Übergewicht, Anorexia nervosa und Veränderung der motorischen

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Florian Engel, Wiss. MA
Übergewicht und Adipositas bei Kindern
Übergewicht, Anorexia nervosa und Veränderung der motorischen
Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland
Anorexia nervosa bei Kindern und Jugendlichen
Begriffsbestimmung
Der Begriff Anorexia nervosa, Synonym Magersucht, bezeichnet eine Essstörung mit selbst
herbeigeführtem Gewichtsverlust (Klinisches Pschyrembel, 2010).
Im Verlauf der Anorexia nervosa treten nach Holtkamp et al. (2005) oft folgende Symptome
auf: Die Anorexia nervosa beginnt meist schleichend, die Mehrzahl der Betroffenen zeigt ein
stark kalorienreduziertes Essverhalten und eine stark ausgeprägte Beschäftigung mit dem
eigenen Körpergewicht, der Nahrungsaufnahme und dem Kaloriengehalt der Nahrung. Oft ist
wählerisches und ritualisiertes Essverhalten zu beobachten. Um das Essverhalten entstehen
meist ausgeprägte familiäre Konflikte, die mit einem hohen Leidensdruck der Familie
verbunden sein können. Viele Patientinnen sind zudem ausgeprägt körperlich aktiv
(Holtkamp & Herpertz-Dahlmann, 2005).
Die Anorexia nervosa besitzt mit im Mittel 5,5% die höchste Letalitätsrate unter allen
psychischen Erkrankungen (Patton, 1988).
Als kritische Gewichtsgrenze für Kinder- und Jugendliche gilt die Unterschreitung des 10.
BMI-Altersperzentile. Berechnung im Internet: www.mybmi.de (Holtkamp et al., 2005).
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Übergewicht und Adipositas bei Kindern
Da der BMI bei Kindern und Jugendlichen alters- und geschlechtsspezifischen
Schwankungen unterworfen ist, sollte der BMI mit den Werten einer Referenzgruppe
gleichen Geschlechts und Alters verglichen werden.
Abbildung 1:
BMI-Perzentilkurven für Mädchen
Abbildung 2:
BMI-Perzentilkurven für Jungen
Als Referenzgruppe eignen sich die Daten von Kromeyer-Hauschild, et al. (2001). Perzentile
für den Body Mass Index für das Kindes- und Jugendalter unter Heranziehung verschiedener
deutscher Stichproben. Monatsschrift Kinderheilkunde;149:807-18. Die Diagramme zeigen
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die sogenannten Perzentilkurven. P75 (= Perzentil 75) bedeutet beispielsweise, dass 25%
der Kinder einen höheren und 75% einen niedrigeren BMI haben.
Zur klinischen Diagnose der Anorexia nervosa werden nach Holtkamp et al. (2005) und
Wanke et al. (2007) folgende Kriterien herangezogen:
1.) Körpergewicht mindestens 15% unterhalb der Norm bzw. BMI ≤17,5
2.) Der Gewichtsverlust ist selbst verursacht (restriktive kalorische Aufnahme)
3.) Körperschemastörung („überwertige“ Idee, zu dick zu sein trotz hochgradigem
Untergewicht)
4.) Homonelle Störungen aufgrund des geringen Körpergewichtes wie z.B. Ausbleiben
der Regel (Amenorrhoe bei Frauen, Libido- oder Potenzverlust bei Männern)
5.) Bei Erkrankungsbeginn vor der Pubertät Störung der pubertären Entwicklung
einschließlich des Wachstums
Darüber hinaus sind folgende typische Symptome bei Patienten mit Anorexia nervosa zu
beobachten:
- ausgeprägte körperliche Betätigung und exzessives Sporttreiben trotz Untergewicht
- zunehmende Leistungsorientierung (bessere Schulnoten, extrem sorgfältige Hausaufgaben)
- tragen von Sommerkleidung im Winter
- zwanghaftes Verhalten
Weitere psychiatrische Störungen werden mit den angegebenen Häufigkeiten bei der
Anorexia nervosa beobachtet:
Tab. 1: Häufig auftretende psychiatrische Störungen bei Anorexia nervosa (modifiziert nach Holtkamp
et al., 2005).
psychiatrische Störungen bei Anorexia
nervosa Patienten
Affektive Störungen
Angststörungen
Zwanghaftes Verhalten
Häufigkeit in %
15-80
40-80
40-70
Häufigkeit von Anorexia nervosa
Essstörungen zählen im Kindes- und Jugendalter zu den häufigsten chronischen
Gesundheitsproblemen (Society for Adolescent Medicine, 2003; Fairburn et al. 2003).
Von der Anorexia nervosa sind vor allem junge Mädchen und Frauen betroffen, die
Schätzungen reichen von etwa 0,3%-1% der Frauen von 10 bis 25 Jahren bis zu 1%-3%.
Doch sind von der Anorexia nervosa auch zunehmend Jungen und Männer betroffen.
