Tonkünstler-Orchester Niederösterreich MAJOR DUX ODER DER TAG AN DEM DIE MUSIK VERBOTEN WURDE! ein Erzählkonzert Ein Projekt im Rahmen der Tonspiele für 10- bis 14-jährige Schülerinnen und Schüler Vorbereitende Unterrichtsmaterialien für Lehrerinnen und Lehrer der Schulstufen 4 – 8 zusammengestellt von Sara Ostertag Inhalt VORWORT EVN .................................................................................................................................... 2 VORWORT TONSPIELE ....................................................................................................................... 4 PROGRAMM ..........................................................................................................................................5 MAJOR DUX ODER DER TAG AN DEM DIE MUSIK VERBOTEN WURDE! ................................5 INFORMATIONEN FÜR LEHRERINNEN UND LEHRER ............................................................... 6 DAS BUCH ............................................................................................................................................ 7 DIE MUSIK ............................................................................................................................................ 8 IDEEN ZUR VORBEREITUNG UND NACHBEREITUNG DER INSZENIERUNG...................... 11 ZEITUNGSTHEATER .......................................................................................................................... 15 VERMITTLUNG / TRANSDISZIPLINARITÄT .................................................................................18 DAS KÜNSTLERISCHE TEAM .......................................................................................................... 20 WEITERFÜHRENDE LITERATUR UND LINKS ............................................................................. 22 2 EVN unterstützt das Projekt «Tonspiele» des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich – spielerisch Musik erleben Die seriöse Wissensvermittlung an Kinder und Jugendliche in zielgruppengerechter Form ist EVN ein großes Anliegen. Seit weit über 4 Jahrzehnten wird seitens EVN eine aktive Schulbetreuung («Young Energy») durchgeführt. Sowohl die Breite des Schulangebotes, als auch die lange Tradition der Betreuung sind unter den österreichischen EVU´s einmalig. Den Schwerpunkt bildet die Bereitstellung von Lehrbehelfen über Energie, Vorträge der EVN, Schulbetreuer in den Klassen, sowie Besichtigungen von Kraftwerken und Anlagen von EVN. Mit der Unterstützung der «Tonspiele», die Kinder und Jugendliche in einem sehr frühen Stadium für klassische Musik begeistern sollen, leistet EVN einen Beitrag zu einer modernen Musikvermittlung in Niederösterreich. Dr. Burkhard Hofer, Vorstandssprecher EVN www.young.evn.at 3 Liebe Lehrerinnen und Lehrer, wir freuen uns sehr über Ihr Interesse an der aktuellen Produktion der Tonkünster Niederösterreich. Die Regisseurin und der für das Musik-Konzept verantwortliche Komponist haben dazu Vorschläge für den Unterricht zusammengetragen, mit denen Sie mit Ihrer Klasse bereits vor und auch nach dem Konzert zu Themen rund um «Major Dux» arbeiten können. Mit den folgenden Unterlagen möchten wir Ihnen die Möglichkeit bieten, vertiefend in die Thematik und die Inszenierungsweise des Erzählkonzerts einzutauchen. Dafür bietet Ihnen diese Materialsammlung sowohl interessante Hintergrundinformationen zu den verschiedenen Elementen der Produktion, als auch spielerische Ideen und Anregungen zur kreativen Auseinandersetzung mit den Inhalten der Performance. Die Mappe soll Ihnen als Unterstützung dienen, um den Vorstellungsbesuch mit einer Vor- und Nachbereitung abzurunden. Die Angebote verstehen sich als Impulse, die Sie nach eigenem Ermessen mit Ihrer Klasse oder Ihren Kindern durchführen und auf deren Bedürfnisse spezifisch abstimmen können. Die Informationen sollen Anregungen für weiterführende Recherche sein und Anknüpfungspunkte zur eigenen Umsetzung bieten. Wir hoffen, Sie damit neugierig zu machen und stehen Ihnen jederzeit für Fragen, Anregungen und Feedback zur Verfügung. Viel Spaß bei der gemeinsamen Vorbereitung und natürlich beim Konzert wünschen Ihnen Christina Krug und Joachim Unger von den Tonspielen 4 Major Dux oder Der Tag an dem die Musik verboten wurde! Ein Erzählkonzert Programm George Gershwin | Catfish Row – Suite aus Porgy und Bess Mitwirkende Tonkünstler-Orchester Niederösterreich Hannes Dufek Komposition | Konzept Sara Ostertag Spielleitung | Konzept Birgit Kellner Kostüm | Live-Illustration Simon Dieterdorfer Schauspiel Termine Schulkonzerte 20. 3. 2012, 10.30 Uhr Festspielhaus St. Pölten | Großer Saal 22. 3. 2012, 10.30 Uhr Festspielhaus St. Pölten | Großer Saal 5 Informationen für Lehrerinnen und Lehrer Was ist ein Erzählkonzert? Eine Konzertperformance ist kein gängiges Format- es bedeutet für uns die Verknüpfung Konfrontation und Bereicherung von zwei Sparten: Konzertante Aufführungspraxen von Musik und theatralen Formaten. Wir versuchen bestehende Komposition durch die Konfrontation mit einer Geschichte, einem Schauspieler und ihrer Transformation in einen Bühnenraum anders erlebbar zu machen und eine eigene Lesart zu eröffnen. Unser Versuch ist es durch das Verknüpfen der Suite Catfish Row aus der Oper Porgy und Bess von George Gershwin mit dem Buch Major Dux von Martin Baltscheid tief in die Musik, ihre Machart und ihre diversen Klangräume einzutauchen. Wir nehmen die Musik im wahrsten Sinne des Wortes auseinander. Davon berichten wir später noch mehr! Die Musik wird zur Welt der Geschichte, sie wird zum gleichberechtigten Spielpartner des Schauspielers und sie dient als wiederkehrendes Motiv für Figuren und Handlungsstränge. Wir Versuchen somit die unterschiedlichsten Möglichkeiten wie Musik auf der Bühne eingesetzt, gelesen und verstanden werden kann in unserer Performance zu bedienen. Wie kann man sich das vorstellen? Die Geschichte von Bartolomäus Bob und seinen musizierenden Freunden wird als Rahmenhandlung rund um ein Konzert erzählt. Ein Schauspieler agiert in mehreren Rollen auf spielende und erzählende Weise. Die Musikerinnen und Musiker des Orchesters übernehmen die Rollen der illustren Charaktere der Geschichte. Eine Comiczeichnerin schafft über Projektionen die sie live auf der Bühne zeichnet die Welt der Geschichte. Es wird dabei teilweise in den Raum und auf das Orchester projiziert. Der Schauspieler – Simon Dietersdorfer – ist der Erzähler und gleichzeitig auch der Darsteller einzelner Charaktere der Geschichte. Geschickt verwandelt er sich durch kleine Requisiten oder Kostümteile in die einzelnen Figuren. Dabei wird er von der Musik unterstützt. Die Musikerinnen und Musiker changieren in Rhythmus, Dynamik und Klangfarbe zeichnen die Charaktere mit. Sie sind dabei immer Assoziationsfläche für die Welt der Geschichte. Manchmal bespielt sie der Schauspieler als Menschenmasse, manchmal als seine Bedrohung manchmal als seine Komplizinnen – sie reagieren auf sein Sprechen wiederum mit Klang! Die Musikerinnen und Musiker variieren in Ihrer Haltung also zwischen Charakteren der Geschichte und den Konstrukteuren der Klangwelt. Außerdem gibt es eine inhaltliche Verbindung zwischen dem Buch und der Musik. In beiden künstlerischen Formen geht es um Geschichten über Außenseiter, Menschen die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden und das auf teilweise sehr brutale Weise. Beide Geschichten erzählen auf unterschiedliche Art von Ausschluss, Verbot, Zwang, Gewalt und der Revolution. Sie erzählen vom Triumph der Gerechtigkeit und dem Freiheitsstreben der Menschen, dem nachgehen zu können, wer sie sind und wo sie herkommen. 