Weitere Files findest du auf www.semestra.ch/files DIE FILES DÜRFEN NUR FÜR DEN EIGENEN GEBRAUCH BENUTZT WERDEN. DAS COPYRIGHT LIEGT BEIM JEWEILIGEN AUTOR. 1 André Chatelain 30.1.03 Eigene kurze Übersichtszusammenfassung Soziologie Einführungsstudium 1.Semester WiSo 2002/03 Kapitel 1, Die soziologische Perspektive Fünf Schlüsselbegriffe: Wie andere Wissenschaften benutzt die Soziologie spezifische Begriffe, um ihre Analyse sozialer Phänomene zu organisieren und spezifische Gegenstände und Probleme in den Vordergrund zu rücken. Viele soziologische Begriffe und Fachausdrücke sind in die Alltagssprache eingedrungen, wie etwa „peer-group“ und Sozialisation, allerdings haben sie im soziologischen Kontext eine präzisere Bedeutung. Wir führen im folgenden 5 soziologische Schlüsselbegriffe ein, die es uns erlauben, die wichtigsten Dimensionen des sozialen Lebens zu erfassen. 1. Sozialstruktur: Bezeichnet ein Muster von Beziehungen, Positionen und Mengen von Individuen. Dieses Muster bildet das Grundgerüst der sozialen Organisation einer Population, gleichgültig ob Gruppe od. Gesellschaft. Beziehungen entstehen, sobald Menschen in relativ stabile Muster spezifischer Interaktionen (Ehen etc.) eintreten. Positionen (Status) sind anerkannte Plätze im Netz sozialer Beziehungen. 2. Soziales Handeln: Bezeichnet ein Verhalten, für das wir uns bewusst entscheiden, das also nicht instinktiv oder reflexhaft ist. Wir sprechen von sozialem Handeln weil es sich auf andere Menschen bezieht und zweitens von Bedingungen abhängt, die andere Menschen geschaffen haben. Gerade das Heranreifen zu einem Individuum („Menschwerdung“) ist ein sozialer Prozess. Wir lernen vorwiegend mittels sozialer Beziehungen eine Sprache, Werte, Normen und ganz allgemein, wie man etwas macht. 3. Kultur: Kultur ist eine mehr od. weniger integrierte, den Lebensstil von Menschen prägende Muster von Weisen des Denkens, Verstehens, Bewertens und Kommunizierens. Viele unserer Merkmale, die für und das spezifisch Menschliche ausmachen Sprache, Moral, Technik und Fertigkeiten - sind kulturelle Elemente, die wir durch soziale Beziehungen erlernen - zuerst innerhalb der Familie und später durch Teilnahme an kulturellen Institutionen wie Schulen. Die Kultur stellt die gemeinsamen Ressourcen des Denkens und Handelns bereit, dessen wichtigste die Sprache ist. 4. Macht: Macht ist die Fähigkeit eines sozialen Akteurs, den Gang der Ereignisse oder die Struktur einer sozialen Organisation zu bestimmen. Sie kann ausgeübt werden gegen den Willen anderer Akteure, damit sie Dinge tun, die sie sonst nie täten, oder um ihren Willen zu bestimmen. 5. Funktionale Integration: Der Ausdruck „Funktion“ bezeichnet den Beitrag, den jede soziale Beziehung, Position, Organisation, jeder Wert oder jede Eigenschaft einer Gesellschaft für das 2 soziale System als Ganzes leistet. In einem funktional integrierten System wird jeder Teil von seinen Beziehungen zu den anderen Teilen beeinflusst und ist von ihnen abhängig. Gelegentlich kommt es vor, dass ein soziales Teilsystem das effiziente Funktionieren des Gesamtsystems unterminiert, in welchem Fass es „dysfunktional“ ist. So behaupten Kritiker, die neuen Reproduktionstechnologien seinen dysfunktional, weil sie erstens Ressourcen von anderen, dringenderen Bedürfnissen abzögen (med. Versorgung, Ernährung etc.) Die Soziologie als Wissenschaft: Die wissenschaftliche Methode: Wissenschaft: Systematische Naturbeobachtung, objektive Interpretation unserer Wahrnehmungen, ständige Suche nach Kausalbeziehungen und logische Ordnung unseres Wissens mittels Theorien. Alle