
die Entwurfsmöglichkeiten zwar einschränken, aber zugleich auch
nützliche Vorgaben bieten können. Der Entwurf für den Londoner
Flagship Store von Stella McCartney setzt die Modekollektion perfekt in Szene und bezieht sich zugleich auf die Geschichte des
Gebäudes.
Foto: Richard Davies
Innenarchitektur. Das Wichtigste in Kürze
RAUM/Form
22/23
Zusammenfassende Fragen
Raum & Ort
Was macht
aus einem Raum
einen Ort?
Welche Rolle kommt
dem Innenarchitekten
zu?
Wie kann man einen
Raum verändern
und ihm eine neue
Bestimmung geben?
Inwieweit beeinflusst der Bestand
den innenarchitektonischen Entwurf?
Raum & Ort
Kapitel 1 / RAUM/Form
Wie nehmen wir die
Räume wahr, die wir
bewohnen und
nutzen?
Innenarchitektur. Das Wichtigste in Kürze
RAUM/Form
24/25
Gestaltungselemente & Komposition
von Innenräumen
In diesem Unterkapitel
Fläche / Maßstab / Proportion / Sichtachsen / Bewegung / Übergänge / Barrierefreiheit
Thomas Cook, Accoladia,
Blick in das Restaurant
Ort: Peterborough,
Großbritannien
Fertigstellung: 2001
Entwurf: Bluebottle
In diesem Sitzbereich werden
flächige Elemente benutzt, um
den Raum zu definieren und
unterschiedliche Bereiche
voneinander abzugrenzen.
Die Öffnungen zeigen, was
auf der jeweils anderen Seite
der Wandfläche passiert.
Foto: Frans Burrows
Im folgenden Abschnitt werden die wesentlichen Elemente, Grundlagen und
Begriffe der Innenarchitektur vorgestellt, mit deren Hilfe der Charakter und
die Qualität eines Innenraums definiert werden können. Die gestalterischen
Mittel lassen sich sowohl einzeln als auch in Kombination miteinander ver-
Fläche
Die Fläche ist das wichtigste Gestaltungselement der
Innenarchitektur. Flächen sind zweidimensionale Formen, die den Raum umschließen und abgrenzen, wie
Wände, Böden und Decken. Kleinere flächige Elemente sind Türen, Treppen sowie Ausstattungselemente
wie Regale und Möbel. Ob es sich um geschlossene
oder offene Räume handelt, die Fläche wird zum Träger von Material, Textur und Farbigkeit sowie – durch
Absorption und Reflexion – von Akustik und Licht.
Indem man eine Fläche »perforiert«, also mit Öffnungen
versieht, kann man auf einen anderen Bereich des
Innenraums oder Ortes verweisen, einen Durchgang
oder Durchblick schaffen oder Licht, Luft und Schall
hindurchlassen.
Gebaute Flächen sind nicht zweidimensional, sondern
haben immer eine gewisse Materialstärke. Wie viel
davon sichtbar bleibt oder ob diese aus ästhetischen
Gründen betont wird, ist vom Innenarchitekten zu entscheiden. Bei traditionellen, massiven Bauweisen sieht
man meist die ganze Dicke des Materials. Durch das
Aufkommen neuer Techniken und Baustoffe konnten
im Laufe der Zeit immer schlankere Strukturen errichtet
werden, die zu einem Synonym für Modernität wurden.
Das Haus Schröder in Utrecht von Gerrit Rietveld ist
ein gutes Beispiel für den Einsatz von Flächen. Sowohl
von außen als auch von innen betrachtet wirkt das
Gebäude wie eine Reihung von frei im Raum schwebenden dünnen Scheiben.
Gestaltungselemente & Komposition von Innenräumen
Kapitel 1 / RAUM/Form
wenden, um Räumen Ausdruck und Atmosphäre zu verleihen.
Innenarchitektur. Das Wichtigste in Kürze
RAUM/Form
Maßstab
Der Begriff »Maßstab« hat zweierlei Bedeutung: Einerseits ist der Maßstab eine Methode, mit der man ein
Gebäude gedanklich verkleinern und somit auf ein
Blatt Papier zeichnen kann. Zeichnet man in einem
bestimmten Maßstab, wird jedes einzelne Element
eines Gebäudes in einem ausgewählten Größenverhältnis optisch verkleinert dargestellt. Bei einer für die
Innenarchitektur sehr großen Zeichnung, wie einem
Lageplan, wählt man ein Größenverhältnis von 1: 200
oder 1: 500, wodurch jedes einzelne dargestellte
Objekt ein Zweihundertstel oder ein Fünfhundertstel
der realen Größe hat. Beim Zeichnen kleinerer Elemente, wie beispielsweise dem Detail eines Schrankes,
wählt man einen Maßstab von 1: 5 oder sogar die reale
Größe (1:1). Dazwischen liegen zum Beispiel Entwurfs-
26/27
zeichnungen, die man in einem Maßstab von 1: 50
oder 1:100 anfertigt.
