Sportpsychologie / 4Vo Dr. Sabine Würth 2006 Lernen 1. Definition Lernen = bewusster Erwerb von Wissen, Kenntnissen, Fähigkeiten etc. unter mehr oder minder großer Anstrengung Bsp.: Lernen von Lesen, Rechnen, Schreiben, Rolle vorwärts etc. im Schulunterricht „Mit Lernen wird ein Vorgang bezeichnet, der aufgrund der Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen zu relativ stabilen Änderungen im Verhaltenspotential einer Person führt.“ Singer und Munzert (2000) 1.2. Lernen schließt aus: - Änderungen durch Wachstum oder Reifung (z.B. Laufen lernen) bzw. biologische Anpassungsprozesse Kurzfristige, reversible Änderungen durch Ermüdung, Drogenkonsum, Krankheit, etc. 2. Lerntheorien 3 große Richtungen: - Verhaltenstheoretisch (Behaviorismus) - Kognitiv - Handlungstheoretisch 2.1. Behavioristische Lerntheorien - Experimentelle Verfahren, v.a. mit Tieren „Lernen“ anstelle von „Denken“ Stimulus-Response-Mechanismen (S-R-Information) 2.1.2. Zwei bedeutende Lernprinzipien - - Klassisches Konditionieren: o Iwan Pawlow o John Watson und Rosalie Rayner Instrumentelles Konditionieren Operantes Konditionieren o Edward Thorndike o Burrhus Frederik Skinner Seite 1 von 5 Sportpsychologie / 4Vo Dr. Sabine Würth 2006 2.1.2.1. Klassisches Konditionieren 2.1.2.1.1. Grundidee (Pawlow 1849-1936) 2.1.2.1.2. Prinzip Eine Reaktion kann durch einen vormals neutralen Stimulus ausgelöst werden, wenn dieser Stimulus zusammen mit dem „eigentlichen“ Stimulus dargeboten wird. wichtig: - zeitliche Nähe der beiden Stimuli - Häufigkeit der gekoppelten Darbietung - Wirkung des so konditionierten Stimulus lässt nach, wenn der Stimulus wiederholt allein dargeboten wird Beispiele.: „Der kleine Albert“ (Watson & Rayner, 1920) klassische Konditionierung „Der kleine Peter“ (Jones, 1924) Gegenkonditionierung Erste Konditionierungsversuche bei Menschen (Konditionierung von Angst) – heute nicht unumstritten! 2.1.2.2. Instrumentelles Konditionieren Law of effect (nach Thorndike): Ein Verhalten, das eine angenehme Konsequenz hat, wird wiederholt (und umgekehrt) Bsp.: Katze im Käfig 2.1.2.2.1. Prinzip Verhaltensweisen oder Reaktionen, die bestimmte Folgen haben, dienen als Mittel oder Instrument, die Wiederholung dieses Verhaltens zu verstärken oder zu entmutigen (= instrumentelles Lernen) wichtig: - instrumentelles Verhalten (IV) wird durch Konsequenz (K) geformt - vorausgehende Stimuli gelten als Hinweisreize (SD) SD – IV K Seite 2 von 5 Sportpsychologie / 4Vo Dr. Sabine Würth 2006 2.1.2.3. Operantes Konditionieren 2.1.2.3.1. Weiterentwicklung (Skinner) Begriff: - von Bedeutung sind allein unmittelbar beobachtbare Reize, Reaktionen und die Auswirkungen von Verstärkern - Kontingenz = Beziehung zwischen Verhalten und Konsequenz (wie wahrscheinlich tritt dieselbe Konsequenz bei einem Verhalten auf) - Differenzierte Betrachtung von Konsequenzen 2.1.2.3.2. Konsequenzen 2.1.2.3.3. Verstärker Formen von Verstärkern: - Primäre Verstärker: Konsequenzen, die angeborene Bedürfnisse befriedigen z.B.: Zärtlichkeiten, Nahrung Sekundäre Verstärker: ursprünglich neutrale Konsequenzen, die durch Koppelung mit primären Verstärker verstärkende Wirkung erhalten z.B.: Geld Arten von Verstärkern: - materiell sozial Aktivität informativ 2.1.2.3.3.1. Anwendung von Verstärkern - Verstärkung unmittelbar nach dem Verhalten erzielt die beste Wirkung Zwei Grundmuster: o kontinuierliche Verstärkung (immer) o Intermittierende Verstärkung (gelegentlich) Wirkung unterschiedlich Seite 3 von 5 Sportpsychologie / 4Vo Dr. Sabine Würth 2006 2.2. Kognitive Lerntheorien - Abwendung von mechanischen S-R-Verbindungen wichtig sind kognitive Komponenten, z.B. o Wahrnehmungen o Erwartungen o Präferenzen 2.2.1. Theorien und Ansätze - Lernen durch Einsicht: o Wolfgang Köhler Sozial-kognitive Theorie: Lernen am Modell o Albert Bandura 2.2.1.1. Lernen am Modell Beobachtungslernen, Imitationslernen, stellvertretendes Lernen Sozial-kognitiver Ansatz: Die Wahrnehmung eines Modells „beeinflusst“ einen Beobachter MB 2.2.1.2. Prinzipien des Modelllernens: - es können komplexe Verhaltensweisen gelernt werden, nicht nur einzelne Reaktionen Modelle können real beobachtet werden (konkrete Personen), aber auch symolisch (z.B. im Film oder in Büchern) man muss unterscheiden zwischen Aneignung neuer Verhaltensmuster und der Ausführung 2.2.1.3. Effekte - der Beobachter erwirbt neue Verhaltensweisen (neue Reaktionen bzw. Neukombination bekannter Reaktionen) bereits erlernte Verhaltensweisen werden verstärkt oder gehemmt (je nachdem, welche Konsequenzen das Modell erfährt) bereits gelerntes Verhalten wird ausgelöst Interaktion von vier Subsystemen: - Aufmerksamkeit Gedächtnis Motorische Reproduktion Verstärkung und Motivation Lernen am Modell ist am wirksamsten, wenn… - das Modell dem Beobachter ähnlich ist (Geschlecht, Alter, Herkunft) und emotional positiv verbunden ist - das Modell Prestige, Macht und Intelligenz verkörpert - klare, gut erkennbare und nicht zu komplexe Verhaltensmuster ausreichend lange präsentiert werden - der Beobachter die notwendigen kognitiven Voraussetzungen mitbringt Seite 4 von 5 Sportpsychologie / 4Vo Dr. Sabine Würth 2006 2.2.1.4. reale vs. symbolische Modelle Vorteile: - Real: - Symbolisch: spontan, flexibel einsetzbar, „echt“ genau „präparierbar“, beliebig oft wiederholbar Nachteile: - Real: - Symbolisch: kann auch unerwünschtes Verhalten zeigen (z.B. Angst) kann künstlich wirken 2.3. Lernen von Bewegung Bewegungslernen ist intentional und als Lernen von Bewegungshandeln zu verstehen - Ansätze der klassischen Lerntheorien (z.B. S-R-Schemata) greifen kurz Basis: Handlungstheoretischer Ansatz o Integriert die kognitivistischen und mechanistischen Ansätze o Lernen = richtiges Verhältnis zwischen Einsicht, Denken, Wahrnehmen etc. und motorischer Reproduktion Seite 5 von 5