Wissenschaften die wir heute kennen - von der Physik über die Biologie bis zur Ökonomie und Soziologie - haben ihre Wurzeln in dieser wissenschaftlichen Revolution. Sie basiert auf zwei Grundprinzipien, die bis heute für die Wissenschaft von zentraler Bedeutung sind. Das erste Prinzip ist die empirische Beobachtung. Die wissenschaftliche Methode stützt sich auf empirische Beweise, nicht bloss auf Meinungen, ungeprüfte Vermutungen oder Hörensagen. Das zweite Prinzip ist die logische Analyse. Vom Standpunkt der Wissenschaft haben wir etwas erst verstanden, wenn wir es rational erklären, wenn wir unser Verständnis in eine logische Form bringen können. Empirische Beobachtung: Etwas empirisch zu beobachten, klingt ziemlich unproblematisch, als würde es genügen, einfach hinzusehen. In Wahrheit ist es weit komplizierter. Soziologen müssen ihre Beobachtungen in Daten umwandeln, d.h. in Informationen, die für die Beantwortung soziologischer Fragen in besonderer Weise nützlich sind. Das erfolgt in 3 Schritten: 1. Abstraktion, der Soziologe muss die Merkmale des beobachteten Phänomens abstrahieren, die relevant sind. 2. Interpretation 3. Replikation, d.h. die gleiche Untersuchung muss in einer anderen Umgebung mit anderen Probanden (Versuchspersonen) wiederholbar sein, so dass man feststellen kann, ob sie zu dem gleichen Resultat führt. Logische Analyse: Im ersten Schritt müssen wir uns entscheiden, welche Fragen wir untersuchen wollen. Die Analyseeinheiten sind ausdifferenzierte Teile eines grösseren, komplexeren Ganzen. Als nächster Schritt erfolgt die Ermittlung der Beziehungen zw. den Analyseeinheiten, seien dies Individuen, pers. Beziehungen, kulturelle Überzeugungen oder Organisationsstrukturen. Eine wesentliche Aufgabe ist es herauszufinden, welches der zahlreichen Elemente in einer sozialen Umgebung den grössten Einfluss auf die anderen hat. Als dritter Schritt erfolgt die Theorienbildung. Eine Theorie ist der systematische Versuch, Beziehungen explizit zu machen und deren Wirkung zu erklären. Wissenschaftliche Theorien basieren auf Gesetzeshypothesen und Fakten, die durch empirische Beobachtungen gewonnen werden. 3 Alle Wissenschaften basieren sowohl auf empirischer Beobachtung wie auf logischer Analyse. Die Anfänge der Soziologie Die Soziologie entstand im späten 18.Jh. und frühen 19.Jh., in einer Zeit des tiefgreifenden sozialen Wandels sowohl in den westlichen Gesellschaften wie in der übrigen Welt. Die den Europäern jahrhundertelang vertraute soziale Welt verschwand allmählich und die moderne Ära begann. Die Soziologie und die moderne Ära: Der Faktoren spielten eine entscheidende Rolle bei der Herbeiführung dessen, was wir jetzt die moderne Ära nennen. 1. Entstehung der urbanen, kapitalistischen Industriegesellschaft. Dieser Prozess zerriss die traditionellen Sozialbeziehungen. Eine neue, auf die Warenproduktion und den Handel spezialisierte Klasse kapitalistischer Unternehmer verdrängte die alte Landaristokratie. 2. Die Entdeckung kultureller Unterschiede. Reisen in entlegene Weltgegenden, die Zunahme des Fernhandelns und die Errichtung von Kolonialreichen zwangen die Europäer zur Auseinandersetzung mit der Fülle anderer Kulturen, die alle ihre besondere Sprache, ihre charakteristischen Sitten, Glaubensanschauungen, Regierungssysteme und Lebensstile besassen. 