Die zweite Bedeutung des Begriffs »Maßstab« betrifft
die sichtbare Größe eines Objekts im Verhältnis zu
einem anderen. Da Innenarchitekten fast immer Räume
für Menschen schaffen, wählt man als Bezugspunkt
bevorzugt die Größe eines Menschen und spricht
somit vom Verhältnis zum menschlichen Maßstab.
Wenn wir einen Raum oder ein Objekt als angenehm
und für uns passend empfinden, können wir es als
dem menschlichen Maßstab entsprechend bezeichnen.
Villa Arena, Einrichtungshaus, Blick in das Atrium
Ort: Amsterdam, Niederlande
Fertigstellung: 2001
Entwurf: Virgile and Stone
Durch das großzügig gestaltete
Atrium scheint das Tageslicht
bis zu den Erschließungswegen
dieses großen Einrichtungshauses hinunter.
Foto: Jannes Linders
Arne Jacobsen (Dänemark)
1902–1971
Bedeutende Bauwerke:
Dänische Nationalbank, Kopenhagen
SAS Royal Hotel, Kopenhagen
Der dänische Architekt und Designer Arne Jacobsen kümmerte
sich um jeden Aspekt seiner architektonischen Entwürfe: von der
Landschaft über die Gebäudekonstruktion bis hin zu den Materialien und kleinsten Details. Sogar bei Elementen wie Türgriffen lenkte er seine Aufmerksamkeit rigoros auf Proportion und handwerk-
liche Qualität. Als Designer produzierte er Stühle (z. B. die Modelle
Ameise und 3107) und gepolsterte Sitzmöbel (z. B. die Modelle Ei
und Schwan) sowie das Geschirr der Cylinda-Line. In allen seinen
Arbeiten kombiniert er die funktionalen Ideale des Rationalismus
mit einer nordischen Vorliebe für Einfachheit und naturalistische
Gestaltungsweisen. Seinen integrativen Ansatz von Architektur
und Design erkennt man gut am SAS-Hotel in Kopenhagen und
am St. Catherine’s College in Oxford. Jacobsen studierte an der
Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen, an der er
von 1956 bis 1965 lehrte. www.arne-jacobsen.com
Gestaltungselemente & Komposition von Innenräumen
Kapitel 1 / RAUM/Form
Patek Philippe, Messestand
Ort: Basel, Schweiz
Fertigstellung: 1998
Entwurf: Virgile and Stone
Der verglaste elliptische Pavillon steht in einem großen hellen Raum.
Wie ein Haus im Haus bewahrt er sich eine unabhängige Form und
Funktion.
Foto: Ian McKinnel
Eliden-Shop, Kaufhaus Lotte, Gesamtansicht
Ort: Seoul, Südkorea
Fertigstellung: 2001
Entwurf: Universal Design Studio
Die Proportionen des Raumes betonen die Breite mehr als die
Höhe. Die gemusterten, raumhohen Glaspaneele brechen die horizontale Ausrichtung auf und schaffen durch ihre Überlappungen
spannungsvolle Bezüge.
28/29
Gestaltungselemente & Komposition von Innenräumen
Kapitel 1 / RAUM/Form
Innenarchitektur. Das Wichtigste in Kürze
RAUM/Form
Innenarchitektur. Das Wichtigste in Kürze
RAUM/Form
Adolf Loos (Österreich)
1870–1933
Bedeutende Projekte:
Haus Steiner, Wien, Österreich
Haus Müller, Prag, Tschechische Republik
American Bar, Wien, Österreich
Der Beginn der Moderne in der Architektur wird oft mit dem Werk
von Adolf Loos in Verbindung gebracht. Seine Ideen sind vielleicht
sogar bekannter als seine Bauten. Er war einer der Ersten, der die
Gebäuden garantiert. Die entwickelten Systeme reichen von rein mathematischen Prinzipien – wie der
Fibonacci-Folge oder dem Goldenen Schnitt, der
schon in der griechischen Antike verwendet wurde –
bis zum Vorschlag Leonardo da Vincis, die Proportionen des menschlichen Körpers und dessen Reichweite
zum Ausgangspunkt jeder gestalterischen Tätigkeit zu
machen. Im Jahr 1947 stellte der bedeutende Architekt
Le Corbusier ein System mit dem Namen »Modulor«
vor, das sowohl anthropometrische als auch mathematische Ansätze berücksichtigte. Ob all die im Lauf der
Jahrhunderte entwickelten Systeme als Instrumente
beim kreativen Prozess des Entwerfens zum Einsatz
kamen oder aber im Nachhinein aus der Analyse allgemein bewunderter Werke oder natürlicher Formen –
wie die des griechischen Tempels oder spiralförmiger
Muschelschalen – entwickelt wurden, lässt sich nicht
mit Sicherheit sagen. Eine konsequente Anwendung
der Ideen und Systeme, so interessant sie in ihrem
Ansatz auch sein mögen, ist jedoch schwierig zu erreichen, nicht zuletzt, weil sie zweidimensionale Konstrukte in einer dreidimensionalen Welt sind. Eine praktischere, wenn auch weitaus nüchternere Bedeutung
haben Aufzeichnungen von anthropometrischen Daten
unserer heutigen Gesellschaft. Solche Informationen
sind für den Entwurf von Räumen sowie für die Gestaltung von Produkten und Prozessen, die in engem
Zusammenhang mit den Proportionen und Bewegungen des menschlichen Körpers stehen, außerordentlich
wertvoll.
