Der römische Limes – Grenzwall gegen die Germanenflut

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Der römische Limes – Grenzwall gegen die Germanenflut
Ein Film von Elli G. Kriesch
Beitrag: Volker Eklkofer & Simon Demmelhuber
Inhalt
Die römisch-germanische Grenze
wird gesichert
Im Jahre 16 n. Chr. brach Kaiser Tiberius (14- 37
n. Chr.) den verlustreichen Feldzug seines Neffen Germanicus gegen den Cherusker Arminius
ab. Dieser hatte 9 n. Chr. den Statthalter Varus
in einen Hinterhalt gelockt und drei römische Legionen samt Tross und Reiterei vernichtet. Rhein
und Donau bildeten fortan die Grenze zwischen
Römern und Germanen.
Zum Schutz der Bewohner des römischen Machtbereichs
wurden acht Legionen (ca. 45.000 bis
50.000 Mann) stationiert. Die Germanen
blieben aber weiterhin Störenfriede, immer wieder kam es
zu Kampfhandlungen. So mussten beispielsweise in den Jahren 39, 50 und 69 die Chatten zurückgeschlagen werden.
Ein Grenzwall entsteht
Im Jahre 83 unternahm Kaiser Domitian (81–96)
zwei Feldzüge nach Germanien und okkupierte
das Territorium zwischen dem mittleren Rhein
und der oberen Donau. Domitian, ein brutaler
Gewaltherrscher, schob die Nordgrenze zwischen Rhein und Donau nach oben; sie verlief
nun vom Rhein über den Westerwald, den Taunusrücken und den Odenwald bis zur Donau.
© Bayerischer Rundfunk
Hier ließ der Kaiser ein Grenzüberwachungssystem installieren. Zunächst bauten die Römer
Wachtürme, rodeten Schneisen und legten Patrouillenwege an. Unter den Kaisern Trajan (98–
117) und Hadrian (117-138) kamen Gräben, Palisaden und Wälle hinzu.
Im Hinterland wurden befestigte Kastelle zur Unterbringung beweglicher Eingreiftruppen angelegt; anfangs handelte es sich um Holz-, später
um Steinbauten.
So entstand eine 548 Kilometer lange Anlage,
der obergermanisch-rätische Limes. Hadrian,
dessen Grabmal die jetzige Engelsburg in Rom
ist, ließ auch den 120 Kilometer langen Hadrianswall in Nordbritannien sowie Grenzbefestigungen in Dakien (Walachei/Siebenbürgen), Syrien und Nordafrika errichten.
Wachturm reiht sich an Wachturm
Der rätische Limes zog sich von Eining bei Kelheim altmühlaufwärts nach Westen bis Lorch
(166 Kilometer). Der obergermanische Limes lief
nordwärts über den Taunus, weiter in Richtung
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Rhein bis Rheinbrohl nördlich Koblenz (382 Kilometer). In Abständen von etwa 500
Metern standen
an der Grenze
Wachtürme, die
jeweils von einem
kleinen
Trupp
Soldaten (drei bis
acht Mann) besetzt waren. Im Hinterland befanden sich 10 bis
20 Kilometer von einander entfernt Kastelle mit
Besatzungen zwischen einigen Dutzend und
1.000 Mann. Auf der ganzen Strecke reihten sich
900 Wachtürme und etwa 100 Kastelle aneinander. Bei Gefahr gaben die Wachturmbesatzungen Signale (Lichtzeichen, Rauchzeichen, Einsatz von Blasinstrumenten) und verständigten
die Kastelle. Auf gut ausgebauten Militärstraßen
eilten Kavallerie (alae) und Infanterie (cohortes)
herbei und stellten die Eindringlinge.
