Xxxxxx GfM-Forschungsreihe 06/2013 Social Currency Autoren: Roland Bernhard, Senior Partner & Nadia Eggmann, Research Analyst Sehr geehrte Damen und Herren Sie fragen nach Marketing-Musts der Gegenwart? Innovative Ideen und die Kompetenz, mit digital vernetzten Konsumenten intelligent zu interagieren, gehören bestimmt dazu. Ein Instrument, diese Vernetzung und Interaktionen rund um die eigene Marke zu messen, ist die Social Currency (soziale Währung). Für die Social-Currency-Studie von Vivaldi, die erstmals im Jahre 2011 durchgeführt wurde, gaben international über 5000 Konsumenten zu ihrer Wahrnehmung von 60 Marken aus 19 Branchen und ihrem sozialen Verhalten Auskunft. Die Resultate der Studie sowie weitere Forschungserkenntnisse rund um die Social Currency unterstützen Unternehmen gezielt dabei, erfolgreich mit Konsumenten zu interagieren. Dieser Forschungsbericht stellt präzise dar, weshalb Social Currency von Relevanz für die Praxis ist, welche Faktoren dieses Konzept prägen und wie Best-Practice-Beispiele aussehen.Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Lesen der GfM-Forschungsreihe 06/2013 Freundliche Grüsse Ulrich H. Moser Präsident der GfM Jean-Marc Grand Geschäftsführer der GfM Wechselseitig statt einseitig «If the rate of change on the outside exceeds the rate of change on the inside, the end is near.» Der Vergleich des Publikums während der Papstwahl 2005 und 2013 verdeutlicht besser als alle Worte, wie sehr sich das Engagement von Konsumenten und die Möglichkeiten dazu gesteigert haben. Beruhte die Teilnahme vor ein paar Jahren noch überwiegend auf passivem Mitverfolgen, wird heute aktiv gefilmt, fotografiert, mitdiskutiert, gevotet und gepostet. Wir befinden uns in einer Ära der digitalen Revolution, die bereits vor mehr als 20 Jahren begonnen hat. Die Kombination von Mobilgeräten und fortschrittlichen sozialen Technologien führt immer mehr zu neuen und attraktiven Möglichkeiten, das Leben zu verbessern. Zu dieser Verbesserung des Lebens gehört unter anderem auch die Vernetzung von Konsumenten mit Marken und umgekehrt. Dieser neue Informationsfluss bringt mehr Transparenz zwischen Kunde und Unternehmen und so auch potentiell neue Geschäftsmodelle mit sich. Während insbesondere Social Media lange Zeit nur als Hype gehandelt wurde, entwickelt es sich nun zunehmend zu einem MUST für Marketers. Es ist an der Zeit, aus dem einseitigen Informationsfluss vom Unternehmen Richtung Konsumenten einen wechselseitigen Kommunikationsstrang zwischen beiden zu bilden. Wie Jack Welch einst betonte, ist die Adaption von Unternehmen an die pulsierende Aussenwelt matchentscheidend. Denn Informationen, die durch den Konsumenten selbst generiert werden, gehören neu zu den grössten und wichtigsten Vorteilen für Unternehmen, um im globalen Wettbewerb zu reüssieren. Das Social-Currency-Konzept bietet zu diesem Paradigmenwechsel Hilfestellungen. Papstwahl © NBC News Jack Welch Social Currency Die Anzahl von Followern oder die Menge an Likes zählen zu weitverbreiteten Erfolgsindikatoren von Marken. Doch der Schein trügt: die blosse Masse an Fans verhilft bei Weitem nicht zwingend zur tatsächlichen Berücksichtigung der Marke im Kaufprozess, zu einem effektiven Kauf oder zur wertvollen Loyalität. Um diese drei wichtigen erfolgstreibenden Dimensionen zu erzielen, ist vielmehr das Bilden und Ausbauen von Social Currency der ausschlaggebende Punkt. Social Currency – oder auf Deutsch: soziale Währung – entsteht dann, wenn Konsumenten eine Marke oder eine