Verwendung überflüssiger Dekoration anprangerte und stattdessen eine Bauweise befürwortete, die allein auf den Prinzipien der
Vernunft und Funktionalität beruhte. Seine Schriften und Theorien
führten schließlich zum Konzept des »Raumplans«, einer komplexen dreidimensionalen Raumaufteilung. Dieses System, in dem
Architektur als eine Methode von sich überschneidenden Volumen
gedacht ist, wurde im Haus Moller (Wien) und im Haus Müller
(Prag) perfekt realisiert.
Der Goldene Schnitt
Bei der Teilung einer Linie im Verhältnis von etwa 8:13 verhält
sich die kürzere Strecke zur längeren genauso wie die längere
Strecke zum Ganzen. Dieses Teilungsverhältnis wurde im Altertum entwickelt, um schöne Proportionen zu erhalten. Die Verhältniszahl ist jener der Fibonacci-Folge sehr ähnlich. Formen, die
durch den Goldenen Schnitt bestimmt sind, setzte man bereits
vor Hunderten von Jahren ein – so beim Bau der Pyramiden, der
griechischen Tempel der Antike und bei vielen Bauwerken der
Renaissance. Noch heute ist der Goldene Schnitt ein grundlegendes Gestaltungsprinzip in Kunst, Architektur und Design.
0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89,
144, 233, 377, 610, 987, 1597, 2584,
4181, 6765, 10946…
Die Fibonacci-Folge
Dies ist eine von Fibonacci (Leonardo da Pisa) im Mittelalter festgelegte Zahlenfolge, bei der sich jede Zahl aus der Summe der
beiden vorangehenden Zahlen errechnet. Sie wird seit dieser Zeit
als Basis für ein Proportionssystem genutzt. Proportionen, die
dem Verhältnis dieser Zahlenfolge entsprechen, sind besonders
angenehm anzusehen und finden sich häufig auch in der Natur.
Je weiter die Folge fortschreitet, umso mehr nähert sich der Quotient zweier aufeinanderfolgender Fibonacci-Zahlen dem Maßverhältnis des Goldenen Schnitts an.
Le Corbusier (Charles Édouard Jeanneret) (Schweiz)
1887–1965
Bedeutende Bauwerke:
Villa Savoye, Poissy, Frankreich
Unité d’Habitation, Marseille, Frankreich
Wallfahrtskirche Notre Dame du Haut, Ronchamp, Frankreich
Le Corbusier ist wahrscheinlich die einflussreichste Persönlichkeit
für die Entwicklung der modernen Architektur. Mit seinem
radikalen Funktionalismus beim Bauen und Planen erlangte er
Der Modulor
Erfunden und patentiert von Le Corbusier, war der Modulor
Thema des 1948 erschienenen Buchs Le Modulor. Le Corbusier
suchte nach einem harmonischen Maßstab für Architektur und
Technik, letztlich fand sein Proportionssystem aber in allen Bereichen der Gestaltung Anwendung. Der Modulor setzt die wichtigsten Proportionen und Dimensionen des menschlichen Körpers mit
dem Goldenen Schnitt und der Fibonacci-Folge in Verbindung. Es
handelt sich um ein wichtiges Maßsystem, das bei der Gestaltung
von Architektur und Innenarchitektur sehr nützlich sein kann.
großes Ansehen und wurde zu einem Vorreiter der Moderne.
Seine frühen Projekte waren noch stark von der Natur beeinflusst,
während er in seinem späteren Werk einen schwereren, eher
industriell geprägten Stil mit gewagten Farben, skulpturalen Formen und rauen Materialien pflegte. Ungeachtet seiner großen
Bedeutung als Architekt wurden viele seiner städtebaulichen
Entwürfe wegen ihrer Fokussierung auf Verkehrs-, Fußgängerund Funktionszonen stark kritisiert. Einer seiner Entwürfe, eine
Kirche in Firminy, Frankreich, wurde erst vor kurzem fertiggestellt.