Von der Konzeption her war der
Limes kein antibarbarisches
Bollwerk von militärischer
Bedeutung. Er wurde nicht gebaut,
um gefährliche
Feinde zu stoppen, die mit einem Heer anrückten. Dies war
auch nicht nötig, denn während der Regierungszeit der Kaiser Domitian, Trajan und Hadrian waren die Römer in einer derart starken Position,
dass sie keinen Großangriff zu befürchten
brauchten. Vielmehr war es erforderlich, marodierende Banden und Räubertrupps vom römischen Territorium fernzuhalten.
Der Limes wird aufgegeben
Ein Jahrhundert lang blieb die Grenze sicher,
doch seit der Mitte des 2. Jahrhunderts nahm die
Wander- und Raublust der Germanen, die sich
zu größeren Verbänden zusammenschlossen,
spürbar zu. Eine Ausbreitung im Süden und
Westen behinderte zwar die römische Grenze,
aber von Osten drängten andere Völker nach.
Zudem zwang Überbevölkerung viele Menschen,
ihre Siedlungsgebiete mit Vieh und Hausrat zu
verlassen.
Beim Großangriff der Alamannen brachen alle
Dämme: Der Limes wurde im Jahr 259/260 überrannt. Die römischen Soldaten setzten sich ab.
Zahlreiche Landbewohner flüchteten und vergruben Teile ihres Hab und Guts vor den herannahenden Germanen. Spuren von Brand in Kastellen und Gutshöfen sowie Funde eingeschlagener
Schädel von Männern, Frauen und Kindern zeugen davon, dass mit den Alamannen Zerstörung
und Tod über das Land zwischen Rhein, Main
und Neckar kamen. Als klar war, dass sich der
Limes nicht mehr verteidigen ließ, wurde er mitsamt der rechtsrheinischen Territorien aufgegeben. Das Römische Reich verschanzte sich wieder hinter Rhein und Donau.
Alltag in den Grenzkastellen
Die Sendung beleuchtet nicht nur
Fragen
der
Grenzsicherung
und der germanisch-römischen
Wirtschaftsbeziehungen, sondern
zeigt auch wie
die Truppen in ihren Stützpunkten lebten, wie sie
sich zu religiösen Zeremonien versammelten,
wie sie trainierten und exerzierten, was sie aßen
und wie sie in Theatern Zerstreuung suchten.
Fakten
Der Limes als Wirtschaftsgrenze
Wenngleich es nach der Entstehung des Limes
gelegentlich zu Scharmützeln kam, entwickelte
sich ein weitgehend friedlicher Grenzverkehr.
Für die Provinzverwaltungen war der Limes
wichtig, um den Personenverkehr zu kontrollieren, den Warentransport zu erfassen und Zölle
zu erheben. Römer und Germanen trieben einen
schwungvollen Tauschhandel, in der Nähe der
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Legionslager eröffneten Handwerker ihre Betriebe. Römische Soldaten holten ihre Familien
nach, erwarben ein Landgut und blieben nach
Ende ihrer Dienstzeit in den Kolonien. Aus den
Siedlungen, die sich um die Legionslager und
Kastelle bildeten, entstanden Städte. Die römischen Händler wurden bald auch jenseits des Limes aktiv. Bewohner des „freien“ Germaniens
waren an Waffen, Schmuck und Töpferware interessiert. Zum Tausch boten sie Vieh, Felle, Honig und Wachs an. Bernstein war bei den Römern als „Gold Germaniens“ begehrt, ebenso
germanische Frauenhaare für den Kopfputz vornehmer Damen.
Häufig wurden Anwohner, wenn sie in friedlicher
Absicht kamen, in die Provinzen eingelassen.
Bestand der Verdacht, die Grenzgänger gehörten
Räuberbanden an, liefen sie Gefahr versklavt zu
werden. Dieses Schicksal drohte auch den in
Grenzgefechten gefangenen Germanen. Als
Landarbeiter mussten sie auf den römischen Gütern die Felder bestellen.
