Vom Urknall zu den Sternen.

Werbung
Spezialvorlesung WS 11/12. Vorl.Verz. 52302
Wolfgang Gebhardt:
Vom Urknall zu den Sternen.
Eine Einführung in die Kosmologie mit Übungen
Ort: Raum 5.1.01 in der Mittelspange
Zeit: Mo 15 - 17h
Mi 15 - 17h
Beginn Mo d. 17.10.11
(Bei erfolgreicher Teilnahme an den Übungen werden 4 Kreditpunkte
vergeben)
Kap. 00
Inhalt. Einleitung .Tabelle
Seite 1 - 3
Kap. 01
Die Expansion des Kosmos.
Hubbles Konstante H0
4 - 14
Kap. 02
Die Dynamik des Kosmos in
Newtonscher Näherung
15 -25
Kap. 03
Die Metrik des homogenen
und isotropen Raumes
26 -36
Kap. 04
Einsteins Gleichungen und
das Standardmodell der
Kosmologie
Einsteins kosmologische Konstante.
Unsinn oder eine neue Kraft?
37 – 48
Kap. 05
49 – 63
Kap. 06
Reste des Feuerballs. Die
kosmische Hintergrundstrahlung
64 – 75
Kap. 07
Die Nukleosynthese der
leichten Elemente
76 – 87
Kap. 08
Die Schwierigkeiten des
Standardmodells und das
inflationäre Paradigma
88 - 101
Kap. 09
Fluktuation der
Mikrowellenstrahlung
102 - 122
Kap. 10
Was war am Anfang?
123 - 140
Kap. 11
Bildung von Strukturen
140 - 162
Kap. 12
Erste Sterne. Reionisation.
Galaxien
163 - 178
Kap. 13
Dunkle Materie
179 - 203
2
00. Einführung
00.1. Einleitung
Kosmologie ist die Wissenschaft vom gesamten beobachtbaren, physikalischen Universum.
Sie ist dennoch nicht eine Wissenschaft für alles in der Welt, sondern konzentriert sich im
Wesentlichen 1) auf die Natur und Entwicklung des frühen Universum und 2) auf die
Entstehung von Strukturen, d.h. wie konnten aus dem sehr homogenen frühen Plasma
schließlich Sterne, Sternhaufen, Galaxien und Galaxiehaufen entstehen. Das heutige
Standard-Modell der Kosmologie lässt sich aus den Einsteinschen Gleichungen der
allgemeinen Relativitätstheorie ableiten. Es beschreibt einen expandierenden oder
schrumpfenden Raum mit einem homogenen und isotropen Materie- bzw. Energieinhalt. Es
ist inzwischen durch Beobachtungen gesichert, dass wir in einem expandierenden,
euklidischen Raum leben. Rechnen wir zurück, so vergrößern sich mittlere Dichte und
Temperatur mehr und mehr. Ein Produkt des frühen, heißen Anfangs ist das Helium im
Kosmos, das etwa ein Viertel der baryonischen Masse ausmacht. Dem Standardmodell
zufolge ist es in den ersten 3 Minuten entstanden. Etwa 400 000 Jahre nach dem Beginn
trennte sich die Strahlung in dem heißen Plasma von der Materie: das Plasma wurde
durchsichtig. Danach kühlte die Strahlung langsamer ab als die Materie. Davon ist der
Hintergrund einer Mikrowellenstrahlung übrig geblieben, deren geringfügige Anisotropien
(< 10-4) von Quantenfluktuationen stammen, die in ganz frühen Zeiten eine Rolle spielten, als
das heute beobachtbare Universum noch winzig klein war und in ein Atom gepasst hätte. Eine
Reihe wichtiger Fragen warten noch auf eine Lösung. Über den Anfang und die Bedingungen,
unter denen der Urknall stattfand, gibt es bisher nur mehr oder weniger plausible Hypothesen.
Ein großes Rätsel gibt uns noch die Zusammensetzung des Materie- bzw. Energieinhalts des
Kosmos auf: Danach sind 70% dunkle Energie, die über große Entfernungen abstoßend wirkt
und eine zusätzliche Beschleunigung der Expansion bewirkt. 26 % ist dunkle Materie. Sie
wirkt nur durch ihre Gravitation. Schließlich sind nur 4 % baryonische Materie, aus der die
Sonne, die Planeten, die irdische Biosphäre und der menschliche Körper aufgebaut sind.
Noch sind die Elementarteilchen der dunklen Materie unbekannt, trotz einer Reihe von
aufwendigen Experimenten in Untertage-Labors. Nur soviel ist sicher: die Teilchen der
dunklen Materie passen nicht in das Schema des Standardmodells der Teilchenphysik. Es
besteht Hoffnung, die unbekannten Teilchen in den Experimenten am LHC in Genf
nachzuweisen. Noch rätselhafter ist das Auftreten der dunklen Energie. Alle Versuche sie im
Rahmen einer Quantenfeldtheorie des frühen Kosmos zu erklären, sind bisher fehlgeschlagen.
Die dunkle Energie bleibt eine zufällige Akzidenz unseres Kosmos, solange es nicht gelingt
sie einem nachweisbaren Feld zuzuordnen. Schließlich gibt es noch ein anderes interessantes
und gegenwärtig heiß diskutiertes Problem: Wenn wir den Zustand der Materie zu immer
früheren Zeiten extrapolieren, kommen wir „am Anfang“ unserer Weltmodelle zu unendlich
hohen Dichten. Das bedeutet, dass Einsteins Gravitationstheorie, welche dem Modell
zugrunde liegt, unter diesen Bedingungen nicht mehr gültig sein kann. Es müssen
Quanteneffekte auftreten. Die klassische Raumzeit muss durch eine „Quantengravitation“
ersetzt werden. Dazu gibt es verschiedene Vorschläge. Ihre experimentelle Prüfung ist sehr
schwierig. Die entsprechenden Effekte finden sich in schwarzen Löchern und eben am
Anfang des Universums. Die Natur gibt uns keine Möglichkeit hinter den Horizont eines
schwarzen Lochs zu schauen. Spuren vom Anfang des Kosmos finden sich in den winzigen
Unregelmäßigkeiten, den Fluktuationen der kosmischen Mikrowellenstrahlung, die zurzeit
mit besonders hoher Auflösung vom „Planck-Satelliten“ der Europäischen Raumfahrtagentur
ESA untersucht wird.
1
Wie wir aus der knappen Aufzählung sehen, kann die Kosmologie nicht isoliert betrachtet
werden. Sie ist im Gegenteil kraft ihrer Thematik und ihrer Ergebnisse eng verknüpft mit der
Teilchenphysik, mit unserem Verständnis der Gravitation und „last not least“ mit einem
dynamischen Kosmos, dessen Mitglieder und Beobachter wir Menschen selbst sind. Kurz vor
Beginn unserer Veranstaltung erreichte uns die Nachricht, dass der diesjährige Nobelpreis für
Physik an 3 Forscher für ihre Arbeiten zur beschleunigten Expansion durch „Dunkle Energie“
ging. Ihre Namen sind Saul Perlmutter (52), Adam Riess (42) und Brian Schmidt (44).
Vielleicht gibt uns das eine zusätzliche Motivation, sich mit Kosmologie zu beschäftigen.
00.2. Tabelle wichtiger physikalischer und kosmologischer Größen
Konstante
Lichtgeschw.
Gravitation
Planck
Boltzmann
Stefan-Boltzmann
Strahlungskonstante
Ionisationsenergie
von Wasserstoff
Elektron
Ruhmasse
Elektron
Ruhenergie
Proton
Ruhemasse
Proton
Ruhenergie
Neutron
Ruhemasse
Rydbergkonstante
des Wasserstoffs
Parsec
Megaparsec
Lichtjahr
Sonnenmasse
Sonnenradius
Sonnenleuchtkraft
Hubble-Konst.
Hubble-Zeit
Kritische Dichte
Symbol
Zahlenwert
Einheiten SI
c
G
h
k
a
2,992792458
6,67259
6,6260755
1,380658
5,67051
7,5646
108 m s-1
10-11 m3kg-1s-2
10-34 J s
10-23 J K-1
10-8 J m-2s-1K-4
10-16 J m-3 K-4
EH
13,6
eV
me
9,1093897
10-31 kg
0,511
MeV
1,6726231
10-27 kg
938,27
MeV
mn
1,6749286
10-27 kg
RH
1,0967758·107
m-1
σ
mec2
mp
mpc2
pc
Mpc
Lj
MO
RO
LO
H0
tH = H0-1
ρ c,0
Weltalter
t0
Temp.d. kosm.
Hintergrundstrahlung
Tγ
3,086
3,086
9,463
1,9891
6,9598
3,8515
h·100
72
13,6
4,30
1,88·h2
1016 m
1022 m
1015 m
1030 kg
108 m
13.75 ± 0.11;
433.6 1015
2,725
0,235
109 Jahre
1015 s
K
meV
2
km s-1 pro Mpc
km s-1 pro Mpc
109 Jahre
1017 sek.
10-26 kg m-3
3
1. Die Expansion des Kosmos. Hubbles Konstante H 0 .
1.1. Die Entfernung von Galaxien und das Hubble-Gesetz
Alle wichtigen Entdeckungen, die zum heutigen kosmologischen Standardmodell führten,
wurden im 20. Jahrhundert gemacht. Im Anfang des Jahrhunderts war die Auffassung, dass es
sich bei den so genannten „Spiralnebeln“ um Welteninseln handelte, noch heftig umstritten.
Unter den Astronomen war die Partei derer, die sie für ein lokales Phänomen innerhalb der
Milchstrasse hielten ebenso groß, wie die der Befürworter der extragalaktischen
„Welteninseln“. Die Argumente wurden dann noch einmal am 26.04.1920 vor der American
Academy of Science im „Smithonian Museum“ in Washington D.C. von einem Vertreter des
Lick-Observatoriums, H.D. Curtis (Spiralnebel sind extragalaktisch), und einem Vertreter des
Mt. Wilson-Observatoriums, H. Shapley (Spiralnebel sind intragalaktisch), vorgetragen und
heftig diskutiert, ohne dass eine Einigung erzielt werden konnte. Dieser Disput ist als „The
Great Debate“ in die Wissenschaftsgeschichte eingegangen. Curtis vertrat dabei den
modernen Standpunkt, basierend auf astrophysikalischen Argumenten, welche aber damals
noch nicht ausreichend durch Beobachtungen abgesichert waren, Shapley die Gegenposition.
Erst 1923 gelang es dem jungen Astronomen E. Hubble (1889 – 1953), die Randgebiete des
Andromedanebels M 31 auf Platten in Sterne aufzulösen. Hubble hatte als „Postdoc“ das
große Glück, am 100-Zoll-Reflektor des Mt. Wilson Observatoriums arbeiten zu können, dem
damals größten Spiegelteleskop und lichtstärksten Instrument der Welt.
Fig. 1.1. Die absolute Helligkeit M υ aufgetragen gegen den Logarithmus der Periode P (in
Tagen) nach Sandage und Tammann, ApJ 151, 531, 1968. Dieser Zusammenhang wurde1912
von Henriette Swann Leavitt am Harvard-College-Observatory entdeckt. Wie man sieht, liegen
die Cepheiden von verschiedenen Gegenden des Himmels auf verschiedenen Geraden. Heute
kann man diesen Effekt, den Hubble noch nicht kannte, der chemischen Zusammensetzung der
Atmosphäre der Cepheiden zuordnen.
Die Entfernungsbestimmung von Galaxien ist bis heute ein schwieriges Problem geblieben.
Hubble benutzte dazu die beobachtete Abnahme der Helligkeit von Sternen mit der
4
Entfernung. Nötig sind dann aber Standard-Lichtquellen, deren Helligkeit bekannt ist. Hubble
verwendete dazu Cepheiden, Sterne deren Helligkeit sich periodisch ändert. Bei den
Cepheiden gibt es eine Beziehung zwischen Pulsationsdauer P und der absoluten Helligkeit
M υ , welche wurden. Die absolute Helligkeit eines Sterns ist die Helligkeit, die man in einer
Entfernung von 10 parsec beobachten würde. Die Entfernung 1 parsec (pc) = 3,086 ·1016 m.
Physikalisch ist M υ bis auf eine Konstante der Logarithmus der Strahlungsleistung (in Watt).
Die Cepheiden sind nach dem bekanntesten und hellsten Vertreter dieser Klasse, δ Cephei,
im Sternbild Cepheus benannt worden. Die Perioden-Helligkeits-Beziehung galaktischer
Cepheiden war von Henrietta S. Leavitt (1868 – 1921) aufgestellt worden. Sie hat die stolze
Zahl von etwa 2000 Cepheiden entdeckt. Dabei fand sie diesen Zusammenhang, den sie 1912
publizierte. Hat man aber die absolute Helligkeit eines Sterns und seine gemessene scheinbare
Helligkeit, dann ergibt sich daraus auch seine Entfernung (s. dazu Anhang A1).
Bereits Slipher hatte aus der Rotverschiebung von Spektrallinien
λ − λ0
=z
λ0
(1.1)
geschlossen, dass Spiralnebel sich z. T. mit extrem hohen Radialgeschwindigkeiten bewegen
müssten.
Fig. 1.2. Geschwindigkeiten von 1355 Galaxien aufgetragen gegen geschätzte Entfernungen. Die
Meßpunkte erfüllen in etwa Gl. 1.2. Die Streuung wird verursacht von Unsicherheiten der
Beobachtungen und von Eigenbewegungen der Galaxien, die nicht eliminiert wurden. Die
Skalierung der Entfernungen wurde vorgenommen unter der Annahme von
H 0 = 100 km ⋅ s −1 / Mpc
nach A. Liddle: An Introdurction to Modern Cosmology, J. Wiley
1998.
5
λ bedeutet hier die Wellenlänge einer Linie im Spektrum der beobachteten Galaxie, λ 0 die
im Labor gemessene Wellenlänge der entsprechenden Spektrallinie.
Fig.1.3. Edwin Hubble
1889 - 1953
Hubble fand Cepheiden auf den Aufnahmen der Nachbar-Galaxien und konnte damit die von
Slipher und Humason gemessenen Radialgeschwindigkeiten υ mit der von ihm selbst
bestimmten Entfernung r verknüpfen. Er fand aus den Beobachtungen das nach ihm benannte
Gesetz
υ = H 0r
(1.2)
welches er in dieser Form 1929 publizierte. Heute gilt Hubble allerdings nicht mehr als dessen
Entdecker sondern George Lemaitre, ein damals junger belgischer Astrophysiker und Priester.
Lemaitre hatte aus Einsteins Gleichungen unter dessen 1917 gemachten Voraussetzung von
Homogenität und Isotropie des Raumes ein expandierendes Weltmodel abgeleitet.
Homog. B-Feld:
v
B = (0,0, B z ) = konst.
Elektr. Feld einer
Punktladung:
r
1
E = ( E r ,0,0) ∝ 2
r
Kosmos
Homogenität
ja
Isotropie
nein
Nein
ja
Ja
ja
Tab. 1.1 : Zur Veranschaulichung von homogen und isotrop. Beides soll nach Einsteins
Annahme für den Kosmos erfüllt sein. Man nennt diese Voraussetzungen heute das
„kosmologische Prinzip“. Es ist für das frühe Universum außerordentlich gut erfüllt.
6
Er zeigte, dass dann (1.2) gelten müsse und versuchte diesen Schluss durch Daten aus
publizierten Beobachtungen zu unterstützen. Seine Publikation erschien 1927 in Belgien in
französischer Sprache. Erst eine englische Übersetzung von 1931 machten Lemaitres
kosmologische Überlegungen in der Fachwelt bekannt. Mehr dazu bei Nussbaumer s.
Literatur.
In der klassischen Form gilt das Gesetz für υ << c . Ersetzt man die so genannte
Fluchtgeschwindigkeit korrekt durch die Rotverschiebung, υ = cz , so verknüpft Lemaitres
Deutung die Rotverschiebung des Lichts mit der Expansion des Raumes, welche die Abstände
der Galaxien ebenso wie die Wellenlänge des Lichts um den Faktor (z + 1) vergrößert. Damit
können wir Gl. 1.2 wie folgt schreiben
z=
H0
r
c
(1.3)
In dieser Form ist das Hubblesche Gesetz auch für Objekte mit z > 0 richtig. Es ist hierbei
wichtig zu verstehen, dass die Rotverschiebung z nach Lemaitre keine Dopplerverschiebung
ist, sondern eine kosmologische Rotverschiebung, also ein Effekt der allgemeinen
Relativitätstheorie, bei welcher die Wellenlänge des Lichts mit der Expansion des Raumes
gedehnt wird..
Fig.1.4. George Lemaitre (1894 – 1966) und Albert Einstein (1879-1955).
Die Aufnahme entstand um 1933.
7
Fig.1.5. Darstellung des Hubble Gesetzes: Alle Galaxien scheinen sich von uns weg zu bewegen.
Aber ein entsprechendes Diagramm kann für einen beliebig gewählten Punkt im Raum
gezeichnet werden (s. Vektorschreibweise Gl. 1.4). Das ist eine Konsequenz von
Homogenität und Isotropie.
Bei naiver Betrachtung von Fig.1.5, in welcher das Hubblesche Gesetz durch
Geschwindigkeitsvektoren zu Objekten in verschiedenen Entfernungen veranschaulich wurde,
könnte man meinen, dass der irdische Beobachter eine bevorzugte Stellung einnimmt. Dafür
gibt es natürlich keinen ersichtlichen Grund. Das Bild ließe sich für einen beliebigen Ort im
Universum ebenso zeichnen. Diese Ortsunabhängigkeit (oder Translationsinvarianz) können
wir berücksichtigen, indem wir Gl. 1.2 als Vektorgleichung schreiben
r
r
υ = H 0r ,
(1.4)
Gl. (1.4) ist nun für jede beliebige Galaxie gültig. Ehe wir Gl. 1.4 interpretieren, wollen wir
noch einmal zu E. Hubble zurückkehren. Hubble fand für H0 einen Wert von etwa 500
km ⋅ s −1 / Mpc . Der heute akzeptierte Wert liegt bei 72 km ⋅ s −1 / Mpc . Wie war eine solche
Diskrepanz möglich? Ein Grund dafür ist: Hubble nutzte die Cepheiden als
Entfernungsindikatoren. Er konnte noch nicht wissen, dass die Helligkeits-PeriodenBeziehung auch von der chemischen Zusammensetzung der Sternatmosphäre abhängt. Der
Gehalt an schweren Elementen in der Sternmaterie steigt mit zunehmendem Alter der
betreffenden Region, in welcher der Veränderliche gefunden wird. Ein zweiter Grund:
Galaxien haben eine Eigenbewegung υ i entsprechend der Massen ihrer Umgebung. Sie kann
einige hundert km·s-1 betragen. Erst wenn die kosmologische Fluchtgeschwindigkeit sehr viel
größer ist, also υ >> υ i , lässt sich υ ausreichend genau bestimmen. Um den Wert der HubbleKonstanten wurde auf astronomischen Tagungen Jahrzehnte lang gerungen und gestritten,
was eben auch bedeutete, die systematischen Fehler zu finden, die sich in den Messungen der
verschiedenen Arbeitsgruppen verbargen. In Fig. 1.4 zeigen wir eine Graphik von einem der
Pioniere dieser Forschungen (G.A. Tammann: „The ups and downs of the Hubble constant“.
http://arxiv.org/abs/astro-ph/0512584)
8
Fig. 1.6. Die Bestimmung der Hubble-Konstanten von 1926 – 1962. Die Namen der Autoren
stehen bei den Werten. Aus G.A. Tammann: The Ups and Downs of the Hubble Constant.
Reviews of Modern Astronomy 19 (S. Röser Editor) Heidelberg 2006 oder
http://arxiv.org/abs/astro-ph/0512584
. Der von Hubble bestimmte Wert für H0 war gegenüber dem heutigen Werten um einen
Faktor 7 zu groß. Hubble hat ihn später nicht mehr berichtigt und sich auch an
kosmologischen Diskussionen nicht beteiligt. Die Bedeutung seiner Arbeiten ist unbestritten.
Dennoch ist es an der Zeit, seine Leistung von einer späteren Heldenverehrung zu trennen.
Als bester Wert für die Hubble-Konstante gilt heute aus der Kombination verschiedener
Bestimmungsmethoden
H 0 = 71 ± 8 km s −1 / Mpc
(1.5)
(1 Megaparsec (Mpc) = 3,057 ⋅10 22 m oder 3,2616 ⋅10 6 Lichtjahre). Man beachte, dass
1 / H 0 = t H eine Zeit ist, Hubble-Zeit genannt, ist, tH = 4,305·1017 s =13,65·109 Jahre =
4,30·1017 sek. und entsprechend ist c/H0 = 12,992·1022 km = 13,65·109 Lichtjahre = 4200 Mpc
die Länge der Strecke, welche das Licht in der Zeit tH zurücklegte, auch Hubble-Radius
genannt. Die Zeit, die seit dem Urknall vergangen ist, nennen wir t0 Sie steht für die JetztZeit t0 = 13,75·109 Jahre. Zu ihrer Berechnung benötigen wir ein Weltmodel, was wir im 2.
Kapitel behandeln werden. Dass sich t 0 ≅ t H ergibt, ist mehr ein zufälliges Zusammentreffen,
über das man gleichwohl spekulieren kann.
.
Obwohl die Cepheiden noch immer zu Entfernungsbestimmungen verwendet werden, sind die
bevorzugten Referenz-Lichtquellen für sehr große Entfernungen heute Supernovae vom Typ
Ia (abgekürzt SN Ia). Sie sind sehr viel heller und reichen deshalb in große Entfernungen.
Lichtstarke Teleskope mit großem Gesichtsfeld gestatten heute Supernovae in größerer
Anzahl und in weit entfernten Galaxien zu registrieren. Es handelt sich bei diesen
außerordentlich energiereichen Ereignissen um weiße Zwerge in engen Doppelsternsystemen.
Durch Massentransfer vom Begleitstern nimmt die Masse des weißen Zwergs allmählich zu.
Wird eine kritische Masse von ca. 1,44 Sonnenmassen (MO) überschritten, wird der weiße
Zwerg instabil. Es beginnt eine explosive Fusion von Kohlenstoff, welche den Stern völlig
zerstört. Da die kritische Masse, auch Chandrasekhar-Masse genannt, festliegt, wird bei jeder
9
SN Ia immer etwa die gleiche Energie frei. Im Maximum erreicht eine SN Ia in absoluten
bolometrischen Helligkeiten
M b = −19,6 ± 0,2
(1.6)
(s. hierzu den Anhang A1). Dazu kommen Korrekturen, die einerseits die Absorption durch
interstellaren Staub berücksichtigen, andererseits gewisse unterschiedliche Abläufe der SNExplosion, abhängig vom Gehalt schwerer Elemente. Diese Korrekturen werden gegenwärtig
ständig verfeinert.