Gestaltungselemente & Komposition von Innenräumen
Kapitel 1 / RAUM/Form
Proportion
Der Maßstab beschreibt die Größe von Bauteilen im
Verhältnis zu einem bestimmten Standardmaß. Die
Proportion hingegen bezieht sich auf das Längenverhältnis von Elementen zueinander – eines zum anderen
oder eines zum Ganzen. Der Mensch nimmt die Qualität eines Raumes über dessen Proportionen immer im
Verhältnis zu seiner Größe wahr. Ein breiter Raum mit
einer niedrigen Decke wird als bedrückend empfunden, während ein schmaler Raum mit der gleichen
Raumhöhe angenehm erscheint. Sehr hohe Räume,
beispielsweise in Kathedralen oder in wichtigen öffentlichen Gebäuden, können ein Gefühl von Ehrfurcht und
Faszination erzeugen. Das Verhältnis von Raumhöhe
zu Raumfläche ist nicht nur für die Wirkung eines Raumes wichtig, sondern auch als bestimmender Faktor
für die Menge an Tageslicht, die in den Raum gelangen
kann. In vielen Fällen reicht die Raumhöhe nicht aus,
um das Innere angemessen mit Tageslicht zu versorgen. Dieses Manko lässt sich insbesondere in sehr tiefen Großraumbüros beobachten, bei denen die limitierte Raumhöhe den Einfall von Tageslicht stark einschränkt und eine künstliche Beleuchtung mit hohen
zusätzlichen Kosten und ökologischen Nachteilen
erfordert.
Maßstab und Proportion gelten seit jeher als grundlegende Parameter für die Gestaltung. Sie waren
Gegenstand von Analysen und Theorien vieler bedeutender Architekten, Künstler und Gelehrter mit dem
Ziel, ein universelles System zu entdecken, das ein
perfektes Erscheinungsbild von Artefakten und
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Innenarchitektur. Das Wichtigste in Kürze
RAUM/Form
Richard Meier (USA)
1934
Bedeutende Bauwerke:
Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt am Main, Deutschland
Museum für Zeitgenössische Kunst (MACBA), Barcelona, Spanien
Richard Meier ist seinem Baustil immer treu geblieben. International bekannt wurde er in den 1980er Jahren durch seine modernistischen, puristischen Entwürfe für Museen, Wohnhäuser und
öffentliche Räume. Meier hat Gebäude auf der ganzen Welt reali-
man dieses Konzept weiter, sodass sich heute Gärten
und Häuser auch gegenseitig durchdringen können
und die Grenzen zwischen Innen- und Außenraum
zunehmend verwischen. Der Außenraum kann so zum
eigenständigen »Raum« mit Bodenbelag und Mobiliar
werden. Kennzeichnend für diese Tendenz ist auch die
Verwendung faltbarer Wände und innovativer Glasbauweisen. Mit letzteren beschäftigte sich der Architekt
Rick Mather besonders intensiv: 1992 entwarf er einen
außergewöhnlichen verglasten Anbau für ein Gebäude,
bei dem sowohl Hülle als auch Tragwerk aus Glas
bestehen.
Im Lauf der Geschichte haben Architekten und Innenarchitekten Form, Proportion und Sichtachsen benutzt,
um wunderbare Räume zu schaffen. Darüber hinaus
stehen ihnen aber noch weitere Instrumente zur Verfügung: eines davon ist der Überraschungseffekt. So ist
der öffentliche Eingang zur Wladislaw-Saal in der Prager Burg wie eine gewöhnliche Tür gestaltet, die zu
einem eher unansehnlichen, bedrückenden Vorzimmer
führt, in dem der Kassenschalter untergebracht ist. Am
Ende des Vorzimmers befindet sich wieder eine sehr
kleine, gewöhnliche Tür, zu der man vom Kassenpersonal geschickt wird – bis hierher kein überwältigendes
Erlebnis. Öffnet man aber diese zweite Tür, so ist der
Eindruck atemberaubend: man steht in einem lichtdurchfluteten, überwältigenden Raum, eine Erfahrung,
die man nie wieder vergisst. Ähnlich effektvolle Kunstgriffe kennt man heute aus Film und Fernsehen; zum
Beispiel wenn ein Krokodil aus der ruhigen Lagune
ausbricht oder die Landmine in der Waldlichtung
explodiert. Die Kunst besteht darin, solche Effekte zu
erkennen und sparsam und angemessen einzusetzen.