Die Ankömmlinge staunten über breite Straßen
mit Meilensteinen. Sie sahen große Gutshöfe,
umgeben von Feldern, Obst- und Gemüsegärten. Hier wurde Getreide und Fleisch für die Umgebung und das Militär produziert. In wärmeren
Gegenden Südwestdeutschlands legten die Römer auch Weinberge an. In den Städten lebten
römische Offiziere, Verwaltungsbeamte und
Kaufleute in Steinbauten mit Bad und
Kalt-/Warmwasserleitung sowie Heizung. Warmluft wurde durch Hohlziegel unter den Fußböden
oder an den Wanden eingeleitet. Die Angehörigen der römischen Elite schätzten Bronzestatuen, Goldschmuck, wertvolles Glas und feine
Salböle. Marmor ließen sie sich aus Griechenland liefern. Olivenöl kam aus Italien, Fischsauce
aus Marokko und Reis aus dem Orient. Dass
sich bald auch Germanen an Luxus erfreuten,
belegen etliche Gräberfunde.
Die Grenze sicherten die Römer nicht nur militärisch, sondern auch politisch. Gezielt pflegten sie
Beziehungen mit einzelnen Stämmen jenseits
des Limes. Ein lockeres, friedliches Verhältnis
hieß amicitia (Freundschaft), Verpflichtungen
wurden in einem foedus (Bündnisvertrag) festgeschrieben. Begab sich ein Stamm in die Obhut
der Römer, war von deditio (Unterwerfung) die
Rede. Bei Stammeskonflikten konnte es vorkommen, dass in Bedrängnis geratene Häuptlinge die
Römer um Unterstützung baten. Wie der Chronist Tacitus berichtet, konnten sich die Markomannenherrscher nur mit römischer Hilfe an der
Macht halten. Nach Fehden flohen oft ganze Ge© Bayerischer Rundfunk
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folgschaften auf römisches Territorium. Die
Statthalter der Provinzen entschieden dann, wo
sie sich niederlassen durften. So konnten auch
dünn besiedelte Gegenden bewirtschaftet werden und Steuergelder einbringen.
Bis Mitte des 3. Jahrhunderts entwickelte sich
auf beiden Seiten des Limes eine faszinierende
Mischkultur. Die römisch-germanische Grenzregion wurde zum Ort des Austausches. Römische
Soldaten, Händler und Handwerker arbeiteten
eng mit den Einheimischen zusammen. Funde
belegen, dass z. B. Germanen ihre Kenntnisse in
der Eisenverarbeitung einbrachten, Römer gaben ihr Wissen im Bereich Glasproduktion weiter.
Schließlich wollten sich die Germanen nicht
mehr mit einer bescheidenen Teilhabe am Wohlstand zufrieden geben. Die Alamannen begehrten mehr und überrannten 259/260 den obergermanisch-rätischen Limes. Mit der Zivilisation, die
ihnen zufiel, wussten sie allerdings kaum etwas
anzufangen.
Stichwort: Germanische Gefolgschaft
Die germanische Sozialstruktur basierte auf der
Kleinfamilie. Historische Quellen berichten von
der Einehe, in Ausnahmefällen besaßen Angehörige der Führungsschicht mehrere Frauen. Mehrere Kleinfamilien konnten eine Sippe bilden und
ein Dorf bewohnen. Mehrere Dorfgemeinschaften waren nach der historischen Überlieferung in
einem Gau zusammengefasst, als handelnde
Einheit trat der Stamm auf.
Auf Stammesebene gab es die soziale Gliederung in den grundbesitzenden Adel, bäuerliche Freie, Freigelassene und rechtlose Unfreie. Adelige und Freie nahmen an regelmäßigen (Gerichts-)Versammlungen (Thing) teil. Viele
germanische Stämme hatten Könige, deren
Stellung in den römischen Quellen aber nicht
präzise beschrieben wird. Herzöge wurden als
Anführer für die Dauer eines Krieges gewählt.