(Klinisches Pschyrembel, 2010; Holtkamp et al., 2005). Der Altersbereich für die Entwicklung
einer Anorexia nervosa liegt etwa zwischen 15 und 24 Jahren, mit einem Altersgipfel
zwischen dem 14. Und 16. Lebensjahr, doch tritt eine Ersterkrankung auch oftmals im dritten
Lebensjahrzehnt auf (Hölling & Schlack, 2007).
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Nach Ergebnissen des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys, durchgeführt vom Robert
Koch Institut (2007) zeigen mehr als 20% der Kinder und Jugendlichen in Deutschland im
Alter von 11-17 Jahren Symptome einer Essstörung (siehe Tab.1). Die von den Autoren
erfassten Essstörungen umfassen die Kernsymptome der Anorexia und der Bulimia nervosa
(Hölling & Schlack, 2007).
Tab. 2: Auftreten von Essstörungen nach Selbstangabe bei 6634 Kindern im Alter von 11-17 Jahren
(Hölling & Schlack, 2007).
Altersgruppen
Jungen
Mädchen
Migrant
Nicht-Migrant
Hoher
Sozioökonomischer
Status
Niedriger
Sozioökonomischer
Status
Gesamt
11-13 Jahre
14-17 Jahre
Gesamt
17,8
13,5
15,2
23,5
32,3
28,9
30,1
30,4
30,3
18,5
21,2
20,2
13,2
17,2
15,6
28,3
27,2
27,6
20,6
22,7
21,9
Der Anteil bei den auffälligen Mädchen im Alter von 17 Jahren beträgt 30% (!). Der Anteil von
Kindern und Jugendlichen mit niedrigem sozioökonomischem Status ist fast doppelt so hoch
wie bei Familien mit hohem sozioökonomischem Status. Ebenfalls einen erhöhten Anteil an
Essstörungssymptomen weisen Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund auf. Hier
liegt die Quote um 50% höher als bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund (Hölling &
Schlack, 2007).
Ähnlich wie Holtkamp (2005) kommen Hölling und Schlack (2007) in ihren Untersuchungen
zu den Ergebnissen dass die Essstörungen meist noch mit weiteren psychischen
Auffälligkeiten gekoppelt sind. 24,7% der Essstörungsauffälligen weisen parallel „Emotionale
Probleme“ wie beispielsweise Ängste und Depressionsneigung auf. Desweiteren Besteht ein
signifikanter Zusammenhang zwischen den von den Autoren erfassten Essstörungen und
negativen sexuellen Erfahrungen über alle untersuchten Altersgruppen hinweg (Hölling &
Schlack, 2007).
Prävention und Therapie
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Übergewicht und Adipositas bei Kindern
Die klinisch diagnostizierte Anorexia nervosa ist meist chronisch und zeichnet sich durch
schwere Verläufe aus, die langwierige Therapien notwendig macht. Zur Prävention ist eine
verbesserte Früherkennung durch vermehrte Aufklärung von Kindern, Jugendlichen, Eltern,
Lehrern, pädagogischen Fachkräften und Trainern über die genannten Risikofaktoren und
die Krankheitsbilder notwendig. Die Prävention sollte Bestandteile auf kognitiver und
emotionaler Ebene beinhalten (Hölling & Schlack, 2007).
Therapiert wird die Anorexia mittels langwieriger Psychotherapie, da sie nicht medikamentös
behandelt werden kann. Idealerweise sollte die Familie mit einbezogen werden. Aufgrund der
hohen Mortalitätsrate (ca. 5,5%) der Anorexia nervosa ist meist ist eine stationäre
Psychotherapie ratsam oder notwendig (Sonnenmoser, 2006; Holtkamp et al., 2005).
Literatur
Eating Disorders in Adolescents: Position Paper of the Society for Adolescent Medicine
(2003) J Adolesc Health 33, 496-416.
Fairburn, C.G., Harrison, P.J. (2003). Eating disorders. Lancet, 361, 407-416.
Holtkamp, K. & Herpertz-Dahlmann, B. (2005). Anorexia und Bulimia nervosa im Kindes- und
Jugendalter. Deutsches Ärzteblatt, 102, 1-2, 50-57.
Hölling, H. & Schlack, R. (2007). Essstörungen im Kindes- und Jugendalter. Erste Ergebnisse aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS). Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz, 50, 794-799.
Kromeyer-Hauschild, K., Wabitsch, M., Kunze D. (2001). Perzentile für den Body Mass Index
für das Kindes- und Jugendalter unter Heranziehung verschiedener deutscher Stichproben. Monatsschrift Kinderheilkunde,149, 807-18.
Pschyrembel Klinisches Wörterbuch - Das Standardwerk der Medizin. (2010). Berlin: De
Gruyter.
Patton, G.C. (1988). Mortality in eating disorders. Psychological Med, 1, 947-951.
Sonnenmoser, M. (2006). Essstörungen: Bei Prävention ansetzen. Deutsches Ärzteblatt, 5,
2006, 314. Zugriff am 08.12.2010 unter http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/
artikel.asp?src=heft&id=52086
Wanke, E., Petruschke, A., Korsten-Reck, U. (2007). Essstörungen und Sport. Deutsche
Zeitschrift für Sportmedizin, 58,10, 374-375.
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