siert und bedeutende Preise gewonnen. Seine Projekte erinnern
an die Bauten Le Corbusiers, da er oft auf weiße Bauteile mit
emaillierten Paneelen und Glas zurückgreift. Auch die Rampen
und Geländer nehmen vielfach Bezug auf qualitätvolle Beispiele
der Design- und Architekturgeschichte.
www.richardmeier.com
Wohnhaus in Hampstead,
Küche
Ort: London, Großbritannien
Fertigstellung: 2004
Entwurf: Blacksheep
Der verglaste Anbau an die
Küche dieses Wohnhauses
steht in enger Beziehung zum
übrigen Gebäude. Der Entwurf
setzte sich intensiv mit der
Schnittstelle zwischen Innenund Außenraum auseinander.
Unterstrichen wird der enge
Bezug durch die Kontinuität
der verwendeten Materialien.
Foto: Gareth Gardner
Gestaltungselemente & Komposition von Innenräumen
Kapitel 1 / RAUM/Form
Sichtachsen
Die Form eines Raumes entsteht nicht nur aus den
Erfordernissen dieses einzelnen Raumes. Oft müssen
mehrere Räume nebeneinander angeordnet und aus
optischen und praktischen Gründen in Beziehung zueinander gesetzt oder auch in ihre Umgebung eingebunden werden. Der Begriff »Sichtachse« stammt aus der
Landschaftsarchitektur. Eine Sichtachse dient dazu, an
wichtigen Punkten großer Gebäude oder deren Gärten
einen bestimmten Ausblick festzulegen oder ihn auszuweiten. Dieses Prinzip ist für Gebäude jeder Art und
Größe gültig und anwendbar.
Es liegt nahe, das Erzeugen räumlicher Illusionen durch
Sichtachsen als einen der wertvollsten Beiträge anzusehen, die ein Architekt oder Innenarchitekt in der
überfüllten urbanen Welt von heute liefern kann. Sichtachsen können Teil einer privaten inneren Welt sein (die
Häuser von Adolf Loos sind gute Beispiele hierfür), sie
können aber auch in öffentlichen oder halböffentlichen
Bereichen (wie beispielsweise in Bahnhöfen oder Einkaufszentren) optische Akzente setzen. In jedem Fall
schaffen Sichtachsen für den Nutzer eines Gebäudes
vielfältige Betrachtungsmöglichkeiten. Diese Blickbezüge können durchaus fingiert oder theatralisch sein,
erfüllen aber die Sehnsucht nach ungewohnten Ausblicken und weitem Raumempfinden.
In engem Zusammenhang mit Sichtachsen steht auch
die Verbindung von Innen- und Außenräumen. Historisch gesehen hatten das Gebäude und sein Umfeld
eine sorgfältig überlegte Beziehung zueinander. Entweder bildete das Gebäude den Hintergrund für den Garten, oder der Garten war Hintergrund für das Gebäude. Die von Sir Edwin Lutyens entworfenen, mit Gärten
von Gertrude Jekyll umgebenen Landsitze verkörpern
diesen Ansatz mustergültig. In jüngster Zeit entwickelte
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Bewegung
Die Verwendung von Sichtachsen stellt trotz ihrer
Bedeutung für das Erleben von Räumen ein eher statisches Gestaltungsinstrument dar. Nicht unterschätzen
sollten Innenarchitekten die Freude an der wirklichen
Bewegung. Wege durch ein Gebäude können viele
verschiedene Formen annehmen, besonders interessant werden sie aber dann, wenn sie sich nicht nur in
einer Ebene, sondern über mehrere Geschosse entwickeln. Treppen, Rampen, Rolltreppen und Aufzüge
können ihre Aufgabe, den Nutzer durch den Raum zu
bewegen, erfüllen und zugleich faszinierende und ganz
besondere Räume schaffen. Die Treppe ist auf den
ersten Blick das gewöhnlichste der vier Erschließungselemente, doch bietet die Form des Treppenhauses
eine Fülle von Möglichkeiten; sie kann eine eigenständige Skulptur sein oder aber Formen und Materialien
der einzelnen Geschosse miteinander verbinden. Allein
die Auswahl an Materialien, aus denen Treppen errichtet werden können, ist bemerkenswert. So kann die
Glastreppe der tschechischen Architektin und Ingenieurin Eva Jiricna als ein Wunderwerk unserer Zeit
angesehen werden.
Villa Arena, Einrichtungshaus, Gesamtansicht
Ort: Amsterdam, Niederlande
Fertigstellung: 2001
Entwurf: Virgile and Stone
Die horizontale und die vertikale
Erschließung des Einkaufszentrums bestimmt die Form und
sorgt für das Funktionieren des
weiten Innenraums.