Eine Besonderheit in der germanischen Herrschafts- und Sozialstruktur war, so berichtet der
Chronist Tacitus, das Gefolgschaftswesen.
Freie Männer schlossen sich einem Herrn, meist
einem Adeligen, als Gefolgsleute an. Eine Beschränkung der Gefolgschaft auf eine Sippe gab
es nicht, ein Herr durfte sogar Angehörige fremder Stämme aufnehmen. Die Bindung beruhte
auf gegenseitiger Treue.
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Die Gefolgsleute mussten für den Herrn kämpfen, dieser hatte die Pflicht, sie zu ernähren, zu
kleiden, zu bezahlen und mit Waffen auszustatten. In Kriegszeiten war dies – sofern die Gefolgschaft ausreichend Beute machte – verhältnismäßig einfach. In Friedenszeiten konnten nur
wohlhabende Adelige den Unterhalt für eine Gefolgschaft aufbringen. Je größer und schlagkräftiger eine Gefolgschaft war, desto einflussreicher
war der Herr. Im germanischen Gefolgschaftswesen liegen die Wurzeln des mittelalterlichen
Lehenswesens.
Archäologisch waren Gefolgschaften lange Zeit
nicht nachweisbar. In germanischen Adelsgräbern fand man keine mitbestatteten Gefolgsleute. Nur die Existenz größerer Nebengebäude auf
Herrenhöfen ließ Unterkünfte von Gefolgsleuten
vermuten. Dann wurden in einem Moor nahe Illerup in Dänemark zahlreiche Waffen entdeckt. Es
war das Kriegsgerät einer Tausend-Mann-Gefolgschaft aus dem 3. Jahrhundert. Die Truppe
wurde wohl von ihren Gegnern geschlagen, anschließend opferten die Sieger Waffen und Ausrüstungsgegenstände zum Dank den Göttern.
Heute wissen wir: Germanische Gefolgschaften
konnten mehrere hundert Mann umfassen. Ohne
eine Befehlshierarchie und ohne Gliederung
etwa in Hundertschaften wäre eine solche Truppe nicht im Feld zu führen gewesen.
Hilfstruppen bewachen den Limes
Unter den Germanen gewannen die Römer auch
Soldaten für ihre Hilfstruppen. Bald bestand die
Masse der Soldaten, die den Limes bewachte,
aus Germanen und Auxiliarverbänden aus anderen Teilen des Reiches. Nach 25 Dienstjahren erhielten sie das römische Bürgerrecht und oft ein
Stück Land, auf dem sie einen Gutshof bauten.
Der Dienst an der Grenze war hart. Die Besatzungen der Türme (3-8 Mann) mussten oft mehrere Wochen ausharren bis Ablösung kam. Archäologen fanden Keramik, Handmühlen und
Haushaltsgeräte, was darauf schließen lässt,
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dass sich die Wachtposten selbst versorgen
mussten. Zu essen gab es meist Getreide und
Hülsenfrüchte.
Erholung fanden
die Männer in
den Kastellen,
wo bis zu 1.000
Soldaten stationiert
waren.
Ausgrabungen
belegen,
dass
es in größeren
Stützpunkten
komfortable Badeanlagen für die Truppe gab.
Die Mannschaften waren in Massenunterkünften
untergebracht. Nach Dienstschluss konnten sie
sich im zivilen Lagerdorf (vicus) vergnügen. Hier
standen die Buden von Handwerkern und Händlern, hier gab es Weinstuben, Wirtshäuser und
Bordelle. Verglichen mit dem entbehrungsreichen Leben im „freien“ Germanien, wo die Menschen in einfachen Wohnstallhäusern mit dem
Vieh unter einem Dach hausten, waren das geradezu luxuriöse Verhältnisse.
In Hofheim im Taunus entdeckten Archäologen
in den Resten eines Kastells sogar ein Austernbecken. Vermutlich wurden die Delikatessen von
der Nordsee angeliefert und verbrachten einige
Zeit im Becken, bevor sie von den höheren Offi zieren verspeist wurden.