Da Entfernungsbestimmungen für die moderne Astrophysik und Kosmologie essentiell sind,
werden möglichst verschiedene unabhängige Methoden dazu herangezogen. Dazu gehören
auch weiterhin die Cepheiden, die sich besonders für näher gelegene Galaxien eignen.
Fig. 1.7 Die beobachteten Helligkeiten von SN Ia sind aufgetragen gegen den Abstandsmodul
m − M = 5 log10 r / 10 pc (s. dazu A 1). Oben: unkorrigierte Werte. Unten: korrigiert auf
Grund der Abklingkurven der Supernovae. Nach P. Ruiz-Lapuente, Cosmology with
Supernovae. astro-ph /0304108.
(
)
Von anderen Methoden zur Eichung der Entfernungsskalen sei hier noch eine kurz erwähnt:
die Entfernungsbestimmung mittels einer Nova (bitte nicht mit einer Supernova
verwechseln!). Zu dieser leuchtkräftigen Erscheinung kommt es, wenn Materie, die sich auf
der Oberfläche eines weißen Zwergs angesammelt hat, durch Zündung einer Kernfusion
verpufft. Dabei werden die Fusionsprodukte mit hoher Ausbreitungsgeschwindigkeit
ausgeschleudert und bilden eine leuchtende sphärische Hülle. Wenn sich die
Ausbreitungsgeschwindigkeit υ h sowie die Winkelausdehnung α der Hülle, die sich im Laufe
10
weniger Jahre Δt sichtbar um Δα vergrößert, unabhängig messen lassen,kann daraus die
Entfernung r bestimm werden.
1.2. Kosmische Expansion.
Mit der Ableitung des Hubble-Gesetzes hatte George Lemaitre auch gleich die Interpretation
mitgeliefert. Nehmen wir einmal an, dass ungeachtet der durchaus inhomogenen
Massenverteilung im Kosmos, der Raum als isotrop und homogen angesehen werden kann.
r
Dann ist zu jeder Strecke r (t ) auch ein zeitabhängiger Skalenfaktor a (t ) anzugeben, der den
Expansionszustand des Raumes beschreibt, so dass gilt
r
r (t )
a (t )
=
r
r (t 0 ) a(t 0 )
(1.7)
r
Selbst wenn die Endpunkte der Strecke r gegenüber der Umgebung in Ruhe bleiben, ändert
sich der Abstand durch den (mit der Zeit anwachsenden) Skalenfaktor a (t ) . Wir können jetzt,
r
wenn der Koordinatenabstand r = konst. ist, Gl. 1.4 wie folgt schreiben
r
υ = a& (t )
r
r
r (t 0 ) a& (t ) r (t 0 )a (t )
=
a (t 0 ) a (t ) a (t 0 )
(1.8)
Wir definieren die Hubblefunktion durch
H (t ) =
a& (t )
a(t )
(1.9)
und erhalten so das Hubblesche Gesetz in einer etwas allgemeineren Form
r
r
υ = H (t )r (t )
(1.2a)
Man beachte, dass H0 in Gl. (1.2) die Hubblefunktion H(t) zur Jetztzeit t = t 0 ist.
Entsprechend schreiben wir den Skalenfaktor zur Jetztzeit a (t = t 0 ) = a 0 . Meist wird
a 0 = 1 gesetzt, was wir uns für später vorbehalten wollen.
Aber wie homogen ist der Kosmos wirklich? Man kann für die Massenverteilung eine
Hierarchisierung angeben, die Galaxien, Cluster von Galaxien, Supercluster (meist in Form
von Filamentstrukturen) enthält. Erst bei Entfernungen über 100 Mpc läßt sich von
Homogenität sprechen.
11
Fig.1.7. Wir können die kosmologische Rotverschiebung so verstehen, dass die Wellenlänge des
Lichts, die uns erreicht, seit der Zeit ihrer Emission mit der kosmischen Expansion gewachsen
ist (s. Gl. 1.10).
Wir kehren noch einmal zur kosmologischen Rotverschiebung der Spektrallinien z zurück.
Im Vorgriff auf eine spätere Ableitung verhält sich die beobachtete Wellenlänge des Licht wie
die entsprechenden Skalenfaktoren.
λ0 a (t 0 )
=
λ1 a (t1 )
(1.10)
λ0 ist die Wellenlänge eines Lichtsignals, welches der irdische Beobachter sieht und welches
zur Zeit t0 bei ihm ankommt. Als sich die Emission zur Zeit t1 < t 0 ereignete, hatte das Signal
im Ruhsystem des Emitters die Wellenlänge λ1 . Wenn wir die Rotverschiebung z als
z=
λ0 − λ1 a (t 0 )
=
−1 ,
a (t1 )
λ1
(1.11)
ansetzen erhalten wir mit a(t 0 ) = 1 und a (t1 ) = a schließlich
z +1 =
1
a
(1.12)
Es wurde in jüngster Zeit ein SN-Ereignis in einer Galaxie bei z = 9 beobachtet. Daraus lässt
sich die Entfernung r bestimmen. Wegen der endlichen Geschwindigkeit des Lichts ist es im
allgemeinen nicht möglich, die beiden Endpunkte einer Strecke im Kosmos „gleichzeitig“ zu
messen. Deshalb begegnen wir Schwierigkeiten, eine kosmische Entfernung eindeutig zu
definieren. Wir kommen darauf im nächsten Kapitel noch einmal zurück. Häufig wird aus z
auch die Zeit errechnet, welche seit der Lichtemission vergangen ist („look back time“). Das
ist allerdings erst dann möglich, wenn man ein bestimmtes Weltmodell zugrunde legt, was wir
im 2. und 3. Kapitel tun werden.
1.3. Wie alt ist der Kosmos?
12
Aus Gl. 1.1. und 1.2 sieht man, dass die Hubblekonstante H0 die Dimension einer reziproken
Zeit t0 hat. Da wir z.Zt. die Hubble-Konstante nur auf etwa 4 % genau kennen, geben wir die
−1
Hubble-Zeit tH für H 0 = 100h km ⋅ s / Mpc . Danach ist
t H = H 0−1 =
9.79 ⋅ 10 9 Jahre
= 13,65 ⋅ 10 9 Jahre = 4,34 ⋅ 1017 Sek
h
(1.10)
H0
ist. Mit dem heutigen Wert von H0 ist h = 0,72 . Welche Rolle t0
100km ⋅ s −1 / Mpc
spielt, werden wir erst bei der Behandlung der Weltmodelle erkennen. Wir können aber jetzt
schon t0 als Obergrenze des kosmischen Alters ansehen. Erste Sterne und erste Galaxien sind
heute 13,2 ·109 Jahre alt. Wenn das Universum selbst 13,7·109 Jahre alt ist, sind sie etwa 500
Millionen Jahre nach dem Beginn entstanden.
wobei h =
1.4. Zusammenfassung
r
Das Hubble-Gesetz verknüpft die „Fluchtgeschwindigkeit“ υ der Galaxien linear mit ihrer
r
Entfernung r . Der Proportionalitätsfaktor heißt Hubble-Konstante H0 und ist ein wichtiger
Parameter der Kosmologie. Heute lässt sich H 0 = 72 km·s-1/Mps mit einer Genauigkeit von
etwa 4% angeben. Da die Rotverschiebung kein Dopplereffekt ist sondern durch die
Expansion des Raumes zustande kommt, gibt man anstatt υ heute die Rotverschiebung der
Spektrallinien z an. Zur Bestimmung von H0 bedient man sich der Ereignisse von Supernovae
Ia. Die Expansion des Raumes wird durch einen Skalenfaktor a (t ) in allen extragalaktischen
Entfernungen berücksichtigt. Erste Sterne sind bereits 500 Millionen Jahre nach dem Urknall
entstanden. 1 / H 0 = t H hat die Dimension Zeit, t H = 4,305 ⋅ 1017 sec und entsprechend ist
c / H 0 = 12,992 ⋅ 10 22 km = 13,5 ⋅ 1010 Lichtjahre die Länge der Strecke, welche das Licht in der
Zeit t H zurücklegt.
1.5. Literatur
J. Silk : Die Geschichte des Kosmos. Vom Urknall bis zum Universum der Zukunft.
Spektrum Akademischer Verlag 1996, 1999 als Taschenbuch
Simon Singh : Big Bang. Der Ursprung des Kosmos und die Erfindung der modernen
Naturwissenschaft. DTV 2007
A. Liddle: An Introduction to Modern Cosmology, J. Wiley 2003.
G.A. Tammann: The Ups and Downs of the Hubble constant. In Reviews of Modern
Astronomy 19 (S. Röser Editor) Heidelberg 2006
C P. Ruiz-Lapuente : Cosmology with Supernovae. http://arxiv.org/astro-ph /0304108
13
D.J. Mortlock: A luminous quasar at a redshift of z = 7,085. Nature, published online 30 June
2011.
Anna Frebel, McDonald Observatory Texas, USA: A galactic fossil. Star is found 13.2 billion
years old. http://www.eso.org/public/news/eso0723/
Harry Nussbaumer: Achzig Jahre expandierende Universum. Sterne u. Weltraum 6/2007 S. 37-44
1.6. Aufgaben
1.6.1. Die mittlere Radialgeschwindigkeit, die man in den Eigenbewegungen der
Galaxien findet, ist ca. 250 km/s. Wie groß muss die Hubblesche
Fluchtgeschwindigkeit wenigstens sein, damit die Eigenbewegung nur 1% der
kosmologischen Bewegung ausmacht? Welcher Rotverschiebung z entspricht das
(ohne relativistische Rechnung)?
1.6.2. Bei einer sehr fernen Galaxie liegt die Grenze der Lyman-Serie ( n = 1 → n = ∞ )
bei 400 nm. Wie groß ist die Rotverschiebung z? Wo würde die Hα-Linie
( n = 2 → n = 3 ), die üblicherweise das Spektrum heißer Sterne beherrscht,
liegen? Könnte man sie mit terrestrischen Teleskopen beobachten?
1.6.3. Die Hubble-Funktion ist durch die Gleichung
a& (t )
= H (t )
a(t )
gegeben. Mache Angaben über H (t ) , in dem du folgenden Ansätze für
a (t ) ausprobierst:
2⎛ t
a(t ) = ⎜⎜
3 ⎝ tH
⎞
⎟⎟
⎠
2
3
(Hier ist t H = H 0−1 die Hubble-Zeit) und
a (t ) = A exp λ t
1.7.
Kurzvorträge (15 min.)
SN Ia
Cepheiden
Projekt „Hipparchos“
14
2. Die Dynamik des Kosmos in Newtonscher Näherung.
2.1. Sphärisches Modell
Ein einfaches Modell der kosmischen Dynamik lässt sich bereits im Rahmen der
Newtonschen Mechanik behandeln. Wir können uns die Materie durch ein klassisches
Gas realisiert denken. Ein Gas übt allerdings auch einen Druck aus, den wir in der
allgemein relativistischen Behandlung später berücksichtigen müssen. Den Druck
wollen wir hier vernachlässigen. Die Kosmologen sprechen deshalb auch von
staubförmiger Materie. In einem solchen (mit Staub) homogen und isotrop erfüllten
Kosmos denken wir uns eine Kugel vom Radius R um einen beliebigen Punkt O
gelegt. Die Kugel sei durch eine Kugelschale der Masse m abgeschlossen. Die
Materie im Innern der Kugel habe die zeitlich konstante Masse M, eine homogene
Dichte ρ . Dann gilt für die Gravitationsenergie der Kugelschafle
m &2
mM
R −G
= mE
2
R
(2.1)
M
R& 2 − 2 G
= 2E
R
(2.1a)
oder
wobei E die Gesamtenergie pro Masseneinheit bedeutet. Die Gravitationseffekte, die
von der Materie außerhalb der Kugelschale stammen, verschwinden; und zwar
unabhängig davon, wie weit der Raum ausgedehnt ist und welche mögliche Geometrie
er besitzt. Diese Aussage ist erst im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie
(ART) beweisbar (Birkhoffsches Theorem).
Fig. 2.1. Veranschaulichung der Gravitation, welche eine homogen mit „Staub“ der
Masse M gefüllte Kugel auf eine konzentrische Kugelschale der Masse m ausübt.
Sie ist aber das Einzige, was wir für das Folgende aus der ART vorweg nehmen
müssen. Wir wollen jetzt M ersetzen durch die Dichte
15
ρ=M/
Wir erhalten
4π 3
R
3
(2.2)
8π
R& 2 −
Gρ R 2 = 2 E
3
(2.3)
a(t )
R0
a0
(2.4)
Der Radius R(t)
R(t ) =
hängt nur durch die kosmische Dynamik, welche im Skalenfaktor a (t ) enthalten ist,
von der Zeit ab. Wir werden jetzt Gl. (2,6) als Differentialgleichung des Skalenfaktors
schreiben. In dieser Form heißt sie 2. Friedmann-Gleichung
8π
G ρ a 2 (t ) = C .
3
2E
mit C = 2 .
R0
a& 2 (t ) −
(2.5)
Da die Gesamtenergie E pro Masse proportional dem Quadrat einer Länge ist, hängt C
nicht mehr von der Länge also auch nicht von R02 ab, ist also eine Konstante. Beim
Zweikörperproblem haben wir gelernt, dass das Vorzeichen der Gesamtenergie E
darüber entscheidet, ob die Bahnkurve offen oder geschlossen ist. In der kosmischen
Dynamik bestimmt E sogar die Geometrie des Raumes, was wir aber erst bei der
Behandlung im Rahmen der ART begründen können
Wenn wir Gl. (2.1) nach der Zeit differenzieren und danach wieder die Masse M
durch die Dichte ρ nach Gl, (2.2) ersetzen, erhalten wir eine Differentialgleichung
2. Ordnung
&&(t ) = − 4π G ρ R(t )
R
(2.6)
3
die mit (2.4) als Dgl. des Skalenparameters geschrieben werden kann. Sie ist korrekt
für Materie, bei welcher der Druck vernachlässigt werden kann, also p = 0
a&&(t ) = −
4π
G ρa(t )
3
(2.7)
In allgemeiner Form für beliebigen Druck lautet sie
4π ⎛
3p ⎞
a&&
G⎜ ρ + 2 ⎟
=−
a
3 ⎝
c ⎠
(2.7a)
und heißt 1. Friedmann-Gleichung (s. auch Anhang A.12.8). Sie sagt etwas über die
Beschleunigung des Skalenparameters aus.
16
Wir kommen zurück zu Gl. (2.5). Die Division durch a 2 (t ) ergibt einen
Zusammenhang von Hubble-Funktion und Dichte
H 2 (t ) −
8π
C
=
Gρ (t )
a (t )
3
(2.8)
2
Besonders einfach wird Gl. (2.8) dann, wenn wir C = 0 setzen. Die entsprechende
Dichte heißt kritische Dichte. Wir nehmen (2.8) zur „Jetztzeit“ t = t 0 und erhalten
H 02 =
8π
Gρ c (t 0 )
3
(2.9)
Die aktuelle Dichte wird gern auf die kritische Dichte bezogen, wobei immer die in
der Gegenwart gemessene kritische Dichte gemeint ist, d.h. ρ c = ρ c (t 0 )
ρ
ρ C ,0
(2.10)
3H 02
8πG
(2.11)
Ω(t ) =
mit
ρc =
Mit dem Wert von H 0 = h ⋅ 100 km ⋅ s −1 / Mpc (Gl. 1.3) findet man Die kritische Dichte
in der Gegenwart
ρ c = 1,878 ⋅ 10 −26 h 2 kg/m3 = 0,97 ⋅ 10 −26 kg/m3
(2.12)
( h = 0,72 ). Über den Faktor h lässt sich ρ c stets auf den gegenwärtigen Wert der
Hubble-Konstanten korrigieren. Die Beobachtungen der letzten 20 Jahre haben
gezeigt, dass ρ (t ) sich aus verschiedenen Komponenten zusammen setzt, die Summe
aber gerade die kritische Dichte ergibt ρ = ∑ ρ v = ρ c . In relativen Dichten
v
geschrieben erhält man einfach
∑Ω
v
= 1.
(2.13)
v
Im Vorgriff auf die ART in Kap. 3 setzen wir für die Konstante der Energie
C=
2E
= −k ⋅ c 2
R02
(2.14)
wobei die k die Dimension Länge −2 hat. Wir können dann die 2. FriedmannGleichung in der Standardform schreiben können
2
k ⋅ c2
⎛ a& ⎞ 8πG
ρ =− 2
⎜ ⎟ −
3
a
⎝a⎠
(2.15)
17
Die Gleichung hat zwei Lösungsmengen, die mit κ = ±1 bezeichnet werden. Dabei ist
k=
κ
R02
Beide Lösungsmengen enthalten unendlich viele Lösungen. Die Lösungen
κ = +1 sind mit einer positiven Raumkrümmung verbunden, die Lösungen mit
κ = −1
mit
einer
negativer
Raumkrümmung.
κ =0
κ = +1
κ = −1
Fig. 2.2. Veranschaulichung der Krümmung durch 2-dimensionale Flächen: Ebene
Fläche ( κ = 0 ), Kugelfläche ( κ = 1 ) und hyperbolisch gekrümmte Fläche ( κ = −1 ).
Der Kreisumfang C ist auf der Kugelfläche kleiner als in der Ebene, am Hyperbelpunkt
(negativer Krümmung) größer als in der Ebene.
Die Lösung κ = 0 gehört zu einer Nullmenge und beschreibt den Grenzfall
verschwindender Krümmung, d.h. euklidischer Geometrie (zur Veranschaulichung s.
Fig. 2.2). Wir werden später sehen, dass die Beobachtungen die Lösung κ = 0
(euklidische Geometrie des Raumes) favorisieren. Die aus astronomischen
Beobachtungen abgeleitete Materiedichte macht allerdings höchstens etwa 0,04 ⋅ Ω 0
aus. Das Rätsel der anderen 0,96 % Massen- und Energiedichte wird uns später noch
weiter beschäftigen.
2.3. Schematische Darstellung der Entwicklung des Skalenparameters a(t) mit der
kosmischen Zeit t. Die Tangente bei der Jetztzeit t = t 0 ist die Hubblefunktion.
Skizze verdeutlicht, dass die Hubblezeit t H = H
18
−1
0
Die
i.a. größer ist als das Weltalter (oder
die „Jetztzeit) t 0 (nach R.U. Sexl / H.K. Urbanke: Gravitation und Kosmologie. 3. Aufl.
B.I. Wissenschaftsverlag).
2.2. Lösungen der 2. Friedmann-Gleichung für κ = 0
Um Gl. (2.7) zu integrieren, ersetzen wir die zeitabhängige kritische Dichte durch
a 03
ρM = ΩM ⋅ ρc 3
(2.16)
a (t )
Nach den Beobachtungsergebnissen ist Ω M , 0 ≈ 0,30 . Wir erhalten mit a 0 = 1
a& 2 (t ) =
8π
Gρ c ⋅ Ω M ⋅ a −1 (t )
3
(2.17)
Nach Ziehen der Wurzel lässt sich die Gleichung leicht integrieren
∫ a& a
1
2
1
da = ∫ H 0 ⋅ Ω M2 ⋅ dt
(2.18)
Der Integrand auf der linken Seite von Gl. (2.17) ist überall endlich. Wir können also
ohne Schwierigkeiten das Integral von Null bis zu einer beliebigen Zeit t nehmen. Das
Ergebnis ist
1
2 32
a = H 0 ⋅ Ω M2 ⋅ t
(2.19)
3
oder
⎛ 1 3 t
a(t ) = ⎜⎜ Ω M2 ⋅ ⋅
2 tH
⎝
⎞
⎟⎟
⎠
2
3
(2.20)
Die Hubble-Funktion wird für diesen Fall
H (t ) =
21
3t
(2.21)
und die Hubble-Konstante
H0 =
21
3 t0
(2.22)
Das Weltalter t0 =13,7·109 Jahre, hat hier die Bedeutung der Jetztzeit des Kosmos
gemessen vom Beginn. Beim Vergleich des gerechneten mit dem beobachteten Wert
finden wir
H 0 (ber.) ≈
2
H 0 (beob.)
3
(2.23)
(s. auch Fig. 2.3). Wenn wir tatsächlich in einem euklidischen Kosmos leben, was
kann dann nicht stimmen? Nun die Annahme, dass ρ c nur aus Materie besteht,
stimmt nicht. Tatsächlich wissen wir heute, dass nur der Anteil 0,26Ω 0 aus Materie
19
(dunkler und baryonischer) besteht, aber der größere Teil, nämlich 0,74Ω 0 , von der
„dunklen Energie“ gebildet wird, deren Beschreibung wir in Kap. 5 kennen lernen
werden und für deren Entdeckung aus der beschleunigten Expansion der PhysikNobelpreis 2011 vergeben wurde. Wir wollen hier bereits die Dichte um die „dunkle
Energie“ ergänzen. Zunächst zerlegen wir H (t ) in zwei Faktoren, die Konstante
H 0 und einen zeitabhängigen Faktor E (t ) . und ρ oder Ω 0 in Gl. (2.9) in verschiedene
Beiträgen zerlegen
H 2 (t ) =
8π
Gρ c (t ) = H 02 E 2 (t )
3
(2.24)
E (t ) =
Ων
∑
ν
(2.25)
mit
(s. Gl.2.10 und 2.13). Die „dunkle Energie“ ist konstant und hängt nicht vom
Skalenparameter ab. Wir fügen sie zur materieabhängigen Dichte hinzu
E (t ) = Ω M a 3 (t ) + Ω Λ
(2.25a)
wobei wir davon ausgegangen sind, dass die dunkle Energie konstant ist. Anstelle von
Gl. (2.18) erhält man ein komplizierteres Resultat (ohne Ableitung)
⎛
ΩM −1
Ar sinh ⎜ a 3
⎜
ΩM
2
⎝
H 0t =
3
ΩM −1
⎞
⎟
⎟
⎠
(2.26)
(s. dazu P.J.E. Peebles: Principles of Physical Cosmology. Princeton University Press
1993. p. 317). Wäre der Kosmos ausschließlich mit dunkler Energie gefüllt, hätten wir
eine rein exponentielle Expansion (2.27), ein Schicksal, dem unser Kosmos allmählich
entgegen geht.
a (t ) ∝ exp λ ⋅ t
(2.27)
Fig. 2.4. „look-back-time“in Einheiten von tH ist die Zeit, die das Lichts von einem
früheren Ereignis mit Rotverschiebung z, bis zu uns heute (t = t0) gebraucht hat,
berechnet mit Gl. 2.26.