3. Die politischen und geistigen Umwälzungen. Die Amerikanische und die französische Revolution brachen mit den alten Vorstellungen von Pflicht, Tradition und Gehorsam gegen die Obrigkeit und setzten neue an ihre Stelle: die allgemeinen Menschenrechte, Freiheit und Gleichheit - Ideen, die die Monarchien überall bedrohten. Entstanden in einer Ära politischer und geistiger Umwälzungen, plagt sich die Soziologie noch immer mit den Herausforderungen ab, die diese Zeit aufwarf: der soziale Wandel und die Faktoren, die Gesellschaften - selbst mitten im Wandel noch - zusammenhalten; die diversen Gesellschaftstypen und Fragen über Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen ihnen; schliesslich die Spannung zwischen wissenschaftlichen Erklärungen der sozialen Realität einerseits und Tradition, Common Sence und öffentlicher Meinung anderseits. Adam Smith; Jeremy Bentham und die „rational choice“ - Theorie. Nach Adam Smith (1723-1790) werden Gesellschaften nicht nur durch Macht und Autorität eines Herrschers zusammengehalten, sondern auch durch die wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeit der Menschen und durch Marktkräfte. Der Wettbewerb wirkt also wie eine „unsichtbare Hand“, er rationalisiert die Produktion, maximiert die Profite und lenkt Arbeit und Investitionen in Bereiche, wo die Nachfrage am grössten ist. Karl Marx Nach Marx wird die kapitalistische Gesellschaft beherrscht von jenen, die die Produktionsmittel kontrollieren und sich die Profite aus der Arbeit anderer aneignen. Die tiefe Spaltung zwischen den sozialen Klassen führt zu Kämpfen um die gesellschaftliche Macht und schliesslich zur Revolution. 4 Emile Durkheim Nach Durkheim werden moderne Gesellschaften durch gemeinsame soziale Bande zusammen gehalten. Gegenseitiges Vertrauen und die wechselseitige Abhängigkeit erzeugen ein „Kollektivbewusstsein“, ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Das Ergebnis ist, dass die Gesellschaft als Ganze grösser als die Summer ihrer individuellen Mitglieder und verschieden von ihr ist. Max Weber Sein Interesse galt dem Zusammenwirken ökonomischer, politischer und kultureller Faktoren, die die charakteristische soziale Organisation moderner westlicher Gesellschaften hervorgebracht haben. Für diesen Organisationstypus, so Weber, müssen sich die Individuen rationalere und weniger traditionelle Orientierungen des sozialen Handelns zu eigen machen. George Herbert Mead Sein Interesse galt den alltäglichen menschlichen Interaktionen und ihren anthropologischen Grundlagen. Worte, Gesten und Mienenspiel sind für ihn Symbole dessen, was wir denken und fühlen, und bilden die eigentliche Grundlage des sozialen Lebens. Kapitel 2, Methoden der Sozialforschung (Am Anfang von Kap. 2 ist die Selbstmordstudie.) Soziologie und wissenschaftliche Forschung Durkheim ging es mit dieser Studie v. a. darum, die Soziologie als Wissenschaft zu etablieren. Wie wir im ersten Kapitel sahen, ist die wissenschaftliche Methode durch die systematische Sammlung empirischer Daten und deren logische Analyse charakterisiert. Durkheim wollte in seiner Studie zum einen zeigen, dass die wissenschaftliche Methode auch auf soziales Handeln anwendbar ist, und zum anderen, dass die Ereignisse soziologischer Forschung unserem Wissen von Welt, in der wir leben, und unserem Selbstverständnis eine neue Dimension hinzuzufügen. Der Forschungsprozess Durkheim ging in seiner Untersuchung in 7 exemplarischen Schritten vor: 1. Problemdefinition 2. Literaturrecherche 3. Hypothesenbildung 4. Wahl eines Untersuchungsplans 5. Datenerhebung 6. Datenanalyse 7. Schlussfolgerungen Jeder dieser Schritte ist von entscheidender Bedeutung, doch erfolgen sie nicht immer in genau dieser Reihenfolge. Bei der Durchführung ihrer Forschungen aber, folgen alle Soziologen diesen Etappen des exemplarischen Forschungsprozesses, wie aber eben gesagt, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. 