Viele jungen Germanen sahen den Militärdienst
als Karrierechance. Man hatte sie kriegerisch erzogen, die Römer schätzten diese Fähigkeiten.
Nun konnten sie die römische Zivilisation kennen
lernen, sie wurden ordentlich bezahlt und gelangten, wenn sie sich bewährten, in höhere Ränge.
Im Laufe der Zeit stieg die Zahl germanischer
Soldaten und Offiziere im römischen Heer immer
weiter an, schließlich war sie größer als die der
Römer. Diese entzogen sich in der späteren Kaiserzeit mehr und mehr dem Kriegsdienst; sie
kämpften nicht mehr selbst, sie ließen kämpfen.
Germanischen Adeligen boten sich daher beste
Aufstiegschancen in der Truppe und in der Verwaltung. Ende des 4. Jahrhunderts befanden sich
unter den höchsten Heerführern vor allem im
Westen des Reiches viele Germanen, einige von
ihnen hatten mehr Macht und Einfluss als die
Kaiser.
Die Römer ziehen sich zurück
Ein Jahrhundert lang war die Grenze sicher,
doch seit der Mitte des 2. Jahrhunderts nahm die
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Wander- und Raublust der Germanen, die sich
zu größeren Verbänden zusammenschlossen,
wieder zu. Eine Ausbreitung im Süden und Westen behinderte zwar die römische Grenze, aber
von Osten drängten andere Völker nach. Zudem
zwang Überbevölkerung viele Menschen, ihre
Siedlungsgebiete mit Vieh und Hausrat zu verlassen. Um 160 bedrohten die Markomannen
und Quaden die mittlere Donaugrenze. Kaiser
Marcus Aurelius (161 – 180), ein Stoiker und
„Philosoph auf dem Thron“, der sogar Gladiatoren zum römischen Heer einberief, führte blutige
Grenzkriege.
In der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts wurde
das von England bis Nordafrika und Spanien bis
Kleinasien ausgedehnte Reich durch innere und
äußere Krisen erschüttert. In den Provinzen
kam es zur Erhebung und zum Sturz von (Soldaten-)Kaisern durch das Militär. Die Wirtschaft
verfiel, Geldentwertung war die Folge. Der ökonomische Niedergang des Imperiums machte
sich in den Grenzregionen zunehmend bemerkbar, es kam zu Versorgungsengpässen. Im Jahre
250 fand die erste allgemeine Christenverfolgung durch Kaiser Decius (249 – 251) statt, Kaiser Valerian setzte die Aktionen gegen die
Christen 257 bis 260 fort.
In dieser Zeit der inneren Wirren wuchs die Bedrohung von außen. Neuperser und Araber
drückten gegen die Grenzen und auch die Germanen ließen sich vom Limes kaum mehr beeindrucken. Im Jahre 233 – Kaiser Severus Alexander kämpfte mit dem Großteil des Heeres gerade gegen die Perser - durchbrachen Germanenhorden den Limes, zogen plündernd an den
Rhein und drangen bis ins Alpenvorland vor. Maximius Thrax, der Nachfolger des von meuternden Soldaten ermordeten Severus Alexander,
konnte die Plünderer vertreiben und die Ordnung
an der germanischen Grenze wiederherstellen.
Doch die Überfälle häuften sich, während die um
die Macht ringenden Kaiser und ihre Konkurrenten immer mehr Soldaten aus den Grenzregionen abzogen. Bei ihren Raubzügen durchbrachen berittene germanische Gefolgschaften den
Limes. Sie durchquerten – noch bevor die dezimierten römischen Truppen eingreifen konnten das Grenzgebiet und drangen möglichst tief ins
Hinterland vor. Dann begannen sie zu plündern
und ließen alles mitgehen, was sie finden konnten: Schmuck, Münzen, Waffen, Werkzeuge und
Gebrauchsgegenstände wie Kessel, Schüsseln,
Siebe und Tafelgeschirr. Auch Lebensmittel und
Textilien waren begehrt. Die Angreifer trieben
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Vieh zusammen und machten Gefangene, um
sie zu versklaven oder ihre Fähigkeiten als
Handwerker zu nutzen.