Zaha Hadid (Irak)
1950
Bedeutende Bauwerke:
Rosenthal Center for Contemporary Art, Ohio, USA
Feuerwache für das Vitra-Werk, Weil am Rhein, Deutschland
Zaha Hadid war 2004 die erste Frau, der der Pritzer-Preis für
Architektur verliehen wurde. Ihre Entwürfe sind vor allem durch ihre
charakteristische Formensprache bekannt. Voller fragmentierter
Geometrie und mit vielfältigen Sichtachsen stehen sie für das
Chaos des modernen Alltags. Man sagt den Arbeiten Hadids
nach, dass sie die Moderne verwerfen, um in einer Art »NeoModerne« aufzugehen, in der die Regeln vom Raum und seiner
äußeren Begrenzung, den Decken, Wänden, Fronten und Rückseiten, außer Kraft gesetzt sind und die Elemente in unkonventioneller Art und Weise wieder zusammengesetzt werden. Hadids
vielfältige Projekte bewegen sich fast immer an den Grenzen des
Möglichen. Innenräume hat sie unter anderem in Hong Kong, Italien, Spanien, den USA, Dänemark und Japan realisiert.
Gestaltungselemente & Komposition von Innenräumen
Wohnhaus in Hampstead,
Esszimmer
Ort: London, Großbritannien
Fertigstellung: 2004
Entwurf: Blacksheep
Das Esszimmer dieses Wohnhauses ist ein unabhängiger
Raum, der aber optisch mit
dem Nebenraum verbunden ist.
Dies beeinflusst stark die Wahrnehmung des Raumes, der viel
breiter erscheint, als er in Wirklichkeit ist.
Foto: Gareth Gardner
Innenarchitektur. Das Wichtigste in Kürze
RAUM/Form
York eine Rampe wie eine Spirale in einem hohlen,
konischen Leerraum emporführte. Es entstand eine
Struktur, die sowohl als Ausstellungsraum als auch der
Erschließung diente. Auch wenn dieser Umstand den
Kuratoren des Museums von Anfang an Probleme
bereitete, schuf Wright damit ein ikonisches Gebäude.
Rolltreppen und Aufzüge funktionieren auf unterschiedliche Art und Weise. Aufzüge aus Glas, besonders solche, die an der Außenfassade emporfahren, sind zwar
keine Neuheit mehr, aber sie machen dennoch großen
Eindruck. Durch ihre selbstfahrende Bahn wirkt die
Rolltreppe wie eine Mischung aus Aufzug, Rampe und
Treppe, nur ist die Fahrt am Anfang und am Ende der
Rolltreppe meist nicht sehr komfortabel, wegen des
ungelenken Übergangs zwischen menschlicher Bewegung und mechanischem Antrieb. Zudem sind Formen
und Materialien gestalterisch meistens nicht sehr zufriedenstellend. Glas spielt eine immer größere Rolle,
um das massive Erscheinungsbild der traditionellen
Rolltreppe zu verbessern. Wünschenswert wären auch
Neuentwicklungen in plastischen Formen.
Kapitel 1 / RAUM/Form
»Ich strebe nach einer Architektur, von
der man nichts mehr wegnehmen kann.«
Helmut Jahn
Frank Lloyd Wright (USA)
1867–1959
Bedeutende Bauwerke:
Fallingwater, Pennsylvania, USA
Guggenheim Museum, New York, USA
Prairie House, New York, USA
Frank Lloyd Wright ist eine Schlüsselfigur in der Geschichte der
Innenraumgestaltung. Ihm wird zugeschrieben, die Veränderung
von monofunktionalen, schachtelartigen hin zu gemeinschaftlich
genutzten Räumen angestoßen zu haben. Um dies zu erreichen,
arbeitete er mit einfachen Materialien und experimentierte mit
Lichtblenden, leicht versetzten Deckenhöhen und schwebenden
Flächen. Wrights Arbeit wird oft mit dem Begriff »organische
Architektur« in Verbindung gebracht, da er einfache Materialien wie
Ziegelsteine, Holz und Gips sowie neuartige, der Natur entlehnte
Formen verwendete. Heute ist die Frank Lloyd Wright-Stiftung verantwortlich für die Bewahrung des Werks des Architekten und
seiner Lehre.
Loft, Blick in das Treppenhaus
Ort: London, Großbritannien
Fertigstellung: 2004
Entwurf: Jonathan Stickland
Diese Treppe ist nicht nur ein
einfaches funktionales Bauteil,
sondern setzt einen starken
skulpturalen Akzent.
