major dux - Tonkünstler

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Tonkünstler-Orchester Niederösterreich
MAJOR DUX
ODER DER TAG AN DEM DIE MUSIK VERBOTEN WURDE!
ein Erzählkonzert
Ein Projekt im Rahmen der Tonspiele
für 10- bis 14-jährige Schülerinnen und Schüler
Vorbereitende Unterrichtsmaterialien
für Lehrerinnen und Lehrer der Schulstufen 4 – 8
zusammengestellt von Sara Ostertag
Inhalt
VORWORT EVN .................................................................................................................................... 2
VORWORT TONSPIELE ....................................................................................................................... 4
PROGRAMM ..........................................................................................................................................5
MAJOR DUX ODER DER TAG AN DEM DIE MUSIK VERBOTEN WURDE! ................................5
INFORMATIONEN FÜR LEHRERINNEN UND LEHRER ............................................................... 6
DAS BUCH ............................................................................................................................................ 7
DIE MUSIK ............................................................................................................................................ 8
IDEEN ZUR VORBEREITUNG UND NACHBEREITUNG DER INSZENIERUNG...................... 11
ZEITUNGSTHEATER .......................................................................................................................... 15
VERMITTLUNG / TRANSDISZIPLINARITÄT .................................................................................18
DAS KÜNSTLERISCHE TEAM .......................................................................................................... 20
WEITERFÜHRENDE LITERATUR UND LINKS ............................................................................. 22
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EVN unterstützt das Projekt «Tonspiele» des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich
– spielerisch Musik erleben
Die seriöse Wissensvermittlung an Kinder und Jugendliche in zielgruppengerechter Form ist EVN ein
großes Anliegen. Seit weit über 4 Jahrzehnten wird seitens EVN eine aktive Schulbetreuung («Young
Energy») durchgeführt. Sowohl die Breite des Schulangebotes, als auch die lange Tradition der
Betreuung sind unter den österreichischen EVU´s einmalig. Den Schwerpunkt bildet die
Bereitstellung von Lehrbehelfen über Energie, Vorträge der EVN, Schulbetreuer in den Klassen, sowie
Besichtigungen von Kraftwerken und Anlagen von EVN. Mit der Unterstützung der «Tonspiele», die
Kinder und Jugendliche in einem sehr frühen Stadium für klassische Musik begeistern sollen, leistet
EVN einen Beitrag zu einer modernen Musikvermittlung in Niederösterreich.
Dr. Burkhard Hofer, Vorstandssprecher EVN
www.young.evn.at
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Liebe Lehrerinnen und Lehrer,
wir freuen uns sehr über Ihr Interesse an der aktuellen Produktion der Tonkünster Niederösterreich.
Die Regisseurin und der für das Musik-Konzept verantwortliche Komponist haben dazu Vorschläge
für den Unterricht zusammengetragen, mit denen Sie mit Ihrer Klasse bereits vor und auch nach
dem Konzert zu Themen rund um «Major Dux» arbeiten können.
Mit den folgenden Unterlagen möchten wir Ihnen die Möglichkeit bieten, vertiefend in die
Thematik und die Inszenierungsweise des Erzählkonzerts einzutauchen. Dafür bietet Ihnen diese
Materialsammlung sowohl interessante Hintergrundinformationen zu den verschiedenen Elementen
der Produktion, als auch spielerische Ideen und Anregungen zur kreativen Auseinandersetzung mit
den Inhalten der Performance.
Die Mappe soll Ihnen als Unterstützung dienen, um den Vorstellungsbesuch mit einer Vor- und
Nachbereitung abzurunden. Die Angebote verstehen sich als Impulse, die Sie nach eigenem
Ermessen mit Ihrer Klasse oder Ihren Kindern durchführen und auf deren Bedürfnisse spezifisch
abstimmen können. Die Informationen sollen Anregungen für weiterführende Recherche sein und
Anknüpfungspunkte zur eigenen Umsetzung bieten.
Wir hoffen, Sie damit neugierig zu machen und stehen Ihnen jederzeit für Fragen, Anregungen und
Feedback zur Verfügung.
Viel Spaß bei der gemeinsamen Vorbereitung und natürlich beim Konzert wünschen Ihnen
Christina Krug und Joachim Unger von den Tonspielen
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Major Dux oder Der Tag an dem die Musik verboten wurde!
Ein Erzählkonzert
Programm
George Gershwin | Catfish Row – Suite aus Porgy und Bess
Mitwirkende
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich
Hannes Dufek
Komposition | Konzept
Sara Ostertag
Spielleitung | Konzept
Birgit Kellner
Kostüm | Live-Illustration
Simon Dieterdorfer
Schauspiel
Termine
Schulkonzerte
20. 3. 2012, 10.30 Uhr
Festspielhaus St. Pölten | Großer Saal
22. 3. 2012, 10.30 Uhr
Festspielhaus St. Pölten | Großer Saal
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Informationen für Lehrerinnen und Lehrer
Was ist ein Erzählkonzert?
Eine Konzertperformance ist kein gängiges Format- es bedeutet für uns die Verknüpfung
Konfrontation und Bereicherung von zwei Sparten: Konzertante Aufführungspraxen von Musik und
theatralen Formaten. Wir versuchen bestehende Komposition durch die Konfrontation mit einer
Geschichte, einem Schauspieler und ihrer Transformation in einen Bühnenraum anders erlebbar zu
machen und eine eigene Lesart zu eröffnen.
Unser Versuch ist es durch das Verknüpfen der Suite Catfish Row aus der Oper Porgy und Bess von
George Gershwin mit dem Buch Major Dux von Martin Baltscheid tief in die Musik, ihre Machart und
ihre diversen Klangräume einzutauchen. Wir nehmen die Musik im wahrsten Sinne des Wortes
auseinander. Davon berichten wir später noch mehr!
Die Musik wird zur Welt der Geschichte, sie wird zum gleichberechtigten Spielpartner des
Schauspielers und sie dient als wiederkehrendes Motiv für Figuren und Handlungsstränge. Wir
Versuchen somit die unterschiedlichsten Möglichkeiten wie Musik auf der Bühne eingesetzt, gelesen
und verstanden werden kann in unserer Performance zu bedienen.
Wie kann man sich das vorstellen?
Die Geschichte von Bartolomäus Bob und seinen musizierenden Freunden wird als Rahmenhandlung
rund um ein Konzert erzählt. Ein Schauspieler agiert in mehreren Rollen auf spielende und
erzählende Weise. Die Musikerinnen und Musiker des Orchesters übernehmen die Rollen der
illustren Charaktere der Geschichte. Eine Comiczeichnerin schafft über Projektionen die sie live auf
der Bühne zeichnet die Welt der Geschichte. Es wird dabei teilweise in den Raum und auf das
Orchester projiziert. Der Schauspieler – Simon Dietersdorfer – ist der Erzähler und gleichzeitig auch
der Darsteller einzelner Charaktere der Geschichte. Geschickt verwandelt er sich durch kleine
Requisiten oder Kostümteile in die einzelnen Figuren. Dabei wird er von der Musik unterstützt. Die
Musikerinnen und Musiker changieren in Rhythmus, Dynamik und Klangfarbe zeichnen die
Charaktere mit. Sie sind dabei immer Assoziationsfläche für die Welt der Geschichte. Manchmal
bespielt sie der Schauspieler als Menschenmasse, manchmal als seine Bedrohung manchmal als seine
Komplizinnen – sie reagieren auf sein Sprechen wiederum mit Klang!
Die Musikerinnen und Musiker variieren in Ihrer Haltung also zwischen Charakteren der Geschichte
und den Konstrukteuren der Klangwelt.
Außerdem gibt es eine inhaltliche Verbindung zwischen dem Buch und der Musik.
In beiden künstlerischen Formen geht es um Geschichten über Außenseiter, Menschen die an den
Rand der Gesellschaft gedrängt werden und das auf teilweise sehr brutale Weise.
Beide Geschichten erzählen auf unterschiedliche Art von Ausschluss, Verbot, Zwang, Gewalt und der
Revolution. Sie erzählen vom Triumph der Gerechtigkeit und dem Freiheitsstreben der Menschen,
dem nachgehen zu können, wer sie sind und wo sie herkommen.
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Das Buch
Die literarische Vorlage: Martin Baltscheits «MAJOR DUX»
Es ist kein gewöhnlicher Montagmorgen, an dem Bartolomäus Bob erwacht. Draußen liegt Totenstille,
als habe jemand den Stecker gezogen. Keine Müllabfuhr rumpelt, die Straßenbahn rührt sich nicht,
Vögel halten den Atem an. Die Welt ist wie wattiert. Dann das Radio: «Wie uns gerade gemeldet wird,
hat der Minister für Geräusche und Akustik die Musik verboten. Leider wissen wir jetzt nicht mehr,
was wir senden sollen und stellen unser Programm ein.» So beginnt Bobs Erzählung.
Es ist so bedrohlich, weil es so bekannt anmutet. Die Anspielungen auf den Nationalsozialismus sind
kaum zu überlesen. Eine lauschende Geheimpolizei, die Schmierereien an den Läden, die ehedem
den Juden galten, und der Bezug zur damals sogenannten entarteten Musik: Die Assoziationen
rücken die kinderbuchhafte Leichtigkeit der Erzählung in ein Licht düsterer Vergangenheit.
Bartolomäus Bob erzählt von Mitläufern, den Regimetreuen, die sich widerstandslos fügen.
«Wir kriegen dich», rufen sie Bob in der U-Bahn hinterher, weil er gedankenverloren ein Liedchen
pfeift. Er muss flüchten in den dunklen Tunnel. Und dort...wird noch Musik gemacht Ein paar
Treppen hinunter, im Untergrund des Untergrunds findet Bartolomäus Bob einen Kellerclub,
berstend voll mit eigentümlichen Gästen: «Gehörnte Käfer in teuren Kaschmirmänteln, ein
Tausendfüßler mit Gamaschenschuhen und Würmer mit zurück-gekämmten Haaren musizieren...»
Die Band beschwört die Musik.
Doch dann passiert’s. Alle Kellergäste werden entdeckt und eingesperrt. Die Situation ist so
auswegslos. Es gibt nur einen Weg. Und zwar durch Musik! Alle stimmen mit ein. Zusammen
bringen sie das Gefängnis zum Einsturz, denn «die Musik war Dynamit». Die Tiere blasen mit
Pauken und Trompeten zum Putsch gegen den Major.