20
Die Zeit (t 0 − t1 ) heißt auch „look-back-time“ und ist die Zeitdifferenz zwischen
Weltalter t0 und einer früheren Zeit t1, in welcher ein Ereignis stattfand und welches
wir mit der Rotverschiebung z(t1) beobachten
Wir wollen gleich noch einen anderen Fall behandeln: das Strahlungsfeld. Seine
Dichte ändert sich wie folgt mit der Zeit
a4
ρ γ = 4 0 ργ ,0
(2.28)
a (t )
Zum Unterschied zur Materiedichte in Gl. (2.13) tritt hier der Skalenfaktor in der
vierten Potenz auf. Das ist wie folgt einzusehen: Wir denken uns eine „Cavity“, die
mit Strahlung gefüllt ist. Ändert man das Volumen, so wird zunächst der Skalenfaktor
im Nenner wieder in der dritten Potenz erscheinen. Die Strahlung in der Cavity
besteht aber aus stehenden Wellen, deren Wellenlänge abnimmt wenn die
Raumdimension der Cavity sich vergrößert. Vergrößert sich aber die Wellenlänge,
nimmt die Frequenz ab. Die Energiedichte wird in einer Dimensionsbetrachtung sich
also wie folgt verhalten
ργ ∝
1 hv
∝ a −4
L3 L
(2.29)
Mit einer ganz analogen Rechnung wie für die Materiedichte finden wir für den
Skalenfaktor des Strahlungsfelds
wobei
⎛
t
a (t ) = Ω γ 4 ⎜⎜ 2 ⋅
⎝ tH
−1
⎞
⎟⎟
⎠
1
2
(2.30)
oder aufgelöst nach t
1
t
tH
=
Ωγ 2
2
⋅ a 2 (t )
(2.31)
bedeutet. Es tritt noch ein anderes Problem auf: das Strahlungsfeld besitzt Druck,
denn es ist
1
1
Pγ = ρ γ c 2 = ε
(2.32)
3
3
Für unsere Diskussion spielt das im Moment allerdings keine Rolle, weil der Druck
(in relativistischer Behandlung) nur in der 1. Friedmann-Gleichung auftaucht. Wir
haben hier in Gl. (2.32) korrekt zwischen Dichte ρ in kg/m3 und Energiedichte ε in
J/m3 unterschieden. Da in den meisten Lehrbüchern c = 1 gesetzt wird, verwischt sich
häufig der Unterschied. Hier noch ein Hinweis auf die Temperatur. Wegen des StefanBoltzmannschen Gesetzes besteht folgende Proportionalität
ε ∝ T 4 ∝ a −4
Für die Temperatur des „Strahlungsuniversums“ gilt deshalb
21
(2.33)
a(t1 ) T2
=
a(t 2 ) T1
(2.34)
Lassen wir in einem expandierenden Universum die Zeit rückwärts laufen, so nimmt
die Temperatur umgekehrt zum Skalenparameter zu. Damit verstehen wir, warum
man in den kosmologischen Modellen auf einen heißen Anfang geführt wird
Dichte
besteht
aus
Materie
Skalenparameter
a(t ) = Ω
1
3
M
⎛3 t
⋅ ⎜⎜ ⋅
⎝ 2 tH
⎞
⎟⎟
⎠
1
Strahlung
Energie
2
Tabelle 3.1.
3
Skalenparameter als Funktion de Zeit,
wenn die Dichte ausschließlich aus nicht
Relativistischer Materie, aus Strahlung
oder aus dunkler Energie besteht.
1 ⎛
t ⎞
a(t ) = Ω γ 4 ⎜⎜ 2 ⋅ ⎟⎟
⎝ tH ⎠
⎡ 1 (t − t 0 ) ⎤
a (t ) = a 0 exp ⎢ Ω Λ2 ⋅
⎥
tH ⎦
⎣
2
. Es ist wieder das Verdienst von George Lemaitre, das als erster erkannt zu haben. Er
gilt mit Recht als der eigentliche Vater des Urknall-Modells. Die Physik der Atome
und Kerne steckte allerdings damals noch in den Anfängen, sodass es keine konkreten
Vorstellungen von der Natur des heißen Anfangs gab. Immerhin sprach Lemaitre von
einem Uratom, dass wie beim radioaktiven Zerfall „explodierte“ und Materie in den
expandierenden Raum schleuderte.
Wir kommen noch einmal auf alle eben besprochenen Komponenten der Dichte
3H 02
zurück und können die Hubble-Funktion nach Division durch ρ C =
schreiben
8π G
(
H 2 (t ) = H 02 Ω M a 3 + Ω γ , a 4 + Ω Λ
)
(2.35)
8πGρ M
Λc 2
8πG aT04
,
,
Ω
=
Ω
=
⋅
Λ
γ
3H 02
3H 02
3H 02 c 2
Wenn in der Gegenwart a(t ) = 1 ist wird die Summe in der Klammer
mit
ΩM =
Ω0 = 1
(2.36)
Der Anteil der Strahlung an der Dichte ist in der Gegenwart verschwindend klein
Ωγ
= 0,65 ⋅ 10 −5 ,
(2.37)
ΩM
22
weswegen wir ihn für die Zeit, in der der Sterne existieren (Rotverschiebungen
z ≤ 10 ), vernachlässigen können. Dagegen spielte die Strahlung im frühen Universum
wegen der Abhängigkeit ρ γ ∝ a −4 eine dominierende Rolle.
Energiedichte
Normiere Dichte
ρ M = 0,26 ⋅ 0,97 ⋅ 10 −26 kg ⋅ m −3
ρ γ = 4,7 ⋅ 10 −31 kg ⋅ m −3
ε M = 2,27 ⋅ 10 −10 J ⋅ m −3
ε γ = 4,2 ⋅ 10 −14 J ⋅ m −3
Ω M a −3 = 0,26 ⋅ a −3
ρ Λ = 0,74 ⋅ 0,97 ⋅ 10 −26 kg ⋅ m −3
ρ c = 1,878 ⋅ 10 −26 h 2 kg ⋅ m −3
ε Λ = 6.46 ⋅ 10 −10 J ⋅ m −3
ε C = 1,69 ⋅ 10 −9 J ⋅ m −3
Massendichte
Materie
Strahlung
Energie
Kritische
Dichte
Ω γ a −4 = 4,67 ⋅ 10 −5 a −4
Ω Λ = 0,74
ΩC = 1
Tab. 3.2. Die aktuelle Größe der Materiedichte, Strahlungsdichte und Dichte der
„Dunklen Energie“.
2.3. Lösungen der 2. Friedmann-Gleichung für κ ≠ 0 .
Anstelle einer ausführlichen Diskussion der Fälle κ = ±1 wollen wir hier zunächst die
verschiedenen Lösungstypen an Hand der Grafik Fig. 2.3 qualitativ diskutieren.
Fig. 2.5. Auftragung von Lösungen für ein Materie dominiertes Universum
ρ C ≡ ρ m für die Fälle к = -1, 0 , +1 (nach B. Terzic, Florida State. Univ.). t0
bezeichnet die Jetztzeit.
Dazu starten wir mit Gl. 2.15 aus, gehen von „normaler“ Materie aus und setzen die
korrekten Abhängigkeiten vom Skalenfaktor a (t ) ein: Wir erhalten einen Ausdruck
der Form
23
a& 2 =
C1
− κ C2
a
(2.38)
Im Fall positiver Energie (к = -1) ist die rechte Seite stets positiv d.h. a& 2 > 0 , nimmt
aber im Laufe der Zeit mit wachsendem a (t ) ab. Im Fall negativer Energie (к = +1)
nimmt die rechte Seite wieder mit der Zeit ab, aber dieses Mal bis auf Null a& 2 = 0 ,
wobei ein Maximum des Skalenfaktors erreicht wird. Die Steigung nimmt danach
negative Werte (bis zum Big Crunch). Für den Fall verschwindender Energie (к = 0)
ist die rechte Seite immer positiv, nimmt aber bei großen Zeiten langsam bis auf Null
ab, d.h. a& (t → ∞) = 0 . Für sehr kleine Zeiten ist in allen drei Lösungen das erste Glied
auf der rechten Seite dominierend. Es wird a& (t → 0) → +∞ und alle drei Kurven
beginnen mit einem steilen Anstieg. In den Anfängen der modernen Kosmologie ging
es deshalb immer darum, aus der gegenwärtigen Steigung bei t = t 0 auf die richtige,
im Kosmos verwirklichte Lösung zu schließen, bei der Unsicherheit von H0 war das
ein hoffnungsloses Unterfangen.
κ c2
Häufig zieht man auch den Krümmungsterm
mit in die Dichte, in dem man
R2
bildet
− κ c2
ΩR =
(2.39)
( H 0 R0 ) 2
So wird schließlich
(
H 2 (t ) = H 02 Ω Λ + Ω M a −3 + Ω γ a −4 − Ω R a −2
)
(2.40)
Im euklidischen Fall verschwindet die Klammer für a = 1 und die rechte Seite von
(2.40) wird Null. In der Gegenwart ist t = t 0 und a(t 0 ) = 1 . Damit wird aus (2.35) und
(2.36)
H 02 (Ω 0 − 1) =
κc 2 1
(2.41)
H 02 R02
Bei positiver Raumkrümmung (negativer Gesamtenergie) ist die Summe der ersten 3
Glieder von (2.40) kleiner „eins“, bei negativer Raumkrümmung ist sie größer als
„eins“. Aus den Abweichungen lässt sich der Krümmungsradius R0 berechnen.
2.4. Zusammenfassung
Es wird die Bewegungsgleichung des Skalenparameters mit Hilfe der Newtonschen
Theorie abgeleitet. Man findet 2 Lösungsmengen, je nachdem die mittlere
Massendichte kleiner oder größer als die kritische Dichte ist. Ein Grenzfall stellt sich
ein, wenn die kritischer Massendichte gerade erreicht wird. Zu dieser Lösung gehört
ein euklidischer Raum und eine ständige Expansion, die nach sehr langer Zeit zum
Erliegen kommt. Mit der kritischen Materiedichte erhält man jedoch ein zu kleines
Weltalter. Die reale Materie/Energie-Dichte kann also nicht nur Materie enthalten.
Wie wir heute wissen, enthält sie auch Energie, die zeitlich weitgehend konstant zu
sein scheint. In einem strahlungsdominierten Kosmos (frühes Universum) ist der
24
Skalenparameter umgekehrt proportional zur Temperatur. Die Rückextrapolation zu
frühen Zeiten führt auf hohe Temperaturen also einen heißen Beginn. Das ist die
wesentliche Idee des Urknall-Modells, das zuerst von George Lemaitre vorgeschlagen
wurde.
2.5. Literatur
Zur Darstellung der Kosmologie in Newtonscher Näherung:
R. und H. Sexl: Weiße Zwerge-schwarze Löcher. Springer Taschenbuch 2001.
A. Liddle : An Introduction to Modern Cosmology. 2nd edition Wiley 2007
B.W. Carroll and D.A. Ostlie: An Introduction to Modern Astrophysics. Ch. 27.
Addison-Wesley Publ. Comp. 1995
V. Mukhanov: Physical Foundations of Cosmology. Ch. 1.2 bis 1.3. Cambridge
University Press 2005.
Christian Wolf: Korrekturen an der dunklen Energie? Sterne u. Weltraum 6/2011, S.
36
2.6. Aufgaben
2.6.1. Leite
a (t ) für die Strahlungsdichte ρ = ρ γ aus dem 2. Friedmann-Gesetz her.
2.6.2. Berechne die Temperatur Teq, bei welcher im frühen Kosmos die Strahlungsdichte gleich der
Materiedichte wird. Die Energiedichte der Strahlung ist in der Gegenwart
ε = 4,2 ⋅ 10 −14 J / m 3
ρmc 2
εγ
und
ε
c2
= 4,7 ⋅ 10 −31 kg / m 3 . Folgender Quotient geht in die Rechnung ein
= 4,0 ⋅ 10 4 .
t =t0
&&(t ) in den Fällen 1)
2.6.3. Diskutiere ausgehend von Gl. (2.5) den Verlauf der Beschleunigung a
κ = 0 Der Raum ist nur mit Materie gefüllt .
2.6.4. κ = 0 Der Raum ist nur mit Dunkler Energie erfüllt
25
3. Die Metrik des homogenen und isotropen Raumes.
3.1. Hubble-Fluß und Gleichzeitigkeit
Für Newton blieb die Tatsache der Massenanziehung selbst ein Rätsel, wie er in einem Brief
an seinen Freund Bentley erklärte: „That gravity should innate, inherent to matter, so that one
body may act upon another at a distance through a vacuum, without the mediation of anything
else... is to me so great an absurdity that I believe no man who has in philosophical matter a
competent faculty of thinking can ever fall into it.“ In Einsteins Theorie der Gravitation
(bekannt unter dem Namen „Allgemeine Relativitätstheorie“) verursacht eine Verteilung von
Materie oder eine Feldkonfiguration eine bestimmte Metrik der (3+1)-dimensionalen
Raumzeit. Die Bahnen sind dann Geodäten in der Raumzeit (d.h. günstigste oder extremale
Kurven). Kennt man die Metrik, weil sie durch Symmetrien oder einschränkende Annahmen
bestimmt ist, so ist meist auch eine Lösung der Einsteinschen Gleichungen möglich. Die
allgemeine Form des Linienelements ist
ds 2 = ∑ g ij dx i dx j
(3.1)
i, j
wobei x0 ≡ ct ist. Wir werden im weiteren Verlauf der Vorlesung der Einsteinschen
Konvention folgen und das Summenzeichen weglassen, wenn die Summe über gemeinsame
Indizes läuft ( z.B. ∑ g ij ⋅ x i ≡ g ij ⋅ x i = x j ). In der speziellen Relativitätstheorie haben wir es
mit der Metrik des Minkowski-Raums zu tun. Sie ist gegeben durch die Signatur
(g 00 , g11 , g 22 , g 33 ) = (1,−1,−1,−1)
(3.2)
Man geht in der Kosmologie davon aus, daß die Minkowski-Metrik überall lokal gilt (z.B. für
einen Beobachter in einer beliebigen Galaxie, sofern er sich von Neutronensternen und
schwarzen Löchern fernhält). Die Weltlinie eines solchen lokalen Systems ist eine zeitartige
j
Geodäte x = konstant (j = 1, 2, 3). Man stellt sich nun vor, dass die verschiedenen
überlappenden lokalen Systeme über die Expansion synchronisiert werden können. Das
könnte z.B. so geschehen, daß eine bestimmte Energiedichte der Hintergrundstrahlung benutzt
wird, bei welcher alle lokalen Uhren auf die gleiche kosmische Zeit gestellt werden. Wie
später gezeigt wird, nimmt die Energiedichte der Hintergrundstrahlung wie ε(t ) ∝ a (t ) ab..
Man erhält so 3-dimensionale Hyperflächen für jeweils konstante Werte von x0 = ct (s. Fig.
3.1). Die Metrik ist durch das Linienelement
−4
ds 2 = dx0 dx 0 − hij dx i dx j
(3.3)
gegeben, wobei der 3-dim. metrische Tensor hij im allgemeinen einen gekrümmten 3-dim.
Raum beschreibt und den euklidischen als Spezialfall enthält. Nach unseren früheren
Überlegungen kann die Zeitabhängigkeit von hij durch einen Skalenfaktor beschrieben
werden: a 2 (t ) ⋅ hij .
26
Fig. 3.1. 3-dimensionale Hyperflächen u(x0, xj) gezeichnet für 3 verschiedene kosmische Zeiten.
Die Hyperflächen beschreiben die „Hubble-Strömung“ der kosmischen Materie. Die
Flächennormalen u geben die Richtung der Weltlinien an.
3.2. Die Robertson-Walker-Metrik
Wir hatten in Kap. 2 und Anhang A2 argumentiert, dass dem Hubble-Gesetz ein homogener
und isotroper Raum zugrunde liegen muss. Dieses Argument drehen wir jetzt um. Wir
verlangen von einer kosmologisch sinnvollen Metrik, dass sie einen homogenen und isotropen
Raum beschreibt (kosmologisches Prinzip). Er wird i. a. gekrümmt sein. In einem homogenen
und isotropen Raum kann es aber nur einen Krümmungsparameter geben, mit welchem die 3dim. Hyperfläche charakterisiert ist (Behauptung ohne Beweis). Der Krümmungsparameter
kann positives oder negatives Vorzeichen haben. Zur Veranschaulichung denken wir uns eine
2-dim. Fläche eingebettet in einen 3-dim. Raum. Die Fläche mit konstanter positiver
Krümmung ist eine Kugelfläche
x2 + y2 + z 2 = r 2
(3.4)
und R ist ihr Krümmungsradius. Entsprechend kann man einen Raum konstanter Krümmung
als Einbettung einer 3-dimensionalen Hyperfläche S3 in einen 4-dimensionalen orthogonalen
Raum R4 beschreiben. Es sei dl2 der Abstand zweier Punkte im R4 gegeben durch
dl 2 = dw2 + dx 2 + dy 2 + dz 2 = γ ik dx i dx k
(3.5)
Betrachten wir zuerst den Fall positiver Krümmung. Ein Raum konstanter positiver
Krümmung lässt sich als 3-dimensionale Kugelfläche S3 beschreiben. Zu ihm gehören, wie
bei der 2-dim. Kugelfläche, alle Punkte, die vom Ursprung den gleichen Abstand R haben
R 2 = x 2 + y 2 + z 2 + w2 = r 2 + w2
(3.6)
Wir können nun w2 in Gl. (3.6) durch w = R − r eliminieren. Nach Differenzieren und
Quadrieren erhalten wir
2
2
27
2
w 2 dw2 = r 2 dr 2
(3.7)
was für dw 2 in Gl. 3.5 eingesetzt ergibt sich
dl 2 = dx 2 + dy 2 + dz 2 +
r 2 dr 2
r 2 dr 2
2
2
2
=
+
+
+
dx
dy
dz
w2
R2 − r2
(3.8)
oder in Kugelkoordinaten
x = r sin θ cos φ
y = r sin θ sin φ
z = r cos θ
(3.9)
r 2 dr 2
+ r 2 (dθ 2 + sin 2 ϑdφ 2 )
dl = dr + 2
2
R −r
2
2
(3.10)
was bei Addition der beiden ersten Summanden rechts sich auch wie folgt schreiben lässt
dl 2 =
(
dr 2
+ r 2 dθ 2 + sin 2 ϑdφ 2
r2
1− 2
R
)
(3.11)
Dabei wurden Zähler und Nenner durch R2 dividiert. Durch Hinzufügen der Zeitkoordinaten
erhalten wir schließlich
ds 2 = c 2 dt 2 − dl 2 = c 2 dt 2 −
(
dr 2
− r 2 dθ 2 + sin 2 ϑdφ 2
2
r
1− 2
R
)
(3.12)
In analoger Weise können wir mit einem Raum konstanter negativer Krümmung verfahren,
indem wir ihn als eine negativ gekrümmte 3-dimensionale Hyperfläche H3 eingebettet in
einem 4-dimensionalen euklidischen Raum beschreiben
− R 2 = − w2 + x 2 + y 2 + z 2
(3.13)
dl 2 = dx 2 + dy 2 + dz 2 − dw 2
(3.13a)
mit der Metrik
Im 3-dimensionalen Raum existiert kein isotroper Körper mit konstant gekrümmter
Oberfläche. Bei negativ gekrümmten 2d-Oberflächen im 3-dim. Raum liegt der
Krümmungsmittelpunkt außerhalb (in Fig. 3.2 vor der Fläche), bei positiver Krümmung
innerhalb des Körpers hinter dessen Oberfläche.
28
Fig. 3.2. Veranschaulichung einer negativen Krümmung K = − R
am zweischaligen Hyperboloid (aus Wikipedia: Hyperboloide).
−2
Gl. (3.13) ergibt z.B. für z = 0 ein zweischaliges Hyperboloid, das sich symmetrisch zur x,y –
Ebene entlang der w-Achse erstreckt. Wir erhalten aus Gl. 3.13
− R 2 = −w 2 + r 2
(3.14)
und analog zu Gl. 3.8 und mit w2 aus Gl. (3.14)
dw 2 =
r 2 dr 2
r 2 dr 2
=
w2
r 2 + R2
(3.15)
Wegen des negativen Vorzeichens von R2 steht jetzt im Nenner von (3.15 ein Pluszeichen.
Damit wird das Quadrat des Linienelements
dl 2 = dr 2 − dw 2 + r 2 (dθ 2 + sin 2 θ dφ 2 )
und
dr 2
− r 2 (dθ 2 + sin 2 ϑdφ 2 )
ds = c dt −
2
r
1+ 2
R
2
2
2
(3.16)
Die Metrik des homogenen und isotropen Raums Gl. 3.16 wurde zuerst in den dreißiger
Jahren des vorigen Jahrhunderts von H.P. Robertson und A.G. Walker unabhängig
voneinander für einen isotropen und homogenen Raum angegeben. Zu Ehren der Autoren
heißt sie deshalb heute Robertson-Walker-Metrik. Die Darstellung (3.12) und (3.16) hat
allerdings den Nachteil, dass das erste Glied in der Klammer singulär wird, wenn der Nenner
29
r
) → 0 . Wir machen deshalb folgende
R
r
die Umkehrfunktion.
Substitution r = R sin χ und benutzen entsprechend auch χ = arcsin
R
Dann erscheint Gl. 3.17 in folgender Form
in (3.12) bei positiver Krümmung verschwindet: (1 −
[
]
ds2 = c2dt2 − R2 (t) dχ 2 + sin2 χ ⋅(dθ 2 + sin2 θ ⋅ dφ)
(3.17)
Diese Form gilt für κ = +1. Bei negativer Krümmung κ = -1 steht vor dem Raumwinkel
sinh 2 χ . Wie man sieht ist χ eine Koordinate mit dem Gültigkeitsbereich 0 < κ <1 für
κ = +1 und mit 0 < χ < ∞ für κ = -1 und den euklidischen Fall κ = 0. Um die Expansion des
Raumes zu berücksichtigen, wir setzen wir noch wie früher
R(t ) = R0 a (t )
(3.18)
wobei a0 = 1 .Wir können die Robertson-Walker-Metrik dann in folgender allgemeiner Form
schreiben
2
dl 2 = c 2 dt 2 − R02 a 2 (t ) dχ 2 + f κ ( χ ) ⋅ dΩ 2
(3.19)
(
)
wobei f κ ( χ ) für folgende Funktionen steht
⎡sin χ für κ = + 1
f K ( χ ) = ⎢⎢ χ
für κ = 0
⎢⎣sinh χ für κ = − 1
(3.20)
Aus Gl. 3.20 folgt 3.17 für κ = +1 mit
χ = arcsin r / R
(3.21)
Dann wird
dχ =
1
R
dr
1−
r2
R2
und dχ 2 =
1
dr 2
⋅
. Ein entsprechendes Ergebnis liefert
R2
r2
1− 2
R
χ = Ar sinh r mit einem Pluszeichen unter der Wurzel. Wir stellen das Ergebnis für alle 3
Fälle κ = +1, 0, ¯1 noch einmal zusammen, wobei f
−1
K
(r ) die zu f K (χ) inverse Funktion
bedeutet und geben auch Näherungslösungen für r / R0 << 1 an:
⎡
χ3 ⎤
f K−1 (r ) = sin −1 r / R0 = ⎢ χ −
+ ⎥...