Information über eine Marke mit anderen teilen. Social Currency stellt aber nicht nur unternehmerische Bedürfnisse in den Vordergrund, sondern umfasst diejenigen der Konsumenten genauso. Somit können durch die Arbeit rund um die Social Currency und die starke Berücksichtigung der Outside-In-Perspektive Win-win-Situationen entstehen. Nachfolgend wird detaillierter auf die sechs Verhaltensweisen eingegangen, welche die Social Currency ausmachen. Das Social-Currency-Modell basiert auf Interaktionen, Konversationen und Co-Erstellung von Inhalten, während sich traditionelle Modelle des Brand Managements mehr auf Prinzipien wie Positionierung, Zielbestimmung und Push stützen. Für den Social-Currency-Ansatz spricht, dass es nie einfacher war, Menschen direkt in einen offenen Markendialog einzubinden. Gerade Social Media bietet nebst den klassischen Marketingmitteln eine attraktive Plattform, Konsumenten persönlich zu erreichen. Funktionsweise und Grundlage der Social Currency Sechs Verhaltensweisen Das Social Web ermöglicht Konsumenten besonders gut, in unterschiedlichster Weise Einfluss auf eine Marke auszuüben. War die Interaktion vor dem Internetzeitalter vor allem auf die passive Entgegennahme von Informationen auf Seite der Konsumenten beschränkt, ist die Bandbreite heute wesentlich vielfältiger: nebst der Information kommen Utility, Conversation, Advocacy, Identity und Affiliation dazu. Diese Verhaltensweisen bilden das Kernstück der Social Currency. Before the Web Social Currency Information Diese sechs Verhaltensweisen haben folgende Eigenschaften: Information Von anderen Konsumenten über die Marke Utility Mehrwert über den Austausch mit Marken und anderen Konsumenten Conversation Gespräch mit anderen Konsumenten über eine Marke Advocacy Empfehlen oder verteidigen einer Marke Identity Eigene Identität über die Marke ausdrücken Affiliation Mitglied einer Community werden, die an eine Marke gekoppelt ist Early Web 2000s Web Social Web Information Utility Information Utility Conversation Advocacy Identity Information Utility Conversation Advocacy Identity Affiliation Dos – Die ersten Schritte zur Social Currency Alle in Social Currency brillierenden Unternehmen streben danach, einen integralen Bestandteil des Alltagslebens ihrer Konsumenten zu werden und engagieren sich dementsprechend. Diese Erkenntnis konnte in der Studie als gemeinsamer Erfolgsfaktor der in Social Currency starken Unternehmen ausgemacht werden. Das Angehen der folgenden Punkte ist ausserdem lohnend: ① ② Kennenlernen und Verstehen des Ökosystems der Konsumenten, so zum Beispiel: •Wie setzen Konsumenten ihre Alltäglichen- und Lebensziele? •Wie gehen die Konsumenten vor, um diese Ziele zu erreichen? •Welche Produkte und Services nutzen die Konsumenten? •Wie interagieren die Konsumenten mit Marken? Identifizieren derjenigen sechs Verhaltensweisen, welche die Mehrwerte in der Branche verursachen. Unser Tipp: Konsumenten tendieren dazu, erfolgreichen und engagierten Unternehmen mehr Zugang zu ihrem Leben zu geben als solchen, die sich sehr passiv verhalten. Engagement lohnt sich also. Wichtig: Es existiert nicht nur eine einzig richtige Strategie, wie Erfolg in und mit Social Currency erreicht werden kann.Vielmehr führt für jede Marke ein eigener authentischer Weg zur erwünschten Performance. ③ ④ Definieren der Social-Currency-Strategie. Unser Tipp: Strategie bedeutet auch immer Trade-Off-Entscheidungen. Somit hat wohl überlegt zu sein, welche Verhaltensweisen gezielt angegangen werden