In dieser Schlussszene geht die bedrückende Stimmung auf in einer Geschichte von verlorener Liebe.
Die Anspielungen auf die deutsche Vergangenheit fallen vom Text ab, mühelos und rührend gelingt
die Wende: Der Major ist gar nicht böse, kein finsterer Diktator – nur der ganze Lärm macht ihn
krank. «Dabei ist der Lärm nur schlecht sortierte Musik und Musik nur ein gut sortiertes Geräusch.
Manches Geräusch kann einem das Herz brechen und Musik kann es wieder heilen», sagt er. Und
sein Herz ist gebrochen. Er braucht die Stille, um seine Verflossene wiederzufinden. «Hätte er ihr
nicht einen Brief schreiben können?», fragt der Esel zum Schluss. Dann gibt es sie wieder: die Musik.
www.zeit.de/
Der Autor
Geboren am 16. September 1965 in Düsseldorf. Martin Baltscheit studierte Kommunikationsdesign in
Essen (Folkwang), wo er 1996 seinen Diplom-Abschluß als Kommunikationsdesigner machte. Von
1986-1992 war er Mitglied des Theaters «Junges Ensemble Düsseldorf». Sein Debüt gab er als
innovativer Comic-Zeichner, danach widmete er sich vor allem dem Schreiben und Illustrieren von
Bilderbüchern. Außerdem entstanden zahlreiche Hörspiele, einige Trickfilme und seit 2001 auch CDROMs für Kinder. Als Moderator und Autor gehört er zum Team der WDR3/4-Kinderradiosendung
«Bax Blubber». Seit 1997 arbeitet er außerdem als Sprecher in Hörspielproduktionen des WDR und
des HR. Seit 1999 entwirft er regelmäßig Coverillustrationen für das Kinder- und Jugendmagazin
«Geolino» und Buchumschläge für carlsen, dtv, RoRoRo und andere Verlage. 2003 gründet er
gemeinsam mit dem FFT Düsseldorf eine Schule zur Förderung junger Autoren, die Franzakademie.
Martin Baltscheit lebt in Düsseldorf.
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Die Musik
Catfish Row
Catfish Row ist eine Suite aus der Oper «Porgy and Bess». Das Stück enthält die düstersten und
komplexesten Musiken die Gershwin je geschrieben hat.
Gerschwin hat das Stück in fünf Teile geteilt.
1. Einführung «Jazzbo Brown´s Piano Blues», eine Blues-Variation des Overture-Themas.
2. «Porgy Sings» beinhaltet eine von Porgys Arien «I got plenty o´Nuttin» und das Duett «Bess, You Is
My Woman Now» und weiteren Fragmenten der gesamt Komposition.
3. «Fugue» beinhaltet die düstere Musik von dem Mörder von Crown in Act 3.
4. «Hurricane» besteht aus Teilen der Hurricanesequenz.
5. Good Morning, Sistuh setzt sich zusammen aus dem Prelude der Finalen Szenen der Oper aus Akt
3 und aus dem Finalen Song «Oh Lawd, I´m on my way».
Gershwin hat alle Aufführungen vor seinem Tod 1937 dirigiert. Die Suite war vergessen bis sie 1958
wiedergefunden wurde und «Catfish Row» (eine Straße in der Afroamerikaner lebten, in der auch das
Stück spielt) betitelt wurde. Die Suite ist nicht zu verwechseln mit dem Madley von Robert Russell
Bennett.
Die Suite
Eine Suite (von französisch suite = Folge, Abfolge) ist in der Musik ein Zyklus von Instrumental- oder
Orchesterstücken, der in einer vorgegebenen Abfolge ohne längere Pausen gespielt wird. In der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts etablierte sich daneben der Name Partita, im 18. Jahrhundert
wurden Suiten auch oft durch Ouvertüren eingeleitet.
Suitensatzform
Die modellhafte Form des einzelnen Satzes einer barocken Suite ist die Suitensatzform. Ihre
typischen Merkmale zeigt das Menuett Bachs. Ein Suitensatz ist zweiteilig; beide Teile werden
wiederholt. Und grundlegend für die Form ist der harmonische Verlauf: Der erste Teil eines Satzes in
Dur führt zur Dominante, der zweite Teil von der Dominante zur Tonika zurück. Der Rückweg ist
meist ausgeweitet durch die Kadenz zu einer benachbarten Tonart - überwiegend, wie in Bachs
Menuett, zur Tonikaparallele.
Porgy and Bess
ist eine Oper in drei Akten von George Gershwin auf ein Libretto von DuBose Heyward. Die Liedtexte
stammen von DuBose Heyward und Gershwins Bruder Ira. Die Oper schildert das Leben von
Afroamerikanern in der Schwarzensiedlung Catfish Row in Charleston um 1870.
Inhaltszusammenfassung zu Porgy and Bess
In der «Catfish Row» im Hafenviertel von Charleston leben die Farbigen um 1870 in ärmlichen
Verhältnissen. Das Geld, das die Männer mit dem Fischfang verdienen, verspielen sie an den
Sommerabenden beim Würfelspiel. Der verkrüppelte Porgy erscheint im Wohnviertel. Der brutale
und meistens betrunkene Crown kommt mit seiner Geliebten Bess hinzu. Als er beim Spiel gegen
Robbins verliert, tötet er diesen. Crown ergreift die Flucht, während Serena neben ihrem toten Mann
Robbins zusammenbricht. Bess ist nun ohne Mann, deswegen fragt Sporting Life sie, ob sie mit nach
New York kommen möchte, doch dieses Angebot nimmt Bess nicht an. Sie sucht Zuflucht bei dem
Krüppel Porgy, der schon immer ein Auge auf sie geworfen hatte. Am nächsten Tag wird bei der
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Trauerfeier Geld für die Beerdigung des Toten gesammelt, denn ohne Beerdigung würde Robbins’
Leiche an die Medizinstudenten gegeben, damit die das Operieren üben können. Serena will von Bess
zuerst kein Geld annehmen, weil es in ihren Augen «schmutzig» ist. Erst, als Bess behauptet, es wäre
Porgys Geld, mit dem sie nun zusammenlebt, nimmt Serena es an. Zwischendurch kommt die Polizei
und verhaftet Peter als angeblichen Mörder von Robbins, weil sie einen Schuldigen brauchen. Der
Bestatter gibt Serena einen Kredit, weil sie das Geld für die Beerdigung nicht zusammen bekommen
haben. Erst danach kann Serena sich von ihrem Mann verabschieden und seine Leiche zudecken.
Während die Männer Robbin zu Grabe tragen, singen sie Spirituals.
Einen Monat später versucht ein unseriöser Rechtsanwalt Porgy und Bess eine Scheidungsurkunde
von Crown und Bess zu verkaufen, die in Wirklichkeit nie verheiratet gewesenen waren. Der
Drogendealer Sporting Life versucht sich abermals vergeblich an Bess heran zu machen. Ein weißer
Richter unterbindet diese kriminellen Machenschaften.
Während die Fischer des Ortes trotz schlechten Wetters zum Fischfang aufs offene Meer fahren, fährt
Bess mit den anderen Dorfbewohnern auf die Insel Kittiwah, wo sie gemeinsam ein Picknick machen
und ausgelassen feiern. Dort trifft sie Crown, der auf Bess gewartet hat. Während die anderen kurz
vor dem nahenden Unwetter ins Dorf zurück kehren, verpasst Bess das Boot und bleibt mit Crown auf
der Insel zurück, der sie vergewaltigt und ihr androht, sie in zwei Wochen endgültig zu sich zu holen.
Schwer erkrankt kehrt Bess nach einigen Tagen von der Insel zurück: Serena und Porgy kümmern
sich um Bess; sie beten für die Kranke und pflegen sie gesund. Bess erzählt Porgy, was auf der Insel
geschehen ist und bittet ihn, sie vor Crown zu schützen. Porgy stellt ihr frei, mit wem sie leben will für die Gesellschaft dieser Zeit ein revolutionäres Angebot. Das Hafenstädtchen wurde in der
Zwischenzeit von einem schweren Sturm heimgesucht, bei dem der Fischer Jake mit seinem Boot
kentert und im Meer ertrinkt. Jakes Frau Clara gibt Bess ihr Baby in den Arm und läuft mit Crown
zum Strand. Vergeblich, sie können Jake nicht helfen. Clara kommt bei dem Rettungsversuch
ebenfalls ums Leben. Wieder gibt es eine Beerdigung in Catfish Row. Als Crown während der
Totenklage um Jake, Clara und die anderen Flutopfer bei Porgy erscheint und ihn bedroht, ersticht
Porgy seinen Nebenbuhler mit einem Messer. Kurz darauf erscheint die Polizei in dem Viertel. Zuerst
befragen sie Serena, doch sie und ihre Freundinnen verraten nichts. Später kommen die weißen
«Bosse» zu Porgy. Er soll sich den Toten anschauen und bezeugen, dass es Crown ist. Porgy weigert
sich zwar, aber ohne Erfolg. Die Polizei verhaftet ihn und nimmt ihn mit. Bess bleibt verzweifelt mit
Claras Baby zurück. Während Porgy im Gefängnis ist, taucht Sporting Life erneut auf, wickelt Bess
mit Hilfe von Drogen um den Finger und überredet sie, mit ihm nach New York zu kommen. Als
Porgy nach einigen Tagen aus dem Gefängnis zurückkommt, bringt er viele Geschenke mit, die er
durch das Würfelspielen dort kaufen konnte. Er ruft nach Bess, doch sie antwortet nicht. Als er sie
vergeblich sucht, wird ihm gesagt, dass sie mit Sportin’ Life nach New York gegangen ist. Porgy wirft
seine Stöcke weg, sagt: «Gott wird mir helfen, sie zu finden» und macht sich auf den Weg um sie zu
holen.
Entstehungsgeschichte der Oper Porgy und Bess
Die Oper entstand 1933–35 im Auftrag der Theatre Guild. Nach der Vorpremiere am Colonial Theatre
in Boston am 30. September 1935 hatte die Oper am New Yorker Alvin Theatre ihre BroadwayPremiere. Die Produktion war aber nur mäßig erfolgreich. Erst eine zweite Aufführungsserie ab 1942
in New York und die europäische Erstaufführung in Kopenhagen 1943, gegen den Widerstand der
Nationalsozialisten, sicherten ihr den Erfolg. 1952–55 folgte eine Welttournee. In der Verfilmung aus
dem Jahr 1959 spielten Dorothy Dandridge, Sidney Poitier und Sammy Davis Jr.