Foto: James Morris,
www.jamesmorris.info
Gestaltungselemente & Komposition von Innenräumen
Le Corbusier war der Auffassung, dass »eine Treppe
trennt – eine Rampe verbindet«. Es stimmt, dass eine
Rampe flüssige und sanfte Übergänge schafft, die bei
der eher ruckartigen Bewegung des Treppensteigens
schwierig zu erreichen ist. Wie alle anderen architektonischen Elemente hat die Rampe sowohl praktische
als auch ästhetische Qualitäten, die im Lauf der Zeit
in verschiedenen Maßstäben und aus verschiedenen
Gründen immer wieder genutzt wurden. Damit Rampen mühelos begangen werden können, müssen sie
flach sein; aber um solch eine Flachheit zu erreichen,
müssen Rampen wiederum sehr lang sein, und diese
Länge ist in der Realität sehr schwierig umzusetzen.
Bei Richard Meiers Gebäuden, der häufiger Rampen in
seinen Projekten verwendet als andere zeitgenössische
Architekten, kommt der Rampe ein hoher Anteil der
Gesamtfläche zu, so im Museum für Angewandte
Kunst in Frankfurt am Main oder im Museum für Zeitgenössische Kunst in Barcelona (Museu d’Art Contemporani de Barcelona). Viele Jahre vor ihm verfolgte
Frank Lloyd Wright einen anderen Ansatz, als er bei
seinem Entwurf für das Guggenheim Museum in New
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Innenarchitektur. Das Wichtigste in Kürze
RAUM/Form
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Übergänge
Die täglichen Wege durch ein Gebäude führen von
Raum zu Raum, von Zimmer zu Zimmer oder vom
Innen- in den Außenraum. Dafür ist, ganz praktisch
gesehen, nur ein kleiner Flur oder ein Eingangsbereich
notwendig. Erst wenn man nicht mehr nur darüber
nachdenkt, wie einzelne Bereiche in einem Gebäude
erreichbar sind, sondern sich stattdessen Gedanken
über die eigentlichen Bedürfnisse der Nutzer macht,
kommen sehr interessante und vielfältige Möglichkeiten
zum Vorschein. Jeder Raum, der zwei andere Räume
miteinander verbindet, ist ein Übergangsraum. Diesem
Bereich muss nichts Negatives anhaften, sondern er
kann vielmehr zu einem Ort werden mit einem eigenen
Charakter, an dem Ereignisse stattfinden können. Mit
Überlegungen zu Form, Proportion, Beleuchtung und
Stimmung dieses Bereichs kann man einen sozialen
oder auch einen individuellen Raum schaffen, erahnen
lassen, was für Räume folgen oder an die vorherigen
erinnern. Um das zu tun, müssen die Laufrichtung und
die Türbreiten bestimmt werden. Soll der Nutzer
geradlinig oder schräg durch den Raum gehen? Sind
Türen notwendig, oder könnten verblendete Öffnungen
ein besseres Ergebnis erzielen? Bekommt man erst
nach dem Öffnen der Tür eine erste, unerwartete
Ahnung dessen, was noch kommt, oder gibt eine
sorgfältig gestaltete Öffnung schon vorher einen Hinweis darauf? Falls eine Tür nötig ist: soll sie von ihrer
Einfassung deutlich zu unterscheiden sein, oder soll
sie besser als eine veränderbare Komponente der
Wand erscheinen, in der sie verschwinden kann, soll
sie offen und geschlossen sein und in der Position
dazwischen vielleicht als variabler Raumteiler dienen?
Zu diesen Fragen gibt es keine vorgefertigten Antworten; die möglichen Lösungen können nur im Kontext,
durch die Auftragsvorgaben und das Entwurfskonzept
beantwortet werden. Mit solchen Überlegungen beginnen wir, die Unterschiede zwischen »Bauen« und
Innenarchitektur zu erkennen.
Gestaltungselemente & Komposition von Innenräumen
Kapitel 1 / RAUM/Form
»Alle Architektur ist Schutzraum. Alle
große Architektur ist Entwurf von Raum,
der die Menschen in diesem Raum
umschließt, einnimmt, überwältigt oder
steigert.«
Philip Johnson
MBAM (Marble Bar Asset
Management)
Ort: London, Großbritannien
Fertigstellung: 2004
Entwurf: Blacksheep
Durchgangsräume fungieren als
Schnittstelle zwischen Räumen.
Flure sind typische Beispiele
dafür. Ihre Aufgabe ist es,
unterschiedliche Bereiche miteinander zu verbinden. Auch
wenn Flure oft als sekundäre
Orte angesehen werden,
erzählen sie viel über das jeweilige Gebäude.