6 ⎦
⎣
f K−1 ( χ ) = χ = r / R
für κ = +1
für κ = 0
⎡
χ ⎤
+ ⎥... .für κ = ¯1
f K−1 (r ) = sinh −1 r / R0 = ⎢ χ +
6 ⎦
⎣
3
30
(3.22)
Denkbar wäre eine Welt, in welcher unsere Galaxie ein geschlossenes System bildet, eine
Überlegung, die schon Karl Schwarzschild anstellte (s. auch „the great debate“ 1920). Dazu
ist die mittlere Dichte allerdings viel zu gering. In einer solchen, in sich geschlossene Welt
würde alles auf einen „Big Crunch“ hinaus laufen. Von außen betrachtet, würde diese Welt
wie ein großes schwarzes Loch wirken mit einem Ereignishorizont, in welchen Licht und
Materie nur von außen nach innen dringen kann. In Kap. 2 haben wir gesehen (s. Fig. 2.3),
dass ein solcher „Kosmos“ nach einer gewissen Zeit wieder in sich zusammenfällt. Seine
Bewohner würden am Ende unweigerlich das Schicksal der Raumfahrer in einem schwarzen
Loch erleiden, d. h. durch Gezeitenkräfte zerrissen und auf unvorstellbare Dichten zusammen
gedrückt werden.
Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass wir uns hier ausschließlich mit der globalen
Metrik des Raums beschäftigen. Im realen Kosmos gibt es viele lokale Abweichungen,
welche z.B. zu Ablenkungen des Lichts (Gravitationslinsen-Effekten führen). Die HubbleExpansion betrifft den Kosmos in großen Dimensionen, also große intergalaktische Abstände,
nicht aber die Skalen innerhalb einer Galaxie oder etwa eines Planetensystems.
3.3. Rotverschiebung und Skalenfaktor
Um einen Zusammenhang von Rotverschiebung und Skalenfaktor herzustellen, gehen wir von
der Robertson-Walker-Metrik Gl. (3.17) oder (3.19) aus und betrachten den Weg eines
Lichtsignals ( ds 2 = 0 ). Wir trennen die Variablen Zeit (links) und Ortskoordinate (rechts).
Das Licht, das am Ort r1 zur Zeit t1 emittiert wird, kommt zur Zeit t0 am Ort r0 beim
Beobachter an. Wir beschreiben das durch die Integrale
t0
dt
=
a
(
t
)
t1
c∫
r0
∫
r1
R0 dr
1−κ r2
(3.23)
Weil die rechte Seite nicht von der Zeit abhängt, lassen sich die Differentiale links zur
Jetztzeit ( t = t 0 ) und zu einer beliebigen früheren Zeit ( t = t1 ) gleich setzen
δ t0
a (t 0 )
=
δ t1
(3.24)
a (t1 )
Die Zeitelemente δ t1 and δ t 0 mögen für inverse Lichtfrequenzen stehen 1 / v1 and 1 / v0 .
Dann können wir schreiben
v0 λ1 a (t1 )
(3.25)
=
=
v1 λ0 a (t 0 )
Die Wellenlängen verhalten sich wie die entsprechenden Skalenfaktoren. Wie schon in (1.11)
können wir die Rotverschiebung z jetzt schreiben
z=
λ0 − λ1 v1
a (t 0 )
=
−1 =
−1
λ1
v0
a (t1 )
31
(3.26)
λ0 ist die wieder Wellenlänge des Lichts, welche der irdische Beobachter sieht, λ1 ist die
Wellenlänge gemessen im Ruhsystem des Emitters (sie entspricht der „Laborwellenlänge“ der
betreffenden Spektrallinie). Mit a (t 0 ) = a0 = 1 erhalten wir wieder
z +1 =
1
a
(3.27)
Fig.3.3. Die Wellenlänge des Lichts, die uns erreicht, hat sich seit der Zeit ihrer Emission mit der
kosmischen Expansion vergrößert.
3.4. Mitbewegter Abstand
Es ist praktisch nicht möglich, eine Momentaufnahme von unserer kosmischen Umgebung zu
machen. Nicht nur ist das Licht ferner Galaxien, einige hundert Millionen oder Milliarden
Jahre unterwegs, der Kosmos dehnt sich auch inzwischen weiter aus. Deshalb müssen wir bei
der Definition von Abständen einige Sorgfalt aufwenden und beachten, dass es je nach
Beobachtungsbedingungen verschiedene Abstandsbegriffe gibt. Wenden wir uns zunächst
dem Koordinatenabstand ∫ R0 dχ zu. Er bleibt während der Hubble-Expansion konstant,
weswegen er Koordinaten-Abstand oder auch mitbewegter Abstand, englisch „comoving
distance“, genannt wird. Gemeint ist hier zunächst der Abstand in Blickrichtung. In einem
„Spielzeug-Universum“ wäre der mitbewegte Abstand zwischen zwei in Blickrichtung
liegenden Objekten, der Abstand, den wir mit einem Lineal in einem bestimmten Moment
messen würden. Er hängt jedoch, wie man sich geometrisch leicht überlegt, auch vom
Krümmungsradius der Geometrie ab (s. Gl. 3.22)
DC = R0 sin χ für
(3.28)
κ
1
DC = R0 ∫ dχ
für
=
1
κ =0
0
Wir können den mitbewegten Abstand auch durch den Lichtweg ( ds = 0 ) darstellen. Dann
ist für κ = 0
c dt
c da
R0 dχ =
= 2
(3.29)
a(t ) a H (t )
2
da
ersetzen. Es ist entsprechend Gl.
aH (t )
(2.24) üblich, H(t) in zwei Faktoren zerlegen, in die Konstante H0 und einen zeitabhängigen
Funktion E(t)
wobei wir rechts dt durch die Hubble-Funktion dt =
32
H (t ) = H 0 E (t )
(3.30)
Fig. 3.4. Kosmische Abstände: „naive Hubble“ meint zc = H 0 r . Der Koordinatenabstand wird
in der Graphik LOSS comoving genannt, darunter die look-back-time. Luminosity distance und
Angular diameter ditance werden in späteren Kapiteln behandelt. Credit: Wikipedia.
Wird nur die normierte Massendichte Ω 0 M a und die dunkle Energiedichte Ω Λ (s. Kap. 5)
in einem euklidischen Raum berücksichtigt, so ist
−3
H (t ) = H 0 Ω 0 M a −3 + Ω Λ
(3.26)
mit Ω 0 M = 0,26 und Ω Λ = 0,74 . Die Zeitkoordinate t kann nicht direkt gemessen werden,
dagegen ist die Rotverschiebung z zugänglich. Deshalb ersetzen wir 1 a = ( z + 1)
H ( z ) = H 0 Ω 0 M ( z + 1) 3 + Ω Λ
(3.27)
Wir definieren noch die Hubble-Entfernung als Lichtweg während der Hubble-Zeit
c H 0 = DH = 3,00h −1 Gpc = 9,26 ⋅ 10 25 m
(3.28)
Im Falle euklidischer Geometrie wird dann der mitbewegte Abstand zu einem Ereignis der
Rotverschiebung z
33
z
DC = χ( z ) = r ( z ) = DH ∫
0
dz ′
E ( z ′)
(3.29)
Der durch den Lichtweg gegebene Abstand ist die „look-back-time“
c ∫ dt = a (t ) ⋅ r =
1
Dc ( z )
z +1
(3.30)
Die Zeit t versteht sich jeweils vom Beginn des Universums aus gerechnet. Rechnet man von
der Gegenwart, so ist t 0 − t zu bilden.
3.5. Zusammenfassung
Ausgehend von anschaulichen 2d-Flächen mit positiver und negativer Krümmung werden 3dFlächen untersucht, die in einem 4d-Raum eingebettet sind. Es interessieren hier nur solche
mit homogener positiver oder negativer Krümmung. Die 4. Raumdimension lässt sich wieder
eliminieren. Wir gewinnen auf diese Weise eine Metrik, die Robertson-Walker-Metrik,
welche einen homogenen und isotropen Raum mit positiver, negativer oder verschwindender
Krümmung beschreibt. Am Ende werden der Lichtweg (s.a. look-back-time) und der
mitbewegte Abstand definiert.
3.6. Literatur
M. Berry : Principles of cosmology and gravitation. Cambridge Univ. Press 1989.
H. Gönner : Einführung in die Kosmologie. Spektrum Akademischer Verlag 1999
J.A. Peacock : Cosmological Physics. Cambridge Univ. Press 1999
M. Bartelmann, P. Schneider: Weak Gravitational Lensing.
http://arxiv.org/abs/astro-ph/9912108
D.W. Hogg: Distance measures in Cosmology. http://arxiv.org/abs/astro-ph/9905116
Sean M. Carroll: Lecture Notes on General Relativity.
http://arxiv.org/PS_cache/gr-qc/pdf/9712/9712019.pdf
3.7. Aufgaben
3.7.1. frei nach Liddle Probl. 4.1)
Gegeben ist eine 2-dim. Kugelfläche mit dem Radius R. Die Breitenkreise werden durch den
Winkel θ charakterisiert, der von Null (Nordpol) über π 2 (Äquator) bis π (Südpol) läuft.
34
Ө R
Der Radius eines Breitenkreises ist
r = R sin θ ,
(1)
der Umfang des Breitenkreises
c = 2π ⋅ R sin θ
(2)
Der Kreisbogen des Winkels θ ist
s = R ⋅θ
(3)
Man bringe (2) in die folgenden Formen
c = 2π ⋅
sin θ
θ
⋅ s = 2πR ⋅ sin
s
R
(4)
Man zeigt leicht, dass für kleine Winkel s ≅ r ist. Sonst gilt s > r . Der Kreisradius auf der
gekrümmten Fläche ist r, s ist der entsprechende Radius in der ebenen Fläche.
Für ein Hyperboloid (negativ gekrümmte Fläche) ist wieder
s = R ⋅θ
Aber jetzt ist
r = R sinh θ
Wieder ist für kleine Winkel s ≅ r , sonst aber ist r > s .
35
3.7.2. Wir machen die entsprechenden Überlegungen für die 3d-Hyperkugelfläche und 3dHyperboloidfläche. Mit (3.19) und (3.20) können wir ganz entsprechend schreiben
s = R⋅ χ
und
r = R sin χ
bezw.
r = R ⋅ sinh χ
Setze für positive Krümmung χ = 0.50 , bei negativer Krümmung χ = 2.0 . Wie groß wäre
jeweils der Radius eines Breitenkreises, wenn der Krümmungsradius 100 Gpc betragen
würde?
3.7.3. (nur qualitativ diskutieren). Um uns weiter mit einem gekrümmten Raum vertraut zu
machen, wollen wir eine 3d-Kugelfläche eingebettet in einen euklidischen 4d-Raum
diskutieren. Wir beginnen dazu mit einer niedrigeren Dimension d = 3, definieren ein
kartesisches Koordinatensystem x,y,z und betrachten ein 2d-Kugelflache vom Radius R. Um
diese in einer 2d-Ebene darzustellen, lassen wir Parallelen zur x,y-Ebene die Kugelfläche
schneiden. Wir erhalten eine Schar von Kreisen (offensichtlich Breitenkreise wie unter 3.7.1
diskutiert), die wir mit der jeweiligen z-Koordinaten, durch welche die Ebene lief,
charakterisieren können: ± z1 , ± z 2 ..... ≤ ± R . Im 4d-Raum sind die entsprechenden Schnitte
Kugeln gekennzeichnet durch ± w1 , ± w2 ...... ≤ R .
Wir versuchen das Entsprechende für eine 3d-Fläche mit konstanter negativer Krümmung und
orientieren uns dabei an dem 2-schaligen Hyperboloid der Fig. 3.2.
3.7.4. Wir diskutieren ein euklidisches Model, das nur positive „dunkle Energie“ enthält, das
bedeutet, anstelle der Materiedichte tritt ein positiver konstanter Term. Wir lösen die 2.
Friedmanngleichung. Wie sieht die Lösung a (t ) aus? Wir berechnen im nächsten Schritt mit
a (t ) den mitbewegten Abstand oder Koordinatenabstand Gl. (3.29).
36
4. Einsteins Gleichungen und das Standardmodell
der Kosmologie
4.1. Die Einsteinschen Gleichungen (EG) in Robertson-WalkerMetrik
Wir haben die beiden Friedmann-Gleichungen bereits in Newtonscher Näherung abgeleitet.
Ist es dann überhaupt notwendig, die Ableitung noch einmal mit der ART zu wiederholen?
Dafür gibt es eine ganze Reihe guter Gründe. Der Raum der Newtonschen Physik ist ein 3dimensionaler statischer, euklidischer Raum. Das gilt auch noch für die Mechanik im Rahmen
die speziellen Relativitätstheorie (Minkowski-Metrik). Die Raummodelle, auf die wir in der
Kosmologie geführt werden, sind i.a. gekrümmte Räume. Selbst wenn der reale physikalische
Raum näherungsweise euklidisch ist, so expandiert er doch, ein Phänomen, das in der
Newtonschen Theorie keinen Platz hat. Dazu kommen die Beobachtungen der Lichtwege über
große Entfernungen, die entsprechend der Materieverteilung im Kosmos gekrümmt sind. Wir
müssen deshalb akzeptieren, dass die ART die korrekte Theorie für kosmologische Fragen ist.
Wir haben Glück, wenn wir feststellen, dass die Newtonsche Näherung für dieses oder jenes
Problem hinreichend exakt ist, oder dass sie mit einer Ergänzung und Uminterpretation weiter
verwendet werden kann (s. Kap. 2). Im Allgemeinen ist jedoch Vorsicht geboten. Die
Newtonsche Physik darf in der Kosmologie keinesfalls naiv und ungeprüft eingesetzt werden.
Fig.4.1. David Hilbert ca. 1910
(!862 – 1943)
1910, fünf Jahre nach der Veröffentlichung seiner Arbeit über die spezielle Relativitätstheorie
schrieb Einstein an Arnold Sommerfeld in München: “Ich beschäftige mich jetzt
ausschließlich mit dem Gravitationsproblem....Aber das eine ist sicher, daß ich mich im
Leben noch nicht annähernd so geplagt habe...Gegen dieses Problem ist die ursprüngliche
(spezielle) Relativitätstheorie eine Kinderei.“ Am 25. November 1915 konnte er endlich nach
vielen unbefriedigenden Ansätzen die Ergebnisse des erfolgreichen Abschlusses seiner
Überlegungen vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften bekannt geben. Wenige
37
Wochen vorher hat er seine noch unvollständigen Überlegungen im Mathematischen Seminar
in Göttingen in Anwesenheit von David Hilbert vorgetragen, der sich damals intensiv mit
physikalischen Problemen befasste. Dieser begriff sehr bald, worauf es Einstein ankam und
konnte schon am 20. November 1915 der Göttinger Akademie der Wissenschaften seine
elegante Ableitung dessen präsentieren, was als Einsteinsche Gleichungen in die Literatur
eingegangen ist. Hilbert schien aber Einsteins Priorität anzuerkennen, obwohl er die richtige
Lösung mit 5 Tagen Vorsprung bekannt machte.
Die „Allgemeine Relativitätstheorie“ (ART) geht von der Gleichheit träger und schwerer
Massen aus, die experimentell sehr gut bestätigt ist. Eine praktische Folge davon ist, dass alle
Massen gleich schnell fallen. Das gilt z.B. auch für Passagiere und Gegenstände in einer
Raumkapsel. Geringe Abweichungen davon werden als Gezeitenkräfte wirksam. Unter dieser
Voraussetzung lässt sich ein Inertialsystem in der ART durch ein frei fallendes System, in
welchem sonst keine mechanischen oder elektromagentische Kräfte wirken (z.B. eine
Raumkapsel) ersetzen. Da Massen im Raum i. a. ungleichförmig verteilt sind (z.B. Sterne,
Sternhaufen, Galaxien), wird ein frei fallendes System (etwa eine Galaxie in einem
Galaxiehaufen) eine gekrümmte Bahn beschreiben. Nach Newton würde man die Bahn aus
den Gravitationskräften der umgebenden Massen bestimmen. In der ART dagegen bestimmen
die Massen die Geometrie des Raumes und umgekehrt die Geometrie die Massenverteilung.
Das frei fallende System bewegt sich in dieser Geometrie auf extremalen Bahnen, den so
genannten Geodäten. (s. a. Geodätengleichung A.8.30). Die Geodäte ist der kürzeste Abstand
zwischen zwei Punkten
B
A − B = ∫ ds
(4.1)
A
mithin das Resultat der Variation von
δ ∫ ds = 0
oder
δ ∫ ds 2 = 0
(4.2)
Das Ergebnis, was hier nicht bewiesen werden soll, heißt Geodätengleichung, in allgemeiner
Form
λ
ν
d 2xμ
μ dx dx
+
Γ
=0
λν
ds ds
ds 2
(4.3)
mit
Γνλμ =
1 μσ
g (g σν ,λ + g σλ ,ν − gνλ ,σ )
2
(4.4)
Das erste Glied beschreibt die Änderung der Tangente entlang ds, das zweite Glied subtrahiert
davon den Anteil der Parallelverschiebung. Auf einer Geodäten kompensieren sich beide
Anteile. (Bei der Parallelverschiebung wird der Winkel zwischen Tangente und Kurve
konstant gehalten) In der ART verlaufen kräftefreie Bewegungen von Massen immer auf
Geodäten, d.h. das Extremalprinzip Gl. A.8.31 ist dabei immer erfüllt.
Man kann sich eine gewisse Veranschaulichung dieser ungewohnten Vorstellung
Geometrodynamik (John A. Wheeler) verschaffen, indem man gekrümmte 2-dim. Flächen in
einem 3-dimensionalen Raum betrachtet. Wir denken dabei an eine gespannte ebene
38
Gummie-Membran, die eine euklidische Ebene veranschaulichen soll (s. Fig. 4.2). Eine
Styroporkugel als Probemasse, die man angestoßen hat, beschreibt auf der Membran eine
geradlinige Bahn. Legt man eine Stahlkugel als Modell eines Gravitationszentrums auf die
Membran, so entsteht eine trichterförmige Vertiefung. Die Fläche ist jetzt gekrümmt und die
Bahn der Probemasse ist eine geschlossene oder offene Kurve, je nach ihrer
Anfangsgeschwindigkeit. Die Bahn wird im Modellversuch durch die Verformung der
Gummimembran bestimmt. Die Verallgemeinerung des Modells führt auf einen gekrümmten
Raum (in der Übung Kap.3.7 werden 3-dim. Hyperflächen in einer 4-dim. Raumeinbetung
betrachtet). Seine lokalen Eigenschaften können mit Hilfe der Riemannschen Geometrie
beschrieben werden.
Wir haben im vorigen Kapitel bereits gesehen, dass sich gekrümmte Räume als 3dimensionale Hyperflächen beschreiben lassen, die in einen 4-dim. euklidischen Raum
eingebettet sind. Diese Beschreibung war allerdings redundant. Wir konnten die 4.
Raumdimension w wieder eliminieren. Statt der Bogenlänge im euklidischen Raum
dl 2 = dr 2 + r 2 dθ 2 + r 2 sin 2 θdφ 2
Fig. 4.2. Euklidischer Raum als ebene Fläche veranschaulicht.
39
(4.5)
Fig. 4.3. Krümmung der Fläche durch Anwesenheit einer Masse hier im Modell.
Fig. 4.4. Veranschaulichung: Bahn auf gekrümmter Fläche
erhielten wir in der Robertson-Walker-Metrik Gl. 3.17b
⎤
⎡
2
⎥
⎢
dr
2
2
2
2
2
ds 2 = c 2 dt 2 − ⎢
r
d
θ
r
sin
θ
d
φ
+
+
⎥
2
⎥
⎢1 − κ r
R2
⎦⎥
⎣⎢
40
(4.6)
Was wir mit der Substitution r = r ′R in folgende Form bringen
⎡ dr ′ 2
⎤
+ r ′2 dθ 2 + r ′2 sin 2 θdφ 2 ⎥
ds 2 = c 2 dt 2 − R 2 ⎢
⎣1 − κr ′
⎦
(4.7)
wobei wir hier wieder
R = R(t ) = R ⋅ a (t )
(4.8)
gesetzt haben. In den Resultaten kommt am Ende r ′ nicht mehr vor.
Fig. 4.5. Albert Einstein (1879 – 1955)
ca. 1910
Die Einsteinschen Gleichungen (EG) verknüpfen diese Geometrie mit der Massenverteilung,
indem sie eine Beziehung zwischen 2-stufigen Tensoren herstellen
8πG
Gˆ μν = 4 ⋅ Tˆμν
(4.9)
c
1
Die linke Seite Gˆ μν = Rˆ μν − g μν Rˆ heißt Einstein-Tensor. Sie enthält die Geometrie der
2
Raum-Zeit im Ricci-Tensor R̂μν , dem metrischen Tensor g μν und dem Ricci–Skalar
Rˆ = g μν Rˆ μν .
(4.10)
41
Wir folgen hier der Einstein-Konvention und lassen (wie schon in Kap. 3) in Summationen
die Summenzeichen über gleiche Indizes weg. Während der Einstein-Tensor Gμν die lokale
Geometrie der Raum-Zeit beschreibt, enthält die rechte Seite
die Information über das
physikalische System. Tˆμν ist der (auch aus der Elektrodynamik bekannte) EnergieImpulstensor, der das physikalische Feld durch die lokale Energiedichte, lokalen Druck und
Spannungen beschreibt.
Der Ricci-Tensor R̂μν ist ein 2-stufiger, symmetrischer Tensor. Er lässt sich aus den
λ
Konnektionen Γμν (auch Christoffelsymbole genannt) und ihren Ableitungen berechnen
λ
λ
σ
σ
λ
R̂μν = Γμνλ ,λ − Γμλ
,ν + Γμν Γλσ − Γμλ Γνσ
(4.11)
μ
Die Konnektionen Γνλ enthalten Produkte der Komponenten des metrischen Tensors g νλ und
seiner Ableitungen g σν ,λ , sind also letztlich aus dem metrischen Tensor zu gewinnen s. Gl.
(4.7). Dabei ist vorausgesetzt, dass es sich um einen torsionsfreien Raum handelt, was in der
Kosmologie gewährleistet ist. Es gilt dann die Symmetriebeziehung
Γνλμ = Γλνμ
(4.12)
μ
Achtung, die Γνλ sind selbst keine Tensoren!
ν
Die gewöhnliche Ableitung nach einer (kontravarianten) Koordinaten x wird durch ein
Komma bezeichnet. Für die kovariante Ableitung steht ein Semikolon anstelle des Kommas:
∂Aμ
∂x ν
= Aμ ,ν ,
∂g σλ
∂A μ
μ
A
=
+ Γνλμ A λ
=
g
und
;ν
σλ ,ν
ν
ν
∂
x
∂x
(4.13)
Die ko- und kontravariante Form des metrischen Tensors sind miteinander über das
Kronecker-Symbol verknüpft
g μν g νλ = δ μλ
(4.14)
Für die Komponenten der Diagonalform gilt
g μμ g λλ = δ μλ
(4.15)
4.2. Die Berechnung des Ricci-Tensors.
Um die EG (4.9) auszuwerten, schreiben wir zunächst die g μν in Polarkoordinaten und
definieren
(dx0 , dx1 , dx2 , dx3 ) = (cdt ,−dr ′,−dθ ,−dφ ) .