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Zur Musik von Gershwin
Die New York Times bezeichnete das Stück als «American Folk Opera», wodurch zum Ausdruck
gebracht werden soll, dass Gershwin viele Elemente amerikanischer Musik eingebracht hat (jedoch
ohne Originalmusik der afroamerikanischen Bewohner zu verwenden). Gemäß dem Willen
Gershwins darf das Stück ausschließlich von Schwarzen aufgeführt werden (Ausnahme: konzertante
Aufführung).
George Gershwin legte besonderen Wert darauf, mit Porgy and Bess kein Musical, sondern eine Oper
komponiert zu haben, und in der Tat steht das Stück sowohl durch die Verwendung der
durchkomponierten Großform als auch wegen der realistischen Milieuzeichnung den Opern des
Verismo sehr nahe. Dennoch befindet sich das Stück durch die Verwendung der volkstümlich
gewordenen Spiritual-, Blues- und Jazz-Elemente stilistisch an der Grenze zum Musical.
Der Komponist
George Gershwin wurde 1898 als Jacob Gershovitz (benannt nach seinem Großvater) in Brooklyn,
New York City als Kind der russisch-jüdischen Immigranten Morris Gershovitz und Rose Gershovitz
(geb. Bruskin) geboren. Diese waren etwa um 1891 in die USA eingewandert. Ab 1914 arbeitete
George Gershwin als «Hauspianist» im New Yorker Musikverlag Jerome H. Remick. Seine Aufgabe
war es bald, neue Lieder seines Verlages den Bandleadern und Theateragenten vorzuspielen und zu
verkaufen. Angeregt durch diese Tätigkeit, versuchte er sich in der Komposition von eigenen Liedern
und Tanzstücken. 1916 begann er als Pianist Notenrollen für Elektrische Klaviere zu bespielen,
zunächst mit Rags und weiteren Werken anderer Komponisten. Sein Ragtime «Rialto Ripples»,1916
komponiert, wurde ein finanzieller Erfolg. Gershwin studierte in diesen Jahren bei dem Komponisten
Rubin Goldmark sowie bei dem Avantgardisten Henry Cowell Klavier und Harmonielehre. 1918
gelang ihm mit dem Lied «Swanee» der erste USA-weite Hit, der zunächst auf dem Broadway zu
seiner Anerkennung als Komponist führte. Er interpretierte seine Klavierkonzerte auch als Pianist.
Auf seiner Europareise 1928 lernte er Igor Strawinsky kennen. Er hatte eine längere Liebesbeziehung
mit der Komponistin Kay Swift. Während George Gershwin in Hollywood an der Partitur von «The
Goldwyn Follies» arbeitete, brach er am Flügel zusammen und starb am 11. Juli 1937 an einem
Gehirntumor.
Künstlerisches Schaffen und Wirkung
Gershwin komponierte sowohl Stücke für den Broadway als auch klassische Konzerte. Ab 1931 war er
auch für den Tonfilm als Komponist tätig. Zu den meisten Kompositionen von George Gershwin
schrieb sein Bruder Ira die Texte. George und Ira Gershwin gehörten zu den erfolgreichsten Teams
am Broadway. Ihre Werke wurden von Stars wie Fred Astaire und seiner Schwester Adele, Gertrude
Lawrence, Red Nichols, Ethel Merman und Ginger Rogers aufgeführt.
Vor der Arbeit an der Oper «Porgy and Bess» verbrachte Gershwin einen Sommer in Folly Island in
der Nähe von Charleston (South Carolina), um sich mit der afro-amerikanischen Musik vertrauter zu
machen.
Viele seiner Werke erlangten auch über Amerika hinaus große Popularität. Teilweise wurden seine
Kompositionen als Filmmusik verwendet. Andere wiederum gelten als Jazz-Standards; sie wurden von
namhaften Stars der amerikanischen und internationalen Unterhaltungsmusik interpretiert, darunter
Ella Fitzgerald, Louis Armstrong, Frank Sinatra, Judy Garland, Peter Gabriel, Ray Conniff, Percy Faith
und Barbra Streisand. Sie fanden den Weg in den Jazz, beispielsweise mit Interpretationen von
Herbie Hancock oder Miles Davis und in den Rock, beispielsweise mit Versionen von Janis Joplin
(«Summertime»). Einige der Gershwin-Lieder wurden in der Ära des Bebop durch Umgestaltung und
Reharmonisierung in neue Themen (bebop heads) und Lieder transformiert. «Oh, Lady Be Good!»
wurde so zu Thelonious Monks «Hackensack», «But Not For Me» zu Tadd Damerons« Sid’s Delight,
und «I Got Rhythm» zu Lester Youngs «Lester Leaps In».
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Über den Einsatz der Musik von George Gershwin in dem Erzählkonzert
«Major Dux»
Hannes Dufek: «Die Grundidee des Projektes ist es, das Orchester als Klangkörper zu präsentieren.
Ausgehend von George Gershwins Suite aus Porgy and Bess «Catfish Row» führe ich verschiedene
Operationen am lebenden Gewebe dieser Musik durch, um einerseits die Geschichte des Major Dux
zu unterstützen, andererseits aber das Orchester als Klangkörper darzustellen. Ich arbeite mit
Collagen und Überlagerungen von Klängen aus der Suite und erzeuge auf diese Weise orchestrales
Chaos und konzertanten Irrsinn — den Eindruck eines kakophonisch-komplexen Geflechts aus
einander widersprechenden, durcheinanderlaufenden Klängen, die etwa der geheime Jazzkeller, die
letzte Bastion der verbotenen Musiker, sein könnte. Andererseits nehme ich einzelne Fragmente aus
Gershwins Werk und «loope» sie, wiederhole sie also unablässig, und gelange somit zu völlig neuen
Zusammenhängen und Klangmöglichkeiten, sodass etwa eine ratternde U-Bahn oder aber eine
hektische Verfolgungsjagd entsteht. Die Geschichte erhält weitere Unterstützung durch die
Zuordnung verschiedener Motive zu den Hauptcharakteren der Geschichte. Vergleichbar der
Vorgangsweise in Prokofiews «Peter und der Wolf» erhält so der Hauptdarsteller Bob Bartolomäus
einen ganz eigenen, nur ihm zugehörigen Klang, ebenso der böse Major, die Bulldogge, aber natürlich
auch die Schmetterlingsfrau. Auf diese Weise dreht sich die Bedeutung der Gershwin’schen Musik
ein weiteres Mal und erzeugt lebendige, atmende Charaktere aus der Geschichte.»
Ideen zur Vorbereitung und Nachbereitung der Inszenierung
Kleines Musik-Lexikon
Überlegt euch in der Klasse was die unten stehenden Begriffe bezeichnen könnten?
- Glissando
- Viola
- Bass-Blockflöte
- Elektronische Musik Partitur
- Libretto
- Obertongesang
Wut-Symbol
Bob und seine Freunde werden Wütend darüber, dass man sie nicht so leben lässt wie sie sind und
sein wollen. Warum sind sie anders? Und wer bestimmt, mit welchem Recht was normal ist!?
Legt einige große Bögen Papier auf. Jeder sucht sich ein Symbol für eine Art von Aggression oder
Wut, die er an sich kennt und malt es auf das Papier (dazu kann auch eine kleine Erklärung gegeben
werden).
Vergleicht und besprecht die Symbole und findet anschließend zu jedem Symbol einen Klang oder ein
Geräusch. Über diese Klänge könnt Ihr Eurer Wut jetzt gemeinsam freien Lauf lassen. Hängt die
Plakate im Klassenzimmer auf und erinnert auch an diese Form des Ausdrucks von Wut. Ihr könnt
das Symbol oder den Klang auch anwenden, wenn Ihr merkt, dass eine Diskussion zunehmend zu
einem Konflikt wird - als Signal um innezuhalten, oder wenn Ihr bemerkt, dass Ihr mit aufgestauter
Wut gerade nicht umgehen könnt.
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Ein und dieselbe Geschichte – Viele verschiedene Perspektiven
In der Konzertperformance schafft ein Schauspieler zusammen mit einem ganzen Orchester verschiedene Figuren und eine Zeichnerin lässt auf dem Papier Charaktere entstehen die dann projiziert
werden. Ihr erlebt also verschiedene Arten wie Figuren auf der Bühne entstehen können.
Sammelt Stichwörter zu den Figuren des Stückes und verfasst für diese kleine
Steckbriefe/Biographien. Lasst dabei eurer Fantasie freien lauf und erfindet auch dazu was euch Spaß
macht!
Was mag die Figur?
Was mag sie nicht?
Was ist typisch für sie (Tätigkeit, Bewegung, Sprache,...)?
Wie lebt sie?
Was tut sie den ganzen Tag?
Wovor hat sie Angst?
Was wünscht sie sich?
Perspektivenwechsel
Wie klingt die Geschichte, erzählt aus der Sicht von Major Dux, einem der Musiker im Keller und der
Schmetterlingsfrau? Teilt Euch in drei Gruppen und verfasst diese drei Geschichten. Lest sie
anschließend einander vor und vergleicht sie.
- Was verändert sich, wenn dieselbe Handlung jeweils aus den Augen einer der Figur
-
betrachtet wird?
Wird die Position des Gegenübers besser verstehbar, wenn man versucht, seine Sichtweise zu
verstehen und sich in ihn hineinzuversetzen?
Wie geht die Geschichte von Bartolomäus Bob weiter... oder hätte sie doch noch anders ausgehen
können? Bob ist frei – er hat aber erlebt was es bedeutet unfrei zu sein und beschäftigt sich mit dieser
Ungerechtigkeit. Warum dürfen scheinbar Menschen über andere Menschen bestimmen? Mit dieser
Frage beschließt er, jetzt seinen eigenen Weg zu gehen.
In Kleingruppen:
Überlegt Euch, wie die Geschichte Bob und seinen Kollegen weitergehen könnte.
Entwickelt aus Euren Ideen kleine Szenen und präsentiert sie in der Klasse.
Oder:
Überlegt Euch, ob die Geschichte von Bob auch hätte anders ausgehen können.