Inzwischen bereiteten sich die römischen Einheiten darauf vor, die schwer beladenen Eindringlinge beim Rückmarsch abzufangen. Dies gelang
umso besser, wenn die Barbaren ihre Beute auf
gestohlenen Wagen transportierten. Sie waren
dann auf das römische Straßennetz angewiesen
und konnten nicht querfeldein fliehen. Auch
wenn sie auf Kähnen und Flößen Gewässer
überquerten, wurden sie attackiert.
Zu diesem Zweck stationierten die Römer in Köln
eine Flotte. Zum Einsatz kamen eigens für den
Kampf auf Flüssen konzipierte wendige Kriegsschiffe mit 24 Ruderern. Wurden die Plünderer
auf dem Wasser gestellt, hatten sie keine Chance.
Beim Großangriff der Alemannen gab es jedoch
kein Halten mehr. Der Limes wurde im Jahr
259/260 überrannt. Die römischen Soldaten setzten sich ab. Zahlreiche Landbewohner flüchteten
und vergruben Teile ihres Hab und Guts vor den
herannahenden Germanen. Spuren von Brand in
Kastellen und Gutshöfen sowie eingeschlagene
Schädel von Männern, Frauen und Kindern zeugen davon, dass mit den Alemannen Zerstörung
und Tod über das Land zwischen Rhein, Main
und Neckar kamen. Die vorgefundene Zivilisation konnten die Eindringlinge nicht weiterführen.
Städte, Straßen, Bäder und Wasserleitungen
verrotteten.
Die Krise des Imperiums verschärfte sich weiter.
Im Sommer 260 wurde Kaiser Valerian in Mesopotamien von dem Perserkönig Schapur I. gefangen genommen. Er musste fortan als dessen
Leibsklave dienen und – unvorstellbar für die Römer - den Buckel krümmen, wenn Schapur aufs
Pferd stieg. Valerians Sohn und Mitkaiser Gallienus musste währenddessen weitere Truppen aus
Gallien und den Grenzprovinzen abziehen, um
seinen Rivalen Ingennus, der sich in Pannonien
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zum Kaiser hatte ausrufen lassen, zu bekriegen.
Unter diesen Umständen ließ sich der Limes
nicht mehr verteidigen und wurde mitsamt der
rechtsrheinischen Territorien aufgegeben. Das
Römische Reich verschanzte sich wieder hinter
Rhein und Donau.
Der Limes wird UNESCO-Welterbe
Im Laufe der Jahrhunderte verfiel der Limes. Die
hölzernen Palisaden verrotteten, die Steine der
Mauern und Kastelle dienten als Baumaterial für
Häuser und Kirchen. Wo sich zur Römerzeit Kastelle befanden, entstanden Dörfer und Städte. Im
Mittelalter gerieten die Römer in Vergessenheit,
der Limes wurde von den Anwohnern „Teufelsmauer“ genannt. Viele Menschen glaubten, nur
Luzifer könne imstande gewesen sein, das Bauwerk zu errichten. Es kursierte auch die Erzählung, der Leibhaftige habe Wall und Graben aufgeschichtet, um innerhalb einer von Christus vorgegebenen Frist den Teil der Erde abzugrenzen,
der ihm einst zustehen würde.
Limes-Forschungen begannen erst im 19. Jahrhundert. 1892 wurde die Reichslimeskommission gegründet, die Leitung übernahm der Althistoriker Theodor Mommsen. Nun fanden Grabungen statt, um den Verlauf der Grenzanlage
zu ergründen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahr-
hunderts wurden Türme, Kastelle, Mauern etc.
restauriert bzw. originalgetreu wiederaufgebaut.