Wir schreiben aus Bequemlichkeit wieder r anstelle von r ′ . Dann wird
42
(4.16)
g 00 = 1 ,
g11 = − R 2 / (1 − κr 2 ), g 22 = − R 2 r 2 , g 33 = − R 2 r 2 sin 2 θ
(4.17)
Nach Gl. (4.15) sind die Komponenten der kontravarianten Form die reziproken Werte von
11
2
2
Gl. (4.17), also g = − 1 − κr / R etc. Damit können die Konnektionen berechnet
werden. Die von Null verschiedenen Komponenten lauten wie folgt
(
)
Γ110 = c −1 R& R / (1 − κr 2 ) ,
Γ220 = c −1r 2 RR& ,
Γ330 = c −1r 2 sin 2 θ RR& ,
1
Γ01
= c −1 R& / R ,
Γ111 = κr / (1 − κr 2 ) ,
1
Γ22
= −r (1 − κr 2 ) ,
Γ022 = c −1 R& / R ,
Γ122 = 1 / r ,
Γ332 = − sin θ cos θ ,
Γ033 = c −1 R& / R ,
Γ133 = 1 / r ,
Γ233 = ctgθ
Γ331 = −r (1 − κr 2 )sin 2 θ ,
(4.18)
Dazu kommen noch alle Γμν , die durch Vertauschung der unteren beiden Indizes nach Gl.
λ
(4.12) aus den angegebenen Komponenten hervorgehen. Gl. (4.18) eingesetzt in Gl. (4.11)
ergibt die 4 Diagonalglieder des Ricci-Tensors
&& / c 2 R ,
Rˆ 00 = −3R
1 &&
Rˆ11 = 2 (RR
+ 2 R& 2 + 2c 2 κ )/ (1 − κr 2 ) ,
c
r
&& + 2 R& 2 + 2c 2 κ ),
Rˆ 22 = 2 (RR
c
r
&& + 2 R& 2 + 2c 2 κ )
Rˆ 33 = 2 sin 2 θ (RR
c
2
2
(4.19)
Nun müssen wir noch nach Gl. (4.10) den Ricci-Skalar berechnen, wozu wir die reziproken
Werte von g μν aus Gl. (4.15) benutzen
g λλ =
1
g λλ
(4.20)
Wir erhalten
g 00 = 1 , g 11 = −(1 − κr 2 ) / R 2 , g 22 = −1 / r 2 R 2 , g 33 = −1 / sin 2 θ R 2 r 2 (4.21)
Der Ricci-Skalar wird dann
&& + R& 2 + c 2 κ )/ c 2 R 2
Rˆ = g μν Rμν = −6(RR
4.3. Der Energie-Impuls-Tensor.
43
(4.22)
Wir wenden uns jetzt der rechten Seite der EG zu, welche die Physik enthält. Die kosmische
Materie betrachten wir hier als klassische Flüssigkeit. In einem beliebigen Inertialsystem
erhalten wir für den Energie-Impuls-Tensor
T μν = (ε + p )u μ uν − pg μν
(4.23)
Hier bedeutet
ε = ρc 2
(4.24)
die Energie-Dichte. In vielen Lehrbüchern wird von Anfang an c =1 gesetzt, so dass ε = ρ
wird. Die u μ sind kovariante Komponenten der Vierergeschwindigkeit. . Entsprechendes gilt
für die kontravariante Form
Tμν = (ε + p ) ⋅ u μ uν − pg μν
(4.25)
Eine besonders einfache Gestalt bekommt der Energie-Impuls-Tensor im Ruhesystem oder im
mit der Flüssigkeit mitbewegten System (was gleichbedeutend ist) in folgender Form
⎛ε
⎜
⎜0
σν
ν
g T μσ = Tμ = ⎜
0
⎜
⎜0
⎝
0
p
0
0
0
0
p
0
0⎞
⎟
0⎟
0⎟
⎟
p ⎟⎠
(4.26)
Im momentanen Ruhesystem ist die 4–Geschwindigkeit
u μ = γ (c,0,0,0 )
(4.27)
Es trägt also nur u 0 u 0 = c bei. Damit erhalten wir in der Robertson-Walker-Metrik unter
2
Berücksichtigung von Tκλ = g κμ g λν T μν :
T00 = ε , T11 = pR 2 / (1 − κr 2 ),
T22 = pr 2 R 2 , T33 = pr 2 sin 2 θ R 2
(4.28)
Wir berechnen die 00-Komponenten auf der linken und auf der rechten Seite der EG:
1
&& / c 2 R + 3(RR
&& + R& 2 + c 2 κ )/ c 2 R 2
Rˆ 00 − g 00 Rˆ = −3R
2
(4.29)
und
Das ergibt
8πG
8πG
T00 = 4 ε
4
c
c
(4.30)
3 &2
(R + c 2 κ) = 8π2G ε
2
R
c
(4.31)
44
In entsprechender Weise erhält man eine Gleichung der (11)-Komponenten
&& + R& 2 + c 2 κ ) = 8πG p R 2
− (2 RR
c2
(4.32)
Die (22)- und (33)-Komponenten ergeben äquivalente Gleichungen, so daß wir auf ihre
Auswertung verzichten können.
4.4. Erhaltungssätze und Friedmann-Gleichungen.
Die kovariante Divergenz verschwindet für den Energie-Impuls-Tensor
T;νμν = 0 = T,νμν + Γνσμ T σν + Γμσν T μσ
(4.33)
was der Erhaltung der Massenenergie und des Impulses entspricht. Das Entsprechende gilt
auch für den Einstein-Tensor und wird in A.10 des Anhangs gezeigt. Die Auswertung von Gl.
(4.33) ergibt (s. A.10)
ε& + 3
R&
(ε + p ) = 0
R
(4.34)
Es ist also bei allgemein relativistischer Behandlung kein Rückgriff auf die Thermodynamik
nötig, um die „Fluid-Gleichung“ (Gl. 4.25 und Anhang A.12) herzuleiten. Sie ergibt sich aus
dem Verschwinden der kovarianten Divergenz des Energie-Impuls-Tensors.
2
2
Wir leiten jetzt die Friedmann-Gleichungen her und eliminieren zunächst R& + c κ mit
Hilfe von Gl. 4.22 aus 4.23 mit dem Ergebnis
&&
R
4πG
= − 2 (ε + 3 p )
3c
R
(4.35)
Damit erhalten wir die erste Friedmanngleichung und eine Aussage über die Beschleunigung
des Skalenparameters a&&(t ) . Neu ist hier, dass auch der Druck p auftritt, der ebenso wie die
Energiedichte ε zur Gravitation beiträgt. Bei Gasen aus Teilchen mit Ruhemasse ist i.a.
p << ε . Im Strahlungsfeld oder bei einem ultrarelativistischen Gas (heißes Plasma im frühen
1
Universum oder Neutrinos) kann allerdings p ≈ ε sein.
3
Als nächstes schreiben wir Gl. 4.22 in folgender Form
2
⎛ R& ⎞
8πG
c2
2
⎜⎜ ⎟⎟ = H = 2 ε − 2 κ
3c
R
⎝R⎠
45
(4.36)
Das ist die zweite Friedmanngleichung, wie wir sie bereits in Kap. 2 in Newtonscher
2
2
⎛ R& ⎞ ⎛ a& ⎞
Näherung abgeleitet haben, wobei wir nach Gl. 4.2a auch ⎜⎜ ⎟⎟ = ⎜ ⎟ setzen können. Für
⎝R⎠ ⎝a⎠
t = t 0 ist die Hubble-Konstante
H0
2
8πG
c2
= 2 ε0 − 2 κ
3c
R
(4.37)
Der Faktor κ / R bestimmt wieder die Krümmung, die im euklidischen Fall, also bei
kritischer Dichte verschwindet. In allen anderen Fällen hängt die Krümmung von der Dichte
ab. Diesen Zusammenhang kann ausschließlich die ART liefern. Mit Gl. 4.26 liefert sie
unabhängig davon auch einen Ausdruck für die Beschleunigung.
2
Die Friedmanngleichungen scheinen eine globale Aussage über den Kosmos (mit
Skalenparameter und Krümmungsradius) zu machen. Das erscheint zunächst als ein
Widerspruch zur ART, die immer nur lokale Aussagen zulässt. Der Widerspruch löst sich,
wenn man bedenkt, dass wir bei den hier besprochenen Modellen immer Isotropie und
Homogenität des Raumes voraus gesetzt haben. Über die Topologie (sein Zusammenhang
über große Entfernungen) können dabei keine Aussagen gemacht. Auch ein euklidischer (oder
fast euklidischer) Raum kann eine nicht triviale Topologie haben. Wie diese beschaffen sein
könnte, diese Frage bleibt offen.
4.5. Historisches
Einstein hatte in seiner Publikation „Kosmologische Betrachtungen zur allgemeinen
Relativitätstheorie“, Sitzungsber. d. Preuß. Akademie der Wissenschaften 1917, S. 142 – 152
das Modell eines statischen Kosmos behandelt. Dazu musste er eine kosmologische Konstante
(s. Kap. 5) einführen, die für einen negativen Druck sorgte, für die Einstein aber keinerlei
physikalische Begründung geben konnte. Erst Alexander Friedmann zeigte, dass Einsteins
Modell instabil ist und dass der Normalfall (ohne kosmologische Konstante) ein dynamisches
Universum ergibt.
Wer war Alexander Friedmann dessen Namen die Gleichungen 4.26 und 4.27 heute tragen?
Friedmann publizierte seine Arbeiten über Kosmologie in der Zeitschrift für Physik 10, 377
(1922) und 21, 326 (1924). Aber sie fanden erst viel später Beachtung. Einstein las die
Arbeiten Friedmanns, aber hielt sie für falsch und publizierte sofort einen entsprechenden
Kommentar. Erst einige Monate später, als er den russischen Physiker Yuri A. Krutkov, einen
Freund Friedmanns, traf und mit ihm die Arbeiten diskutierte, musste er seinen Irrtum
zugeben. Einstein schrieb deshalb sofort an die Z. f. Physik und erkannte Friedmanns
Lösungen ausdrücklich als korrekt an.
46
Fig. 4.6. Albert Einstein (1879 – 1955), Aufn. v. 1925
Fig. 4.7. Alexander Alexandrowitsch Friedmann (1888 – 1925)
Friedmann wurde 1888 in St. Petersburg als Sohn eines Komponisten und einer Pianistin
geboren. Er studierte Mathematik und Meteorologie. Am ersten Weltkrieg nahm er als
Freiwilliger teil, leitete die Flugnavigation und fertigte Tabellen mit ballistischen Daten für
die Artillerie und den Bombenabwurf an. Nach der Revolution war er zunächst Professor für
Mechanik in Perm. 1920 kehrte er nach St. Petersburg zurück und arbeitete an der Akademie
der Wissenschaften. Neben der Meteorologie beschäftige er sich mit Quantentheorie und der
ART. Er starb 1925 nach offiziellen Angaben an Typhus. Aber Georg Gamow (1904 – 1968),
der ein Student von Friedmann war, behauptete, er sei an einer Lungenentzündung gestorben,
welche er sich bei einem seiner Ballonaufstiege im Dienste der Meteorologie geholt habe.
4.7. Zusammenfassung
Nach Einführung der Einstein-Gleichungen werden die Komponenten des Einstein-Tensors in
der Robertson-Walker-Metrik abgeleitet. Der Energieimpuls-Tensor wird für eine
47
„kosmische“ Flüssigkeit der Energie/Materiedichte ε und des Drucks P angegeben und für
ein mitbewegtes Bezugssystem in der Robertson-Walker-Metrik umgeschrieben. Aus den 4
&& a und (a& a ) 2 .
Einstein-Gleichungen ergeben sich die beiden Friedmann-Gleichungen für a
Die Divergenz des Energie-Impuls-Tensors führt zu einem Erhaltungssatz der Masse bzw. der
Energie (s.a. Fluidgleichung). Wenn die Zustandsgleichung, also der Zusammenhang
zwischen ε und P, bekannt ist, kann a(t) durch Lösung der Friedmann-Gleichungen
berechnet werden.
4.8. Literatur
J.N. Islam: An introduction to mathematical cosmology. Cambridge University Press 1992
Hubert Gönner: Einführung in die Kosmologie. Spektrum Verlag 1994.
Hubert Gönner: Einführung in die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie. Spektrum
Verlag 1996.
R.U. Sexl / H.K. Urbanke: Gravitation und Kosmologie. BI Wissenschaftsverlag
3. Aufl. 1987
Sean M. Carroll: Lecture Notes on General Relativity. http://arxiv.org/PS_cache/grqc/pdf/9712/9712019.pdf
4.9. Aufgaben
1
4.9.1. Zeige, dass Rˆ kl = Κ (Tkl − g kl T ) eine andere Form der Einstein-Gleichungen ist.
2
ik ˆ
ˆ
Hinweis: Benutze R = ∑ g Rik ≡ g ik Rˆ ik und den metrischen Tensor g kl ⋅ g kn = δ kn (s. 4.9),
k
der hier in Diagonalform gegeben ist d.h. g 00 g 00 = 1, g 11 g11 = 1 ect., weswegen gilt
g kk ⋅ g kk = 4 .
4.9.2. Die Energiedichte, die ein Beobachter misst, der sich mit der Geschwindigkeit
(u 0 , u 1 , u 2 , u 3 ) bewegt, ist ∑ Tkl u k u l . Sie sollte in vernünftigen physikalischen Systemen
immer positiv sein. Mit den Ergebnissen der vorigen Aufgabe lässt sich eine Bedingung für
den Ricci-Tensor ableiten. Leite daraus die Bedimgung Rˆ kl u k u l ≥ 0 ab.
4.9.3. Berechne den Ricci-Skalar aus den Komponenten des Ricci-Tensors (4.22) und der
Beziehung (4.19) ab.
4.9.4. Zeige dass das räumliche Volumenelement der Robertson-Walker-Metrik wie folgt
geschrieben werden kann
dV = dx 1 dx 2 dx 3 ⋅ g (3)
wobei g ( 3) die Determinante des räumlichen Teils des metrischen Tensors ist.
48
5. Einsteins kosmologische Konstante Λ, Unsinn oder eine neue
Kraft ?
5.1. Kosmologische Modelle mit Λ ≠ 0
Wir kommen jetzt noch einmal auf die dunkle Energie zurück im Zusammenhang mit der
kosmologischen Konstanten Λ . Einstein hatte, wie schon bemerkt, 1917 zunächst die
Vorstellung eines statischen Universum, d.h. es sollte a&& = a& = 0 sein. Um das zu erreichen
fügte zu er seinen 4 Gleichungen noch eine Konstante Λ
1
8πG
Rˆ μν − g μν Rˆ = 4 Tμν + Λ g μν
2
c
(5.1)
was für die 00- und die 11-Komponente folgenden Ausdrücke ergibt
3 R& 2 c 2κ
8πG
( 2 + 2 )= 4 ε +Λ
2
c R
c
R
1
− 2
c
(5.2)
&& R& 2 c 2κ ⎞ 8πG
⎛ R
⎜⎜ 2 + 2 + 2 ⎟⎟ = 4 p + Λ
R ⎠
c
⎝ R R
(5.3)
Aus der 00-Komponente wird nach Multiplikation mit c 3 und Beachten von R = a (t ) R0
wieder die 2. Friedmann-Gleichung
2
2
8πG
c 2κ
⎛ a& ⎞
2 Λ
− 2 2
⎜ ⎟ = 2 ε +c
3 a R0
3c
⎝a⎠
(5.4)
Wenn wir wie im vorigen Kapitel folgende Addition vornehmen (00) + 3·(11), erhalten wir
die 1. Friedmanngleichung
a&&
4πG
Λ
= − 2 (ε + 3 p ) + c 2
a
3c
3
(5.5)
Das erste Glied auf der rechten Seite von Gl. 5.5 bremst die Beschleunigung. Die Bremsung
wird schwächer, wenn ε und p mit der Zeit abnehmen. Das zweite Glied rechts ergibt eine
zusätzliche Beschleunigung, solange Λ > 0 ist. Ein positives Λ wirkt nach (5.4) wie eine
abstoßende Kraft oder eine „Antigravitation“. In der 2. Friedmann-Gleichung (5.5) dagegen
vergrößert Λ > 0 die Gravitation wie eine zusätzliche Dichte.
Wir erhalten Einsteins statische Lösung, wenn wir setzen p = 0 und κ = 1 also
εΛ =
c4
Λ und ΛR02 = 1
4πG
49
(5.6)
Als Einstein später (gegen 1932) erkannte, dass Beobachtungen ein dynamisches Universum
nahe legen und seine Lösung sich, wie Friedmann zuerst bemerkte, als instabil erwies, soll er
von dem größten Blödsinn seines Lebens gesprochen haben. Mathematisch ist Gl. 5.1
tatsächlich die allgemeinste Form der EG, physikalisch ist es bis heute schwer dem Λ eine
Bedeutung zu geben. In den letzten Jahren ist Λ wieder zu Ehren gekommen. Die
Beobachtungen der Hintergrundstrahlung erfordern einerseits eine euklidische Metrik, κ = 0 ,
andererseits aus Beobachtungen von SN Ia in der Vergangenheit keine Abnahme von H (t ) ,
wie man nach Gl. 2. 20 erwarten sollte (s.a. Fig. 2.3), sondern H (t ) bleibt fast konstant, wird
aber in der Zukunft mit der Zeit anwachsen (s. Fig. 5.1). Die Beobachtungen (s. unten) lassen
durch eine nicht verschwindende kosmologische Konstante deuten. Damit löst sich auch das
Problem eines zu kleinen Weltalters. Es ist nicht mehr t 0 < t H , sondern es wird t 0 ≅ t H .
Nimmt man Λ über Tμν + Tμν′ in den Energie-Impuls-Tensor auf, so ergibt sich der Zusatz
8πG
8πG
Tμν′ = 4 (ε ′ + p ′)u μ uν − g μν p ′ = g μν Λ
4
c
c
(5.7)
und es lässt sich
c4
c4
′
Λ und p = p Δ = −
Λ
(5.8)
8π G
8π G
als Dichte und Druck einer fiktiven Flüssigkeit deuten. Die kosmologische Konstante wirkt
wie ein konstanter negativer Druck, der auf eine ziemlich ungewöhnliche Zustandsgleichung
führt
ε ′ = − p′
(5.9)
ε′ = εΛ =
Vorsichtshalber schreibt man heute lieber etwas allgemeiner
pΛ = w ⋅ ε Λ
(5.10)
und versucht w aus Beobachtungen zu bestimmen. ε Λ wird als Dichte der „Dunklen Energie“
bezeichnet. Wie bereits erwähnt, entspricht Λ > 0 einer Abstoßung und trägt nach Gl. 5.5 zu
einer Beschleunigung bei. Die dunkle Energie verhält sich wie eine Antigravitation. ε Λ hängt
nicht wie die Materiedichte vom Skalenparameter a (t ) ab, sondern bleibt, während der
Kosmos expandiert, immer konstant. Λ < 0 würde eine zusätzliche Anziehung beschreiben
und zu einer Abbremsung der Dynamik führen. Wenn nur die dunkle Energie Λ ≠ 0 in einem
sonst leeren Raum wirkt, wird aus Gl. 5.3 und 5.2 für κ = 0
a&& c 2
= Λ
a 3
(5.11)
und
2
2
⎛ a& ⎞ c
H (t ) = ⎜ ⎟ = Λ
3
⎝a⎠
2
(5.12)
50
Die Hubble-Funktion ist konstant. Für Λ > 0 erhalten wir eine exponentielle Expansion (s.
Kap. 3)
⎡c2
⎤
a (t ) = a 0 exp H 2 (t − t 0 ) = a 0 exp ⎢ Λ (t − t 0 )⎥
⎣3
⎦
[
]
(5.13)
Diese Abhängigkeit mit Λ > 0 führt auf das so genannte Einstein-deSitter-Model. Es wurde
zuerst von dem holländischen Astronomen William De Sitter (1872 - 1934) untersucht, der
die Ergebnisse 1932 zusammen mit Einstein publizierte. Wir werden später noch sehen, dass
das Einstein-deSitter-Model im frühen Universum eine Rolle spielte und dass sich das
Verhalten von a(t) in der Zukunft unseres Kosmos immer mehr einer exponentiellen
Expansion annähern wird. Heute wird in der Feldtheorie häufig der Fall Λ < 0 , das
sogenannte Anti-DeSitter-Model in 4 bzw. 5 Dimensionen diskutiert, welches auf Grund der
Symmetrie eine Korrespondenz zur konformen Feldtheorie aufweist.
Wenn es nur Materie ε M und dunkle Energie ε Λ bei euklidischer Geometrie ( κ = 0 ) zu
berücksichtigen gibt, dann lässt sich die kritische Dichte schreiben
oder
ε M + εΛ = εc
(5.14)
ΩM + ΩΛ = 1
(5.15)
Fig. 5.1. Verlauf des Skalenparameters a(t) für verschiedene Werte von Ω M und Ω Λ . Von oben
nach unten entsprechen den Kurven folgende Parameterwahl
( Ω M , Ω Λ ) = (0.3, 0.7) ; (0.3, 0.0); (1.0, 0.0); (4.0, 0.0) . Nach S. M. Carroll. Living Reviews in
Relativity. 7 Febr. 2001.
Kommen noch Strahlung und Raumkrümmung ( R0 ≠ 0 ) hinzu, wird H (t )
2
2
(
)
⎛ a& ⎞
2
2
2
−4
−3
−2
⎜ ⎟ = H 0 Ω 0γ a + Ω 0 M a + Ω 0 K a + Ω 0 Λ = H 0 E (a )
⎝a⎠
51
(5.16)
Wir können in Gl. 5.16 a (t ) durch (1+z) ersetzen, was direkt beobachtbar ist, und erhalten
wieder eine Differentialgleichung für die Rotverschiebung als z (t ) Funktion der Zeit
2
2
⎛ z& ⎞
2
⎜
⎟ = H 0 E (z )
⎝1 + z ⎠
(5.17)
Für kleine Rotverschiebungen ( z << 1 ) existiert folgende Näherungsformel
c(t − t 0 ) =
c
[z − (1 − q0 2) z 2 + .....]
H0
a&&a
, t = t0
a& 2
q0 =
Hier bedeutet
(5.18)
(5.19)
Wenn man Ω 0 M + Ω 0 Λ = 1 setzt, wird q0 =
Ω0M
− ΩΛ .