Spannende Stille
Wir hören dem Verklingen der Töne zu... Im Kreis:
Ein Instrument/klangerzeugender Gegenstand wird ausgewählt.
Ein Kind beginnt und spielt damit einen Klang, das nächste Kind im Kreis folgt mit seinem Klang
erst, wenn der erste Ton ganz verklungen ist. Nehmt wahr, wie lange der Klang noch hörbar ist im
Raum! In der zweiten Runde kann jedes Kind auch ein kleines rhythmisches/melodisches Motiv
spielen und dann das Instrument weiterreichen.
Kleiner Tipp: Für dieses Spiel bietet sich als Instrument eine Klangschale sehr gut an, da diese einen
sehr langen Nachhall hat, man ihre Schwingungen sehr gut auf der Hand spüren kann und sich das
Instrument ideal dazu eignet, um Ruhe zu vermitteln. Die Klang-Runde kann z.B. ein schönes
Morgen-Ritual in der Klasse werden um seine Sinne und Wahrnehmung zu öffnen.
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Singspiel
In Pärchen: Einer von Euch beginnt mit einem stimmlichen Laut und wiederholt diesen mit einer
kleinen Pause dazwischen. Dein Partner setzt in der Pause mit demselben Klang ein. Nach einer Zeit
nimmt einer von Euch einen zweiten Klang dazu, der Partner übernimmt auch diesen. Dann wird der
erste Klang durch einen neuen ausgetauscht...
Partitur der Stille
Wie viele Geräusche hört Ihr in zwei Minuten «Stille»?
Wie kann man Geräusche graphisch notieren und in Klang umsetzen?
Setzt Euch bequem hin (Ihr könnt Euch auch hinlegen) und schließt die Augen. Lenkt Eure
Wahrnehmung auf alle Geräusche, die Ihr jetzt in dieser «Stille» hören könnt. Versucht Euch so viele
wie möglich davon zu merken! Nach Ablauf einer bestimmten Zeit (z.B. zwei Minuten) sammelt alle
Geräusche, die Ihr gehört habt und notiert sie. Natürlich könnt Ihr auch mehrere Hör-Durchläufe
machen!
Dann findet für jedes dieser Geräusche ein graphisches Symbol/Zeichen (Jeder kann sich z.B. ein
Geräusch aussuchen). Verwendet dabei auch unterschiedliche Farben!
Breitet nun einen großen Bogen Papier aus (die Länge des Papiers stellt den zeitlichen Rahmen dar)
und malt darauf die Symbole, ungefähr der Zeit entsprechend, wann Ihr sie wahrgenommen habt.
Wenn Ihr ein Geräusch also z.B. öfters gehört habt, müsst Ihr es auch mehrmals aufmalen. Es
entsteht eine Partitur!
Anschließend sucht jeder für sein Geräusch/Symbol auch einen Klang, z.B. mit Stimme, (Orff-)
Instrumenten, Gegenständen. Positioniert Euch nun so um die Partitur und wählt einen Dirigenten.
Dieser deutet Euch nun den zeitlichen Verlauf auf der Partitur an und Ihr spielt an den
entsprechenden Stellen Euren Klang.
Blind-Bewegen
Geht paarweise zusammen. Einer des Pärchens schließt die Augen (ev. mit Tuch verbinden). Eurer
Partner hält Euch sanft und führt Euch durch den Raum, natürlich ohne auf ein Hindernis oder
anderes Pärchen zu stoßen. Ändert dabei auch das Tempo und die Gangarten. Nach einer Zeit
wechselt die Rollen. Wenn Ihr mit dem Gefühl, blind im Raum zu gehen vertraut seid, und Euch
sicher fühlt, bewegt Euch frei, ohne dass Euer Partner Euch hält. Trotzdem beobachtet dieser Euch
genau, bleibt ständig in Eurer Nähe und schützt Euch vor Zusammenstößen. Lasst Euch Zeit, wenn
Ihr wieder die Augen öffnet und spürt nach, wie sich Eure Wahrnehmung für Euren Körper und den
Raum verändert hat!
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Spiegel im Spiegel
Geht paarweise zusammen und stellt Euch gegenüber. Einer macht eine Bewegung vor, der Andere
macht diese wie ein Spiegelbild nach. Nach einer Zeit wechselt Ihr. Versucht dabei so genau und
gleichzeitig wie möglich zu sein, die Bewegungen fließend zu machen und den ganzen Körper zu verwenden. Baut auch immer wieder «Freeze» Momente ein und verharrt für einen Moment im
Spiegelbild.
Statt Spiegelbilder könnt Ihr auch «Einpass-Bilder» darstellen: Einer macht eine Bewegung vor und
hält die eingenommene Position, das Gegenüber versucht sich in diese Position einzupassen, sie also
zu ergänzen. Verharrt einen Moment in dem Bild, dann findet eine neue Figur.
Kleiner Tipp: Als musikalische Untermalung zu dieser Übung eignet sich sehr gut das Stück «Spiegel
im Spiegel» für Klavier und Violine von Arvo Pärt.
Aktualität des Stoffes
Findet Situationen aus eurem Alltag, den Nachrichten oder in der Geschichte wo Menschen
ausgeschlossen worden sind oder werden.
- Warum passiert das?
- Was kann man damit und dagegen tun?
- Und wie würdest du dich verhalten?
Sammelt zusammen Themen und vertieft es mit Stichwortsammlungen, einem Ausflug oder
Filmmaterial.
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Zeitungstheater
Den Schlagzeilen auf der Spur - Vom Impuls zur Szene
Ein weiterführender Tipp zum Umgang mit aktuellen politischen Themen mit theatralen Formen ist
das Zeitungstheater nach Augusto Boal. Das Zeitungstheater gilt als eine Methode des «Theaters der
Unterdrückten», das vom brasilianischen Regisseur und Theaterpädagogen Augusto Boal entwickelt
wurde. Die ursprüngliche Intention des
Zeitungstheaters angesichts der zunehmenden faschistischen Unterdrückung nach dem Militärputsch
im Dezember 1968 in Brasilien war es, neue Wege und Formen zu finden, sich trotz Zensur und
Polizeigewalt öffentlich zu äußern, die Volkstheaterarbeit fortzusetzen und weiterhin «Theater für das
Volk», d.h. aus der Perspektive des Volkes zu machen1. Zeitungstheater ist somit eine wichtige
Methode für historisch politische Bildungsarbeit. Mit Hilfe unterschiedlicher Lesetechniken, die auch
das szenische Spiel mit einschließen, soll die Objektivität des Journalismus hinterfragt, sollen
Sachverhalte korrigiert und ergänzt, sowie die Hintergründe von Meldungen erfasst werden, um dem
Ziel politischer Aufklärung näher zu kommen.
Perspektive, Orientierungskompetenz – Standortbestimmung, Selbstreflexion
Die Spieler/innen nähern sich mit theatralen Mitteln den Standpunkten von Menschen in den
dargebotenen Schlagzeilen und Zeitungsartikeln, vergleichen sie und beziehen selbst Stellung.
Sie diskutieren den eigenen Standpunkt in der Zusammenarbeit mit den Mitgliedern der Kleingruppe
bei der Erarbeitung der Präsentation. Dabei müssen sie bereit sein, ihre Sichtweise zu korrigieren
bzw. um die der anderen zu erweitern. Das Feedback des Publikums fordert dann nochmals zu einer
Standortreflexion auf.
Zeitung als sinnliches Medium erfahren
In Zeitungstheater-Workshops ist es mir immer ein Anliegen, dass die Teilnehmer/innen Zeitungen
auch als sinnliches Medium erfahren. Daher werden Zeitungen nicht nur gelesen, sondern ihre
Möglichkeiten als Requisit, Musikinstrument, Kostüm bzw. Material für ein Bühnenbild in
verschiedensten
Übungen ausgelotet. Es gibt z.B. eine Einheit, in der die Teilnehmerinnern und Teilnehmer
herausfinden, welche Geräusche, Töne, Melodien, Rhythmen man mit einem Zeitungsblatt,
mehreren Blättern, einer dicken Zeitungsrolle erzeugen kann. In einer anderen Übung forscht die
Gruppe nach unterschiedlichsten Handlungen, die sich mit einer Zeitung ausführen lassen oder
nimmt die Zeitung als Material, um sich daraus Kostüme herzustellen.
Schlagzeilen – Ausdruck – Eindruck
Ziele:
• Aufmerksamkeit erwecken durch die ungewöhnliche Art der Präsentation, • Aufbrechen von alten
Hör- bzw. Lesegewohnheiten.
Material: Schlagzeilen, die aus der Tagespresse ausgeschnitten wurden.
Beschreibung: Die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nehmen auf im Raum verteilten
Stühlen oder am Boden Platz. Die Leitung lädt sie ein, die Augen zu schließen und in den folgenden
Minuten Höreindrücke auf sich wirken zu lassen und innerlich zu registrieren, was sie jeweils
auslösen, welche Reaktionen sie hervorrufen, z.B. Bewegungsimpulse, Gänsehaut, Verspannungen,
Bilder, Gedanken, etc. Die andere Hälfte der Gruppe erhält je eine Schlagzeile aus einer Tageszeitung.
Die Lesenden lesen die Schlagzeilen in unterschiedlicher Lautstärke, in verschiedenen Emotionen und
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spielen auch mit Nähe und Distanz zu den Hörenden zu (z.B. ihnen die SZ ins Ohr zu flüstern oder
sie von der hintersten Ecke des Raumes herzurufen). Informationen werden bei unterschiedlicher
Betonung der Wörter und Sätze plastischer und eindringlicher.
Wechsel Auswertung: Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichten im Zweiergespräch von ihren
Eindrücken. Sie gehen der Frage nach: «Wovon lasse ich mich beeindrucken, welche Gedanken,
Erinnerungen, körperlichen Reaktionen und Gefühle wurden durch die Höreindrücke bei mir
hervorgerufen?»
Der Ton macht die Musik
Ziele:
• Aufbrechen von alten Lese- und Hörgewohnheiten,
• Erkennen, dass unterschiedliche Lautstärke, unterschiedliche Emotionen, unterschiedliche
Modulation der Stimme die Wahrnehmung des Inhalts, verändern, einen neuen Fokus auf die
Textaussage legen.
Material: Schlagzeilen, die aus der Tagespresse ausgeschnitten wurden.