5 1. Problemdefinition: Wie andere Wissenschaftler arbeiten auch Soziologen mit Variablen. Mit der Definition der Variablen, die man untersuchen möchte, ist es freilich nicht getan. Ein Forscher muss auch definieren, was er an diesen Variablen verstehen möchte, er muss das Problem seiner Untersuchung formulieren. 2. Literaturrecherche: Welche Forschungsfragen sie stellen und wo sie nach Antworten suchen, entscheiden Soziologen im Wesentlichen auf Grund der Durchsicht der Literatur zu ihrem Thema. 3. Hypothesenbildung: Eine Hypothese stellt versuchsweise einen Zusammenhang zwischen zwei oder mehreren Variablen her. 4.+ 5. Wahl eines Untersuchungsplans und Datenerhebung: Um ihre Hypothesen zu testen, brauchen die Forscher Fakten und Daten: Statistiken, Interviewauswertungen etc. Ein Indikator ist eine Messgrösse die als „Ersatz“ fungiert: Ein Merkmal, das man empirisch messen kann, um Informationen über eine abstrakte Variable, die nur schwer direkt zu messen ist, zu erlangen. Im zweiten Schritt in der Datenerhebung muss ein Untersuchungsplan (auch Forschungsdesign) d.h. ein konkreter Plan zur Gewinnung der erforderlichen Informationen, skizziert werden. Einige Forscher gewinnen ihre Daten aus statistischen Erhebungen und Befragungen, andere durch Beobachtung und wieder andere durch Experimente. Ziel des Untersuchungsplans muss es sein, genügend Informationen zu gewinnen, um ein solides Verständnis des Problems zu entwickeln und die vorgeschlagene Hypothese zu testen. 6.+7. Datenanalyse und Schlussfolgerungen Bei einer Analyse versucht man, wie in einem Puzzle, die Teile so zusammenzusetzen, dass sie ein Muster oder Ganzes bilden, und überlegt, wie sie zusammenhängen. Um Statistiken zu analysieren, wenden Soziologen eine Reihe von Massen an. Die Analyse beginnt jedoch lange, bevor die Daten gesammelt sind. Bereits bei der Problemdefinition entscheidet der Soziologe, welche Faktoren er untersuchen will und wie sie gemessen werden können. Analyse aus Durkheim’s Selbstmorduntersuchung: 4 Arten von Selbstmord: - egoistischer S. (geringe bis gar keine soz. Bindung an Menschen od. Gruppen) - anomischer S. (rascher Wandel in Sozialstruktur, Normverlust z.B. Verarmung) - altruistischer S. (Gruppen v. soz. starken Bindungen können solche veranlassen, Märtyrer, quasi das Gegenteil von egoistischem S.) - fatalistischer S. (Menschen, welche an keine Zukunft mehr glauben, weil ev. mit tödlichen Krankheiten versehen.) Ein Forschungsprojekt kann einen wichtigen Untersuchungsgegenstand nie restlos ausschöpfen, stets gibt es Raum für eine Folgeuntersuchung. Vielleicht werden bessere Masse od. andere Indikatoren für wichtige Variablen entwickelt. Probleme der empirischen Sozialforschung 6 Die Untersuchung menschlichen Sozialverhaltens wirft eine Reihe von Problemen auf, einige von ihnen gelten für alle wissenschaftliche Forschung, andere sind charakteristisch für die Sozialwissenschaften. Gültigkeit und Zuverlässigkeit: Gültigkeit (Validität) eines Indikators bedeutet, dass eine Untersuchung misst, was sie zu messen beabsichtig - bsp. dass Durkheim tatsächlich soziale Integration mass, indem er Heiratsraten als Indikatoren verwendete. Zuverlässigkeit (Reliabilität) einer Messung bedeutet, dass eine Wiederholungsuntersuchung zu den gleichen zu den gleichen Ergebnissen kommt. Noch mit einem anderen Problem sind die Forscher konfrontiert, sie mässen die Art der Beziehung zw. den Variablen präzisieren. Am meisten sind Soziologen an Kausalbeziehungen interessiert, Beziehungen