Wenngleich beim Bau neue Materialien verwendet wurden, gelang es, Geschichte lebendig zu
machen.
1999 wurde die Deutsche Limes-Straße fertig
gestellt, um den Tourismus in 70 Landkreisen
und Städten anzukurbeln. Im Bereich Denkmalpflege engagierte sich die Deutsche Limeskommission. Den Bemühungen der Bundesländer
Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz ist es zu verdanken, dass der Limes
2005 zum UNESCO-Welterbe ernannt wurde.
Der Limes ist das größte Bodendenkmal in
Europa und – nach der Chinesischen Mauer –
das zweitgrößte der Welt.
Heute kann man den Limes entlanglaufen und
Reste des Walls und der Kastelle besichtigen. 20
bis 30 Prozent der Anlage sind gut erhalten. Kleinere Kastelle sind jedoch vollständig überwuchert, Teile des Walls sind von Büschen und
Bäumen bewachsen. Andere Abschnitte der Anlage wurden von Bauern eingeebnet. In solchen
Fällen hilft die Luftbildarchäologie weiter. Dabei wird deutlich, dass der Limes heute mancherorts als unterirdisches Bodendenkmal präsent ist:
Bei genauer Betrachtung von Wiesen und Feldern ist zu sehen, wie der Wall einst verlief.
Didaktische Hinweise
Die Sendung kann im Geschichts- bzw. GSE-Unterricht ab der 6. Jahrgangsstufe eingesetzt werden.
Lehrplanbezüge (Bayern)
Mittelschule
GSE
6. Jahrgangsstufe
6.2 Römische Antike
6.2.1 Das römische Weltreich
- räumliche und zeitliche Ausdehnung
- Zusammenhalt des Reiches durch Militär, Verwaltung, Wirtschaft und Kultur
6.2.3 Wandel und Untergang des römischen Reiches
- Völkerwanderung der Germanen und ihre Folgen in Europa
Realschule
Geschichte
6. Jahrgangsstufe
6.3 Das Römische Reich
- Von der Stadt zum Reich: Der Aufstieg Roms (Ausdehnung des römischen Reiches, Funktion und
Bedeutung des Militärs, Verwaltung und Recht)
- Das Leben im Römischen Reich (Alltagsleben in der Provinz)
- Römisches Erbe in Europa
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Gymnasium
Geschichte
6.5 Das Imperium Romanum
- Auswirkungen römischer Herrschaft in den Provinzen, z. B. Raetia, Noricum, Rhein- und
Moselgebiet
- Exemplarische Vertiefung, z.B. Beschäftigung mit Archäologie
Lernziele
Die Schülerinnen und Schüler sollen
• erfahren, dass der obergermanisch-rätische Limes als Grenzsicherungs- bzw.
Überwachungsanlage entstand und eine geographische Grenze zwischen Römern und Germanen
bildete;
• wissen, das der Limes von den Kaisern Trajan (98 – 117) und Hadrian (117 -138) ausgebaut
wurde;
• nachvollziehen, dass der Limes keine scharfe Mentalitäts- und Kulturscheide bildete;
• verstehen, dass der Limes das römische Territorium nicht abschottete, sondern als
Wirtschaftsgrenze diente;
• darüber informiert werden, dass der Limes im Jahre 260 nach Angriffen der Alemannen
aufgegeben wurde.
Anregungen
Gerade in Bayern gibt es viele Ausgrabungsfunde aus der Römerzeit. Sie geben ein anschauliches
Bild vom Einfluss der römischen Kultur auf die Einheimischen. Ein Limes- bzw. Museumsbesuch
lohnt sich. In Pfünz und in Eining können teilrekonstruierte Kastelle besichtigt werden. In Weißenburg befinden sich ein Thermen- und Römermuseum. Außerhalb Bayerns bieten sich u.a. Besuche
im Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz und im Limesmuseum Aalen an. Bei Bad Homburg befindet sich das vollständig wiederaufgebaute Kastell Saalburg.