Beschreibung: SZ werden von einem/einer SpielleiterIn auf einem Tisch ausgelegt. Die
TeilnehmerInnen suchen sich eine SZ aus, die sie anspricht. Sie gehen dann durch den Raum, wobei
sie die SZ laut vor sich hin sprechen, sie sich einprägen, sie von vorne und rückwärts lesen, sie
flüstern, in die Welt hinausschreien, sie mit verschiedenen Emotionen unterlegen oder an
verschiedenen Schauplätzen aussprechen (z.B. als Anklage, als Frage, weinerlich, als
Liebesgeständnis, unsicher, als Versuch sie zu verbergen, im Parlament, auf dem Marktplatz, eine
.Melodie dazu erfinden, singen, als wäre man ein Star, etc.). Zwischendurch lösen sie sich immer
wieder von den Haltungen und Emotionen und gehen auf ihre persönliche Weise.
Wichtig: Neutraler Gang (locker, entspannt, ohne privat zu werden, entspannter Atem) – gibt die
Möglichkeit sich von Stimmungen, Haltungen zu lösen, sich zu entrollen, sich zu sammeln, bietet die
Möglichkeit, auf Distanz zur letzten Situation, Haltung, Emotion zu gehen
Zeitungsfotos
Ziele:
• Sichtbarmachen, Verdeutlichen von Inhalten, Vorstellungen, Meinungen,
• Bewusstmachen von Haltungen, Verhalten
• Durchschauen von Inhalten, sich ein Bild davon machen Beschreibung:
TeilnehmerInnen werden eingeladen, sich in Kleingruppen zu max. 6 bzw. min. 4 Personen zusammenzufinden. Dann wählen sie eine Schlagzeile aus, die ihnen besonders interessant erscheint.
Der/Die SpielleiterIn bittet sie, zu dieser SZ ein lebendiges Standbild zu stellen, das die zentrale
Aussage der SZ verdeutlicht. Die Gruppenstatue soll wie ein Zeitungsfoto den Inhalt unterstreichen
bzw. illustrieren, d.h. das Thema wird visualisiert. Jedes Gruppenmitglied setzt dabei in der Funktion
der Fotografin / des Fotografen seine Assoziationen zur SZ in einem Standbild um, wobei die
Mitglieder der Kleingruppe als «Material» zur Verfügung stehen. Auf diese Weise entstehen 4 bis 5
verschiedene Statuen, die die Sichtweisen der einzelnen aufzeigen. Die Methode ermöglicht das
Einfühlen in verschiedene Aspekte eines Themas, einer Aussage. Die Übung erfolgt zunächst
nonverbal. Danach diskutieren die Gruppenmitglieder, wie sie die unterschiedlichen Aspekte und
Facetten des Wortes in einem einzigen Standbild umsetzen könnten. Das Ergebnis wird präsentiert.
Das Publikum gibt dem Zeitungsfoto einen Titel, eine Bildunterschrift. So erhält die spielende
Gruppe ein Feedback zu ihrer Darstellung.
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Zeitungsartikel
• Sich ein Bild von der Aussage des Artikels machen
• Sichtbarmachen der eigenen Rezeption.
Beschreibung: Die Mitglieder der Kleingruppe schreiben einen Kurzartikel zu der von ihnen im
«Zeitungsfoto» bebilderten Schlagzeile bzw. zu einer neu gewählten. Dabei sollen folgende Fragen
beantwortet werden: WER? WO? WAS? WARUM? WIE? WANN? Dann gibt die Gruppe A ihren
Kurzartikel an die TeilnehmerInnen von B, Gruppe B an Gruppe C, Gruppe C an Gruppe D und diese
ihren Artikel an Gruppe A. Die Kleingruppen haben die Aufgabe den Kurzartikel in eine kleine Szene
umzusetzen, zu dramatisieren. Sie können dabei auch verschieden Genres wählen (Tanz, Theater,
Oper, Musical, etc.). Die Szenen werden präsentiert. Anschließend werden die Originalartikel zu den
einzelnen Schlagzeilen verteilt und verlesen.
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Vermittlung / Transdiszipilinarität
Die Gruppe «MAKEMAKE produktionen» plant Plattformen für das Entwickeln und Praktizieren von
Theaterformaten. Dabei soll Vernetzung verschiedener Künstlerinnen aus Wien und Österreich, sowie
aus dem Ausland passieren. Es sollen kollektive Formate in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen
Spielstätten, KooperationspartnerInnen und AkteurInnen erdacht werden. Dabei beziehen wir uns
nicht ausschließlich auf das Theater, sondern auf einen breit-gedachten künstlerischen
Vermittlungsbegriff, der disiziplinenübergreifend agiert.
«Dritte einzuladen um Kunst und ihre Institutionen für Bildungsprozesse zu nutzen: sie zu
analysieren und zu befragen, zu dekonstruieren und gegebenenfalls zu verändern. » Schreibt die
Kunstvermittlerin Carmen Mörsch im Rahmen der Dokumenta 12.
Bei Vermittlungsprojekten, sei es im Bereich der Bildenden Kunst, der Musik oder des Theaters muss
es immer auch um den Entwurf und die Definition eines Bildungsbegriffes gehen. Wer sind in diesen
Bildungsprozessen die Lehrenden und wer die Lernenden? Was für Subjekte sollen aus diesen
Bildungspraxen hervorgehen und mit was für einem Handlungsbegriff sollen sie ausgestattet werden?
Carmen Mörsch fragt:«(...) Sollen es tatsächlich Subjekte sein, die über eine gestalterische
Selbstverwirklichung hinaus die beschriebenen Geschehnisse zu analysieren und sich gegebenenfalls
kritisch dazu positionieren in der Lage sind? Die möglicherweise sogar Lust darauf haben, ihnen mit
widerständigen Praktiken zu begegnen? »
Wie muss Kunstpraxis gegenwärtig gedacht werden, um dekonstruktive und transformative Prozesse
in KomplizInnenschaft mit jungen Menschen zu initiieren?
Schnittstelle «Theater – Vermittlung – Schule»
Ins Theater zu gehen stellt für viele SchülerInnen eine willkommene Abwechslung zum gewohnten
Schulalltag dar, im Idealfall einen der Höhepunkte des Schuljahres. Für PädagogInnen bedeutet es jedoch zunächst die Verantwortung, das richtige Stück zu wählen, sich zu überlegen, wie man die
Kinder dafür begeistert, wie man die Stückinhalte entsprechend vor- und nachbearbeitet und wie das
Stück in Verbindung mit aktuellen Themen in der Klasse/der Kinder gebracht werden kann.
Zum Gelingen dieser Aufgabe ist es unerlässlich, dass auch der Theaterbetrieb sowie eigens dafür
ausgebildete KulturvermittlerInnen oder TheaterpädagogInnen sich für die Interessen der Schulseite
engagieren und alle Beteiligten am gleichen Strang ziehen. Betrachten sich diese als Partner und
existiert wechselseitiges Verständnis für Bedürfnisse, Erwartungen und Ziele, so steht dem Gelingen
eines gemeinsamen Prozesses, indem es um einen gleichberechtigten, dialogischen Austausch aller
AkteurInnen und deren aktive Teilnahme an Theater und Kultur geht, nichts mehr im Wege.
Als Einstiegstext in das Thema «Kulturvermittlung» ist folgender Text von Carmen Mörsch
empfehlenswert: http://ipf.zhdk.ch/dates-space_c-morsch.pdfn/watch-thi
Fragen an das künstlerische Team
Wie kommt eurer Meinung nach eine gelungene Verbindung zwischen Musik und Performance
zustande?
Mein Antrieb, Musik zu machen, war immer da. Ich kenn das gar nicht anders. Neben der rein
ästhetischen Freude, frei und quasi ungebunden mit Formen und Gestalten zu spielen, im virtuellen,
potenziell unbegrenzten Raum zu arbeiten, schaffen zu können, gibt es den Aspekt der Kommunikation - mit sich selbst, aber auch und in großem Ausmaß mit Anderen. Musik ist, sowohl wegen der
Notwendigkeit der Vermittlung von Gedanken über Partitur, Probenarbeit etc., als auch al Erlebnis
des/ der Hörenden, eine unglaublich direkte, dichte und volle Weise, Kontakt herzustellen. Im besten
Fall geht das von Herz zu Herz, von Mensch-Erfahrung zu Mensch-Erfahrung - das zu finden, auf
spielerische Weise danach zu suchen, das ist mein Antrieb.
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Musik ist für mich ein zentraler Bestandteil von Theater, ein Mitspieler der erweitert, unterstützt,
initiiert, konstruiert, kontrastiert und dekonstruiert. Für mich als Choreografin und Tänzerin ist der
Einsatz und die Verwendung von Musik wichtiger Ausgangspunkt, Wegweiser und Richtungsgeber.
Ich versuche gedankliche die Trennung von Musik, Bühne, Sprache, Gesang, Tanz,...etc. aufzulösen
und alles als Ganzheit zu betrachten.
Für mich gibt es kein Theater ohne Musik. Das bedeutet nicht zwingend instrumentalen Klang oder
Gesang auf der Bühne. Es gibt meiner Auffassung nach einfach kein Theater ohne Rhythmus. Spiel
ist genau so wie die Sprache immer Rhythmus und Melodie.
Was ist euer Antrieb zu tun was ihr tut?
Kunstschaffen bedeutet für mich das imaginäre mit dem realen in ein Spannungsverhältnis zu setzen
und dadurch Utopien zu eröffnen in einem weiteren Schritt muss deren realpolitische Umsetzung
ausgefochten werden.
Die Faszination für das Entstehen lassen von Ideen und den immer neuen Prozess ihrer Umsetzung.
Der Wille Wahrnehmungsmuster zu durchbrechen, Dinge auf den Kopf zu stellen und Zuschauer
einzuladen, sie aus einer ungewohnten Perspektive zu betrachten. Für mich ist die Arbeit im Kollektiv
sehr wichtig. Gemeinsam Konzepte zu überlegen, Raum zu schaffen für Experimente und dabei auch
mal zu scheitern.
Warum noch? Wegen den Momenten wo man die Begeisterung beim Publikum spürt, es funktioniert
Ideen zu transportieren, Emotionen zu teilen und zu wecken und im Zuschauer ein Nachdenken zu
initiieren.