2
(5.20)
5.2. Leuchtkraft-Abstand.
Wir hatten schon erwähnt, dass es mit Hilfe von Supernovae vom Typ SN Ia möglich ist, die
Entfernung von Galaxien auch bei großer Rotverschiebung zu bestimmen. Diese Entfernung
heißt Leuchtkraft-Entfernung d L (luminosity distance). Das Prinzip dabei ist die Bestimmung
von d L aus Leuchtkraft L [Watt] des strahlenden Objekts und dem Strahlungsstrom S
[W/m2] der auf der Erde zur Zeit t0 ankommt
S=
L
4πd L2
(5.21)
Wir wollen annehmen, dass zur Zeit t0 sich die Erde von der Lichtquelle aus gesehen im
Abstand r1 a(t 0 ) befindet ( r1 ist der entsprechende Koordinatenabstand oder mitbewegter
Abstand der Erde von der Lichtquelle aus gesehen r1 ≡ DC ). Der Strahlungsstrom S
durchläuft die Kugelfläche 4π r12 a 02 Der Nenner 4π d L2 in (5.21) ist also durch 4π r12 a(t 0 ) zu
ersetzen. Die Photonen werden von der Lichtquelle mit der Quantenenergie hv1 emittiert,
haben aber eine Rotverschiebung, wenn sie auf der Erde ankommen (s. Kap. 3.3)
hv0 =
Auch die Zahl der Photonen
hv1
.
z +1
(3.25)
δN 0
, die pro Sekunde auf der Erde ankommen, ist um den
δt
Rotverschiebungsfaktor vermindert
52
δN 0 δN 1 a(t1 ) δN 1 1
=
=
δt
δ t a0
δ t z +1
(5.22)
Berücksichtigt man alle genannten Effekte, so ergibt sich
L
S=
4πa02 r12
⎛ a
⎜⎜
⎝ a0
⎞
⎟⎟
⎠
2
(5.23)
Setzen wir wieder a0 = 1 und r1 = DC , so erhalten wir durch Vergleich von Gl. 5.21 und 5.23
d L = r1 ( z + 1) = DC ( z + 1)
(5.23)
Um also den Leuchtkraftabstand dL zu erhalten, muss der Koordinatenabstand DC mit ( z + 1)
multipliziert werden. Die Ableitung folgt St. Weinberg: Cosmology, Oxford Univ. Press 2008
Ch. 1.4.
Fig 5.2. Kosmische Abstände: „naive Hubble“ meint zc = H 0 r . Der Koordinatenabstand wird
in der Graphik LOSS comoving genannt, darunter die look-back-time. Luminosity distance
wurde hier behandelt. Angular diameter distance wird in einem späteren Kapitel behandelt.
Credit: Wikipedia.
53
5.3. Hubble-Diagramm mit SN Ia und Bestimmung von (Ω M , Ω Λ ) .
Praktisch bestimmt man den Zusammenhang von scheinbarer (m) und absoluter Helligkeit
(M) mit der Leuchtkraft-Entfernung dL über die Gleichung (s. dazu auch Anhang A.1)
m − M = 5 log[d L (Mpc )] + 25
(5.24)
wobei die Abstände in Einheiten von Mpc zu nehmen sind. Diese Gleichung ergibt sich aus
Gl. A.1.6, wenn man auf der rechten Seite die Entfernung der absoluten Helligkeit auf 106 pc
anstatt in Einheiten von 10 pc setzt. Die rechte Seite von Gl. 5.19 heißt Entfernungsmodul.
Eine SN Ia erreicht im Maximum die absolute Helligkeit M = 19.7, wobei die Streuung über
die Gestalt der Lichtkurve korrigiert werden kann (hellere SN haben einen steileren Abfall).
Der Grund für die erstaunliche Konstanz der absoluten Helligkeit liegt wohl in der zugrunde
liegenden Physik. Da man bei diesem Typ Supernova keine Wasserstofflinien im Spektrum
beobachtet, geht man davon aus, dass es sich um einen weißen Zwerg handelt, der soviel
Materie von einem Begleiter aufgenommen hat, dass die Chandrasekhar-Grenze erreicht und
der Stern mechanisch instabil wird. Dabei zündet ein explosives Kohlenstoff-Brennen, dessen
Energie den Stern völlig zerstört. Das nukleare Brennen führt am Ende zu den Elementen der
Eisengruppe mit Massenzahl 56, die in einer sphärischen Wolke aus Gas und Staub zurück
bleiben. . Die beobachteten Leuchterscheinungen werden sekundär durch die Strahlung der
radioaktiven Produkte verursacht. Zuächst zerfällt das gebildete 56Ni in 56Co mit einer
Halbwertszeit von 6,1 Tagen. Dann zerfällt 56Co in 77 Tagen in 56Fe:
56
28
Ni + e − → 2756 Co
t1 / 2 = 6,1 Tage
56
27
Co + e − → 2656 Fe
t1 / 2 = 73 Tage
Die Betaprozesse laufen durch Elektronen-Einfang oder (weniger häufig) durch PositronenEmission ab.
Fig. 5.3. enthält die Messergebnisse m(z) bzw. m(z) – M von Supernovae Ia mit kleiner
Rotverschiebung. Fig.5.4. zeigt die Daten des „High-z-Supernova-Teams“, die sich nur dann
anpassen lassen, wenn man eine nicht verschwindende kosmologische Konstante Λ > 0
annimmt. Wenn man noch einen euklidischen Raum κ = 0 aus den Messungen der
Fluktuation der Hintergrundstrahlung hinzu nimmt (s. dazu Kap. 6), kommt man zu einer
Kombination der Parameter
ΩM + ΩΛ = 1
(5.25)
wobei die wahrscheinlichsten Werte etwa bei etwa Ω M = 0,3 und Ω Λ = 0,7 liegen. Diese
Ergebnisse wurden von den Mitgliedern des unabhängig arbeitenden „Supernova-CosmologyProjects“ bestätigt. Der Vorteil dieser Messungen ist ihre weitgehende Unabhängigkeit von
der Theorie. Die Fehlergrenzen ergeben sich unter anderem aus der Streuung der absoluten
Helligkeit der SN Ia. Die Initiatoren und Leiter der beiden Forschergruppen „SupernovaCosmology-Project“ und „High-z-Supernova-Teams“, Saul Perlmutter, David Riess und
Brian Schmidt teilen sich den Physik-Nobel-Preis 2011.
54
5.3. Typischer Verlauf des An- und Abklingens der absoluten Helligkeit von SNe Ia mit kleiner
Rotverschiebung. Die helleren Exemplare klingen etwas langsamer ab als die weniger hellen.
Zur Korrektur werden die Zeitachsen von diesen werden etwas gestreckt und die Lichtkuvwen
angepasst. Kredit: S. Perlmutter in Physics Today April 2003, p. 53
55
Fig. 5.4. Hubble-Diagramm des „High-z-Supernova-Team“. Die Linien sind berechnet
mit verschiedenen normierten Dichten. Die Parameter der berechneten Kurven
(Ω M , Ω Λ ) sind von oben nach unten (0.25 , 0.76); (0.20, 0.00); (1.00, 0.00) . (s. A.G.
Riess, A.V. Filippenko et al. astro-ph /9805201)
56
Fig. 5.5. Hubble-Diagram des Supernova-Cosmology-Projects (s. S. Perlmutter, G.
Aldering et.al. http://xxx.uni-augsburg.de/abs/astro-ph/9812133)
Die Fehler der absoluten Helligkeit hängen auch davon ab, ob das Licht auf seinem Weg
durch interstellare Absorption geschwächt wurde, ein Effekt, der vor allem den kurzwelligen
Teil des Spektrums betrifft und somit berücksichtigt werden kann. Auch Staubabsorption
kann berücksichtigt werden, da sie die Intensität im blauen Teil des Spektrums herabsetzt und
den roten Teil weniger beeinflusst. Eventuell unterscheiden sich die SN Ia bei großen z von
denjenigen unserer näheren Umgebung durch ihre chemische Zusammensetzung, was einen
Einfluss auf die Kernprozesse und damit auf die Eichung der Leuchtkraft hätte.
57
5.6. Neuere Messungen des High-z-Supernova-Teams mit Ereignissen z > 1. Kredit : Riess, A.
G., et al. 2007, ApJ, 659, p. 98.
5.4. Kosmologische Konstante oder Quintessenz
Das Modell der kosmologischen Konstanten ist charakterisiert durch die Unabhängigkeit der
Dichte Ω Λ vom Skalenparameter a (t ) . Da aber die Materiedichte Ω M sich wie a −3 (t ) verhält,
dominiert sie bei z > 1,5., während Ω Λ sich erst bei kleinen z bemerkbar macht. Jede Art von
Vakuumenergie kann sich hinter Ω Λ verbergen. Das Einfachste ist die Annahme eines
skalaren Felds, das im frühen Kosmos wirksam war und seit dem wesentlich abgeklungen ist.
Diesem hypothetischen Feld hat man den Namen Quintessenz gegeben. Obwohl eine solche
Annahme durchaus willkürlich ist, erscheint sie von einem physikalischen Standpunkt aus
besser begründet als eine kosmologische Konstante. Es gibt dazu viele Vorschläge. Die
entsprechenden Felder sind alle zeitabhängig, ein Effekt der nur schwer zu beobachten ist.
Dass Ω Λ und Ω M zur Jetztzeit von gleicher Größenordnung sind, ist eine weitere
Merkwürdigkeit. Wäre dem nicht so, gäbe es möglicher Weise kein Leben im Kosmos, da die
Strukturbildung empfindlich von den beiden Größen Ω M und Ω Λ abhängt. Nach dem Stand
der Beobachtungen dürfte die Zeitabhängigkeit nur sehr schwach sein. Außerdem kann
Quintessenz kaum zur Strukturbildung beitragen haben.
58
5.5. Andere Hinweise auf Λ > 0 .
Das Fluktuationsspektrum der Hintergrundstrahlung (CMB) ist z. Zt. die wichtigste Quelle
von Informationen, die komplementär zu den unter Kap. 5.3 angesprochenen sind. Der
Bereich der Vertrauensgrenzen überlappt mit den SN Ia-Messungen am besten bei den
Werten Ω M = 0,3 und Ω Λ = 0,7 . Grenzen der Materiedichte sind sehr viel schwerer
anzugeben. Aus der Nukleosynthese der leichten Elemente, die in den ersten Minuten der
kosmischen Evolution ablief, ergibt sich mit der aktuellen Hubblekonstanten eine
Baryonendichte von Ω B ≈ 0,04 . Der Anteil der baryonischen Materie scheint aber eher
klein zu sein. Die leuchtende Materie in Sternen ist wieder nur ein Bruchteil der baryonischen
Materie. Die Untersuchung der Bewegung der Galaxien in Haufen mit Hilfe des Virialsatzes
( E pot = −2 E kin ) ergibt ein Ω M ≈ 0,2 . Der größte Teil von Ω M besteht demnach
offensichtlich aus „dunkler Materie“, die sich nur durch Gravitation bemerkbar macht und
deren mikroskopischer Aufbau bisher noch völlig unbekannt ist. Noch einmal zurück zum
Fluktuationsspektrum der Hintergrundstrahlung. Um seine Struktur an die Theorie
anzupassen, müssen kosmologische Parameter eingegeben werden. Man erhält auf diese
Weise Ω M ≈ 0,26 . Es ergibt sich damit nicht nur kein Widerspruch zu den SN Ia–Daten,
sondern diese werden eher bestätigt. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass die
Auswertung der CMB-Daten nicht eindeutig möglich ist. Eine weitere geeignete Methode,
Grenzen für Ω M und H0 zu bestimmen, ist der Gravitationslinseneffekt. Die Massen großer
Galaxien ( M ≈ 10 M Sonne ) wirken für dahinter liegende Punklichtquellen (Quasare) wie
Gravitationslinsen. Der Ablenkungswinkel des Lichts beträgt dabei
12
δα = 2
RS
r
(5.26)
Hier bedeutet RS den Schwarzschildradius der Galaxienmasse M (für eine Sonnenmasse
ist RS = 2,9979 km), r ist die Entfernung der Galaxie von uns (gerechnet als Lichtweg). Die
Statistik solcher „lensing events“ hängt von den Werten von Ω M und Ω Λ ab. Daraus ergibt
sich eine Obergrenze für Ω Λ < 0,7 . Eine weitere Möglichkeit für eine unabhängige Evidenz
der dunklen Energie bietet das Studium grossräumiger Strukturen, die bis zu 2 Giga-pc
aufgelistet sind. Zu den entsprechenden Durchmusterungen gehören der Sloan Digital Sky
Servey (SDSS) und « Wiggle Z Dark Energy Survey » mit Rotverschiebungen und Abständen
von 240 000 Galaxien. Es treten in der Verteilung typischer Weise Hohlräume (voids) auf, die
von akustischen Schwingungen des baryonischen Plasmas zur Zeit der Entkopplung von
Strahlung und Materie stammen. Sie haben einen mittleren Durchmesser von150 Mpc, sind
von Galaxien umgeben und können so ein kosmisches Längenmass für große Entfernungen
abgeben.
Grossräumige Strukturen lassen sich inzwischen auch gut durch die Verteilung von
Galaxienhaufen studieren. Im Raum zwischen den Galaxien befindet sich ein heisses
Plasma (1 – 100 MeV) von sehr geringer Dichte. Elektronen wechselwirken mit den Photonen
der Hintergrundstrahlung und bringen diese auf höhere Energien (inverser Compton-Effekt).
Dieser Effekt wurden von Sunyaev und Zeldowich 1980 vorausgesagt und nach den Autoren
genannt (SZ-Effekt). Im Umfeld von Galaxienhaufen ist der SZ-Effekt inzwischen gut
messbar und
59
5.7. Vertrauensgrenzen der Ergebnisse des Supernova-Cosmology-Projects aufgetragen
in einer Ω M − Ω Λ -Fläche. (s. Knop et al. 2003, Spergel et al. 2003, Allen et al. 2002)
ermöglichte weitere noch unbekannte Haufen aufzufinden. Der SZ-Effekt ist unabhängig von
der Rotverschiebung und hat eine typische spektrale Charakteristik.
Als letztes erwähnen wir noch den Sachs–Wolfe-Effekt, genauer « the late-time integrated
Sachs–Wolfe effect ». Auf dem Weg zum irdischen Beobachter durchlaufen die Photonen
Bereiche des Gravitationspotentials von verschiedener Tiefe (voids and cluster), was zu
60
warmen und kalten Flecken bei der Kartierung des Anisotropie-Spektrums führt. Die
zusätzliche Beschleunigung sollte zu einer Abflachung der Potientialmulden führen.
5.5. Deutungen
Eine Deutung von Λ geht von dem „Vakuum“ aus, dem Grundzustand der Quantenfelder der
Materie. Man kann sich diese als eine unendliche Zahl von Oszillatoren vorstellen, deren
Nullpunktsenergie wie beim harmonischen Oszillator proportional ihrer Quantenergie ist
(beim harmonischen Oszillator ist sie hω / 2 ). Da diese Energie divergiert, benötigt man eine
Abschneide-Energie. Das wäre z.B. die Planck-Energie (etwa EPl ~1018 GeV). Könnte man
diese Energie in einem Beschleuniger erzeugen, würden schwarze Löcher entstehen. Die
3
zugehörige Energiedichte ( E Pl / l Pl ) beträgt ρ Pl ≈ 4.64 ⋅ 10113 Joule / m 3 .Verglichen mit der
Energiedichte der „Dunklen Energie“ ρ Λ ≈ 1.28 ⋅ 10 −26 ist das ein Faktor von 10139 . Man muss
deshalb annehmen, dass alle Beiträge der Nullpunktsenergie des Vakuums sich gegenseitig zu
Null kompensieren. Wäre die Vakuumenergie tatsächlich so groß wie oben abgeschätzt, dann
hätte unser Universum nur sehr kurze Zeit existiert. Aber selbst bei ienr um Größenordnung
kleineren Abschneide-Energie wäre das Ergebnis immer noch katastrophal.
Ein anderer Ansatz geht davon aus, dass es zur Zeit der Inflation ein Materiefeld ϕ (z.B. ein
skalares Feld) gegeben hat. Diese Möglichkeit wurde schon weiter oben diskutiert. Wir
müssen abschließend feststellen, dass das Λ -Problem bis heute ungelöst geblieben ist,
obwohl bekannte Physiker sowohl aus der Teilchenphysik wie auch aus der
Gravitationsphysik sich intensiv um eine Lösung bemüht haben. Einige geben den
frustrierenden Zustand der Diskussion zu. Andere geben zu bedenken, dass Λ gar keinen
anderen Wert haben dürfe, sonst wäre die Strukturbildung weniger günstig verlaufen oder die
Zeit für eine eventuelle Evolution von Leben zu kurz gewesen. Diese Argumentation führt auf
das so genannte anthropische Prinzip in seiner schwachen Form: Wenn Λ nicht den
gemessenen Wert hätte, gäbe es kein Leben, d.h. es gäbe uns auch als Beobachter nicht. Der
spezielle Wert von Λ wäre demnach ein Auswahleffekt. Das bedeutet mit anderen Worten:
der Wert von Λ ist zufällig. Es hätte auch irgendein anderer sein können, und es ist kein
Gesetz erkennbar, nach welchem Λ gerade den gemessenen Wert haben sollte. Aber dieser
spezielle Wert lässt Leben, ja sogar intelligentes Leben zu Der Kosmos, in welchem wir
leben, ist offensichtlich ein sehr spezieller mit besonderen Parametern und Kopplungsstärken.
Diese könnten vielleicht zu einem der 10500 Grundzustände (oder Vakua) der Stringtheorie
gehören. Die Parameter treten in unseren phänomenologischen kosmologischen Modellen als
Eingabegrößen auf, die nicht weiter erklärt werden können. Sie müssen nur so gewählt sein,
dass Leben, ja sogar intelligentes Leben möglich ist.
5.6. Zusammenfassung
Zunächst wird gezeigt, wie Einstein (vergeblich) versuchte, durch Einführung einer
kosmologischen Konstanten Λ das Modell eines statischen Universums zu entwickeln. Λ
kann aber auch als Energiedichte interpretiert werden, welche als Antigravitation wirkt. Diese
sonderbaren Eigenschaften werden diskutiert. Moderne Hubble-Diagramme mit SN Ia als
Normallichtquellen lassen sich nur so interpretieren, dass eine zusätzliche Beschleunigung
existiert. Das hat zu einer modernen Wiedergeburt von Λ geführt. Beobachtungen an SNe Ia
unter Voraussetzung einer euklidischen Geometrie (aus der Mikrowellenstrahlung) lassen sich
nur so interpretieren, dass die kritische Dichte sich aus zwei Anteilen zusammensetzt, nämlich
61
aus etwa 70 % dunkler Energie ( Λ ) und 30 % Materie, wovon nur wiederum höchstens 4 %
baryonischer Materie entsprechen. Bisher gibt es keine plausible Erklärung für Λ . Falls wir
annehmen müssen, dass der Wert von Λ zufällig ist, wirft das die Frage nach einem
kontingenten Kosmos oder einem anthropischen Weltbild auf: Der Kosmos ist so, wie er ist,
weil wir da sind!
5.7. Literatur
S.M. Carroll, The Cosmological Constant. Living Reviews in Relativity. 2001
http://relativity.livingreviews.org/Articles/lrr-2001-1/index.html
P.J.E. Peebles and B. Ratra, The Cosmological Constant and Dark Energy. http://xxx.uniaugsburg.de/abs/astro-ph/0207347
A.G. Riess, A.V. Filippenko et al.
http://xxx.uni-augsburg.de/abs/astro-ph/9805201
S. Perlmutter, G. Aldering et.al.
http://xxx.uni-augsburg.de/abs/astro-ph/9812133
J.L. Tonry et al. ApJ 594 (2003) 1
L. Perivolaropoulos: Accelerating Universe: Observational Status and Theoretical
Implications. http://xxx.uni-augsburg.de/abs/astro-ph/0601014
Leonard Susskind: The Cosmic Landscape. String Theory and the Illusion of Intelligent
Design. Little Brown and Company 2005.
Christian Wolf: Korrekturen an der Dunklen Energie? Sterne u. Weltraum 6/2011 S. 36
S. Perlmutter in Physics Today April 2003, p. 53
5.8. Aufgaben
5.8..1. Wir wollen Einsteins ursprüngliches Model eines statischen Universums von 1917
verifizieren. Dazu gehen wir von den Gl. (5.4) und (5.5) aus und setzen a&& = a& = 0 . Außerdem
soll der Druck p = 0 und R0 soll reell bleiben. Welche Geometrie hat das Modell, welche
Raumkrümmung?
5.8.2. Würde man für die Dichte die kritische Dichte einsetzten ε Λ = ε C , wie groß wäre dann
der Weltradius R0 ?
5.8.3. In der Gegenwart ist der Dichtebeitrag der Materie (einschließlich dunkler Materie)
etwa 30%, der Rest ist dunkle Energie. In der Vergangenheit überwog der Anteil der
62
Materiedichte gegenüber der dunklen Energie. Irgendwann war der Beitrag der dunklen
Energie zur kritischen Dichte nur noch 10%. Bei welcher Rotverschiebung „z“ würde man
das beobachten?
5.8.4. Ein Widergänger des statischen Kosmos ist die so genannte Steady-State-Cosmology,
von britischen Kosmologen vorgeschlagen und bis in die letzten Jahrzehnte propagiert. Hier
wird außer Homogenität und Isotropie des Raumes auch eine Homogenität der Zeit
angenommen. Was bedeutet das? Wie könnte man in diesem Model die Hubble-Expansion
verstehen?
63
6. Reste des Feuerballs. Die kosmische Mikrowellenstrahlung.
6.1. Die Vorgeschichte
Lässt man die Zeit rückwärts laufen, so wächst die Dichte mit abnehmendem Skalenparameter
immer weiter an, wobei die Materiedichte sich wie ε M ∝ a −3 , die Energiedichte der Strahlung
wie ε r ∝ a −4 verhält. Da andererseits ε r ∝ T 4 ist, gilt für die Temperatur der Strahlung (im
Gleichgewicht)
T (t ) ∝ a(t ) ∝ t
−1
−1
2
(4.36)
Aus solchen Überlegungen schlossen George Gamow und seine beiden Doktoranden Robert
Herman und Ralph Alpher [s. Rev. Mod Phys. 21, p.367, 1949], dass der Kosmos einen
heißen Anfang gehabt haben muss. Bei Expansion und Abkühlung unter
10 000 K habe sich die Strahlung von der Materie entkoppelt (d. h. die Quantenenergie der
Strahlung reichte für Absorptionsprozesse nicht aus) und sich unabhängig weiter abgekühlt.
Diese Strahlung ist auch heute noch als „Kosmische Hintergrundstrahlung“ (engl. „Cosmic
Microwave Background“ abgek. CMB) vorhanden. Gamow machte eine Abschätzung mit den
damals nur sehr ungenau bekannten Werten kosmologischer Parameter und kam auf 5 - 10 K.