6 Das Buch Die literarische Vorlage: Martin Baltscheits «MAJOR DUX» Es ist kein gewöhnlicher Montagmorgen, an dem Bartolomäus Bob erwacht. Draußen liegt Totenstille, als habe jemand den Stecker gezogen. Keine Müllabfuhr rumpelt, die Straßenbahn rührt sich nicht, Vögel halten den Atem an. Die Welt ist wie wattiert. Dann das Radio: «Wie uns gerade gemeldet wird, hat der Minister für Geräusche und Akustik die Musik verboten. Leider wissen wir jetzt nicht mehr, was wir senden sollen und stellen unser Programm ein.» So beginnt Bobs Erzählung. Es ist so bedrohlich, weil es so bekannt anmutet. Die Anspielungen auf den Nationalsozialismus sind kaum zu überlesen. Eine lauschende Geheimpolizei, die Schmierereien an den Läden, die ehedem den Juden galten, und der Bezug zur damals sogenannten entarteten Musik: Die Assoziationen rücken die kinderbuchhafte Leichtigkeit der Erzählung in ein Licht düsterer Vergangenheit. Bartolomäus Bob erzählt von Mitläufern, den Regimetreuen, die sich widerstandslos fügen. «Wir kriegen dich», rufen sie Bob in der U-Bahn hinterher, weil er gedankenverloren ein Liedchen pfeift. Er muss flüchten in den dunklen Tunnel. Und dort...wird noch Musik gemacht Ein paar Treppen hinunter, im Untergrund des Untergrunds findet Bartolomäus Bob einen Kellerclub, berstend voll mit eigentümlichen Gästen: «Gehörnte Käfer in teuren Kaschmirmänteln, ein Tausendfüßler mit Gamaschenschuhen und Würmer mit zurück-gekämmten Haaren musizieren...» Die Band beschwört die Musik. Doch dann passiert’s. Alle Kellergäste werden entdeckt und eingesperrt. Die Situation ist so auswegslos. Es gibt nur einen Weg. Und zwar durch Musik! Alle stimmen mit ein. Zusammen bringen sie das Gefängnis zum Einsturz, denn «die Musik war Dynamit». Die Tiere blasen mit Pauken und Trompeten zum Putsch gegen den Major. In dieser Schlussszene geht die bedrückende Stimmung auf in einer Geschichte von verlorener Liebe. Die Anspielungen auf die deutsche Vergangenheit fallen vom Text ab, mühelos und rührend gelingt die Wende: Der Major ist gar nicht böse, kein finsterer Diktator – nur der ganze Lärm macht ihn krank. «Dabei ist der Lärm nur schlecht sortierte Musik und Musik nur ein gut sortiertes Geräusch. Manches Geräusch kann einem das Herz brechen und Musik kann es wieder heilen», sagt er. Und sein Herz ist gebrochen. Er braucht die Stille, um seine Verflossene wiederzufinden. «Hätte er ihr nicht einen Brief schreiben können?», fragt der Esel zum Schluss. Dann gibt es sie wieder: die Musik. www.zeit.de/ Der Autor Geboren am 16. September 1965 in Düsseldorf. Martin Baltscheit studierte Kommunikationsdesign in Essen (Folkwang), wo er 1996 seinen Diplom-Abschluß als Kommunikationsdesigner machte. Von 1986-1992 war er Mitglied des Theaters «Junges Ensemble Düsseldorf». Sein Debüt gab er als innovativer Comic-Zeichner, danach widmete er sich vor allem dem Schreiben und Illustrieren von Bilderbüchern. Außerdem entstanden zahlreiche Hörspiele, einige Trickfilme und seit 2001 auch CDROMs für Kinder. Als Moderator und Autor gehört er zum Team der WDR3/4-Kinderradiosendung «Bax Blubber». Seit 1997 arbeitet er außerdem als Sprecher in Hörspielproduktionen des WDR und des HR. Seit 1999 entwirft er regelmäßig Coverillustrationen für das Kinder- und Jugendmagazin «Geolino» und Buchumschläge für carlsen, dtv, RoRoRo und andere Verlage. 2003 gründet er gemeinsam mit dem FFT Düsseldorf eine Schule zur Förderung junger Autoren, die Franzakademie. Martin Baltscheit lebt in Düsseldorf. 7 Die Musik Catfish Row Catfish Row ist eine Suite aus der Oper «Porgy and Bess». Das Stück enthält die düstersten und komplexesten Musiken die Gershwin je geschrieben hat. Gerschwin hat das Stück in fünf Teile geteilt. 1. Einführung «Jazzbo Brown´s Piano Blues», eine Blues-Variation des Overture-Themas. 2. «Porgy Sings» beinhaltet eine von Porgys Arien «I got plenty o´Nuttin» und das Duett «Bess, You Is My Woman Now» und weiteren Fragmenten der gesamt Komposition. 3. «Fugue» beinhaltet die düstere Musik von dem Mörder von Crown in Act 3. 4. «Hurricane» besteht aus Teilen der Hurricanesequenz. 5. Good Morning, Sistuh setzt sich zusammen aus dem Prelude der Finalen Szenen der Oper aus Akt 3 und aus dem Finalen Song «Oh Lawd, I´m on my way». Gershwin hat alle Aufführungen vor seinem Tod 1937 dirigiert. Die Suite war vergessen bis sie 1958 wiedergefunden wurde und «Catfish Row» (eine Straße in der Afroamerikaner lebten, in der auch das Stück spielt) betitelt wurde. Die Suite ist nicht zu verwechseln mit dem Madley von Robert Russell Bennett. Die Suite Eine Suite (von französisch suite = Folge, Abfolge) ist in der Musik ein Zyklus von Instrumental- oder Orchesterstücken, der in einer vorgegebenen Abfolge ohne längere Pausen gespielt wird. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts etablierte sich daneben der Name Partita, im 18. Jahrhundert wurden Suiten auch oft durch Ouvertüren eingeleitet. Suitensatzform Die modellhafte Form des einzelnen Satzes einer barocken Suite ist die Suitensatzform. Ihre typischen Merkmale zeigt das Menuett Bachs. Ein Suitensatz ist zweiteilig; beide Teile werden wiederholt. Und grundlegend für die Form ist der harmonische Verlauf: Der erste Teil eines Satzes in Dur führt zur Dominante, der zweite Teil von der Dominante zur Tonika zurück. Der Rückweg ist meist ausgeweitet durch die Kadenz zu einer benachbarten Tonart - überwiegend, wie in Bachs Menuett, zur Tonikaparallele. Porgy and Bess ist eine Oper in drei Akten von George Gershwin auf ein Libretto von DuBose Heyward. Die Liedtexte stammen von DuBose Heyward und Gershwins Bruder Ira. Die Oper schildert das Leben von Afroamerikanern in der Schwarzensiedlung Catfish Row in Charleston um 1870. Inhaltszusammenfassung zu Porgy and Bess In der «Catfish Row» im Hafenviertel von Charleston leben die Farbigen um 1870 in ärmlichen Verhältnissen. Das Geld, das die Männer mit dem Fischfang verdienen, verspielen sie an den Sommerabenden beim Würfelspiel. Der verkrüppelte Porgy erscheint im Wohnviertel. Der brutale und meistens betrunkene Crown kommt mit seiner Geliebten Bess hinzu. Als er beim Spiel gegen Robbins verliert, tötet er diesen. Crown ergreift die Flucht, während Serena neben ihrem toten Mann Robbins zusammenbricht. Bess ist nun ohne Mann, deswegen fragt Sporting Life sie, ob sie mit nach New York kommen möchte, doch dieses Angebot nimmt Bess nicht an. Sie sucht Zuflucht bei dem Krüppel Porgy, der schon immer ein Auge auf sie geworfen hatte. Am nächsten Tag wird bei der 8 Trauerfeier Geld für die Beerdigung des Toten gesammelt, denn ohne Beerdigung würde Robbins’ Leiche an die Medizinstudenten gegeben, damit die das Operieren üben können. Serena will von Bess zuerst kein Geld annehmen, weil es in ihren Augen «schmutzig» ist. Erst, als Bess behauptet, es wäre Porgys Geld, mit dem sie nun zusammenlebt, nimmt Serena es an. Zwischendurch kommt die Polizei und verhaftet Peter als angeblichen Mörder von Robbins, weil sie einen Schuldigen brauchen. Der Bestatter gibt Serena einen Kredit, weil sie das Geld für die Beerdigung nicht zusammen bekommen haben. Erst danach kann Serena sich von ihrem Mann verabschieden und seine Leiche zudecken. Während die Männer Robbin zu Grabe tragen, singen sie Spirituals. Einen Monat später versucht ein unseriöser Rechtsanwalt Porgy und Bess eine Scheidungsurkunde von Crown und Bess zu verkaufen, die in Wirklichkeit nie verheiratet gewesenen waren. Der Drogendealer Sporting Life versucht sich abermals vergeblich an Bess heran zu machen. Ein weißer Richter unterbindet diese kriminellen Machenschaften. Während die Fischer des Ortes trotz schlechten Wetters zum Fischfang aufs offene Meer fahren, fährt Bess mit den anderen Dorfbewohnern auf die Insel Kittiwah, wo sie gemeinsam ein Picknick machen und ausgelassen feiern. Dort trifft sie Crown, der auf Bess gewartet hat. Während die anderen kurz vor dem nahenden Unwetter ins Dorf zurück kehren, verpasst Bess das Boot und bleibt mit Crown auf der Insel zurück, der sie vergewaltigt und ihr androht, sie in zwei Wochen endgültig zu sich zu holen. Schwer erkrankt kehrt Bess nach einigen Tagen von der Insel zurück: Serena und Porgy kümmern sich um Bess; sie beten für die Kranke und pflegen sie gesund. Bess erzählt Porgy, was auf der Insel geschehen ist und bittet ihn, sie vor Crown zu schützen. Porgy stellt ihr frei, mit wem sie leben will für die Gesellschaft dieser Zeit ein revolutionäres Angebot. Das Hafenstädtchen wurde in der Zwischenzeit von einem schweren Sturm heimgesucht, bei dem der Fischer Jake mit seinem Boot kentert und im Meer ertrinkt. Jakes Frau Clara gibt Bess ihr Baby in den Arm und läuft mit Crown zum Strand. Vergeblich, sie können Jake nicht helfen. Clara kommt bei dem Rettungsversuch ebenfalls ums Leben. Wieder gibt es eine Beerdigung in Catfish Row. Als Crown während der Totenklage um Jake, Clara und die anderen Flutopfer bei Porgy erscheint und ihn bedroht, ersticht Porgy seinen Nebenbuhler mit einem Messer. Kurz darauf erscheint die Polizei in dem Viertel. Zuerst befragen sie Serena, doch sie und ihre Freundinnen verraten nichts. Später kommen die weißen «Bosse» zu Porgy. Er soll sich den Toten anschauen und bezeugen, dass es Crown ist. Porgy weigert sich zwar, aber ohne Erfolg. Die Polizei verhaftet ihn und nimmt ihn mit. Bess bleibt verzweifelt mit Claras Baby zurück. Während Porgy im Gefängnis ist, taucht Sporting Life erneut auf, wickelt Bess mit Hilfe von Drogen um den Finger und überredet sie, mit ihm nach New York zu kommen. Als Porgy nach einigen Tagen aus dem Gefängnis zurückkommt, bringt er viele Geschenke mit, die er durch das Würfelspielen dort kaufen konnte. Er ruft nach Bess, doch sie antwortet nicht. Als er sie vergeblich sucht, wird ihm gesagt, dass sie mit Sportin’ Life nach New York gegangen ist. Porgy wirft seine Stöcke weg, sagt: «Gott wird mir helfen, sie zu finden» und macht sich auf den Weg um sie zu holen. Entstehungsgeschichte der Oper Porgy und Bess Die Oper entstand 1933–35 im Auftrag der Theatre Guild. Nach der Vorpremiere am Colonial Theatre in Boston am 30. September 1935 hatte die Oper am New Yorker Alvin Theatre ihre BroadwayPremiere. Die Produktion war aber nur mäßig erfolgreich. Erst eine zweite Aufführungsserie ab 1942 in New York und die europäische Erstaufführung in Kopenhagen 1943, gegen den Widerstand der Nationalsozialisten, sicherten ihr den Erfolg. 