Ausführliche Informationen zu Orten und Museen sind auf der Homepage der Deutschen Limeskommission zu finden.
Im Unterricht könnte der Limes mit anderen Grenzanlagen verglichen werden. Die DDR schottete
sich mit Mauer, Wachtürmen, Todesstreifen und Selbstschussanlagen ab. Die USA haben an der
Grenze zu Mexiko einen Hochsicherheitszaun gezogen. Israel will sich mit einer Mauer vor den Angriffen radikaler Palästinenser schützen. Die Grenze zwischen Nord- und Südkorea wird von beiden
Seiten scharf bewacht, Grenzverkehr findet kaum statt. An den Außengrenzen der Europäischen
Union gibt es Hightech-Sicherungsanlagen und Wachtposten. Weitere Beispiele wären die MaginotLinie, mit der sich Frankreich vor deutschen Angriffen schützen wollte, und die Chinesische Mauer.
• Zu welchem Zweck wurden diese Grenzanlagen gebaut?
(ökonomische Aspekte, Schutz vor Wirtschaftsflüchtlingen, Furcht vor dem Abwandern der
eigenen Bevölkerung und dem „Ausbluten“ des Landes, Angst vor dem Eindringen von Terroristen
etc.)
• Zu welchem Zweck wurde der Limes gebaut?
War der Limes durchlässig?
Wie verhielten sich in Friedenszeiten Römer und Germanen an der Grenze?
Konnten die Germanen diesseits und jenseits des Limes am römischen Wohlstand teilhaben?
• Wie unterscheiden sich o. a. Grenzanlagen vom Limes?
Diskussion: Lassen sich mit einem Grenzwall Herrschafts- und Wirtschaftssysteme sichern?
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Literatur- und Internettipps
Für die Inhalte der Bücher und Links ist der BR nicht verantwortlich!
Bechert, Tilmann. Römische Archäologie in Deutschland. Stuttgart: Verlag Reclam, 2003
(ISBN: 3-150-10516-1).
Kemkes, Martin u.a. Am Rande des Imperiums. Der Limes. Roms Grenze zu den Barbaren.
Sigmaringen: Verlag Thorbecke, 2002 (ISBN: 3-799-53400-8).
Arens, Peter. Sturm über Europa. Berlin: Verlag Ullstein, 2006 (ISBN: 3-548-36451-9).
Elsner, Hildegard. Die Germanen (Was ist was – Bd. 62). Nürnberg: Verlag Tessloff, 2004
(ISBN: 3-788-60402-6).
Krause, Arnulf. Die Geschichte der Germanen. Frankfurt: Campus Verlag, 2005
(ISBN: 3-593-37800-0)
Todd, Malcolm. Die Germanen. Stuttgart: Theiss Verlag, 2000 (ISBN: 3-806-21357-7).
Links
http://www.dainst.org/abteilung_268_de.html
Die Römisch-Germanische Kommission wurde 1902 gegründet; sie ist dem Deutschen Archäologischen Institut in Berlin angegliedert; die Wechselwirkungen zwischen germanischer, keltischer und
römischer Kultur sind ein Schwerpunkt der Kommissionsforschung.
http://www.deutsche-limeskommission.de
Die Deutsche Limeskommission
http://www.limesstrasse.de/
Homepage des Vereins Deutsche Limesstraße
http://www.saalburgmuseum.de/home.htm
Das Römerkastell Saalburg
http://www.welterbe-limes-rlp.de/
Welterbe Limes
http://www.planet-schule.de/wissenspool/germanen/inhalt/sendungen/entscheidung-am-limes.html
Informationen von Planet Schule zur Sendereihe "Die Germanen"; eine Folge hat den Limes zum
Thema
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