also, in denen eine Veränderung in einer Variablen eine Veränderung in einer anderen hervorruft. In vielen Fällen ist es jedoch nicht möglich, eine Kausalbeziehung zw. den fraglichen Variablen nachzuweisen. Oft kann man nur zeigen, dass zwei Variablen sich in irgendeiner messbaren Weise gemeinsam verändern - korreliert sind. Wie erwähnt ist eine Korrelation eine regelmässige Beziehung zw. 2 Variablen. Der Nachweis einer Korrelation zw. Variablen bedeutet nicht, dass zw. ihnen eine Kausalbeziehung besteht. Zwei Variablen können korreliert sein, ohne dass sie kausal miteinander verknüpft sind. Man bezeichnet diesen Sachverhalt als Scheinkorrelation, eine immer wieder vorkommende Fehlerquelle in empirischen Untersuchungen. Ethische Fragen: Soziologen sind fast per Definition „Schnüffler“. Für sie ist es aber unumgänglich, im Leben des Patienten (Probanden) zu stochern. Zuallererst müssen sie ihre Probanden vor Schaden bewahren. Wohl setzt die empirische Sozialforschung ihre Probanden selten der Gefahr physischer Verletzungen aus, doch oft erfordert sie, dass ihre Probanden private Informationen über sich preisgeben. Anders als ein Anwalt, Priester oder Journalist ist ein Soziologe per Gesetz verpflichtet, seine Aufzeichnungen auszuliefern und vor Gesetz auszusagen. Ausserdem müssen Forscher gegenüber ihren Probanden ehrlich sein. Forschungsstrategien Wir können 2 Typen der Sozialforschung unterscheiden: eine quantitative und eine qualitative. In der quantitativen Sozialforschung ermitteln Soziologen die Häufigkeit eines sozialen Phänomens und versuchen, einen statistischen Zusammenhang mit anderen sozialen Faktoren herzustellen. In der qualitativen Sozialforschung verwendet man verbale Beschreibungen, direkte Beobachtungen und manchmal Bilder, um die Bedeutung sozialer Handlungen zu interpretieren oder um Gesetztesmässigkeiten des sozialen Lebens im Detail zu analysieren. Umfrageforschung: Soziologen verwenden Umfragen, um die öffentliche Meinung zu messen, Annahmen über das Verhalten zu testen und das Handeln von Personen vorauszusagen. In einer Umfrage (survey) sammelt man Daten über eine Gesamtheit von Individuen (Population) indem man Interviews mit einer im voraus ausgewählten Stichprobe von Personen durchführt und/oder Fragebogen an sie austeilt. 7 Eine Stichprobe soll möglichst repräsentativ sein, d.h. relevante soziale Merkmale Alter, Geschlecht, soziale Schicht usw. - sollen in der Stichprobe prozentual gleich häufig vorkommen wie in der Gesamtpopulation. Experimente Das Experiment ist in den Wissenschaften ein äusserst effizientes Instrument zum Nachweis einer Kausalbeziehung. In Experimenten lassen sich Hypothesen testen d.h. es lässt sich überprüfen, ob eine Variable eine andere kausal beeinflusst - indem Untersuchungspersonen in eine eigens konstruierte Situation versetzt werden, die es erlaubt, externe Faktoren zu kontrollieren, die die fraglichen Variablen ev. beeinflussen. Für Experimente mit einer Person od. kleineren Gruppen eignen sich Laborexperimente, bei einer grösseren Population arbeitet man mit Feldexperimenten. Doch aus praktischen & ethnischen Gründen (z.B. Zimbardo) sind diese schwer durchzuführen und daher selten. Feldforscher leben oft rund um die Uhr mit ihren Probanden, dies kann emotionale Reaktionen bei ihnen auslösen od. bei ihren Probanden. Bis zu einem best. Grad wird der Feldforscher zu einer Versuchsperson seiner eigenen Untersuchung! manifest = offensichtlich, beabsichtigt latent = zugrunde liegend, vielleicht unbeabsichtigt Kapitel 3, Kultur Kultur ist durchaus ein Schlüsselbegriff