1952–55 folgte eine Welttournee. In der Verfilmung aus dem Jahr 1959 spielten Dorothy Dandridge, Sidney Poitier und Sammy Davis Jr. 9 Zur Musik von Gershwin Die New York Times bezeichnete das Stück als «American Folk Opera», wodurch zum Ausdruck gebracht werden soll, dass Gershwin viele Elemente amerikanischer Musik eingebracht hat (jedoch ohne Originalmusik der afroamerikanischen Bewohner zu verwenden). Gemäß dem Willen Gershwins darf das Stück ausschließlich von Schwarzen aufgeführt werden (Ausnahme: konzertante Aufführung). George Gershwin legte besonderen Wert darauf, mit Porgy and Bess kein Musical, sondern eine Oper komponiert zu haben, und in der Tat steht das Stück sowohl durch die Verwendung der durchkomponierten Großform als auch wegen der realistischen Milieuzeichnung den Opern des Verismo sehr nahe. Dennoch befindet sich das Stück durch die Verwendung der volkstümlich gewordenen Spiritual-, Blues- und Jazz-Elemente stilistisch an der Grenze zum Musical. Der Komponist George Gershwin wurde 1898 als Jacob Gershovitz (benannt nach seinem Großvater) in Brooklyn, New York City als Kind der russisch-jüdischen Immigranten Morris Gershovitz und Rose Gershovitz (geb. Bruskin) geboren. Diese waren etwa um 1891 in die USA eingewandert. Ab 1914 arbeitete George Gershwin als «Hauspianist» im New Yorker Musikverlag Jerome H. Remick. Seine Aufgabe war es bald, neue Lieder seines Verlages den Bandleadern und Theateragenten vorzuspielen und zu verkaufen. Angeregt durch diese Tätigkeit, versuchte er sich in der Komposition von eigenen Liedern und Tanzstücken. 1916 begann er als Pianist Notenrollen für Elektrische Klaviere zu bespielen, zunächst mit Rags und weiteren Werken anderer Komponisten. Sein Ragtime «Rialto Ripples»,1916 komponiert, wurde ein finanzieller Erfolg. Gershwin studierte in diesen Jahren bei dem Komponisten Rubin Goldmark sowie bei dem Avantgardisten Henry Cowell Klavier und Harmonielehre. 1918 gelang ihm mit dem Lied «Swanee» der erste USA-weite Hit, der zunächst auf dem Broadway zu seiner Anerkennung als Komponist führte. Er interpretierte seine Klavierkonzerte auch als Pianist. Auf seiner Europareise 1928 lernte er Igor Strawinsky kennen. Er hatte eine längere Liebesbeziehung mit der Komponistin Kay Swift. Während George Gershwin in Hollywood an der Partitur von «The Goldwyn Follies» arbeitete, brach er am Flügel zusammen und starb am 11. Juli 1937 an einem Gehirntumor. Künstlerisches Schaffen und Wirkung Gershwin komponierte sowohl Stücke für den Broadway als auch klassische Konzerte. Ab 1931 war er auch für den Tonfilm als Komponist tätig. Zu den meisten Kompositionen von George Gershwin schrieb sein Bruder Ira die Texte. George und Ira Gershwin gehörten zu den erfolgreichsten Teams am Broadway. Ihre Werke wurden von Stars wie Fred Astaire und seiner Schwester Adele, Gertrude Lawrence, Red Nichols, Ethel Merman und Ginger Rogers aufgeführt. Vor der Arbeit an der Oper «Porgy and Bess» verbrachte Gershwin einen Sommer in Folly Island in der Nähe von Charleston (South Carolina), um sich mit der afro-amerikanischen Musik vertrauter zu machen. Viele seiner Werke erlangten auch über Amerika hinaus große Popularität. Teilweise wurden seine Kompositionen als Filmmusik verwendet. Andere wiederum gelten als Jazz-Standards; sie wurden von namhaften Stars der amerikanischen und internationalen Unterhaltungsmusik interpretiert, darunter Ella Fitzgerald, Louis Armstrong, Frank Sinatra, Judy Garland, Peter Gabriel, Ray Conniff, Percy Faith und Barbra Streisand. Sie fanden den Weg in den Jazz, beispielsweise mit Interpretationen von Herbie Hancock oder Miles Davis und in den Rock, beispielsweise mit Versionen von Janis Joplin («Summertime»). Einige der Gershwin-Lieder wurden in der Ära des Bebop durch Umgestaltung und Reharmonisierung in neue Themen (bebop heads) und Lieder transformiert. «Oh, Lady Be Good!» wurde so zu Thelonious Monks «Hackensack», «But Not For Me» zu Tadd Damerons« Sid’s Delight, und «I Got Rhythm» zu Lester Youngs «Lester Leaps In». 10 Über den Einsatz der Musik von George Gershwin in dem Erzählkonzert «Major Dux» Hannes Dufek: «Die Grundidee des Projektes ist es, das Orchester als Klangkörper zu präsentieren. Ausgehend von George Gershwins Suite aus Porgy and Bess «Catfish Row» führe ich verschiedene Operationen am lebenden Gewebe dieser Musik durch, um einerseits die Geschichte des Major Dux zu unterstützen, andererseits aber das Orchester als Klangkörper darzustellen. Ich arbeite mit Collagen und Überlagerungen von Klängen aus der Suite und erzeuge auf diese Weise orchestrales Chaos und konzertanten Irrsinn — den Eindruck eines kakophonisch-komplexen Geflechts aus einander widersprechenden, durcheinanderlaufenden Klängen, die etwa der geheime Jazzkeller, die letzte Bastion der verbotenen Musiker, sein könnte. Andererseits nehme ich einzelne Fragmente aus Gershwins Werk und «loope» sie, wiederhole sie also unablässig, und gelange somit zu völlig neuen Zusammenhängen und Klangmöglichkeiten, sodass etwa eine ratternde U-Bahn oder aber eine hektische Verfolgungsjagd entsteht. Die Geschichte erhält weitere Unterstützung durch die Zuordnung verschiedener Motive zu den Hauptcharakteren der Geschichte. Vergleichbar der Vorgangsweise in Prokofiews «Peter und der Wolf» erhält so der Hauptdarsteller Bob Bartolomäus einen ganz eigenen, nur ihm zugehörigen Klang, ebenso der böse Major, die Bulldogge, aber natürlich auch die Schmetterlingsfrau. Auf diese Weise dreht sich die Bedeutung der Gershwin’schen Musik ein weiteres Mal und erzeugt lebendige, atmende Charaktere aus der Geschichte.» Ideen zur Vorbereitung und Nachbereitung der Inszenierung Kleines Musik-Lexikon Überlegt euch in der Klasse was die unten stehenden Begriffe bezeichnen könnten? - Glissando - Viola - Bass-Blockflöte - Elektronische Musik Partitur - Libretto - Obertongesang Wut-Symbol Bob und seine Freunde werden Wütend darüber, dass man sie nicht so leben lässt wie sie sind und sein wollen. Warum sind sie anders? Und wer bestimmt, mit welchem Recht was normal ist!? Legt einige große Bögen Papier auf. Jeder sucht sich ein Symbol für eine Art von Aggression oder Wut, die er an sich kennt und malt es auf das Papier (dazu kann auch eine kleine Erklärung gegeben werden). Vergleicht und besprecht die Symbole und findet anschließend zu jedem Symbol einen Klang oder ein Geräusch. Über diese Klänge könnt Ihr Eurer Wut jetzt gemeinsam freien Lauf lassen. Hängt die Plakate im Klassenzimmer auf und erinnert auch an diese Form des Ausdrucks von Wut. Ihr könnt das Symbol oder den Klang auch anwenden, wenn Ihr merkt, dass eine Diskussion zunehmend zu einem Konflikt wird - als Signal um innezuhalten, oder wenn Ihr bemerkt, dass Ihr mit aufgestauter Wut gerade nicht umgehen könnt. 11 Ein und dieselbe Geschichte – Viele verschiedene Perspektiven In der Konzertperformance schafft ein Schauspieler zusammen mit einem ganzen Orchester verschiedene Figuren und eine Zeichnerin lässt auf dem Papier Charaktere entstehen die dann projiziert werden. Ihr erlebt also verschiedene Arten wie Figuren auf der Bühne entstehen können. Sammelt Stichwörter zu den Figuren des Stückes und verfasst für diese kleine Steckbriefe/Biographien. Lasst dabei eurer Fantasie freien lauf und erfindet auch dazu was euch Spaß macht! Was mag die Figur? Was mag sie nicht? Was ist typisch für sie (Tätigkeit, Bewegung, Sprache,...)