Und... Kunst und Kultur als etwas zu sehen, dass nicht schwierig und elitär ist, sondern sich jedem
und jeder anbietet. Kunst soll und kann unabhängig von sozialen Schichten und Bildungsstand
existieren und genossen werden. Kunst soll Begegnungen möglich machen, Diskussionen auslösen,
vernetzen und zusammenbringen.
Mich treibt, so kitschig es klingt, die Liebe zur Musik und zum künstlerischen Ausdruck. Ich bin sehr
dankbar dafür, dass mir das Theater begegnet ist und mit ihm all die kreativen Menschen und
Freunde, die lustvolles, respektbetontes und gegenseitig inspiriertes Schaffen möglich machen.
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Das künstlerische Team
Die Tonkünstler
Das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich ist eine der wichtigsten Institutionen der
österreichischen Musikkultur. Der Kernbereich der künstlerischen Arbeit ist das traditionelle
Repertoire von der Klassik über die Romantik bis ins 20. Jahrhundert; gleichzeitig setzen die
Tonkünstler Akzente im Bereich der Gegenwartsmusik. Das Orchester knüpft damit an sein mehr als
100-jähriges Wirken im österreichischen und internationalen Konzertleben an. Mit der Saison 09-10
übernahm der in Kolumbien geborene und seit 1997 im Wiener Musikleben beheimatete Andrés
Orozco-Estrada das Amt des Chefdirigenten. Chefdirigenten vor Andrés Orozco-Estrada waren unter
anderem Walter Weller, Heinz Wallberg, Miltiades Caridis, Fabio Luisi und Kristjan Järvi. Weiters
arbeiten die Tonkünstler mit prominenten Gastdirigenten zusammen, darunter Jeffrey Tate, Jun
Märkl, Hugh Wolff, Andrew Litton, Giovanni Antonini, Christopher Hogwood, Christian Zacharias,
Heinz Holliger sowie dem Ersten Gastdirigenten Michail Jurowski.
Simon Dietersdorfer (Schauspiel)
Geboren 1984 in Wien. Schauspielstudium am Konservatorium Wien Privatuniversität. Abschluss
desselbigen mit Auszeichnung im Jahr 2008. Bisherige Engagements u.a. am Theater an der
Gumpendorferstraße, 3raum- anatomietheater, OFF-Theater, Theater in der Drachengasse sowie bei
den Bad Hersfelder Festspielen.
Vor der Kamera stand er u.a. für die Fernsehserien «SOKO Donau», «Der Winzerkönig» und «Mitten
im 8ten». Er ist Ensemblemitglied des Theaters in der Josefstadt und dort zurzeit in «Amadeus» zu
sehen. Seine zweite große Leidenschaft ist die Musik. Er textet, komponiert und produziert sowohl für
das Theater als auch für diverse eigene Bandprojekte, wie die HipHop Gruppe MA21. Bisher
übernahm er die musikalische Leitung etlicher Produktionen u.a. «Das Dschungelbuch»,
«Fremdstoff» am Dschungel Wien und «Ein Schaf fürs Leben» am Staatstheater Oldenburg. Für die
«Weihnachtsgeschichten vom Franz» war Simon Dietersdorfer beim STELLA 2011 in der Kategorie
«herausragende Musik» nominiert. Simon Dietersdorfer veranstaltete bei der «Street Academy» und
der «langen Nacht der Jugend» einige Rap Workshops. Diese fanden großteils in Jugendzentren/treffs im Gemeindebau statt. Teilnehmer waren Jugendliche im Alter von 12 bis 20 Jahren,
größtenteils mit Migrationshintergrund.
Hannes Dufek (Komposition)
geboren 1984 in Wien. Studium der Komposition an der Universität für Musik und darstellende
Kunst Wien (Klasse Chaya Czernowin, Klasse Michael Obst). Im Jahr 2006 erfolgt die Gründung von
Platypus - Verein für neue Musik (www.platypus.or.at) Hannes Dufek wird (und ist seitdem) Obmann
des Vereins, der sich in vielfältiger Form der Förderung und Präsentation neuer Musik insbesondere
junger KomponistInnen widmet. Die organisatorische und kulturpolitische Arbeit, die auf diese Weise
geleistet wird, ist für Hannes Dufek beinahe gleich wichtig und erfüllend wie die genuin
kompositorische Tätigkeit. Seit dem Jahr 2011 ist Hannes Dufek auch intensiv beteiligt an Make Make
Produktionen und schrieb für das Kindermusiktheater die Musik.
Für das Festival Wien Modern 2009 erhielt Hannes Dufek einen Kompositionsauftrag, das
entstandene Stück «große musik» wurde 2009 zweimals sehr erfolgreich aufgeführt. 2010 erhielt er
den 1. Preis beim Kompositionswettbewerb der RuhrTriennale 2010 in Köln, sowie ein STARTStipendiums des BmUKK. Hannes Dufek ist Teilnehmer des Promotionsprogramms mica young
austrian composers, eine CD auf der eines seiner Werk zu hören ist («(Inner) Solare Musik») erschien
kürzlich und wurde bei zahlreichen Festivals im In- und Ausland aufgelegt.
Für die nahe Zukunft sind neben eines weiteren Kindermusiktheaters für das Staatstheater Oldenburg
(«Sophiechen und der Riese», 11/2012) ein neues Ensemblestück für das Ensemble reconsil, ein groß
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angelegtes Streichquartett, sowie ein interdisziplinäres Projekt mit der Cembalistin Maja Mijatovic
(«arresting images / fragments of media society») in Vorbereitung.
Birgit Kellner (Ausstattung)
Birgit Kellner wurde 1982 in Wien geboren. Nach einer Ausbildung zur Graphik Designerin studierte
sie von 2004-2011 Bühnen und Filmgestaltung an der Universität für Angewandte Kunst Wien. Im
Rahmen der Ausstellung «Haucht uns nicht der leere Raum an?» präsentierte sie 2011 ihre
audiovisuelle Diplomarbeit «Endlosschleifen». Von 2007 bis 2009 war sie als Bühnenbildassistentin
am Schauspiel Frankfurt tätig, wo sie erste eigene Arbeiten umsetzen konnte (u.a. Bühnenbild für
«Der Geisterseher» & «Helges Leben»). In Wien assistierte Birgit Kellner am Burgtheater mehrfach
bei Stephane Laimè. 2011 gestaltete sie das Bühnenbild für «Ein Gespenst namens Zukunft»
(Gewinnerprojekt des Jungwild- Wettbewerbes) und die Ausstattung für die Produktion «Das kleine
Gespenst» (Wiener Taschenoper, Uraufführung in Graz). In Zusammenarbeit mit Christian
Schlechter entstanden Bühnenbild und Kostüm für Projekte im Staatstheater Oldenburg («Ein Schaf
fürs Leben») und im Dschungel Wien («Momo»).
Sara Ostertag (Konzept/Spielleitung)
Sara Ostertag ist 1985 in Wien geboren und aufgewachsen. Nach dem Naturwissenschaftlichen
Gymnasium und Tätigkeiten im Bereich sozialer
Arbeit mit Jugendlichen absolviert sie Hospitanzen bei Film und Theater wie zum Beispiel bei
Michael Thalheimer am Deutschen Theater Berlin. Sie studiert von 2006 bis 2011 in Zürich und
Amsterdam. 2009 hat sie ihr
Bachelor-Regiestudium an der Zürcher Hochschule der Künste ab- geschlossen und schließt 2011 ihre
Masterstudium in Scenic Arts Practice ab. In ihrer Arbeit hat sie ein besonderes Interesse für das
Erforschen von Bühnen außerhalb des Theaters und seiner etablierten Räumlichkeiten. Es interessiert
sie Konventionen, Gewohnheiten sichtbar zu machen und aufzumischen. In ihrer Arbeit führt sie
immer wieder die Arbeit von Professionellen‐ und Nichtprofessionellen‐ DarstellerInnen zusammen.
Dabei geht es ihr nicht darum klassische Inszenierungsarbeit zu leisten, sondern darum den
SpielerInnen zu assistieren ihre Ideen zu benennen und umzusetzen und in ein Format zu bringen.
2010 arbeitete und studierte sie 6 Monate Choreographie an der School for New Dance Developement
Amsterdam in den Niederlanden. Sie realisiert diverse Projekte in Wien und Zürich und ist an das
International Directorsseminar Zusammen mit verschiedenen Künstler- Innen gründet sie 2010 den
Verein »MAKEMAKE produktionen« in Wien als Plattform für «performative Zusammenarbeit». 2011
ist sie an das International Dirctorsseminar der ASSITEJ eingeladen. Sie inszeniert 2011 am Tojo
Thaeter Bern und ist als Performerin für Claudia Bosse und Cressentia Dünser in Zürich tätig.
Zusammen mit Frederike Dengler inszeniert sie das Abschlussprojekt der 12. Klassen der
Atelierschule Hottingen in Zürich, Clyde und Bonnie oder was kostet die Welt nach Holger Schober
und realisiert die Performance Installation Dejavu in Bühlach (CH). Ausserdem realisiert sie das
Performance Event Lets call it a revolution in Novi Sad (Serbien), den Kopfhörerspazier- gang Min
Lade in Zürich (CH) mit dem Mentor Domenik Huber (blendwerk) und die Installation 19Stadtkomplzinnen im Architekturzentrum Wien. Am Dschungel Wien inszeniert sie Momo - Oder die Legende
vom Jetzt und leitet das Projekt «Macht Schule Theater». Seit der Spielzeit 2011/12 ist sie am
Staatstheater Oldenburg als Regisseurin tätig und inszeniert Ein Schaf fürs Leben. Sie wird dort in der
Spielzeit 2012/13 die Opernuraufführung Sophiechen und der Riese sowie Das Doppelte Lottchen –
Und wer bist eigentlich Du? auf die Bühne bringen.
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Weiterführende Literatur und Links
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/kinderbu...-still-waer-in-der-welt-majordux-verbietet-die-musik-1465245.html
http://www.tonkuenstler.at/
http://makemakeproduktionen.wordpress.com/
http://www.till.ch/spiele/
http://www.dschungelwien.at/start/
http://www.jungeohren.com/
http://www.rp-tuebingen.de/servlet/PB/show/1332741/rpt-75-the-literaturliste-2011.pdf
http://www.dramaturgische-gesellschaft.de/
http://www.parkaue.de/index.php?topic=219
Wenn es still wär‘ in der Welt – Major Dux verbietet die Musik
Die Liebe ist eine schwierige Sache: Man muss zuweilen richtig hinhören, um auch die Zwischentöne
zu verstehen, und mit dem falschen Job fällt das schwer. Major Dux zum Beispiel hat viel um die
Ohren, seit es ihm über Nacht gelang, die Macht an sich zu reißen. Ein Schriftsteller hat es da leichter.