sollen. Fokussierung hilft – denn das Konzept der Social Currency besagt nicht, dass alle Verhaltensweisen in gleichem Masse behandelt werden sollen. Der individuelle Mix macht es aus. Entwickeln und Ausführen von Social-CurrencyProgrammen, die Mehrwerte schaffen. Unser Tipp: Dieser Schritt verlangt nach einem Konzept, das digitale und soziale Technologien mit klassischen Markenbildungsinstrumenten mixt. Die einzigartige und individuelle Kombination ist Mittel zur gewünschten Social Currency. Don’ts – Was vermieden werden sollte Selbstverständlich können einem auch beim Umgang mit Social Currency Fehler unterlaufen. Diese gilt es vorzubeugen. Konsumenten können sich beispielsweise nach einer gewissen Zeit des Folgens und Likens plötzlich auch wieder von einer Marke distanzieren. Nebst vielen Best Practice Beispielen sowie Tipps und Tricks zum erfolgreichen Umgang mit Social Currency gilt es deswegen unbedingt auch, Dinge gezielt zu vermeiden. Folgende Punkte führen laut Studie zu Kontaktabbrüchen mit einer Marke: Es wurde kein echter Mehrwert geboten (22%) Die Inhalte wurden mit der Zeit repetiv und langweilig (19%) Marke wurde nur wegen Rabatten gelikt, dies ist nun nicht mehr so wichtig (16%) Des persönliche Interesse für das Unternehmen hat nachgelassen (16%) Marke postete zu viele Informationen (16%) Marke postete zu oft Informationen (14%) Der Konsument verfolgt zu viele Marken gleichzeitig (10%) Veröffentlichte Informationen der Marke entsprachen nicht dem eigenen Gusto (7%) Es wurde zu wenig häufig informiert (4%) 0% 5% 10% 15% 20% 25% Social Currency Wheel – Coca-Cola Ziel des Social-Currency-Wheels ist es, das Verhalten der Konsumenten anhand der drei Hauptphasen 1. Kauferwägung (Awareness to Consideration); 2. Kauf (Consideration to Purchase) und 3. Loyalität (Purchase to Loyalty) grafisch darzustellen. Höhere prozentuale Werte zeigen die höhere relative Stärke an, Kunden in dieser Phase zu gewinnen. Das Modell basiert auf der Annahme, dass Kunden unterschiedliche Wege zu diesen drei Phasen aufweisen (im Gegensatz zum Kauftrichter, wo der Ablauf klar festgelegt ist). Das Social-Currency-Wheel ist somit eine nützliche Ergänzung zu traditionellen Modellen wie dem Kauftrichter oder dem Kaufentscheidungsprozess. Die Anwendung des Modells führt zu einem klaren Profil einer Marke und zeigt dadurch mögliche Handlungsoptionen auf. Der Vergleich zwischen Coca-Cola und Red Bull zeigt auf, wie zwei ähnlich bekannte Marken auf unterschiedliche Art erfolgreich Social Currency generieren. Während die Marke Coca-Cola schon weitgehend etabliert ist und daher vor allem loyalitätsstärkende Massnahmen im Vordergrund stehen (Purchase to Loyalty), setzt Red Bull als jüngere Marke noch stärker auf Massnahmen zur Steigerung der Kauferwägung (Awareness to Consideration). Coca-Cola – From Control (one-way, auf Kampagnen zentriert) to Curation (365 Tage Konversationen, dynamisches Story Telling) stützen Loyalität – Ideen werden so packend gestaltet, dass sie automatisch von Fans geteilt werden (Content 2020 Social Media Initiative) –Coca-Colas Marketing-Initiativen reichen weit über die herkömmlichen Kundenkontaktpunkte hinaus Social Currency Wheel – Red Bull Red Bull – Relevante Inhalte, Funktionalität und ausgeprägte Sponsoringaktivitäten bei Extremsportlern in unkonventionellen Disziplinen generieren Aufmerksamkeit – Guerilla-Marketing – Red Bull sorgt für Überraschungen – Die Red Bull Marketing-Initiativen stützen hauptsächlich soziale Offline-Communities Best