Die zugehörige Plancksche Strahlung liegt im Bereich der Mikrowellen.
Fig. 6.1. Materie- und Strahlungsdichte haben verschiedene Abhängigkeiten vom
Skalenparameter. Bis zu Zeiten t ≅ 300 000 Jahre dominierte die Strahlung. Danach
entkoppelte sich die Strahlung von der Materie und kühlte bis zur Gegenwart auf T = 2,73 K ab.
Nach Harrison Ann. Astron. Astrophys. Rev. 11, 155 (1973).
Gamows Ideen von einem heißen Anfang wurden in den frühen sechziger Jahren unabhängig
(und ohne Kenntnis der Gamowschen Arbeiten) von Robert H. Dicke in Princeton
aufgenommen, der sich neben vielen anderen Themen mit Gravitations-Physik beschäftigte
64
und eine sehr aktive, experimentelle Arbeitsgruppe aufgebaut hatte. Er ließ von seinen
Mitarbeitern Peter G. Roll und David T. Wilkinson Mikrowellenantennen mit Helium
gekühlten Detektoren auf dem Dach des geologischen Instituts aufstellen. P. James E.
Peebles, ebenfalls in Princeton, begleitete auf Anregung von Dicke diese Arbeiten theoretisch.
Man muss beachten, dass zu dieser Zeit noch eine große Unsicherheit über die Parameter der
kosmischen Modelle herrschte. Der Wert der Hubble-Konstanten war zu groß und führte auf
viel zu kurze kosmische Zeiten im Widerspruch zu Ergebnissen aus dem radioaktiven Zerfall.
Dicke selbst bevorzugte damals das Modell eines oszillierenden Universums.
Nur eine halbe Autostunde entfernt von Princeton arbeiteten zwei Physiker, Robert Wilson
und Arno Penzias, in den Bell-Telephon-Laboratorien in Crawford Hill an
Mikrowellenempfängern für die Kommunikation mit Satelliten. Penzias war übrigens 1933 in
München als Sohn einer jüdischen Familie geboren, die durch glückliche Umstände im
Frühjahr 1939 noch Deutschland verlassen und in die USA ausreisen konnte. Die beiden BellPhysiker benutzten eine 7 m Hornantenne und stießen dabei auf ein Rauschen, das seinen
Ursprung nachweislich nicht in der Antenne hatte. Es blieb bestehen, nachdem sie z.B. die
Antenne von einem Taubennest befreit hatten. Mehr durch Zufall hörten sie 1964 von den
Arbeiten in Princeton, und nach einem Telephongespräch zwischen Penzias und Dicke
besuchte die Arbeitsgruppe aus Princeton Crawford Hill. Aus dieser Kommunikation gingen 2
Publikationen hervor, die im gleichen Heft von Astrophysical Journal 1965 hintereinander
erschienen: eine experimentelle von Wilson und Penzias, deren Schlußfolgerungen überaus
vorsichtig und zurückhaltend formuliert waren und eine konzeptionelle, theoretische Arbeit
von Dicke und Peebles. 13 Jahre später, 1978, erhielten Wilson und Penzias für ihre
Entdeckung den Nobelpreis für Physik. In den folgenden Jahren wurde die Intensität der
kosmischen Hintergrundstrahlung, wie sie hinfort genannt wurde, in unterschiedlichen
Frequenzbereichen gemessen. Es ließ sich eine Temperatur der Strahlung von 2,7 K angeben
und ein Verlauf der Strahlungskurve, die etwa einer Planck-Kurve entsprach.
Fig. 6.2. Das erste Spektrum der kosmischen Hintergrundstrahlung, gemessen mit dem Far
Infrared Absolute Spectrophotometer (FIRAS) auf dem COBE-Satelliten. Es representiert
hervorragend das Spektrum eines Wärmestrahlers von 2,726 K .
6.2. Der COBE-Satellit.
Der Durchbruch kam mit dem Start des COBE-Satelliten (Cosmic Background Explorer). Der
im „Goddard Space Flight Center“ der NASA entwickelte Satellit wurde nach Verögerungen
65
endlich am 18.11.1989 gestartet. Er trug 3 separate Detektoren: das „Diffuse Infrared
Background Experiment“ (DIRBE) aktiv im Wellenlängenbereich von 1,24 - 240 µm zur
Untersuchung der Strahlung von vorgelagerten Sternen, Staub und Galaxien ausgedehnt bis
zu den frühesten kosmischen Zeiten, ein „Differential Microwave Radiometer“ (DMR) für
Fig. 6.3. Doppelt logarithmische Auftragung des Spektrums der kosmischen
Hintergrundstrahlung gemessen mit den Instrumenten FIRAS und DMR auf dem COBESatelliten und ergänzt durch erdgebundene Messungen.
einen Nachweis von Anisotropien und Inhomogenitäten der Strahlung mit einer
Empfindlichkeit von 1 : 100 000 und das „Far Infrared Absolute Spectrometer“ (FIRAS),
welches das Spektrum der Hintergrundstrahlung mit dem eines schwarzen Körpers vergleicht.
Das erste Ergebnis war bereits eine Überraschung: die Hintergrundstrahlung war
außerordentlich und isotrop. Ihr Spektrum deckt sich präzise mit dem eines schwarzen
Körpers von 2,73 Kelvin (s. Fig. 6.2). Die folgenden mehrjährigen Untersuchungen lieferten
gegenüber den ersten Ergebnissen noch einmal präzisere Messwerte und eine
Srahlungstemperatur von T0 = 2,726 ± 0,002 K (Fig. 6.3). Welche Aussagen machen die
COBE-Messungen? Die Annahme eines heißen Plasmas im frühen Universum wird bestätigt.
Die Intensitätsverteilung über der Himmelskugel zeigt einen Dipolanteil. Er kommt dadurch
zustande, dass wir uns auf der Erde relativ zu einem Bezugssystem bewegen, in welchem die
CMB streng isotrop ist. In eben diesem Bezugssystem verhält sich auch das Hubble-Gesetz
isotrop.
Die Tatsache, dass man das Spektrum einer idealen Planckkurve erhält, sagt uns, dass sich die
Strahlung bei ihrer Entkopplung von der Materie im thermischen Gleichgewicht befand. Die
Strahlung ist außerordentlich isotrop (winkelunabhängig), d.h. nach Abzug des Dipolanteils
liegen die Anisotropien in der Größenordnung ΔT/T ≅ 10-5. Damit erweisen sich die
Voraussetzungen, die wir im Kapitel 2 unter dem Namen „Kosmologisches Prinzip“ gemacht
haben, für das frühe Universum in idealer Weise erfüllt.
66
Fig. 6.4. ΔT/T < 10-4 farbkodiert als Maß für Anisotropie und Homogenität der
Hintergrundstrahlung. Oben: Dipolstruktur der Strahlung durch Bewegung Erde relativ zum
Strahlungsfeld. Mitte: Der Dipolanteil wurde subtrahiert. Unten: Zusätzlich wurde der Anteil
der Sterne und Galaxien subtrahiert.
Die Bewegung der Erde im Kosmos (mit Sonnensystem und Galaxie) wird in dem
gemessenen Dipolanteil der Hintergrundstrahlung sichtbar (s. Fig. 6.4 oben u. 6.6), welcher
bei der Auswertung berücksichtigt werden muss. Es ist üblich, geringe Intensitätsunterschiede
als relative Abweichungen von der Temperatur der Planck-Kurve anzugeben ΔT/T.
67
Fig. 6.5. Die Temperatur der Hintergrundstrahlung aus verschiedenen Messungen bestimmt,
mit eingetragenen Meßfehlern.
Im Bezugssystem, das sich mit der Geschwindigkeit υ bewegt, ist die Temperatur in erster
Ordnung von
υ
c
gegeben durch
T (θ ) = T0 (1 +
υ
c
cos θ )
(6.1)
(s. mehr dazu in P.J.E. Peebles: Principles of Physical Cosmology, Princeton 1993). Dabei ist
θ der Winkel zwischen Sichtlinie und Richtung der Bewegung.
Fig. 6.6. Die Dipolanisotropie der Hintergrundstrahlung ist proportional zu υ / c ⋅ cos θ und
wird verursacht durch die Bewegung der Erde relativ zum „Ruhsystem“ der CMB, in welchem
die Strahlung isotrop ist.
68
Die
COBE-Messungen
geben für diese Bewegung eine Geschwindigkeit von
υ = υ Sonne − υCMB = 371 ± 0,5 km/s in Richtung der Koordinaten α = 11,2 h und
δ = −7° . Berücksichtigt man noch die Bewegung des Sonnensystems um das galaktische
Zentrum, so berechnet sich daraus die Bewegung der lokalen Gruppe zu 627 ± 22 km/s. Zur
lokalen Gruppe rechnet außer unserer eigenen Galaxie auch die Andromeda-Galaxie (M 31),
die Spiralgalaxie im Dreieck (M 33) und dazu auch eine größere Zahl unregelmäßiger
Zwerggalaxien.
6.3. Die Skalierung von Temperatur und Strahlungskurve.
Nach der Entkopplung der Strahlung von der Materie bleibt die Planck-Kurve
erhalten. Die Strahlungsenergie pro Volumen und Frequenzintervall ist
8πv 2 hv dv
u (v )dv = 3
c exp hv − 1
kT
(6.2)
Nach Integration über alle Frequenzen erhält man das bekannte Stefan-Boltzmann-Gersetz
∞
u = ∫ u (v )dv = a BT 4
(6.3)
0
8π 5 k 4
aB =
= 7,56 ⋅ 10 −16 Joule⋅m-3·K-4
3 3
15h c
mit
(6.4)
Wegen Gl. 2.23 skaliert v wie
v(t 0 ) = v(t )
a0
a
(6.5)
und
T (t 0 ) = T (t )
a
a0
(6.6)
Damit bleibt hv / kT invariant, d.h. die Planck-Kurve Gl. 6.2 behält ihre Gestalt bei, nur der
4
Vorfaktor skaliert wie 1 / a (dabei wurde wieder a0 = 1 gesetzt). Wir können jetzt auch das
Verhältnis der Energien (Materie zu Strahlung) ausrechnen und durch die Rotverschiebung z
von der Gegenwart zur Vergangenheit extrapolieren. Die Energiedichte der Strahlung ist
u γ = a BT 4 = 4,2 ⋅ 10 −14 (1 + z ) Joule/m3
4
oder u γ / c in g/cm3 mit a = 7.5646 ⋅ 19 −16 Joule ⋅ m −3 ⋅ K −4
2
u γ / c 2 = 4,7 ⋅ 10 −34 g/cm3
69
(6.7)
Das Verhältnis zur kritischen Energiedichte beträgt
uγ
εc
= (4,67 ± 0,26) ⋅ 10− 5
und Energiedichte der Materie zur Strahlung beträgt
ρM c2
a BT
4
= 2,14 ⋅ 10 4 Ω M h 2 (1 + z )
−1
(6.8)
wobei für den Faktor
Ω M h 2 = 0,135
(6.9)
anzusetzen ist. Die Strahlungsdichte nimmt mit steigender Rotverschiebung stärker als die
3
Materiedichte zu. Beide werden gleich bei etwa ( z + 1) ≈ 6 ⋅ 10 und einer Temperatur von
Tequ= 16 500 K, wobei zur Materiedichte hier auch die „Dunkle Materie“ gerechnet wurde,
d. h. Ω M = 0,3 . (Beschränkung auf baryonische Materie s. unten). Interessant ist auch die
Zahl der Photonen zur Zahl der Baryonen. Die Zahl der Photonen erhält man aus dem Integral
8πv 2
n(v )dv = 3
c
dv
hv
exp
−1
kT
(6.10)
Die Integration über ν ergibt
3
2,404 ⎛ kT ⎞
3
8
nγ =
⎜ ⎟ = 4,2 ⋅ 10 (1 + z ) Photonen/m3
2
π ⎝ hc ⎠
(6.11)
Andererseits gewinnen wir aus der kritischen Dichte (mP = Protonenmasse)
nB = Ω B ρ c / mP
(6.12)
Daraus folgt das Verhältnis der Baryonen zu den Photonen (mit Ω B = 0,04 und h2= 0,5)
n
(6.13)
η = B = 2,7 ⋅10 −8 Ω B h 2 = 6,1 ⋅10 −10
nγ
das konstant ist und nicht mehr von z abhängt. Es bedeutet, dass auf ein Baryon etwa
1,5 ⋅ 10 9 Photonen kommen, ein. Auf die Bedeutung dieses Ergebnisses werden wir im
nächsten und übernächsten Kapitel noch zurückkommen. Wir geben noch die Entropiedichte
s γ des Strahlungsfelds an. Sie ergibt sich aus
ds γ =
zu
du γ
T
= 4a BT 2 dT
70
(6.14)
4
s γ = a BT 3
3
(6.15)
Wir sehen, dass nγ proportional zur Entropiedichte ist mit
s γ = 3,6k ⋅ nγ
(6.16)
Die enorme Entropiedichte des kosmischen Strahlungsfelds ist schon ganz früh in der
Plasmaphase entstanden. Darauf werden wir später noch einmal zurückkommen.
6.4. Entkopplung von Strahlung und Materie.
In Fig. 6.1. gibt es einen Punkt, an welchem die Energiedichte der Strahlung und der Materie
übereinstimmen. Wir wollen diesen Punkt näher bestimmen und jetzt nur die baryonische
Materie berücksichtigen. Es soll sein
Ω r a −4 = Ω M h 2 a −3
(6.17)
oder
( z eq + 1) =
ΩM 2
h = 2730
Ωr
(6.18)
Mit Ω r = 4,67 ⋅ 10 −5 und Ω M = 0,26 erhält man Teq ≅ 7439 K . Die CMB-Daten ergeben
allerdings nur z eq = 3233 , was auf Teq ≅ 8813 K führt.
Die letzte Stufe bei der Bildung neutraler Atome ist die Vereinigung von Protonen und freien
+
−
0
Elektronen zu neutralem Wasserstoff, H + e → H . Dieser Prozeß markiert das Ende
der sogenannten Plasma-Periode. Unter Benutzung der Saha-Gleichung läßt sich die
entsprechende Temperatur Tr bestimmen.
3
n+ ne ⎛ 2πme kT ⎞ 2
=⎜
⎟ exp− χ H / kT
2
nH
⎝ h
⎠
(6.19)
n+ , nH und ne bedeuten die Protonen-Dichte, Dichte des neutralen Wasserstoffs und der
Elekronendichte. χ H = 13,6 eV ist die Ionisierungsenergie des Wasserstoffs. Wir dividieren
beide Seiten durch die Gesamtzahldichte
n = n+ + n H
(6.20)
Wir erhalten unter Verwendung des Ionisationsgrads x ⋅ n = ne = n+
3
n+ ne 1 ⎛ 2πme kT ⎞ 2
x2
= ⎜
⎟ exp− χ H / kT =
nH n n ⎝ h 2 ⎠
1− x
71
(6.21)
Wir wollen die Temperatur bestimmen, bei welcher nur noch die Hälfte des Wasserstoffs
ionisiert ist. Dann wird der Ionisationsgrad x = 1/2. Setzen wir noch
T = 2,728(1 + z )
(6.22)
und logarithmieren Gl. 6.19, so erhalten wir
[
log(1 / 2) = 20,99 − log Ω B 0 h 2 (1 + z )
3
2
]− 25050 /(1 + z )
(6.23)
Damit wird z r = 1360 und die Rekombinationstemperatur Tr ≅ 3700 K. Die Teilchendichte
der Wasserstoff-Atome ist sehr gering nrec = 3 ⋅ 10 4 Ω B h 2 cm −3 ≈ 600 cm −3 . Sie entspricht den
Dichten unter Ultrahochvakuum-Bedingungen im Labor (s. Peebles: Principles… p. 167)
Wann war dieser Zeitpunkt erreicht? Dazu berechnen wir die Evolutionszeit aus dem
folgenden Ausdruck
2
⎛ a& ⎞
2
3
4
(6.24)
⎜ ⎟ = H 0 (Ω M ( z + 1) + Ω γ ( z + 1) )
⎝a⎠
Bei großen Rotverschiebungen z bestimmen Masse und Strahlung das Integral. Daraus ergibt
sich für die seit dem Anfang verflossene Zeit t
1/ 2
⎡ 2 ⎛ ( z eq + 1) ⎞ 3 / 2
⎛ ( z eq + 1) ⎞
4⎤
⎜
⎟
⎜
⎟
⎢ ⎜
⎥
(6.25)
+
H 0 t = Ω ( z eq + 1)
2
−
⎜ ( z + 1) ⎟
⎟
3⎥
⎢⎣ 3 ⎝ ( z rec + 1) ⎠
⎝ rec
⎠
⎦
6
Mit der Hubblezeit t H = 13700 ⋅ 10 Jahre und Ω M = 0,26 ergibt sich für zrec = 1360 und
zeq = 3233
−1 / 2
M
−3 / 2
t ≅ 262 000 Jahre
Eine völlige Entkopplung von Strahlung und Materie wird erst erreicht sein, wenn die freie
Weglänge der Photonen die Größenordnung von c/Hr erreicht.
Achtung: zeq = 3233 wurde wie folgt bestimmt. Man bestimmt zunächst die Rotverschiebung,
bei welcher ε γ = ε M ist. Man erhält aus
z eq = 6059,6 . Dann addiert man gewöhnlich zu ε γ noch die Neutrino-Dichte hinzu und erhält
so 1,68 ⋅ ε γ = ε M . Damit wird zeq = 3233.
Die besten Werte für die Rotverschiebung bei der Entkopplung wurden von dem WMAPSatelliten gemessen. Danach ist
z c ≅ 1089 , T = 3000 K und die Zeit tc = 379000 Jahre,
wobei man berücksichtigen muss, dass die Entkopplung nicht plötzlich passiert sondern sich
über einen längeren Zeitraum der kosmischen Expansion einstellt. Die Strahlung wird
innerhalb des Plasmas an freien Elektronen gestreut, was eine Extinktion der
Strahlungsintensität I verursacht
72
I = I 0 exp− k S r = I 0 exp− τ
(6.26)
mit dem Extinktionskoeffizienten k = ne ⋅ σ e und ne der Elektronendichte. Besser schreibt
man in inhomogenen Systemen τ = ∫ ne (r )σ e dr . Der Extinktionskoeffizient k = lγ−1 ist dann
die reziproke mittlere freie Weglänge des Photons. Weiter ist der Thomson-Streuquerschnitt
der Elektronen
σ e = 6,6524 ⋅ 10 −29 m 2
. ne = x ⋅ ρ B / m p mit ρ B = 5,34 ⋅ 10 −19 kg/m3 bei z = 1089 . Die optische Tiefe τ konnte
WMAP aus der Polarisation der Hintergrundstrahlung zu τ = 0,09 ± 0,03 ermitteln. Daraus
und mit der Annahme von x = 0,1 finden wir eine freie Weglänge der Photonen von etwa
1500 pc. In Ergänzung zu Gl. 6.26 geben wir noch den Skalenparameter an, für den Fall, dass
die Strahlungsdichte dominiert
1
a 2 (t ) = (4 H 02 Ω r 0 ) 2 ⋅ t = 2 H 0 Ω
1
2
r0
⋅t
(6.27)
Oder
⎡ t ⎤
a(t ) = (4Ω 0 r ) 4 ⎢ ⎥
⎣tH ⎦
1
mit
1
2
⎡ t ⎤
≈ 0.119 ⋅ ⎢ ⎥
⎣tH ⎦
1
2
(6.28)
Ω 0 r = Ω γ = (2,489 ± 0,006) ⋅10 −5 h −2 und t H = 13,7 ⋅1010 Lj = 4,30 ⋅1017 s
6.5. Zusammenfassung
Die Mikrowellen-Hintergrundstrahlung ist eines der wichtigsten Fossile des heißen frühen
Universums. Die Strahlung ist isotrop und homogen bis auf Fluktuationen der Temperatur
von 10-5. Sie entspricht außerdem sehr genau einer Planck-Kurve, was sie als
Gleichgewichtsstrahlung ausweist Hier sind noch einmal die wichtigsten Größen des CMB
zusammengestellt:
T0 = 2,725 ± 0,002 K (WMAP) und T0 = 2,726 ± 0,002 K (COBE)
Photonendichte nγ = 410,4 ± 0,9 cm-3 (WMAP)
Baryon zu Photon Verhältnis η = (6,1 ± 0,25) ⋅ 10
−10
(WMAP)
Normierte Baryondichte Ω B = 0,044 ± 0,004 und Ω B h = 0,0224 ± 0,0009
2
Normierte Materiedichte Ω M = 0,23 ± 0,04 und Ω M h = 0,135 ± 0,009
2
Strahlungsdichte aT0 / c = (4,68 ± 0,009) ⋅ 10
4
2
Kritische Dichte 1,88 ⋅ 10
−34
g/cm3 (WMAP)
−29
h 2 g/cm3
−13
−14
Energiedichte der Strahlung ( 4,17 ± 0,01) ⋅ 10
erg/cm3 = ( 4,17 ± 0,01) ⋅ 10
Joule/cm3
Normierte Strahlungsdichte
Ω γ = (2,489 ± 0,006) ⋅ 10 −5 h −2 (Der Faktor h = 0,71
berücksichtigt die Unsicherheit von H0).
73
Zeit der Entkopplung (379 ± 8) ⋅ 10 Jahre
Rotverschiebung bei Entkopplung z = 1089
3
6.6. Literatur
Max Tegmark’s Cosmology Library
http://www.hep.upenn.edu/~max/cmb/experiments.html
G. Börner : The Early Universe. 2nd Ed. Springer-Verlag 2003
P.J.E. Peebles: Principles of Physical Cosmology. Princeton Univ. Press 1993
A. Jones and A. Lasenby : The Cosmic Microwave Background. Living
Reviews in Relativity. 1998-11
J.C. Mather et al. Astrophys. Journal. 345 L37 (1990)
D.N. Spergel et al. Wikinson Microwave Anisotropy Probe (WMAP) Three Year Results:
Implications for Cosmology
http://xxx.uni-augsburg.de/abs/astro-ph/0603449
6.7. Aufgaben
6.7.1. Warum ist der Himmelshintergrund dunkel und nicht vielmehr hell? Diese Frage stellte
1826 der deutsche Astronom Heinrich Wilhelm Olbers. Das Problem ist seitdem als
Olberssches Paradoxon bekannt. Zeige, dass in einem statischen unendlichen Universum der
Himmelshintergrund hell bleibt. Nimm weiter an, dass die Intensität der Sterne wie r-2 mit der
Entfernung abnimmt. Für die Dichte kannst Du einfache Annahmen machen.
Diskutiere das Paradox im Rahmen des kosmologischen Standardmodells. Sterne gibt es erst
seit etwa z = 10, also muss die Dichte von z abhängen, die Strahlung lässt sich durch eine
Planck-Kurve annähern, aber die Frequenzen ändern sich mit z. Diskutiere das
Standardmodell qualitativ. Was könnte man aus empfindlichen Messungen des
Himmelshintergrunds in verschiedenen Frequenzen lernen?