? Wie lebt sie? Was tut sie den ganzen Tag? Wovor hat sie Angst? Was wünscht sie sich? Perspektivenwechsel Wie klingt die Geschichte, erzählt aus der Sicht von Major Dux, einem der Musiker im Keller und der Schmetterlingsfrau? Teilt Euch in drei Gruppen und verfasst diese drei Geschichten. Lest sie anschließend einander vor und vergleicht sie. - Was verändert sich, wenn dieselbe Handlung jeweils aus den Augen einer der Figur - betrachtet wird? Wird die Position des Gegenübers besser verstehbar, wenn man versucht, seine Sichtweise zu verstehen und sich in ihn hineinzuversetzen? Wie geht die Geschichte von Bartolomäus Bob weiter... oder hätte sie doch noch anders ausgehen können? Bob ist frei – er hat aber erlebt was es bedeutet unfrei zu sein und beschäftigt sich mit dieser Ungerechtigkeit. Warum dürfen scheinbar Menschen über andere Menschen bestimmen? Mit dieser Frage beschließt er, jetzt seinen eigenen Weg zu gehen. In Kleingruppen: Überlegt Euch, wie die Geschichte Bob und seinen Kollegen weitergehen könnte. Entwickelt aus Euren Ideen kleine Szenen und präsentiert sie in der Klasse. Oder: Überlegt Euch, ob die Geschichte von Bob auch hätte anders ausgehen können. Spannende Stille Wir hören dem Verklingen der Töne zu... Im Kreis: Ein Instrument/klangerzeugender Gegenstand wird ausgewählt. Ein Kind beginnt und spielt damit einen Klang, das nächste Kind im Kreis folgt mit seinem Klang erst, wenn der erste Ton ganz verklungen ist. Nehmt wahr, wie lange der Klang noch hörbar ist im Raum! In der zweiten Runde kann jedes Kind auch ein kleines rhythmisches/melodisches Motiv spielen und dann das Instrument weiterreichen. Kleiner Tipp: Für dieses Spiel bietet sich als Instrument eine Klangschale sehr gut an, da diese einen sehr langen Nachhall hat, man ihre Schwingungen sehr gut auf der Hand spüren kann und sich das Instrument ideal dazu eignet, um Ruhe zu vermitteln. Die Klang-Runde kann z.B. ein schönes Morgen-Ritual in der Klasse werden um seine Sinne und Wahrnehmung zu öffnen. 12 Singspiel In Pärchen: Einer von Euch beginnt mit einem stimmlichen Laut und wiederholt diesen mit einer kleinen Pause dazwischen. Dein Partner setzt in der Pause mit demselben Klang ein. Nach einer Zeit nimmt einer von Euch einen zweiten Klang dazu, der Partner übernimmt auch diesen. Dann wird der erste Klang durch einen neuen ausgetauscht... Partitur der Stille Wie viele Geräusche hört Ihr in zwei Minuten «Stille»? Wie kann man Geräusche graphisch notieren und in Klang umsetzen? Setzt Euch bequem hin (Ihr könnt Euch auch hinlegen) und schließt die Augen. Lenkt Eure Wahrnehmung auf alle Geräusche, die Ihr jetzt in dieser «Stille» hören könnt. Versucht Euch so viele wie möglich davon zu merken! Nach Ablauf einer bestimmten Zeit (z.B. zwei Minuten) sammelt alle Geräusche, die Ihr gehört habt und notiert sie. Natürlich könnt Ihr auch mehrere Hör-Durchläufe machen! Dann findet für jedes dieser Geräusche ein graphisches Symbol/Zeichen (Jeder kann sich z.B. ein Geräusch aussuchen). Verwendet dabei auch unterschiedliche Farben! Breitet nun einen großen Bogen Papier aus (die Länge des Papiers stellt den zeitlichen Rahmen dar) und malt darauf die Symbole, ungefähr der Zeit entsprechend, wann Ihr sie wahrgenommen habt. Wenn Ihr ein Geräusch also z.B. öfters gehört habt, müsst Ihr es auch mehrmals aufmalen. Es entsteht eine Partitur! Anschließend sucht jeder für sein Geräusch/Symbol auch einen Klang, z.B. mit Stimme, (Orff-) Instrumenten, Gegenständen. Positioniert Euch nun so um die Partitur und wählt einen Dirigenten. Dieser deutet Euch nun den zeitlichen Verlauf auf der Partitur an und Ihr spielt an den entsprechenden Stellen Euren Klang. Blind-Bewegen Geht paarweise zusammen. Einer des Pärchens schließt die Augen (ev. mit Tuch verbinden). Eurer Partner hält Euch sanft und führt Euch durch den Raum, natürlich ohne auf ein Hindernis oder anderes Pärchen zu stoßen. Ändert dabei auch das Tempo und die Gangarten. Nach einer Zeit wechselt die Rollen. Wenn Ihr mit dem Gefühl, blind im Raum zu gehen vertraut seid, und Euch sicher fühlt, bewegt Euch frei, ohne dass Euer Partner Euch hält. Trotzdem beobachtet dieser Euch genau, bleibt ständig in Eurer Nähe und schützt Euch vor Zusammenstößen. Lasst Euch Zeit, wenn Ihr wieder die Augen öffnet und spürt nach, wie sich Eure Wahrnehmung für Euren Körper und den Raum verändert hat! 13 Spiegel im Spiegel Geht paarweise zusammen und stellt Euch gegenüber. Einer macht eine Bewegung vor, der Andere macht diese wie ein Spiegelbild nach. Nach einer Zeit wechselt Ihr. Versucht dabei so genau und gleichzeitig wie möglich zu sein, die Bewegungen fließend zu machen und den ganzen Körper zu verwenden. Baut auch immer wieder «Freeze» Momente ein und verharrt für einen Moment im Spiegelbild. Statt Spiegelbilder könnt Ihr auch «Einpass-Bilder» darstellen: Einer macht eine Bewegung vor und hält die eingenommene Position, das Gegenüber versucht sich in diese Position einzupassen, sie also zu ergänzen. Verharrt einen Moment in dem Bild, dann findet eine neue Figur. Kleiner Tipp: Als musikalische Untermalung zu dieser Übung eignet sich sehr gut das Stück «Spiegel im Spiegel» für Klavier und Violine von Arvo Pärt. Aktualität des Stoffes Findet Situationen aus eurem Alltag, den Nachrichten oder in der Geschichte wo Menschen ausgeschlossen worden sind oder werden. - Warum passiert das? - Was kann man damit und dagegen tun? - Und wie würdest du dich verhalten? Sammelt zusammen Themen und vertieft es mit Stichwortsammlungen, einem Ausflug oder Filmmaterial. 14 Zeitungstheater Den Schlagzeilen auf der Spur - Vom Impuls zur Szene Ein weiterführender Tipp zum Umgang mit aktuellen politischen Themen mit theatralen Formen ist das Zeitungstheater nach Augusto Boal. Das Zeitungstheater gilt als eine Methode des «Theaters der Unterdrückten», das vom brasilianischen Regisseur und Theaterpädagogen Augusto Boal entwickelt wurde. Die ursprüngliche Intention des Zeitungstheaters angesichts der zunehmenden faschistischen Unterdrückung nach dem Militärputsch im Dezember 1968 in Brasilien war es, neue Wege und Formen zu finden, sich trotz Zensur und Polizeigewalt öffentlich zu äußern, die Volkstheaterarbeit fortzusetzen und weiterhin «Theater für das Volk», d.h. aus der Perspektive des Volkes zu machen1. Zeitungstheater ist somit eine wichtige Methode für historisch politische Bildungsarbeit. Mit Hilfe unterschiedlicher Lesetechniken, die auch das szenische Spiel mit einschließen, soll die Objektivität des Journalismus hinterfragt, sollen Sachverhalte korrigiert und ergänzt, sowie die Hintergründe von Meldungen erfasst werden, um dem Ziel politischer Aufklärung näher zu kommen. Perspektive, Orientierungskompetenz – Standortbestimmung, Selbstreflexion Die Spieler/innen nähern sich mit theatralen Mitteln den Standpunkten von Menschen in den dargebotenen Schlagzeilen und Zeitungsartikeln, vergleichen sie und beziehen selbst Stellung. Sie diskutieren den eigenen Standpunkt in der Zusammenarbeit mit den Mitgliedern der Kleingruppe bei der Erarbeitung der Präsentation. Dabei müssen sie bereit sein, ihre Sichtweise zu korrigieren bzw. um die der anderen zu erweitern. Das Feedback des Publikums fordert dann nochmals zu einer Standortreflexion auf. Zeitung als sinnliches Medium erfahren In Zeitungstheater-Workshops ist es mir immer ein Anliegen, dass die Teilnehmer/innen Zeitungen auch als sinnliches Medium erfahren. Daher werden Zeitungen nicht nur gelesen, sondern ihre Möglichkeiten als Requisit, Musikinstrument, Kostüm bzw. Material für ein Bühnenbild in verschiedensten Übungen ausgelotet. Es gibt z.B. eine Einheit, in der die Teilnehmerinnern und Teilnehmer herausfinden, welche Geräusche, Töne, Melodien, Rhythmen man mit einem Zeitungsblatt, mehreren Blättern, einer dicken Zeitungsrolle erzeugen kann. In einer anderen Übung forscht die Gruppe nach unterschiedlichsten Handlungen, die sich mit einer Zeitung ausführen lassen oder nimmt die Zeitung als Material, um sich daraus Kostüme herzustellen. Schlagzeilen – Ausdruck – Eindruck Ziele: • Aufmerksamkeit erwecken durch die ungewöhnliche Art der Präsentation, • Aufbrechen von alten Hör- bzw. Lesegewohnheiten. Material: Schlagzeilen, die aus der Tagespresse ausgeschnitten wurden. Beschreibung: Die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nehmen auf im Raum verteilten Stühlen oder am Boden Platz. Die Leitung lädt sie ein, die Augen zu schließen und in den folgenden Minuten Höreindrücke auf sich wirken zu lassen und innerlich zu registrieren, was sie jeweils auslösen, welche Reaktionen sie hervorrufen, z.B. Bewegungsimpulse, Gänsehaut, Verspannungen, Bilder, Gedanken, etc. Die andere Hälfte der Gruppe erhält je eine Schlagzeile aus einer Tageszeitung. Die Lesenden lesen die Schlagzeilen in unterschiedlicher Lautstärke, in verschiedenen Emotionen und 15 spielen auch mit Nähe und Distanz zu den Hörenden zu (z.B. ihnen die SZ ins Ohr zu flüstern oder sie von der hintersten Ecke des Raumes herzurufen). Informationen werden bei unterschiedlicher Betonung der Wörter und Sätze plastischer und eindringlicher. Wechsel Auswertung: Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichten im Zweiergespräch von ihren Eindrücken. Sie gehen der Frage nach: «Wovon lasse ich mich beeindrucken, welche Gedanken, Erinnerungen, körperlichen Reaktionen und Gefühle wurden durch die Höreindrücke bei mir hervorgerufen?» Der Ton macht die Musik Ziele: • Aufbrechen von alten Lese- und Hörgewohnheiten, • Erkennen, dass unterschiedliche Lautstärke, unterschiedliche Emotionen, unterschiedliche Modulation der Stimme die Wahrnehmung des Inhalts, verändern, einen