Practice Beispiel – Die MIGROS Generation M: Raum der Versprechen Der Raum der Versprechen wurde von Migros im Rahmen von Generation M (Nachhaltigkeitskampagne der Migros) im Jahre 2012 lanciert. Hier können sich Community-Mitglieder per Knopfdruck für Nachhaltigkeit verpflichten und die Umsetzung, dokumentieren und diskutieren. Viele kleine Taten – Eine grosse Wirkung Bei jedem vorgeschlagenen Versprechen ist ersichtlich, wie viele Personen sich bereits dafür verpflichtet haben. Als besonderer Anreiz für Nutzer können Versprechen auch unter eigenem Namen gepostet werden. Unsere Einschätzung ① ② ③ Conversation: Der Raum der Versprechen führt zu Forumsdiskussionen, zum Austausch von Tipps zu den Versprechen sowie zu Gesprächen über Nachhaltigkeit und vielleicht auch über die Produkte der Migros. [Unsere Einschätzung: 75 von 100 möglichen Punkten] Information: Die Versprechen anderer Mitglieder eignen sich auch als informative Community-Beiträge an sich und stärken den Nachhaltigkeitsaspekt der Migros. [80P / 100P] Advocacy: Die Migros verkörpert einen positiv konnotierten Wert: die Nachhaltigkeit. Dafür kann als Konsument mit gutem Gewissen eingestanden werden. [85P / 100P] ④ ⑤ ⑥ Identity: Durch gezielte Ausrichtung auf Nachhaltigkeit können sich Personen klar mit ihren Wertvorstellungen positionieren und werden Teil einer Bewegung. [90P / 100P] Affiliation: Durch die aktive Teilnahme im Raum der Versprechen wird man Mitglied einer Gemeinschaft, die ganz klar der Migros zugeordnet ist. [80P / 100P] Utility: Der Austausch und das Verpflichten zur Ausführung der Versprechen generiert Mehrwert für jeden Teilnehmer. Es entsteht Nachhaltigkeit im grösseren Kontext. [100P / 100P] Kontakt Die Vivaldi Partners Group ist die führende unabhängige Beratungsfirma für Wachstumsstrategien und global positioniert. Durch die Expertise in den Bereichen (Brand) Strategie, Innovation, Marketing und Transformation hilft und befähigt sie ihre Kunden, Wachstumschancen bestmöglich wahrzunehmen. Ein Fokus der weltweit über hundert Vivaldi Partners-Consultants besteht darin, für ihre B2B wie auch B2C Kunden die Chancen der digitalen Revolution nutzbar zu machen, u.a. durch ein profundes Verständnis der Konsumenten in einer Zeit geprägt von Reizüberflutung und Multioptionalität. Kontakt: Vivaldi Partners Group Roland Bernhard, Senior Partner Limmatquai 72, 8001 Zürich Telefon ++41 43 268 11 60 [email protected] www.vivaldipartners.com Schweizerische Gesellschaft für Marketing, Löwenstrasse 55, 8001 Zürich Telefon: +41 (0)44 202 34 25, Fax: +41 (0)44 281 13 30, www.gfm.ch, [email protected] GfM-Forschungsreihe In Zusammenarbeit mit Experten aus der Wissenschaft und der Praxis nimmt die GfM eine führende Rolle in der Forschung im Bereich marktorientierte Unternehmensführung in der Schweiz ein. Die GfM-Mitglieder erhalten die wichtigsten Ergebnisse der von der GfM unterstützten Forschungsprojekte in der Publikation «GfM-Forschungsreihe» zugestellt. Unter dem Link http://www.gfm.ch/de/forschung/forschungsreihe/ können Sie die GfM-Forschungsreihen der vergangenen Jahre kostenlos downloaden. GfM-Forschungsreihe 2013 GfM-Forschungsreihe 2012 01/2013: Schlüsseltrends 2013 02/2013: Haben, Greifen, Sein 03/2013: Pricing Power 04/2013: Crowdsourcing 05/2013: Turbulente Zeiten für CMOs 01/2012: Megatrends 2012 02/2012: Upselling 03/2012: Interne Marketingprogramme 04/2012: Social Media Benchmark 05/2012: Erfolgreiches Marketing in China 06/2012: Die innovativsten Unternehmen der Schweiz 2012