6.7.2. Benutze den allgemeinen Ausdruck für den Energie-Impulstensor in der Form
Tμν =
1
(ε + p ) ⋅ u μ uν − pg μν
c2
Schreibe ihn für das Ruhesystem hin und leite daraus Tμν als Diagonalmatrix her.
6.7.3. Zeige, dass der Tensor Tμν im Ruhsystem eine besonders einfache Form hat.
6.7.4. Leite die Diagonalglieder von
Tμν + g μν Λ
ab und zeige, dass sich aus Λ eine Zustandsgleichung der Form
74
p = −ε
ergibt.
75
7. Die Nukleosynthese der leichten Elemente.
7.1. Der heiße Strahlungskosmos.
Wie bereits im vorigen Kapitel erwähnt, waren G. Gamow und sein Mitarbeiter Alpher (1945)
die Ersten, die aus den kosmologischen Modellen Konsequenzen für einen heißen Anfang
zogen. Es ging um die Frage, ob nicht Protonen und Neutronen, während der Abkühlung der
heißen Phase der kosmischen Entwicklung zu Atomkernen kondensierten. Das trifft in der Tat
zu, aber wie sich etwas später herausstellen sollte, nur für die leichten Elemente (bis zu 7Li ),
da keine stabilen Kerne der Massen 5 und 8 existieren. So müssten z.B. für die Erzeugung von
12
C-Kernen drei 4He-Kerne aufeinander treffen. Für solche Dreierstöße ist aber die BaryonenDichte während der Entstehungsphase viel zu klein. Schwere Kerne können deshalb nur in
den dichten heißen Zentren massereicher Sterne erbrütet werden, wie Fred Hoyle 1946 zeigte.
Sein Kollege und Mitarbeiter Alfred Fowler, der 1983 mit dem Nobelpreis geehrt wurde, hat
Hoyles Leistung und Priorität in seiner Autobiographie ausdrücklich anerkannt.
Gamow, der keine Gelegenheit für einen guten Witz ausließ, hatte sich über den Erfolg des jüngeren Hoyle mit
einer Umdichtung der Genesis (Moses 1) verbreitet: Gott schuf die Elemente. Gott vergaß aber die Massen 5 und
8 aufzurufen, so konnten keine schweren Elemente gebildet werden. Gott war enttäuscht und wollte den Kosmos
wieder zusammenfallen und neu beginnen lassen. Aber Er besann sich auf eine höchst ungewöhnliche Art,
seinen Fehler zu korrigieren: Gott sprach: „Es werde Hoyle!“ Und es ward Hoyle. Und Gott sah ihn…..und
sprach zu ihm, er solle schwere Elemente machen, so wie es ihm gefällt. Und Hoyle entschied sich, schwere
Elemente in Sternen zu machen und sie durch Supernova-Explosionen auszustreuen.
Auf der anderen Seite kann die Häufigkeit von 4Helium, das 24% der Masse baryonischer
Materie ausmacht, nicht allein in Sternen entstanden sein. Dieser Anteil macht nämlich nur
wenige Prozent aus. Eine Erklärung der Häufigkeit von Helium macht darum den heißen
Anfang des Kosmos geradezu notwendig. Die Energie des heißen Plasmas sollte kleiner als
1 MeV gewesen sein, da die Bindungsenergie des Deuterons, eines wichtigen Zwischenglieds
der Big-Bang-Nukleosynthese bei 2 MeV liegt. Die Temperatur des kosmischen Plasmas
sollte deshalb unter 1010 K gefallen sein (1MeV = 1,160 ⋅1010 K). Wie groß war aber die
Dichte und welche Zeit verging seit dem Anfang des Kosmos?
Weil die Energiedichte des Strahlungsfelds sich wie ε r ∝ T 4 ∝ a −4 verhält, gilt
a0 T
=
a T0
(2.34)
Mit T0 = 2,725 ± 0,002 K aus den CMB-Messungen und a 0 = 1 wird der Skalenfaktor bei
einer Temperatur von T = 10 K nur noch a10 = 2,7 ⋅ 10
ist bei dieser Temperatur dann
10
ρB =
ρ c,0
a103
h2Ω B =
−10
betragen. Die Baryonendichte
1,88 ⋅ 10 −26
⋅ 0.50 ⋅ 0,04 = 18,5 ⋅ kg ⋅ m −3
2,023 ⋅ 10 − 29
(7.1)
aT 4
bestimmt mit
c2
(wobei hier nur die Freiheitsgrade der Photonen berücksichtigt
Die Gesamtdichte ist jedoch durch die Dichte der Strahlung ρ γ =
ρ γ (1010 K ) = 84,8 ⋅ 10 7 kg ⋅ m −3
wurden). Um die Zeit abzuschätzen, wann 1010 K erreicht wurden, gehen wir von Gl. (2.8)
und (2.30) aus und setzen die Strahlungsdichte ρ γ direkt ein.. Wir finden
76
a (t ) = 2 ⋅ Ω r 2
1
2
1
⎛ 32πGρ r ⎞ 2
⋅ H0 ⋅t = ⎜
⎟ t
3
⎠
⎝
(2.30)
oder
⎛ 32πGaT04
a(t ) = ⎜⎜
2
⎝ 3c
1
1
⎞ 4 12
⎟⎟ t = (1,8 ⋅ 10 −10 ) t 2
⎠
Wir rechnen aus dem Skalenparameter die Temperatur aus
⎛a
T = T0 ⎜ 0
⎜a
⎝
1
−
2
⎞
−1
⎟ = 2,725 ⋅ t
= 1.51 ⋅ 1010 ⋅ t 2 K
10
−
⎟
1,8 ⋅ 10
⎠
(7.2)
Damit erhalten wir T = 1,5 ⋅ 1010 nach t = 1,0 s oder T = 1,0 ⋅ 1010 nach 2,25 s. Werden die
Neutrinos mit berücksichtigt (s. G. Börner: The Early Universe. 4th Ed. 2003) , erhält man
T = 1010 K nach 3,16 s.
Wir entnehmen daraus, dass bis zur Abkühlung auf 109 K weitere 225 s = 3,75 Minuten
vergehen. Die Kernprozesse, um welche es sich hier handelt, spielen sich deshalb in den
ersten 3 Minuten des Kosmos ab. „Die ersten 3 Minuten“, das ist der (deutsche) Titel eines
populären Buchs über die Big-Bang-Nukleosynthese geschrieben von dem Nobelpreisträger
Steve. Weinberg.
7.2. Die Kernprozesse
77
Fig. 7.1. Netzwerk der Kerne der leichten Elemente. In der Abszisse ist die Zahl der Neutronen,
in der Ordinaten die Zahl der Protonen aufgetragen.
Bei Temperaturen T > 1010 K und Zeiten kürzer als eine Sekunde sorgen die Reaktionen
p + e − ↔ n + v und n + e + ↔ p + v
(7.4)
für thermisches Gleichgewicht, wobei das Neutron zu Proton Verhältnis durch
den Boltzmann-Faktor
n
Q
= exp−
p
kT
(7.6)
bestimmt ist. Hier ist Q die Differenz der Ruhenergien (1MeV = 1,160 ⋅1010 K).
Q = (mn − m p ) c 2 = 1,2934 MeV
(7.7)
n/p nähert sich eins, wenn T > 1,5⋅1010 K und die Zeit t < 1 s wird. Bei Temperaturen T <
1010 K verschiebt sich das Gleichgewicht zu Ungunsten der Neutronen; denn die Neutronen
haben eine etwas größere Masse und zerfallen mittels der schwachen Wechselwirkung in die
Endprodukte
n → p + e− + v
(7.8)
Die Lebensdauer der Neutronen wurde im Labor sehr genau zu
881,5 ± 1,5 s
(7.9)
bestimmt. Gäbe es keine weiteren Kernreaktionen, dann würde der Kosmos
nur aus Wasserstoff bestehen. Aber die Lebensdauer der Neutronen τ n reicht aus, um eine
andere Reaktion ins Spiel zu bringen
p+n↔d +γ
(7.10)
Die Neutronen überleben in Deuteronen, deren Bindungsenergie beträgt
Δ D = 2,23 MeV
(7.11)
Zunächst verzögern noch Photonen mit Energien E > Δ D die Bildung von Deuteronen (s.
Rückreaktion Gl. 7.10). Die wirksame Photonendichte nγ für die Rückreaktion (7.10) verhält
sich wie folgt
nγ ∝ η −1 ⋅ exp−
ΔD
kT
(7.12)
wobei η = 6,1⋅10 −10 (WMAP) das Verhältnis Baryonen zu Photonen bedeutet (s. Gl. 6.13).
Eben weil mehr als 109 Photonen auf ein Nukleon kommen, liegen die Bildungstemperaturen
allgemein etwa einen Faktor 30 niedriger als eine Abschätzung allein aus den
Bindungsenergien ergibt. Wenn die Temperatur auf 109 K sinkt, überflügelt die Bildungsrate
die Photodissoziationsrate. Deuteronen bilden sich und können zu He4 weiter reagieren.
78
d + n → H
H
3
+ γ
+ p → He
4
+ γ
d + p → He
3
+ γ
3
He
3
+ n → He
4
(7.12)
+ γ
Diese Reaktionen enden alle bei He4, das eine große Bindungsenergie von
Δ He = 28,30 MeV
besitzt. Noch rascher als die Reaktionen 7.12 mit elektromagnetischer Wechselwirkung
verlaufen die folgenden Prozesse der starken Wechselwirkung
d + d → He 3 + n
d + d → H3 + p
H 3 + n → He 4 + n
(7.13)
He 3 + d → He 4 + p
Nach einigen hundert Sekunden und Temperaturen von etwas unter 109 K sind praktisch alle
Neutronen in He4-Kernen gebunden.
Fig. 7.2. Die Anteile der verschiedenen Isotope und ihre Änderung mit Zeit und Temperatur.
Das Häufigkeitsmaximum des Deuteriums liegt bei etwa 109 K. Danach wird es in den
Reaktionen 7.12 und 7.13 im Wesentlichen zu Helium abgebaut.
79
Wie groß ist am Ende der Anteil des Heliums an der baryonischen Gesamtmasse? Die
Temperatur, bei welcher die Neutronen „ausfrieren“, beträgt etwa 1010 K oder 0,9 MeV. Mit
diesem Wert ergibt Gl. 7.6
n
= 0,223
p
(7.14)
Aus Fig. 7.2. ist ersichtlich, daß die Bildung von He4 erst einen Sättigungswert erreicht, wenn
Neutronen bereits wieder zerfallen, wodurch der Wert von n/p
auf etwa n/p ≈1/7= 0,143 absinkt. Der Anteil Y von Helium an der Gesamtmasse wird dann
Y=
2n p
≅ 0,25
1+ n p
(7.15)
Alle schwereren Isotope bis Li7 kommen in sehr geringer Häufigkeit vor. Damit ist die
Synthese leichter Elemente abgeschlossen. Um C12 zu bilden, sind Dreierstöße notwendig.
Dazu aber ist die Baryonendichte des kosmischen Plasmas viel zu gering. Das Erbrüten von
Kohlenstoff 12 kommt erst in den entarteten Zentren massereicher Sterne in Gang, worauf
zuerst Fred Hoyle hingewiesen hat.
80
Fig. 7.3. Die berechneten Häufigkeiten der leichten Elemente in Abhängigkeit der
Baryonendichte. Die gemessenen Werte liegen etwa im Bereich der grauen Vertikalen
Das erstaunliche Ergebnis: Vorausgesetzt es hat einen heißen Beginn der kosmischen
Entwicklung gegeben, dann finden wir die Isotope der leichten Elemente mit Häufigkeiten,
die sich über einen Bereich von 10 Größenordnungen erstrecken. Um die Häufigkeiten zu
berechnen, ist nur die Kenntnis der Reaktionsraten der Kernprozesse notwendig, mit
Parametern die größtenteils aus Labormessungen bekannt sind. Eine weitere Voraussetzung
ist die Kenntnis des Verhältnisses von Baryonen- zu Photonenzahl und schließlich Zahl der
Neutrinos, die bei allen schwachen Wechselwirkungen eine Rolle spielen. Um die
2
gemessenen Häufigkeiten zu erhalten, sollte ΩB im Bereich 0,009 < Ω B h < 0,025 liegen
und die Zahl der Neutrinos 3 sein.
7.3. Ergebnisse der Beobachtungen
Beginnen wir mit den Messungen der Heliumhäufigkeit. Allerdings muß eingeräumt werden,
dass nach Fig. 7.3 andere Parameter, wie z.B. die Baryonendichte kaum von der Häufigkeit
des ursprünglich gebildeten (primordialen) Heliums abhängen. He4 wird in sogenannten HIIGebieten (Wolken ionisierten Wasserstoffs mit Hα-Emission) beobachtet. Man sucht
Fig. 7.4. Massenanteil von He4 , Y , aus der kosmischen Nukleosynthese (primordiales Helium).
Mit der Zunahme schwerer Elemente im interstellaren Gas nimmt auch die He4-Häufigkeit zu.
Nach B.D. Fields, K.A. Olive, Astrophys. J. 506, 177 (1998)
dabei besonders nach Gebieten, in welchen noch wenig Sternentwicklung stattgefunden hat,
um zu vermeiden, daß Helium aus der Kernfusion der Sternen das Ergebnis beeinflußt. Solche
Gebiete befinden sich z.B. in sogenannten „kompakten blauen Zwerggalaxien“, die als relativ
junge Gebilde des Kosmos angesehen werden. Tatsächlich erkennt man aus Fig. 7.4 eine
positive Korrelation mit der Zunahme schwerer Elemente (hier angegeben durch den
Massenateil von Sauerstoff bzw. Stickstoff). Diese Zunahme wird verursacht durch Abstoßen
81
von Hüllen im Riesenstadium der Sterne sowie durch Supernova-Explosionen, durch welche
die Produkte der Kernreaktionen aus dem Inneren der Sterne in das interstellar Gas gelangen.
Es ist also sinnvoll, die Helium-Häufigkeit Y (s. Fig. 7.4) gegen den Anteil schwerer
Elemente, Z, aufzutragen und dann gegen Z = 0 zu extrapolieren. Das Ergebnis für
„primordiales“ Helium ist
Yp = 0,238 ± 0,002 ± 0,005 ,
wobei die erste Fehlerangabe statistischer, die zweite sytematischer Natur ist. Die Ergebnisse
anderer Bestimmungen (M. Peimbert , A. Peimbert, M.T. Ruiz, Astrophys. J. 541, 688 (2000)
und A. Peimbert, M. Peimbert, V. Luridiana, Astrophys. J. 565, 668 (2002) bewegen sich in
der gleichen Fehlerbreite.
Zur Bestimmung der Konzentration von Li6 und Li7 eignen sich metallarme, heiße Sterne der
Population II in unserer Galaxis. Bei geringem Anteil schwerer
Elemente Z beobachtet man keinen Einfluß auf die Li-Häufigkeit. Erst bei relativ großem Z
(hier als Fe/H aufgetragen) steigt die Li-Häufigkeit an, was auf
Fig. 7.5. Die Häufigkeit der Lithium-Isotope aufgetragen gegen die Häufigkeit von Eisen. Nach
S.G. Ryan et al., Astrophys. J. 530, L57 (2000); S.G. Ryan, J.E. Norris, T.C. Beers, Astrophys. J.
523, 654 (1999).
Kernreaktionen durch kosmische Strahlung zurückgeführt werden kann. Wenn in Sternen der
Pop. II Lithium durch Konvektion in die heißen zentralen Zonen gelangen würde, ginge ein
signifikanter Teil durch Fusionsreaktionen verloren. Wie groß dieser Anteil ist, bleibt
unbekannt. Allerdings spricht die geringe Streuung der Daten in Fig. 7.5 bei kleinen
Konzentrationen schwererer Elemente eher gegen solche Prozesse. Damit erhält man
[Li / H ]p = (1,23 ± 0,06 +−00,,6832+0,56 ) ⋅ 10 −10
82
die letzten Fehlerangeaben (kleingedruckt) beziehen sich auf den schon erwähnten Abbau von
Li durch Konvektion in den Sternen der Pop II.
Die Anwesenheit von Deuterium wurde in hoch aufgelösten Spektren von Quasaren mit
großer Rotverschiebung entdeckt. Die Absorption von Deuterium in primordialen Gaswolken
ist gegenüber der Lyα-Absorption um 2,7 Promille langwellig verschoben. Nimmt man nun
an, dass es sonst keine astrophysikalischen Quellen von Deuterium gibt (dagegen kann
Deuterium durchaus abgebaut werden), dann ergeben die Messungen eine untere Grenze des
Deuteriumgehalts (s. dazu Fig. 7.6). Die Streuung der Ergebnisse ist ziemlich groß und zwar
sowohl bei QSO-Beobachtungen als auch bei
× 10 5
Fig. 7.6. Links beobachtete Häufigkeit von Deuterium und im interstellaren Medium. Rechts
He3-Häufigkeit in galaktischen H II-Regionen. Die Skala der Ordinaten ist ebenfalls mit 105 zu
multiplizieren. Nach B.D. Fields et al., Astrophys. J. 563, 653 (2002) und D.S. Balser et al.
Nature 415, 54 (2002)
Ergebnissen aus dem Interstellaren Medium, was möglicherweise auf Prozesse, welche
Deuterium abbauen, hinweist. Deshalb lässt sich die Häufigkeit von Deuterium nur in relativ
weiten Grenzen angeben
1,3 ⋅ 10 −5 < [D / H ] p < 9,7 ⋅ 10 −5
Für He3 gibt es nur Beobachtungen im Sonnensystem und H II Wolken in unserer Galaxie,
aus welchen sich eine Obergrenze angeben lässt
[He
3
/H
] < (1,9 ± 0,6) ⋅ 10
p
83
−5
Fig. 7.7. 3He-Häufigkeit im Abstand vom galaktischen Zentrum zur besseren Übersicht noch
einmal aus Fig.7.6. rechts heraus gezeichnet (nach Einstein Online).
Wie Fig. 7.7. zeigt, hängt 3He-Häufigkeit kaum von der Lage in der Galaxie ab. Stattdessen
würde man vermuten, dass der Einfluss stellarer Nukleosynthese umso größer ist, je näher die
entsprechende Region zum galaktischen Zentrum liegt. Dass davon kaum etwas zu sehen ist,
zeigt in diesem Fall, dass unser Verständnis der stellaren Nukleosynthese von 3He noch
Einiges zu wünschen übrig lässt.
Wenn man den Werten für Deuterium Vertrauen schenkt, liegt die relative Baryonendichte im
Bereich von
0.0095 ≤ Ω B h 2 ≤ 0,023
Die neuesten Daten des WMAP-Satelliten ergeben Ω B h = 0,0224 ± 0,0009 und für das
Verhältnis Baryonen/Photonen
2
η = 6,1⋅10 −10 ± 0,3
Die folgenden beiden Figuren dienen zum Vergleich von Theorie und Beobachtung. Im
Wesentlichen sind die Ergebnisse von Fig. 7.3. heraus vergrößert worden.
84
Fig. 7.8. zeigt den breiten Bereich der Häufigkeiten, in welchem 4He beobachtet wurde und die
dazu die berechnete Kurve. Die gelbe Vertikale gibt das von WMAP bestimmte η an.
7.9. Gemessene Häufigkeiten von D, 3He und 7Li im Vergleich zu Berechnungen (durchgezogene
Linien) nach Vangioni, Intitute d’Astrophysique de Paris.
7.4. Zusammenfassung
Die leichten Elemente Deuterium, Helium und Lithium sind in den ersten 3 Minuten des
Kosmos bei Temperaturen zwischen 1010 und 109 Kelvin entstanden. Die kosmologische
Nukleosynthese bleibt bei 7Li stehen; denn es gibt keine stabilen Elemente mit den
Massenzahlen 5 oder 8. Die Synthese von 12C schließlich läuft über Stöße von 3 α-Teilchen
ab, was viel höhere Dichten erfordern würde.
85
Die 4He-Häufigkeit liegt bei 0,24 (Massenanteilen), die von Deuterium zwischen 10-4 und 105,
von 3He bei 1 - 2·10-5 und 7Li bei 1 - 2·10-10. 4He ist nur wenig abhängig vom Baryon-zuPhoton-Verhältnis η. Eine größere Empfindlichkeit zeigen D und 3He. Außer bei 7Li, mit
einer Abweichung Faktor 2, stimmen berechnete und gemessene Werte gut überein, was über
10 Größenordnungen der Häufigkeiten doch ein großer Erfolg ist.
7.5. Literatur
H. Reeves: On the Origin of the light elements (Z < 6). Rev. Mod. Phys. 66, 193 (1994)
D.N. Schramm and M. Turner: Big bang nucleosynthesis enters the precision era. Rev. Mod.
Phys. 70, 303 (1998)
S. Sarkar, Measuring the baryon content of the universe: BBN vs CMB
astro-ph/0205116
K. Hagiwara et al. : Big Bang Nucleosynthesis. Phys. Rev. D66, 010001-1 (2002)
G. Steigman : Primordial Nucleosynthesis. astro-ph/0308511
B.D. Fields, K.A. Olive, Astrophys. J. 506, 177 (1998)
D.S. Balser et al. Nature 415, 54 (2002)
B.D. Fields et al., Astrophys. J. 563, 653 (2002)
S.G. Ryan et al., Astrophys. J. 530, L57 (2000)
S.G. Ryan, J.E. Norris, T.C. Beers, Astrophys. J. 523, 654 (1999).
C. Charbonnel, F. Primas: The Lithium Content of the Galactic Halo Stars
http://arxiv.org/abs/astro-ph/0505247
The Big Bang Nucleosynthesesis Homepage
http://www.physics.ohio-state.edu/~phillips/bang/bang.html
Einstein
online:
Big
Bang
online.info/en/spotlights/BBN_obs/index/html
Nucleosynthesis.
http://www.einstein-
7.5. Aufgaben.
7.5.1 Berechne, wie groß die mittlere kinetische Energie bzw. die Temperatur im Moment
der ersten Sekunde nach dem „Big Bang“ war. Benutze dazu nur die Temperatur der
Hintergrundstrahlung von T0 = 2,725 K und vernachlässige andere Effekte außer der
Strahlung (s. Gl. 2.8 und 2.20).
7.5.2 Wie groß war das Neutron zu Proton-Verhältnis nach der ersten Sekunde?
86
7.5.3 Bestimme die freie Weglänge des Lichts zur Zeit der Rekombination bei z = 1089 mit
dem Ionisationsgrad x = 0,1 und der optischen Tiefe τ = 0,09. Achtung: Du brauchst
dazu ρb = ρch2Ωb(z + 1)3 und den Thomson-Streuquerschnitt für Elektronen
σ e = 6,65 ⋅ 10 − 29 m 2 .
87
Herunterladen