neuen Fokus auf die Textaussage legen. Material: Schlagzeilen, die aus der Tagespresse ausgeschnitten wurden. Beschreibung: SZ werden von einem/einer SpielleiterIn auf einem Tisch ausgelegt. Die TeilnehmerInnen suchen sich eine SZ aus, die sie anspricht. Sie gehen dann durch den Raum, wobei sie die SZ laut vor sich hin sprechen, sie sich einprägen, sie von vorne und rückwärts lesen, sie flüstern, in die Welt hinausschreien, sie mit verschiedenen Emotionen unterlegen oder an verschiedenen Schauplätzen aussprechen (z.B. als Anklage, als Frage, weinerlich, als Liebesgeständnis, unsicher, als Versuch sie zu verbergen, im Parlament, auf dem Marktplatz, eine .Melodie dazu erfinden, singen, als wäre man ein Star, etc.). Zwischendurch lösen sie sich immer wieder von den Haltungen und Emotionen und gehen auf ihre persönliche Weise. Wichtig: Neutraler Gang (locker, entspannt, ohne privat zu werden, entspannter Atem) – gibt die Möglichkeit sich von Stimmungen, Haltungen zu lösen, sich zu entrollen, sich zu sammeln, bietet die Möglichkeit, auf Distanz zur letzten Situation, Haltung, Emotion zu gehen Zeitungsfotos Ziele: • Sichtbarmachen, Verdeutlichen von Inhalten, Vorstellungen, Meinungen, • Bewusstmachen von Haltungen, Verhalten • Durchschauen von Inhalten, sich ein Bild davon machen Beschreibung: TeilnehmerInnen werden eingeladen, sich in Kleingruppen zu max. 6 bzw. min. 4 Personen zusammenzufinden. Dann wählen sie eine Schlagzeile aus, die ihnen besonders interessant erscheint. Der/Die SpielleiterIn bittet sie, zu dieser SZ ein lebendiges Standbild zu stellen, das die zentrale Aussage der SZ verdeutlicht. Die Gruppenstatue soll wie ein Zeitungsfoto den Inhalt unterstreichen bzw. illustrieren, d.h. das Thema wird visualisiert. Jedes Gruppenmitglied setzt dabei in der Funktion der Fotografin / des Fotografen seine Assoziationen zur SZ in einem Standbild um, wobei die Mitglieder der Kleingruppe als «Material» zur Verfügung stehen. Auf diese Weise entstehen 4 bis 5 verschiedene Statuen, die die Sichtweisen der einzelnen aufzeigen. Die Methode ermöglicht das Einfühlen in verschiedene Aspekte eines Themas, einer Aussage. Die Übung erfolgt zunächst nonverbal. Danach diskutieren die Gruppenmitglieder, wie sie die unterschiedlichen Aspekte und Facetten des Wortes in einem einzigen Standbild umsetzen könnten. Das Ergebnis wird präsentiert. Das Publikum gibt dem Zeitungsfoto einen Titel, eine Bildunterschrift. So erhält die spielende Gruppe ein Feedback zu ihrer Darstellung. 16 Zeitungsartikel • Sich ein Bild von der Aussage des Artikels machen • Sichtbarmachen der eigenen Rezeption. Beschreibung: Die Mitglieder der Kleingruppe schreiben einen Kurzartikel zu der von ihnen im «Zeitungsfoto» bebilderten Schlagzeile bzw. zu einer neu gewählten. Dabei sollen folgende Fragen beantwortet werden: WER? WO? WAS? WARUM? WIE? WANN? Dann gibt die Gruppe A ihren Kurzartikel an die TeilnehmerInnen von B, Gruppe B an Gruppe C, Gruppe C an Gruppe D und diese ihren Artikel an Gruppe A. Die Kleingruppen haben die Aufgabe den Kurzartikel in eine kleine Szene umzusetzen, zu dramatisieren. Sie können dabei auch verschieden Genres wählen (Tanz, Theater, Oper, Musical, etc.). Die Szenen werden präsentiert. Anschließend werden die Originalartikel zu den einzelnen Schlagzeilen verteilt und verlesen. 17 Vermittlung / Transdiszipilinarität Die Gruppe «MAKEMAKE produktionen» plant Plattformen für das Entwickeln und Praktizieren von Theaterformaten. Dabei soll Vernetzung verschiedener Künstlerinnen aus Wien und Österreich, sowie aus dem Ausland passieren. Es sollen kollektive Formate in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Spielstätten, KooperationspartnerInnen und AkteurInnen erdacht werden. Dabei beziehen wir uns nicht ausschließlich auf das Theater, sondern auf einen breit-gedachten künstlerischen Vermittlungsbegriff, der disiziplinenübergreifend agiert. «Dritte einzuladen um Kunst und ihre Institutionen für Bildungsprozesse zu nutzen: sie zu analysieren und zu befragen, zu dekonstruieren und gegebenenfalls zu verändern. » Schreibt die Kunstvermittlerin Carmen Mörsch im Rahmen der Dokumenta 12. Bei Vermittlungsprojekten, sei es im Bereich der Bildenden Kunst, der Musik oder des Theaters muss es immer auch um den Entwurf und die Definition eines Bildungsbegriffes gehen. Wer sind in diesen Bildungsprozessen die Lehrenden und wer die Lernenden? Was für Subjekte sollen aus diesen Bildungspraxen hervorgehen und mit was für einem Handlungsbegriff sollen sie ausgestattet werden? Carmen Mörsch fragt:«(...) Sollen es tatsächlich Subjekte sein, die über eine gestalterische Selbstverwirklichung hinaus die beschriebenen Geschehnisse zu analysieren und sich gegebenenfalls kritisch dazu positionieren in der Lage sind? Die möglicherweise sogar Lust darauf haben, ihnen mit widerständigen Praktiken zu begegnen? » Wie muss Kunstpraxis gegenwärtig gedacht werden, um dekonstruktive und transformative Prozesse in KomplizInnenschaft mit jungen Menschen zu initiieren? Schnittstelle «Theater – Vermittlung – Schule» Ins Theater zu gehen stellt für viele SchülerInnen eine willkommene Abwechslung zum gewohnten Schulalltag dar, im Idealfall einen der Höhepunkte des Schuljahres. Für PädagogInnen bedeutet es jedoch zunächst die Verantwortung, das richtige Stück zu wählen, sich zu überlegen, wie man die Kinder dafür begeistert, wie man die Stückinhalte entsprechend vor- und nachbearbeitet und wie das Stück in Verbindung mit aktuellen Themen in der Klasse/der Kinder gebracht werden kann. Zum Gelingen dieser Aufgabe ist es unerlässlich, dass auch der Theaterbetrieb sowie eigens dafür ausgebildete KulturvermittlerInnen oder TheaterpädagogInnen sich für die Interessen der Schulseite engagieren und alle Beteiligten am gleichen Strang ziehen. Betrachten sich diese als Partner und existiert wechselseitiges Verständnis für Bedürfnisse, Erwartungen und Ziele, so steht dem Gelingen eines gemeinsamen Prozesses, indem es um einen gleichberechtigten, dialogischen Austausch aller AkteurInnen und deren aktive Teilnahme an Theater und Kultur geht, nichts mehr im Wege. Als Einstiegstext in das Thema «Kulturvermittlung» ist folgender Text von Carmen Mörsch empfehlenswert: http://ipf.zhdk.ch/dates-space_c-morsch.pdfn/watch-thi Fragen an das künstlerische Team Wie kommt eurer Meinung nach eine gelungene Verbindung zwischen Musik und Performance zustande? Mein Antrieb, Musik zu machen, war immer da. Ich kenn das gar nicht anders. Neben der rein ästhetischen Freude, frei und quasi ungebunden mit Formen und Gestalten zu spielen, im virtuellen, potenziell unbegrenzten Raum zu arbeiten, schaffen zu können, gibt es den Aspekt der Kommunikation - mit sich selbst, aber auch und in großem Ausmaß mit Anderen. Musik ist, sowohl wegen der Notwendigkeit der Vermittlung von Gedanken über Partitur, Probenarbeit etc., als auch al Erlebnis des/ der Hörenden, eine unglaublich direkte, dichte und volle Weise, Kontakt herzustellen. Im besten Fall geht das von Herz zu Herz, von Mensch-Erfahrung zu Mensch-Erfahrung - das zu finden, auf spielerische Weise danach zu suchen, das ist mein Antrieb. 18 Musik ist für mich ein zentraler Bestandteil von Theater, ein Mitspieler der erweitert, unterstützt, initiiert, konstruiert, kontrastiert und dekonstruiert. Für mich als Choreografin und Tänzerin ist der Einsatz und die Verwendung von Musik wichtiger Ausgangspunkt, Wegweiser und Richtungsgeber. Ich versuche gedankliche die Trennung von Musik, Bühne, Sprache, Gesang, Tanz,...etc. aufzulösen und alles als Ganzheit zu betrachten. Für mich gibt es kein Theater ohne Musik. Das bedeutet nicht zwingend instrumentalen Klang oder Gesang auf der Bühne. Es gibt meiner Auffassung nach einfach kein Theater ohne Rhythmus. Spiel ist genau so wie die Sprache immer Rhythmus und Melodie. Was ist euer Antrieb zu tun was ihr tut? Kunstschaffen bedeutet für mich das imaginäre mit dem realen in ein Spannungsverhältnis zu setzen und dadurch Utopien zu eröffnen in einem weiteren Schritt muss deren realpolitische Umsetzung ausgefochten werden. Die Faszination für das Entstehen lassen von Ideen und den immer neuen Prozess ihrer Umsetzung. Der Wille Wahrnehmungsmuster zu durchbrechen, Dinge auf den Kopf zu stellen und Zuschauer einzuladen, sie aus einer ungewohnten Perspektive zu betrachten. Für mich ist die Arbeit im Kollektiv sehr wichtig. Gemeinsam Konzepte zu überlegen, Raum zu schaffen für Experimente und dabei auch mal zu scheitern. Warum noch? Wegen den Momenten wo man die Begeisterung beim Publikum spürt, es funktioniert Ideen zu transportieren, Emotionen zu teilen und zu wecken und im Zuschauer ein Nachdenken zu initiieren. Und... Kunst und Kultur als etwas zu sehen, dass nicht schwierig und elitär ist, sondern sich jedem und jeder anbietet. Kunst soll und kann unabhängig von sozialen Schichten und Bildungsstand existieren und genossen werden. Kunst soll Begegnungen möglich machen, Diskussionen auslösen, vernetzen und zusammenbringen. Mich treibt, so kitschig es klingt, die Liebe zur Musik und zum künstlerischen Ausdruck. Ich bin sehr dankbar dafür, dass mir das Theater begegnet ist und mit ihm all die kreativen Menschen und Freunde, die lustvolles, respektbetontes und gegenseitig inspiriertes Schaffen möglich machen. 