Der hängt den Kopf hinein in die Geräusche vor seinem Fenster und saugt alles in sich auf, mir
nichts, dir nichts, und selbst der Minister für Geräusche und Akustik ist einem solchen Mann ein
Freund.
Natürlich nur der alte Minister. Mit dem neuen steht Bartolomäus Bob, der Schriftsteller, auf
Kriegsfuß: «Tut mir leid», heißt es am Telefon, als er den Freund zu erreichen versucht, just an dem
Tag, nachdem Major Dux in der Stadt die Macht übernahm, «der alte Minister ist entlassen und der
neue hat zu tun. Er hat gerade die Musik verboten.» Und schon nimmt eine kleine Fluchtgeschichte
ihren Lauf, eine Musik- und Liebesgeschichte, lakonisch erzählt und altmodisch schlicht mit schwarzweiß-orangen Illustrationen gestaltet von Martin Baltscheit, der unter anderem schon so witzige
Kinder- und Hörbücher vorlegte wie «Gold für den Pinguin», die Story um einen OlympiaTeilnehmer, der wegen unerlaubten Flosseneinsatzes um seine Auszeichnung fürchten musste.
«Major Dux oder der Tag, an dem die Musik verboten wurde», bei dem zu vermuten steht, es könne
vor allem auch ein Buch für romantisch veranlagte Erwachsene sein, erschien ebenfalls zunächst als
Hörbuch, produziert gemeinsam mit Sandra Weckert am Saxofon. Noch mehr Spaß allerdings macht
die Story um einige Jazzfreunde, die sich nach dem Verbot der Musik in die Kanalisation flüchten
(darunter ein wachsamer Maulwurf - unser Bild), erst beim Vorlesen. Und beim Vorsingen.
Denn Bartolomäus Bob, den Baltscheit zum eigentlichen Autor kürt, erzählt diese Geschichte nicht
nur in einem hinreißend lässigen Tonfall, als sei dies ein amerikanischer Krimi aus Vorkriegsjahren.
Vielmehr streut er auch swingende Zeilen seiner Mitverschwörer ein, und die mögen zwar nicht die
grandiosesten Lyrics dieser Welt sein, stimmlich aber sind sie für den durchschnittlich begabten
Vorleser eine Herausforderung (zumal von Noten und Melodien keine Spur ist).
Was also hat es mit der Musik von Chester Brown auf sich, im wahren Leben übrigens der Name
eines kanadischen Cartoonisten? Wer ist Billy, die bezaubernde kleine Schmetterlingsfrau? Und was
hat eine kleine Ente mit Schirmmütze vor einem Klavier verloren, in einem Hochhaus mit 88
Stockwerken? «Major Dux» ist eine herzzerreißend schlichte Geschichte in acht Takten. «Wenn es
still wär’ in der Welt», dichtet Bartolomäus Bob zum Ausklang, «hörte ich Fliegenflügel schlagen,
hörte, wie die Lüfte Düfte tragen, wie der Regen in Australien fällt, wenn es still wär’ in der Welt. »
Eine Liebeserklärung, das alles, ohrenberauschend.
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«Warum Cross-Over»
Darstellende Kunst für ein junges Publikum - Möglichkeiten der Begegnungen
von Annett Israel
Das professionelle Kinder- und Jugendtheater findet seit seiner Entstehung seine Selbstbestimmung
insbesondere in seiner besonderen Beziehung zu seinen Zuschauern. Die Theaterkunst für ein junges
Publikum hat sich, vor allem als Schauspieltheater, längst auch in der freien Szene institutionalisiert.
Dabei war es immer auf der Suche nach neuen Formen. Diese Suchbewegung führte in der
Vergangenheit zunehmend in die fiktiven Räume des Ästhetischen, in die Erkundung der
Möglichkeiten, die sich mit Formen und Stilen in den Grenzbereichen der Künste eröffnen. Das trifft
insbesondere für jenes Theater zu, das für Kinder spielt, denn das reine Schauspiel ist hier selten
anzutreffen. Wie in der Entwicklung des zeitgenössischen Theaters überhaupt sind die Grenzen
zwischen den Genres fließend und der Reiz vieler Aufführungen für Kinder ergibt sich aus dem
Wechselspiel der beteiligten Künste und Künstler. So werden in den Inszenierungen für die jüngsten
Zuschauer den anderen Künsten zunehmend gleichberechtigte Rollen zugewiesen. Schauspieler
agieren mit Objekten und Materialien oder laden Puppenspieler, Musiker, Sänger und bildende
Künstler zu einer gemeinsamen Produktion ein. Das erzeugt jene Vielfalt der Formen und Stile, die
sich gegenwärtig auf den Kindertheaterbühnen vor allen in den epischen Spielweisen zeigt.
Das klassische Schauspiel dominiert vor allem im Theater für ein jugendliches Publikum. Das
verwundert nicht, werden hier doch Themen behandelt, die sich aus der Lebenswirklichkeit junger
Leute speisen und einen schnellen Zugriff auf den Stoff erfordern. Das bestimmt weitestgehend die
dramatischen Strukturen der Inszenierungen. Die Grenzüberschreitungen zielen hier vorwiegend auf
mediale Formen, etwa jene des Films. Viele Aufführungen nutzen Montagen, Rückblenden und
Zitate. Der Einsatz neuer Medien auf den Bühnen ist symptomatisch für das gegenwärtige
Jugendtheater.
Doch auch eine andere, in der Geschichte des deutschen Theaters für lange Zeit streng bewachte
Demarkationslinie ist durchlässig geworden. Zunehmend sind es die Jugendlichen selbst, die in den
Aufführungen des professionellen Theaters im Ensemble mit Schauspielern oder unter sich zu
Akteuren werden.
(...)
«Tanz ist die einzige Sprache, die immer schon verstanden wurde», sagte Pina Bausch und er ist eines
der ursprünglichsten Ausdrucksmittel des Menschen.
Der Bühnentanz existiert in Deutschland an den Theaterhäusern neben anderen Kunstgattungen, die
wesentlich mächtiger sind; hat sich aber im Laufe der Entwicklung im Ensemble der darstellenden
Künste als eigenständige Kunstgattung etabliert. An den Opernhäusern werden vorwiegend
Aufführungen gezeigt, die sich in der Tradition des klassischen Balletts mit märchenhaften Stoffen an
ein Familienpublikum wenden. Darüber hinaus finden sich Ballettabende mit neuen Choreografien
klassischer Werke.
Daneben gibt es in Deutschland eine kleine freie Szene, die sich in wenigen Zentren formiert hat und
ihr junges Publikum mit den Formen des zeitgenössischen Tanzes und des Tanztheaters gewinnt.
Hier werden die Ästhetik des klassischen Balletts und die Harmonie von Musik und Bewegung
aufgebrochen. Diese Inszenierungen fordern ihre Zuschauer mit ihren montierten, fragmentierten
und episodischen Dramaturgien zu einer sinnlichen, wie phantasievollen Auseinandersetzung. Dabei
werden manches Mal die Grenzen des Genres bewusst überschritten, etwa wenn ein Erzähler wie ein
Spielmeister durch die Szene führt und mit dem Publikum und den Tanzenden auf der Bühne
gleichermaßen Zwiesprache hält, oder wenn die Bewegung des menschlichen Körpers, die der
Persönlichkeit des tanzenden Ausdruck verleiht, um die Dimension der Ausdrucksmittel Stimme und
Sprache erweitert wird.
Zwar existieren die Genres der darstellenden Kunst für ein junges Publikum auch unabhängig
voneinander und prägen ihre eigenen Szenen. Doch vor allem in der Theaterkunst für Kinder
verwischen deren Grenzen zunehmend im Zusammen- und Wechselspiel der Künste und Künstler.
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Nicht das jeweiligen Genre, sondern künstlerische Entscheidungen prägen die Wahl der beteiligten
Künstler und damit der Mittel. Zu fragen wäre daher nach dem Ausgangspunkt den eine Produktion
in einem Ensemble nimmt, das sich beispielsweise überwiegend aus Schauspielern zusammensetzt.
Denn die programmatische oder produktionsbezogene Zusammenarbeit von Schauspielern,
Musikern, Sängern, Puppen- oder Figurenspielern und bilden- den Künstlern oder Tänzern ist an
deutschen Kindertheatern mittlerweile gängige Praxis. Sie hat jene Vielfalt der Formensprachen und
Stile hervorgebracht, die aus dem Reichtum aller, der Darstellenden Kunst verfügbaren, Mittel
schöpft.
(© Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt am Main und
Berlin. Der Text ist in englischer Sprache erschienen in «IXYPSILONZETT» Magazin für Kinder- und
Jugendtheater, Heft 2, 2005, www.jugendtheater.net)
Differenz zeigen. Interkulturelle Theaterarbeit als ästhetisches Lernen
von Wolfgang Sting
Differenz und Fremdheit sind neben Pluralität zentrale Leitkategorien der theoretischen Diskussion
um interkulturelle Bildung und ästhetische Bildung. Alle drei Begriffe verweisen auf Mehrdeutigkeit,
die es heutzutage auszuhalten gilt. Interkulturelles und ästhetisches Lernen haben in diesem
Horizont vergleichbare Zielsetzungen: Beiden Lernbereichen geht es um die Akzeptanz und Pflege
der «Vielfalt der Kulturen» (wie es in der Erklärung der Unesco heißt). Beide schulen die
Wahrnehmung, das genaue Hinsehen, Sehen und Lernen und beide intendieren einen produktiver
handlungspraktischen Umgang mit der Differenz als soziale oder ästhetische Praxis. Das soziale und
ästhetische Wahrnehmen lässt sich dabei nicht trennen. Denn ein «reines Sehen», sagt der Soziologe
Bourdieu (1993), gibt es nicht. Das Ästhetische findet stets in einem sozialen Raum statt und
Wahrnehmung wie kulturelle Präferenzen sind habituell geprägt.