Foto: Francesca Yorke
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Barrierefreiheit
In diesem Kapitel ging es bisher vor allem um das
räumliche Erlebnis und um die Bewegung im Innenraum. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass man
diesen Innenraum erreichen kann. Gebäude werden
heutzutage oft nur für die Menschen gebaut, die
gesund und mobil sind und ein gutes Sehvermögen
haben. Für Kinder und Alte, Eltern mit Kinderwagen
sowie für Behinderte, die Schwierigkeiten mit schweren
Türen, Treppen und schmalen Öffnungen sowie mit
farblich wenig kontrastierenden Oberflächen haben,
sind solche Neubauten voller Hindernisse. Verschiedene Stiftungen und Institutionen haben durch ihren
beständigen Einsatz eine größere Aufmerksamkeit bei
Hauptsitz Britisches Rotes Kreuz, Innenansicht
Ort: London, Großbritannien
Fertigstellung: 2005
Entwurf: Universal Design Studio
Hier wurde ein ungestörter Bereich geschaffen, ohne den Raum
vollständig abzutrennen. Durch die geätzten Glasscheiben und
Blenden sind verschiedene Grade der Abgrenzung möglich, wobei
die räumliche Kontinuität aber gewahrt bleibt.
Architekten für dieses Thema bewirkt und Gebäudeeigentümern wie der Baubranche ihre Verantwortung im
Bereich des barrierefreien Bauens bewusst gemacht.
Das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen
aus dem Jahr 2002 soll garantieren, dass die Baubeteiligten dieser Verantwortung bei allen Neubauten und
Altbaumodernisierungen gerecht werden. Die Bestimmung sollte zugleich als Chance gesehen werden, gut
zugängliche, angenehme und den Bedürfnissen der
unterschiedlichen Menschen angepasste Entwürfe zu
verwirklichen.
Gestaltungselemente & Komposition von Innenräumen
»Architektur ist im Grunde ein Behältnis
mit einem Inhalt. Ich hoffe, man genießt
dabei weniger die Teetasse als den Tee
selbst.« Yoshio Taniguchi
Innenarchitektur. Das Wichtigste in Kürze
RAUM/Form
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Kapitel 1 / RAUM/Form
Welches sind die
wichtigsten Gestaltungselemente beim
Entwerfen von
Innenräumen?
Wie lassen sich
Wände, Böden und
Decken nutzen?
Wie kann ein Innenraum Charakter und
Qualität vermitteln?
Wie nimmt man sich
selbst in einem
Raum wahr?
Welche Rolle spielen externe Faktoren
bei der Gestaltung
von Innenräumen?
Wie bewegt man
sich durch einen
Innenraum?
Welche Rolle spielen
einzelne Bauteile,
wie Türen oder
Fenster, bei der
Innenraumgestaltung?
Wie bewegt man
sich zwischen
Innen- und Außenraum?
Gestaltungselemente & Komposition von Innenräumen
Zusammenfassende Fragen
Gestaltungselemente &
Komposition von Innenräumen
ORT/Funktion
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Innenarchitekten arbeiten nie abstrakt. Das
Gebäude und seine Umgebung sowie die
Vorgaben des Bauherrn und die Baugesetze definieren einen konkreten Kontext, in
den der Entwurf eingebunden werden
muss. Aus diesen Rahmenbedingungen
ergeben sich gleichermaßen Möglichkeiten
wie Beschränkungen. Oft ist es gerade die
Beschränkung, die dem Entwerfer hilft,
seine Ideen in Bahnen zu lenken, denn
andernfalls stünde er vor einer verwirrend
großen Anzahl an Möglichkeiten. Um die
Rahmenbedingungen richtig einzuschätzen,
muss man zunächst das Gebäude und
dessen Umgebung analysieren, sei es ein
Neubau, der nur als Zeichnung oder Modell
existiert, oder ein Altbau, der umgenutzt
werden soll. Dazu gehört auch, sich über
die ehemalige Funktion eines Gebäudes zu
informieren und dessen Charakter zu
erfassen. Von einer gründlichen Analyse
profitiert der Entwurf für die neue Nutzung.
2
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John Coles, Naomi House
Innenarchitektur
Das Wichtigste in Kürze
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DVA Architektur
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Das Wichtigste in Kürze
Der Band führt in die Grundlagen der Innenarchitektur ein. Kurz und prägnant zeigen die
Autoren den Entstehungsprozess von den allerersten Ideen bis hin zum realen Gebäude oder
Raum. Jeder Themenbereich wird mit Beispielen aus der Praxis und umfangreichem Planund Abbildungsmaterial anschaulich erklärt; außerdem werden die wichtigsten Fachbegriffe
vermittelt. Eine unverzichtbare Hilfe für den erfolgreichen Start ins Studium.
„Innenarchitektur“ – aus dem Inhalt: Raum und Form, Ort und Funktion, Material und Oberfläche,
Licht und Stimmung, Darstellungstechniken.
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