19 Das künstlerische Team Die Tonkünstler Das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich ist eine der wichtigsten Institutionen der österreichischen Musikkultur. Der Kernbereich der künstlerischen Arbeit ist das traditionelle Repertoire von der Klassik über die Romantik bis ins 20. Jahrhundert; gleichzeitig setzen die Tonkünstler Akzente im Bereich der Gegenwartsmusik. Das Orchester knüpft damit an sein mehr als 100-jähriges Wirken im österreichischen und internationalen Konzertleben an. Mit der Saison 09-10 übernahm der in Kolumbien geborene und seit 1997 im Wiener Musikleben beheimatete Andrés Orozco-Estrada das Amt des Chefdirigenten. Chefdirigenten vor Andrés Orozco-Estrada waren unter anderem Walter Weller, Heinz Wallberg, Miltiades Caridis, Fabio Luisi und Kristjan Järvi. Weiters arbeiten die Tonkünstler mit prominenten Gastdirigenten zusammen, darunter Jeffrey Tate, Jun Märkl, Hugh Wolff, Andrew Litton, Giovanni Antonini, Christopher Hogwood, Christian Zacharias, Heinz Holliger sowie dem Ersten Gastdirigenten Michail Jurowski. Simon Dietersdorfer (Schauspiel) Geboren 1984 in Wien. Schauspielstudium am Konservatorium Wien Privatuniversität. Abschluss desselbigen mit Auszeichnung im Jahr 2008. Bisherige Engagements u.a. am Theater an der Gumpendorferstraße, 3raum- anatomietheater, OFF-Theater, Theater in der Drachengasse sowie bei den Bad Hersfelder Festspielen. Vor der Kamera stand er u.a. für die Fernsehserien «SOKO Donau», «Der Winzerkönig» und «Mitten im 8ten». Er ist Ensemblemitglied des Theaters in der Josefstadt und dort zurzeit in «Amadeus» zu sehen. Seine zweite große Leidenschaft ist die Musik. Er textet, komponiert und produziert sowohl für das Theater als auch für diverse eigene Bandprojekte, wie die HipHop Gruppe MA21. Bisher übernahm er die musikalische Leitung etlicher Produktionen u.a. «Das Dschungelbuch», «Fremdstoff» am Dschungel Wien und «Ein Schaf fürs Leben» am Staatstheater Oldenburg. Für die «Weihnachtsgeschichten vom Franz» war Simon Dietersdorfer beim STELLA 2011 in der Kategorie «herausragende Musik» nominiert. Simon Dietersdorfer veranstaltete bei der «Street Academy» und der «langen Nacht der Jugend» einige Rap Workshops. Diese fanden großteils in Jugendzentren/treffs im Gemeindebau statt. Teilnehmer waren Jugendliche im Alter von 12 bis 20 Jahren, größtenteils mit Migrationshintergrund. Hannes Dufek (Komposition) geboren 1984 in Wien. Studium der Komposition an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (Klasse Chaya Czernowin, Klasse Michael Obst). Im Jahr 2006 erfolgt die Gründung von Platypus - Verein für neue Musik (www.platypus.or.at) Hannes Dufek wird (und ist seitdem) Obmann des Vereins, der sich in vielfältiger Form der Förderung und Präsentation neuer Musik insbesondere junger KomponistInnen widmet. Die organisatorische und kulturpolitische Arbeit, die auf diese Weise geleistet wird, ist für Hannes Dufek beinahe gleich wichtig und erfüllend wie die genuin kompositorische Tätigkeit. Seit dem Jahr 2011 ist Hannes Dufek auch intensiv beteiligt an Make Make Produktionen und schrieb für das Kindermusiktheater die Musik. Für das Festival Wien Modern 2009 erhielt Hannes Dufek einen Kompositionsauftrag, das entstandene Stück «große musik» wurde 2009 zweimals sehr erfolgreich aufgeführt. 2010 erhielt er den 1. Preis beim Kompositionswettbewerb der RuhrTriennale 2010 in Köln, sowie ein STARTStipendiums des BmUKK. Hannes Dufek ist Teilnehmer des Promotionsprogramms mica young austrian composers, eine CD auf der eines seiner Werk zu hören ist («(Inner) Solare Musik») erschien kürzlich und wurde bei zahlreichen Festivals im In- und Ausland aufgelegt. Für die nahe Zukunft sind neben eines weiteren Kindermusiktheaters für das Staatstheater Oldenburg («Sophiechen und der Riese», 11/2012) ein neues Ensemblestück für das Ensemble reconsil, ein groß 20 angelegtes Streichquartett, sowie ein interdisziplinäres Projekt mit der Cembalistin Maja Mijatovic («arresting images / fragments of media society») in Vorbereitung. Birgit Kellner (Ausstattung) Birgit Kellner wurde 1982 in Wien geboren. Nach einer Ausbildung zur Graphik Designerin studierte sie von 2004-2011 Bühnen und Filmgestaltung an der Universität für Angewandte Kunst Wien. Im Rahmen der Ausstellung «Haucht uns nicht der leere Raum an?» präsentierte sie 2011 ihre audiovisuelle Diplomarbeit «Endlosschleifen». Von 2007 bis 2009 war sie als Bühnenbildassistentin am Schauspiel Frankfurt tätig, wo sie erste eigene Arbeiten umsetzen konnte (u.a. Bühnenbild für «Der Geisterseher» & «Helges Leben»). In Wien assistierte Birgit Kellner am Burgtheater mehrfach bei Stephane Laimè. 2011 gestaltete sie das Bühnenbild für «Ein Gespenst namens Zukunft» (Gewinnerprojekt des Jungwild- Wettbewerbes) und die Ausstattung für die Produktion «Das kleine Gespenst» (Wiener Taschenoper, Uraufführung in Graz). In Zusammenarbeit mit Christian Schlechter entstanden Bühnenbild und Kostüm für Projekte im Staatstheater Oldenburg («Ein Schaf fürs Leben») und im Dschungel Wien («Momo»). Sara Ostertag (Konzept/Spielleitung) Sara Ostertag ist 1985 in Wien geboren und aufgewachsen. Nach dem Naturwissenschaftlichen Gymnasium und Tätigkeiten im Bereich sozialer Arbeit mit Jugendlichen absolviert sie Hospitanzen bei Film und Theater wie zum Beispiel bei Michael Thalheimer am Deutschen Theater Berlin. Sie studiert von 2006 bis 2011 in Zürich und Amsterdam. 2009 hat sie ihr Bachelor-Regiestudium an der Zürcher Hochschule der Künste ab- geschlossen und schließt 2011 ihre Masterstudium in Scenic Arts Practice ab. In ihrer Arbeit hat sie ein besonderes Interesse für das Erforschen von Bühnen außerhalb des Theaters und seiner etablierten Räumlichkeiten. Es interessiert sie Konventionen, Gewohnheiten sichtbar zu machen und aufzumischen. In ihrer Arbeit führt sie immer wieder die Arbeit von Professionellen‐ und Nichtprofessionellen‐ DarstellerInnen zusammen. Dabei geht es ihr nicht darum klassische Inszenierungsarbeit zu leisten, sondern darum den SpielerInnen zu assistieren ihre Ideen zu benennen und umzusetzen und in ein Format zu bringen. 2010 arbeitete und studierte sie 6 Monate Choreographie an der School for New Dance Developement Amsterdam in den Niederlanden. Sie realisiert diverse Projekte in Wien und Zürich und ist an das International Directorsseminar Zusammen mit verschiedenen Künstler- Innen gründet sie 2010 den Verein »MAKEMAKE produktionen« in Wien als Plattform für «performative Zusammenarbeit». 2011 ist sie an das International Dirctorsseminar der ASSITEJ eingeladen. Sie inszeniert 2011 am Tojo Thaeter Bern und ist als Performerin für Claudia Bosse und Cressentia Dünser in Zürich tätig. Zusammen mit Frederike Dengler inszeniert sie das Abschlussprojekt der 12. Klassen der Atelierschule Hottingen in Zürich, Clyde und Bonnie oder was kostet die Welt nach Holger Schober und realisiert die Performance Installation Dejavu in Bühlach (CH). Ausserdem realisiert sie das Performance Event Lets call it a revolution in Novi Sad (Serbien), den Kopfhörerspazier- gang Min Lade in Zürich (CH) mit dem Mentor Domenik Huber (blendwerk) und die Installation 19Stadtkomplzinnen im Architekturzentrum Wien. Am Dschungel Wien inszeniert sie Momo - Oder die Legende vom Jetzt und leitet das Projekt «Macht Schule Theater». Seit der Spielzeit 2011/12 ist sie am Staatstheater Oldenburg als Regisseurin tätig und inszeniert Ein Schaf fürs Leben. Sie wird dort in der Spielzeit 2012/13 die Opernuraufführung Sophiechen und der Riese sowie Das Doppelte Lottchen – Und wer bist eigentlich Du? auf die Bühne bringen. 21 Weiterführende Literatur und Links http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/kinderbu...