Während Pluralität das gleichwertige Nebeneinander von Kulturen und Lebensentwürfen und
Fremdheit das notwendig Andere im Bildungsvorgang betont, schärft die Kategorie der Differenz
unsere Wahrnehmung. Differenz zeigt sich als Gegenbegriff zu Einheit und Ganzheit. Mit anderen
Worten: Das Ich das spricht, ist nie identisch mit dem Ich, von dem es spricht.
Viel allgemeiner meint Differenz auch den Unterschied zwischen bekannt und unbekannt. Differenz
und Fremdheit sind Grundelemente im allgemeinen Bildungsprozess, aber auch konstitutiv für
ästhetische Erfahrung, betont Hartmut von Hentig. Ohne das Andere und Unbekannte wird die
eigene Wahrnehmung nicht stimuliert.
Im ästhetischen Bereich wird von Fremdheit und Differenz als künstlerisches Gestaltungsmittel
gesehen. So beschreibt der Medienwissenschaftler Hügel als Parameter für Spannung und
Unterhaltung in der ästhetischen Rezeption das Verhältnis von bekannten und unbekannten Zeichen.
Stellen Sie sich eine Skala von 0% bis 100% unbekannter Zeichen vor. Bei Null sind Sie gelangweilt,
weil Sie alles kennen, bei 100% sind Sie auch gelangweilt, weil Sie nichts erkennen, einordnen oder
verstehen können. Vorigen Donnerstag besuchte ich eine Performance der Internationalen Gruppe
Plasma, die, so die Ankündigung, «eine vielschichtige Partitur aus Aktionen, Texten, Tönen und
Bildern, eine lebende Installation» zeigt. Dort lief die ersten Minuten ein Spruchband über den
Screen, das sagte: «Entspannen Sie sich, es gibt hier nichts zu verstehen.» Der Zuschauer muss sich
dann auf andere Sicht- und Erlebensweisen einlassen können oder verzweifelt.
Das Fremde Andere ist in diesem Fall eine Herausforderung an unsere gewohnte Wahrnehmung und
Perspektive. Fremdheit ist also keine objektive Eigenschaft, sondern eine Frage der Perspektive, das
hat Karl Valentin (und Liesl Karlstadt) in seinem wunderbaren Dialog «Die Fremden» aus den 40er
Jahren auf den Punkt gebracht. Erst die Differenzerfahrung zwischen Vertrautem und Fremden
ermöglicht Persönlichkeitsentwicklung und soziales Lernen. Lernen heißt auch, etwas von sich weg
halten. Der Pädagoge Horst Rumpf sagt: «Nahebringen – das ist soviel wie Scheinvertrautheit
überwinden, Fremdheit und auch Ferne erzeugen.»
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Warum überhaupt Theater?
Kinder- und Jugendtheater als ästhetische Bildung von Eckhard Mittelstädt
Schuld ist Friedrich Schiller. Aus Dankbarkeit für eine jährliche Rente von 1000 Talern hatte er 1793
mit seinem Geldgeber, dem Prinzen Friedrich Christian von Augustenburg in 27 Briefen eine Debatte
«Über die ästhetische Erziehung des Menschen» geführt. Der Dichter, dessen 200. Todestag wir in
diesem Jahr begehen, hatte die Möglichkeit erwogen, dass der Mensch sich im Medium der Kunst
selbst bilden könnte. Obwohl er von ästhetischer Erziehung schrieb, meinte er den weiter gefassten
Begriff ästhetischer Bildung, die Verbindung der beiden Prinzipien, nach welchen der Mensch
handelt und denkt: Vernunft und Natur. Es müsse ein Werkzeug geben, das beides im Menschen
verbindet und zur Veredelung des Menschen führen könne. Diese Verbindung sah Schiller in den
schönen Künsten und mit dem Prozess der Veredelung des Menschen ist das gemeint, was wir heute
ästhetische Bildung nennen.
Diese Unterscheidung ist wichtig, da die englische Sprache die Unterscheidung zwischen sich bilden
und erziehen nicht macht. Hier aber geht es um eine ganzheitliche Auffassung vom Menschen, der
erst durch eine umfassende Bildung die Möglichkeit erhält, aus sich zu machen was er will.
Allerdings hatte Schiller drei Möglichkeiten erwogen, welche Wirkungsweise Kunst haben könnte.
Zum einen betrachtete er Kunst als Werkzeug zur Erreichung eines politischen Ziels. Die von ihm
erwogene zweite Möglichkeit steht zur ersten im Gegensatz: In einem individuellen Umgang mit
Kunst ist der Mensch demnach frei von jeder Bestimmung. In diesem Fall ermöglicht ihm die Kunst
einen frei gewählten Zugang zur Welt. In Deutschland wird diese Vorstellung als neuhumanistisches
Bildungsideal bezeichnet. In einer dritten Variante bezweifelt Schiller dann jede Wirkung der Kunst
auf Bereiche außerhalb der Kunst. Der Umgang mit Kunst beziehe sich nur auf die Kunst selbst,
könne also als Unterrichtung über Kunst bezeichnet werden.
Diese drei Möglichkeiten zwischen denen sich der Dichter schon vor über 200 Jahren nicht hatte
entscheiden können, bestimmen die Diskussion um die ästhetische Bildung in Deutschland bis heute.
Entsprechend dem jeweils herrschenden Zeitgeist wurde die Wirkungsweise der Kunst einer dieser
drei Möglichkeiten zugeordnet. Natürlich war es Schiller als Dichter und Autor von Theaterstücken
zunächst vor allem um die Rezeption des Schönen (der Kunst) gegangen. Aber erst die Produktion des
Schönen vollendet die Veredelung des Menschen in seinen Augen: «Denn der Mensch ist nur da ganz
Mensch, wo er spielt.» Gerade das Theater ist eine Kunst, deren Besonderheit das Wechselspiel von
Produktion und Rezeption ist.
Aus dieser Zuordnung der Wirkungsweisen der Kunst ergab sich ein Konfliktpotential, das natürlich
auch in die Bewertung der künstlerischen Ergebnisse einfloss. Dies gilt zumindest in Deutschland
auch für das Kinder- und Jugendtheater. Galt es Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts in der
alten Bundesrepublik als Mittel zur Gesellschaftsveränderung und in der DDR als
Erziehungsinstrument, folgte in den 80er Jahren in der Bundesrepublik das Credo, man mache Kunst
für Kinder und beharrte auf einer Zweckfreiheit der Kunst, während auch in der DDR die Auffassung
vom Kinder- und Jugendtheater als Kunst de facto den Erziehungsauftrag verdrängte. Zu Beginn
dieses Jahrhunderts schnitten Deutschlands Schüler im internationalen Vergleichstest PISA schlecht
ab. In der Folge begann man nach Schlüsselkompetenzen zu suchen, die den Kindern durch die
Produktion und Rezeption von Kunst und Kultur vermittelt werden könnten und sollten. Nach der
Schiller’schen Definition wurde Kunst also wiederum als Werkzeug zur Erreichung eines Ziels
betrachtet. Aus Sicht der für und mit Kindern und Jugendlichen arbeitenden Künstlern geschah dies
wohl vor allem, um zu verhindern, dass die Beschäftigung mit Kunst und Kultur als überflüssiger
Luxus angesehen wird, auf der in Schule und Freizeit zugunsten von Sprachen, Naturwissenschaften
und Mathematik verzichtet werden kann. Ästhetischer Bildung nach Schiller’scher Definition reicht
über das Erlernen von formalen Qualifikationen in jedem Falle hinaus, setzt vielmehr einen Prozess
der Selbstbildung in Gang.
Kinder und Jugendliche machen ästhetische Erfahrungen zum Beispiel durch die wahrnehmende und
durch die gestaltende Auseinandersetzung mit Theater. Indem sie Theater spielen, erfahren sie die
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Differenz von Rolle und Figur, von Darstellen und Dargestelltem, indem sie Theater sehen, sind sie
zugleich Zuschauer und Mitspieler; das Verhältnis von Bühne und Zuschauerraum ist ein
dialogisches Verhältnis. «Eine Theatervorstellung ist keine pädagogische Veranstaltung. Das Theater
wirkt, indem es Theater ist, und keine, wie immer kluge, pädagogische Konzeption wird einer
Aufführung erzieherischen Wert verleihen, wenn diese Erziehung nicht über das ästhetische
Vergnügen den Zuschauer erreicht» lautet ein in diesem Zusammenhang viel zitierter Satz von
Christel Hoffmann. Das Erreichen der Wirkung von Theater und in deren Folge das ästhetische
Vergnügen setzt auf beiden Seiten des Theaters, auf der Bühne und im Zuschauerraum, einen
ästhetischen Erfahrungs- und Lernprozess voraus.
Das ästhetische Vergnügen aber setzt die Freiheit der Kunst voraus, sich nicht für Lernziele
vereinnahmen zu lassen, sondern dem Menschen die Möglichkeit zu geben, aus sich zu machen, was
er will. Und dies war ja eines der von Schiller formulierten Ziele der ästhetischen Erziehung des
Menschen. Es lässt sich mit dem Theater – ob selbst spielend oder es betrachtend – hervorragend
erreichen. Das Theater mit Kindern und Jugendlichen und das Theater für Kinder und Jugendliche
sind dabei die zwei Seiten eines Modells: des Modells Kinder- und Jugendtheater.
Verwendete und weiterführende Literatur
Mörsch C., Hg./et al. (2009). Kunstvermittlung 2: Zwischen kritischer Praxis und Dienstleistung auf
der Documenta 12. Ergebnisse eines Forschungsprojekts. Zürich-Berlin: diaphanes
Mörsch C. (2010). Vorwort. In: Hg.: Thuswald M.. Urbanes Lernen: Bildung und Intervention im
Öffentlichen Raum. Arts & Culture & Education (Band 4).Wien: Erhard Löcker GsmbH
Sturm E.. Von Kunst aus. Kunstvermittlung mit Gillez Deleuze: Verlag Turia + Kant
Augusto Boal, Theater der Unterdrückten.
http://de.wikipedia.org/wiki/George_Gershwin
http://de.wikipedia.org/wiki/Porgy_and_Bess
http://de.wikipedia.org/wiki/Suite_(Musik)
http://www.spectact.at/files/newsletter/Zeitungstheater_nach_Augusto_Boal.pdf
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