Politik Stephanie Kern Auswirkungen der Wiedervereinigung Essay 1 Freie Universität Berlin Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft Berlin PS 15055: Transformation Ostdeutschlands - Eine ökonomisch - soziale und gesamtdeutsche Bilanz SoSe 2005 Essay Auswirkungen der Wiedervereinigung Deutschland „getrennt vereint“? Stephanie Kern 2 Essay Der Prozess der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten hat sich in einer Zeitspanne von nur einem Jahr in einem enormen Tempo vollzogen. Innerhalb dieser sehr kurzen Zeit haben auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gravierende Veränderungen in Form von: 1. der Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik am 01. Juli 1990, 2. der Herstellung einer staatlichen Einheit nach Art. 23 GG am 03. Oktober 1990 und 3. der Länderbildung am 14. Oktober 1990 für die Entwicklung föderaler Strukturen institutionell begonnen, welche ihren Abschluss in Landtagswahlen sowie dem Erlass von Landesverfassungen fanden. Ende des Jahres 1989 war der Zusammenschluss zweier Staaten zu einem formal völlig neuen Staat noch geplant, doch aufgrund einer Entscheidung der Bundesregierung kam es im Einigungsvertrag zu Verhandlungen über den Beitritt des einen Staates zum anderen. Zum Gegenstand dieser Verhandlungen Anpassungsfristen und -modalitäten wurden nun vielmehr Detailregelungen über für den Beitrittswilligen, welcher die gegebenen Strukturen, in die er sich eingliedern wolle, akzeptieren müsse. Um die Angleichung der Wirtschaft und der Gesellschaft der DDR an die Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten, stellte der Bundeskanzler am 28.11.1989 einen sogenannten 10-Punkte-Plan auf. Noch vor seiner Ausgestaltung war dieser auch schon wieder vom Tisch und es folgte nur wenig später das Angebot der BRD an die DDR einer Währungs -und Wirtschaftsunion. Dieses Angebot wurde von der DDR, hoffend auf das Wundermittel D-Mark, angenommen. So ging die Wirtschaftseinheit der staatlichen Einheit voraus. Dies stelle einen gravierenden Fehler in der Geschichte der Einheit dar, so dass behauptet wird „vor allem die Währungsunion hätte nicht am Anfang der wirtschaftlichen Einigung stehen dürfen, sondern besser ihren erfolgreichen Abschluss markiert.“1 Aufgrund der frühen Währungsunion war die DDR-Gesellschaft mit einem Schlag chaotisiert. Es wurde einfach keine Zeit gelassen, die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zu verbessern bzw. das Wohlstandsgefälle zwischen Ost und West zu verringern. Im Zuge des Staatsvertrags zur Wirtschafts- und Währungsunion erließ die wiedergewählte Volkskammer das Ländereinführungsgesetz am 22.07.1990, welches aus der zentralistischen DDR einen Bundesstaat machen sollte. Mit 1 Abromeit, S.83 3 diesem Vertrag wurden die Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wieder eingeführt. In den neuen Ländern war ein wachsender Finanzierungsbedarf aufgrund überfälliger Sanierungsaufgaben zu beobachten. Stetiger Wachstum der wirtschaftlichen und finanziellen Probleme in der DDR wurde sichtbar, so dass sich die DDR-Wirtschaft nach der Wirtschaftsund Währungsunion im freien Fall befand. Doch auch in der Bundesrepublik gab es finanzpolitisch Verteilungskonflikte zwischen Bund und Ländern, welche bereits seit den 80er Jahren existierten. Diese Konflikte brachen im vereinten Deutschland in einer bis dahin unbekannten Schärfe auf, basierend auf dem dominierenden Problem der Bund-Länder-Beziehungen. Die unterschätzten Finanzlasten, welche die Einheit nach sich zog, führten schon frühzeitig zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Bund und den westlichen Ländern über die Lastenverteilung. Hierbei traten die parteipolitischen Konfliktlinien zunächst in den Hintergrund, weil die Einheit von den Parteien gewollt war und auch keine Partei ein geeignetes Programm für den Vereinigungsprozess vorweisen konnte. Die westdeutschen Länder waren 1990 der Meinung, dass der Bund die Hauptlasten der Finanzierung der Einheit zu tragen habe, da dieser die Einheit auch ohne Einbeziehung der Länder ausgehandelt habe. Als Folge von Entscheidungen der politischen Eliten der alten Bundesrepublik im Transformations- und Vereinigungsprozess entstand eine so genannte dualistische Einigungsgesellschaft, welche auf der Konstituierung einer ostdeutschen Teilgesellschaft basiert. In Folge der gravierenden Veränderungen nach 1990 – von einer ökonomischen Schocktherapie, über eine einseitige Präferierung der politischen Institutionen - und Elitentransfers von West nach Ost, bis hin zur Verweigerung der kulturellen „Anerkennung“ der Ostdeutschen – stellte sich die Frage heraus, ob Deutschland „getrennt vereint“ sei bzw. woran es liegt, dass nicht zusammenwächst, was zusammengehört. Sind die Deutschen „getrennt vereint“ ? Im Fokus dieser Frage steht das wahrscheinlich größte Problem, die Angleichung der Lebensverhältnisse. Das Grundgesetz setzt diesbezüglich den Maßstab der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse als großes Ideal. Dies steht jedoch stetig in der Diskussion, da die Meinungen über die Umsetzung dessen weit auseinander gehen und davon ausgegangen wird, dass die eigentliche Zielsetzung nicht aufrecht zu erhalten bleibt. Die Angleichung der ostdeutschen an die westdeutschen Lebensverhältnisse stellt in vielen Lebensbereichen gravierende Probleme heraus, welche dazu beitragen, dass von einer