-still-waer-in-der-welt-majordux-verbietet-die-musik-1465245.html http://www.tonkuenstler.at/ http://makemakeproduktionen.wordpress.com/ http://www.till.ch/spiele/ http://www.dschungelwien.at/start/ http://www.jungeohren.com/ http://www.rp-tuebingen.de/servlet/PB/show/1332741/rpt-75-the-literaturliste-2011.pdf http://www.dramaturgische-gesellschaft.de/ http://www.parkaue.de/index.php?topic=219 Wenn es still wär‘ in der Welt – Major Dux verbietet die Musik Die Liebe ist eine schwierige Sache: Man muss zuweilen richtig hinhören, um auch die Zwischentöne zu verstehen, und mit dem falschen Job fällt das schwer. Major Dux zum Beispiel hat viel um die Ohren, seit es ihm über Nacht gelang, die Macht an sich zu reißen. Ein Schriftsteller hat es da leichter. Der hängt den Kopf hinein in die Geräusche vor seinem Fenster und saugt alles in sich auf, mir nichts, dir nichts, und selbst der Minister für Geräusche und Akustik ist einem solchen Mann ein Freund. Natürlich nur der alte Minister. Mit dem neuen steht Bartolomäus Bob, der Schriftsteller, auf Kriegsfuß: «Tut mir leid», heißt es am Telefon, als er den Freund zu erreichen versucht, just an dem Tag, nachdem Major Dux in der Stadt die Macht übernahm, «der alte Minister ist entlassen und der neue hat zu tun. Er hat gerade die Musik verboten.» Und schon nimmt eine kleine Fluchtgeschichte ihren Lauf, eine Musik- und Liebesgeschichte, lakonisch erzählt und altmodisch schlicht mit schwarzweiß-orangen Illustrationen gestaltet von Martin Baltscheit, der unter anderem schon so witzige Kinder- und Hörbücher vorlegte wie «Gold für den Pinguin», die Story um einen OlympiaTeilnehmer, der wegen unerlaubten Flosseneinsatzes um seine Auszeichnung fürchten musste. «Major Dux oder der Tag, an dem die Musik verboten wurde», bei dem zu vermuten steht, es könne vor allem auch ein Buch für romantisch veranlagte Erwachsene sein, erschien ebenfalls zunächst als Hörbuch, produziert gemeinsam mit Sandra Weckert am Saxofon. Noch mehr Spaß allerdings macht die Story um einige Jazzfreunde, die sich nach dem Verbot der Musik in die Kanalisation flüchten (darunter ein wachsamer Maulwurf - unser Bild), erst beim Vorlesen. Und beim Vorsingen. Denn Bartolomäus Bob, den Baltscheit zum eigentlichen Autor kürt, erzählt diese Geschichte nicht nur in einem hinreißend lässigen Tonfall, als sei dies ein amerikanischer Krimi aus Vorkriegsjahren. Vielmehr streut er auch swingende Zeilen seiner Mitverschwörer ein, und die mögen zwar nicht die grandiosesten Lyrics dieser Welt sein, stimmlich aber sind sie für den durchschnittlich begabten Vorleser eine Herausforderung (zumal von Noten und Melodien keine Spur ist). Was also hat es mit der Musik von Chester Brown auf sich, im wahren Leben übrigens der Name eines kanadischen Cartoonisten? Wer ist Billy, die bezaubernde kleine Schmetterlingsfrau? Und was hat eine kleine Ente mit Schirmmütze vor einem Klavier verloren, in einem Hochhaus mit 88 Stockwerken? «Major Dux» ist eine herzzerreißend schlichte Geschichte in acht Takten. «Wenn es still wär’ in der Welt», dichtet Bartolomäus Bob zum Ausklang, «hörte ich Fliegenflügel schlagen, hörte, wie die Lüfte Düfte tragen, wie der Regen in Australien fällt, wenn es still wär’ in der Welt. » Eine Liebeserklärung, das alles, ohrenberauschend. 22 «Warum Cross-Over» Darstellende Kunst für ein junges Publikum - Möglichkeiten der Begegnungen von Annett Israel Das professionelle Kinder- und Jugendtheater findet seit seiner Entstehung seine Selbstbestimmung insbesondere in seiner besonderen Beziehung zu seinen Zuschauern. Die Theaterkunst für ein junges Publikum hat sich, vor allem als Schauspieltheater, längst auch in der freien Szene institutionalisiert. Dabei war es immer auf der Suche nach neuen Formen. Diese Suchbewegung führte in der Vergangenheit zunehmend in die fiktiven Räume des Ästhetischen, in die Erkundung der Möglichkeiten, die sich mit Formen und Stilen in den Grenzbereichen der Künste eröffnen. Das trifft insbesondere für jenes Theater zu, das für Kinder spielt, denn das reine Schauspiel ist hier selten anzutreffen. Wie in der Entwicklung des zeitgenössischen Theaters überhaupt sind die Grenzen zwischen den Genres fließend und der Reiz vieler Aufführungen für Kinder ergibt sich aus dem Wechselspiel der beteiligten Künste und Künstler. So werden in den Inszenierungen für die jüngsten Zuschauer den anderen Künsten zunehmend gleichberechtigte Rollen zugewiesen. Schauspieler agieren mit Objekten und Materialien oder laden Puppenspieler, Musiker, Sänger und bildende Künstler zu einer gemeinsamen Produktion ein. Das erzeugt jene Vielfalt der Formen und Stile, die sich gegenwärtig auf den Kindertheaterbühnen vor allen in den epischen Spielweisen zeigt. Das klassische Schauspiel dominiert vor allem im Theater für ein jugendliches Publikum. Das verwundert nicht, werden hier doch Themen behandelt, die sich aus der Lebenswirklichkeit junger Leute speisen und einen schnellen Zugriff auf den Stoff erfordern. Das bestimmt weitestgehend die dramatischen Strukturen der Inszenierungen. Die Grenzüberschreitungen zielen hier vorwiegend auf mediale Formen, etwa jene des Films. Viele Aufführungen nutzen Montagen, Rückblenden und Zitate. Der Einsatz neuer Medien auf den Bühnen ist symptomatisch für das gegenwärtige Jugendtheater. Doch auch eine andere, in der Geschichte des deutschen Theaters für lange Zeit streng bewachte Demarkationslinie ist durchlässig geworden. Zunehmend sind es die Jugendlichen selbst, die in den Aufführungen des professionellen Theaters im Ensemble mit Schauspielern oder unter sich zu Akteuren werden. (...) «Tanz ist die einzige Sprache, die immer schon verstanden wurde», sagte Pina Bausch und er ist eines der ursprünglichsten Ausdrucksmittel des Menschen. Der Bühnentanz existiert in Deutschland an den Theaterhäusern neben anderen Kunstgattungen, die wesentlich mächtiger sind; hat sich aber im Laufe der Entwicklung im Ensemble der darstellenden Künste als eigenständige Kunstgattung etabliert. An den Opernhäusern werden vorwiegend Aufführungen gezeigt, die sich in der Tradition des klassischen Balletts mit märchenhaften Stoffen an ein Familienpublikum wenden. Darüber hinaus finden sich Ballettabende mit neuen Choreografien klassischer Werke. Daneben gibt es in Deutschland eine kleine freie Szene, die sich in wenigen Zentren formiert hat und ihr junges Publikum mit den Formen des zeitgenössischen Tanzes und des Tanztheaters gewinnt. Hier werden die Ästhetik des klassischen Balletts und die Harmonie von Musik und Bewegung aufgebrochen. Diese Inszenierungen fordern ihre Zuschauer mit ihren montierten, fragmentierten und episodischen Dramaturgien zu einer sinnlichen, wie phantasievollen Auseinandersetzung. Dabei werden manches Mal die Grenzen des Genres bewusst überschritten, etwa wenn ein Erzähler wie ein Spielmeister durch die Szene führt und mit dem Publikum und den Tanzenden auf der Bühne gleichermaßen Zwiesprache hält, oder wenn die Bewegung des menschlichen Körpers, die der Persönlichkeit des tanzenden Ausdruck verleiht, um die Dimension der Ausdrucksmittel Stimme und Sprache erweitert wird. Zwar existieren die Genres der darstellenden Kunst für ein junges Publikum auch unabhängig voneinander und prägen ihre eigenen Szenen. Doch vor allem in der Theaterkunst für Kinder verwischen deren Grenzen zunehmend im Zusammen- und Wechselspiel der Künste und Künstler. 23 Nicht das jeweiligen Genre, sondern künstlerische Entscheidungen prägen die Wahl der beteiligten Künstler und damit der Mittel. Zu fragen wäre daher nach dem Ausgangspunkt den eine Produktion in einem Ensemble nimmt, das sich beispielsweise überwiegend aus Schauspielern zusammensetzt. Denn die programmatische oder produktionsbezogene Zusammenarbeit von Schauspielern, Musikern, Sängern, Puppen- oder Figurenspielern und bilden- den Künstlern oder Tänzern ist an deutschen Kindertheatern mittlerweile gängige Praxis. Sie hat jene Vielfalt der Formensprachen und Stile hervorgebracht, die aus dem Reichtum aller, der Darstellenden Kunst verfügbaren, Mittel schöpft. (© Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt am Main und Berlin. Der Text ist in englischer Sprache erschienen in «IXYPSILONZETT» Magazin für Kinder- und Jugendtheater, Heft 2, 2005, www.jugendtheater.net) Differenz zeigen. Interkulturelle Theaterarbeit als ästhetisches Lernen von Wolfgang Sting Differenz und Fremdheit sind neben Pluralität zentrale Leitkategorien der theoretischen Diskussion um interkulturelle Bildung und ästhetische Bildung. Alle drei Begriffe verweisen auf Mehrdeutigkeit, die es heutzutage auszuhalten gilt. Interkulturelles und ästhetisches Lernen haben in diesem Horizont vergleichbare Zielsetzungen: Beiden Lernbereichen geht es um die Akzeptanz und Pflege der «Vielfalt der Kulturen» (wie es in der Erklärung der Unesco heißt). Beide schulen die Wahrnehmung, das genaue Hinsehen, Sehen und Lernen und beide intendieren einen produktiver handlungspraktischen Umgang mit der Differenz als soziale oder ästhetische Praxis. Das soziale und ästhetische Wahrnehmen lässt sich dabei nicht trennen. Denn ein «reines Sehen», sagt der Soziologe Bourdieu (1993), gibt es nicht. Das Ästhetische findet stets in einem sozialen Raum statt und Wahrnehmung wie kulturelle Präferenzen sind habituell geprägt. Während Pluralität das gleichwertige Nebeneinander von Kulturen und Lebensentwürfen und Fremdheit das notwendig Andere im Bildungsvorgang betont, schärft die Kategorie der Differenz unsere Wahrnehmung. Differenz zeigt sich als Gegenbegriff zu Einheit und Ganzheit. Mit anderen Worten: Das Ich das spricht, ist nie identisch mit dem Ich, von dem es spricht. Viel allgemeiner meint Differenz auch den Unterschied zwischen bekannt und unbekannt. Differenz und Fremdheit sind Grundelemente im allgemeinen Bildungsprozess, aber auch konstitutiv für ästhetische Erfahrung, betont Hartmut von Hentig. Ohne das Andere und Unbekannte wird die eigene Wahrnehmung nicht stimuliert. Im ästhetischen Bereich wird von Fremdheit und Differenz als künstlerisches Gestaltungsmittel gesehen. So beschreibt der Medienwissenschaftler Hügel als Parameter für Spannung und Unterhaltung in der ästhetischen Rezeption das Verhältnis von bekannten und unbekannten Zeichen. Stellen Sie sich eine Skala von 0% bis 100% unbekannter Zeichen vor. Bei Null sind Sie gelangweilt, weil Sie alles kennen, bei 100% sind Sie auch gelangweilt, weil Sie nichts erkennen, einordnen oder verstehen können. Vorigen Donnerstag besuchte ich eine Performance der Internationalen Gruppe Plasma, die, so die Ankündigung, «eine vielschichtige Partitur aus Aktionen, Texten, Tönen und Bildern, eine lebende Installation» zeigt. Dort lief die ersten Minuten ein Spruchband über den Screen, das sagte: «Entspannen Sie sich, es gibt hier nichts zu verstehen.» Der Zuschauer muss sich dann auf andere Sicht- und Erlebensweisen einlassen können oder verzweifelt. Das Fremde Andere ist in diesem Fall eine Herausforderung an unsere gewohnte Wahrnehmung und Perspektive. Fremdheit ist also keine objektive Eigenschaft, sondern eine Frage der Perspektive, das hat Karl Valentin (und Liesl Karlstadt) in seinem wunderbaren Dialog «Die Fremden» aus den 40er Jahren auf den Punkt gebracht. Erst die Differenzerfahrung zwischen Vertrautem und Fremden ermöglicht Persönlichkeitsentwicklung und soziales Lernen. Lernen heißt auch, etwas von sich weg halten. Der Pädagoge Horst Rumpf sagt: «Nahebringen – das ist soviel wie Scheinvertrautheit überwinden, Fremdheit und auch Ferne erzeugen.» 24 Warum überhaupt Theater? Kinder- und Jugendtheater als ästhetische Bildung von Eckhard Mittelstädt Schuld ist Friedrich Schiller. Aus Dankbarkeit für eine jährliche Rente von 1000 Talern hatte er 1793 mit seinem Geldgeber, dem Prinzen Friedrich Christian von Augustenburg in 27 Briefen eine Debatte «Über die ästhetische Erziehung des Menschen» geführt. Der Dichter, dessen 200. Todestag wir in diesem Jahr begehen, hatte die Möglichkeit erwogen, dass der Mensch sich im Medium der Kunst selbst bilden könnte. Obwohl er von ästhetischer Erziehung schrieb, meinte er den weiter gefassten Begriff ästhetischer Bildung, die Verbindung der beiden Prinzipien, nach welchen der Mensch handelt und denkt: Vernunft und Natur. Es müsse ein Werkzeug geben, das beides im Menschen verbindet und zur Veredelung des Menschen führen könne. Diese Verbindung sah Schiller in den schönen Künsten und mit dem Prozess der Veredelung des Menschen ist das gemeint, was wir heute ästhetische Bildung nennen. Diese Unterscheidung ist wichtig, da die englische Sprache die Unterscheidung zwischen sich bilden und erziehen nicht macht. Hier aber geht es um eine ganzheitliche Auffassung vom Menschen, der erst durch eine umfassende Bildung die Möglichkeit erhält, aus sich zu machen was er will. Allerdings hatte Schiller drei Möglichkeiten erwogen, welche Wirkungsweise Kunst haben könnte. Zum einen betrachtete er Kunst als Werkzeug zur Erreichung eines politischen Ziels. Die von ihm erwogene zweite Möglichkeit steht zur ersten im Gegensatz: In einem individuellen Umgang mit Kunst ist der Mensch demnach frei von jeder Bestimmung. In diesem Fall ermöglicht ihm die Kunst einen frei gewählten Zugang zur Welt. In Deutschland wird diese Vorstellung als neuhumanistisches Bildungsideal bezeichnet. In einer dritten Variante bezweifelt Schiller dann jede Wirkung der Kunst auf Bereiche außerhalb der Kunst. Der Umgang mit Kunst beziehe sich nur auf die Kunst selbst, könne also als Unterrichtung über Kunst bezeichnet werden. Diese drei Möglichkeiten zwischen denen sich der Dichter schon vor über 200 Jahren nicht hatte entscheiden können, bestimmen die Diskussion um die ästhetische Bildung in Deutschland bis heute. Entsprechend dem jeweils herrschenden Zeitgeist wurde die Wirkungsweise der Kunst einer dieser drei Möglichkeiten zugeordnet. Natürlich war es Schiller als Dichter und Autor von Theaterstücken zunächst vor allem um die Rezeption des Schönen (der Kunst) gegangen. Aber erst die Produktion des Schönen vollendet die Veredelung des Menschen in seinen Augen: «Denn der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.» Gerade das Theater ist eine Kunst, deren Besonderheit das Wechselspiel von Produktion und Rezeption ist. Aus dieser Zuordnung der Wirkungsweisen der Kunst ergab sich ein Konfliktpotential, das natürlich auch in die Bewertung der künstlerischen Ergebnisse einfloss. Dies gilt zumindest in Deutschland auch für das Kinder- und Jugendtheater. Galt es Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts in der alten Bundesrepublik als Mittel zur Gesellschaftsveränderung und in der DDR als Erziehungsinstrument, folgte in den 80er Jahren in der Bundesrepublik das Credo, man mache Kunst für Kinder und beharrte auf einer Zweckfreiheit der Kunst, während auch in der DDR die Auffassung vom Kinder- und Jugendtheater als Kunst de facto den Erziehungsauftrag verdrängte. Zu Beginn dieses Jahrhunderts schnitten Deutschlands Schüler im internationalen Vergleichstest PISA schlecht ab. In der Folge begann man nach Schlüsselkompetenzen zu suchen, die den Kindern durch die Produktion und Rezeption von Kunst und Kultur vermittelt werden könnten und sollten. Nach der Schiller’schen Definition wurde Kunst also wiederum als Werkzeug zur Erreichung eines Ziels betrachtet. Aus Sicht der für und mit Kindern und Jugendlichen arbeitenden Künstlern geschah dies wohl vor allem, um zu verhindern, dass die Beschäftigung mit Kunst und Kultur als überflüssiger Luxus angesehen wird, auf der in Schule und Freizeit zugunsten von Sprachen, Naturwissenschaften und Mathematik verzichtet werden kann. Ästhetischer Bildung nach Schiller’scher Definition reicht über das Erlernen von formalen Qualifikationen in jedem Falle hinaus, setzt vielmehr einen Prozess der Selbstbildung in Gang. Kinder und Jugendliche machen ästhetische Erfahrungen zum Beispiel durch die wahrnehmende und durch die gestaltende Auseinandersetzung mit Theater. Indem sie Theater spielen, erfahren sie die 25 Differenz von Rolle und Figur, von Darstellen und Dargestelltem, indem sie Theater sehen, sind sie zugleich Zuschauer und Mitspieler; das Verhältnis von Bühne und Zuschauerraum ist ein dialogisches Verhältnis. «Eine Theatervorstellung ist keine pädagogische Veranstaltung. Das Theater wirkt, indem es Theater ist, und keine, wie immer kluge, pädagogische Konzeption wird einer Aufführung erzieherischen Wert verleihen, wenn diese Erziehung nicht über das ästhetische Vergnügen den Zuschauer erreicht» lautet ein in diesem Zusammenhang viel zitierter Satz von Christel Hoffmann. Das Erreichen der Wirkung von Theater und in deren Folge das ästhetische Vergnügen setzt auf beiden Seiten des Theaters, auf der Bühne und im Zuschauerraum, einen ästhetischen Erfahrungs- und Lernprozess voraus. Das ästhetische Vergnügen aber setzt die Freiheit der Kunst voraus, sich nicht für Lernziele vereinnahmen zu lassen, sondern dem Menschen die Möglichkeit zu geben, aus sich zu machen, was er will. Und dies war ja eines der von Schiller formulierten Ziele der ästhetischen Erziehung des Menschen. Es lässt sich mit dem Theater – ob selbst spielend oder es betrachtend – hervorragend erreichen. Das Theater mit Kindern und Jugendlichen und das Theater für Kinder und Jugendliche sind dabei die zwei Seiten eines Modells: des Modells Kinder- und Jugendtheater. Verwendete und weiterführende Literatur Mörsch C., Hg./et al. (2009). Kunstvermittlung 2: Zwischen kritischer Praxis und Dienstleistung auf der Documenta 12. Ergebnisse eines Forschungsprojekts. Zürich-Berlin: diaphanes Mörsch C. (2010). Vorwort. In: Hg.: Thuswald M.. Urbanes Lernen: Bildung und Intervention im Öffentlichen Raum. Arts & Culture & Education (Band 4).Wien: Erhard Löcker GsmbH Sturm E.. Von Kunst aus. Kunstvermittlung mit Gillez Deleuze: Verlag Turia + Kant Augusto Boal, Theater der Unterdrückten. http://de.wikipedia.org/wiki/George_Gershwin http://de.wikipedia.org/wiki/Porgy_and_Bess http://de.wikipedia.org/wiki/Suite_(Musik) http://www.spectact.at/files/newsletter/Zeitungstheater_nach_Augusto_Boal.pdf 26