der Soziologie und ein spezieller Forschungsgegenstand der Kultursoziologie. Kultur als Bedingung und Form sozialen Handelns ist verwoben mit anderen Aspekten des sozialen Lebens und deshalb mit anderen soziologischen Schlüsselbegriffen. Kulturelle Werte wie z.B. Erfolgsorientiertheit, Toleranz etc. sind in die jeweilige Gesellschaft funktional integriert. Unsere Werte beeinflussen ganz entscheidend, wie wir handeln und denken, welche sozialen Beziehungen wir eingehen und welche Ziele wir uns setzen. Kultur ist auch immer durch die Gesellschaftsstruktur geprägt. Sodann wird die Ausbreitung kultureller Ideale auch dadurch vorangebracht, dass Menschen existierende Gesellschaftsstrukturen in Frage stellen und herausfordern. Ein Verständnis kultureller Übereinstimmungen und Differenzen ist ein Schlüssel für ein soziologisches Verstehen der gesamten gesellschaftlichen Prozesse. 5. Phasen eines Kulturschocks: 1. Euphorie, eigene Kultur wird nicht in Frage gestellt. 2. Entfremdung, erste Kontaktschwierigkeiten 3. Eskalation, Schuldzuweisung an die fremde Kultur 4. Missverständnisse, Konflikte als solche wahrgenommen 5. Verständigung, unterschiedliche kulturelle Spielregeln werden geschätzt. Die kulturelle Dimension Kulturbegriffe: Kultur ist ein vieldeutiges Wort, in der Antike bezeichnete colere (wohnen, pflegen, anbauen) die agrarische Sicherung des menschlichen Lebens. Obwohl Kultur zuerst vor allem mit Wissen, Kunst, Religion als nicht-materiellen Errungenschaften einer Gesellschaft verbunden wird, meint sie im soziologischen Sinne doch das „gesamte 8 soziale Erbe“, das die Mitglieder einer Gesellschaft in einer lebenslangen Sozialisation erwerben. So konnte der Kulturbegriff weiterentwickelt werden zu einem Begriff für historische unterschiedliche „Lebensordnungen“(Max Weber) Distinktion = Abgrenzung Seit dem 19. Jh. entstehen neue Kennzeichnungen für das Kulturfeindliche oder doch zumindest der (eigenen) Kultur als „unterlegen“ Angesehene. Zwar wurden die Ausdrücke Kultur, Zivilisation und Zivilisierung oft synonym gebraucht. Aber am Anfang des 20. Jh. wurde eine folgenreiche Entgegensetzung von Kultur und Zivilisation wirksam. Thomas Mann schrieb 1914 folgendes: „Zivilisation und Kultur sind nicht nur nicht ein und dasselbe, sondern sie sind Gegensätze, sie bilden eine der vielfältigen Erscheinungsformen des ewigen Weltgegensatzes und Widerspieles von Geist und Natur.“ Kultursoziologie: Max Scheler unterschied Kultursoziologie (auch Geistlehre genannt) von Realsoziologie (die er als Trieblehre verstand). Für einen systematischen Begriff von Kultursoziologie ist folgende Unterscheidung wichtig: Zum einen ist Kultursoziologie die übergreifende Bezeichnung für eine Gruppe „spezieller Soziologien“, d.h. der soziologischen Analysen unterschiedlicher Lebens- und Handlungszusammenhänge. So gibt es Religions-, Literatur-, Kunst-, Film-, Medien- oder Musiksoziologie und viele anderer kultursoziologische Forschungsfelder. Kultur wird definiert als die Gesamtheit der erlernten Normen und Werte, des Wissens, der Artefakte, der Sprache und Symbole, die ständig zwischen Menschen einer gemeinsamen Lebensweise ausgetauscht werden. Indem wir die Bestandteile unserer Kultur hervorbringen und Tag für Tag leben, teilen wir uns gegenseitig unablässig mit, wie wir unserer soziale n Beziehungen auffassen. Dadurch entstehen auch Spielräume für die Veränderung der Kultur, für ihre Anpassung an neue Erfordernisse und Situationen. Deshalb ist Kultur niemals statisch sondern verändert sich dauernd Habitus = existenzielle Form der Persönlichkeit Was eine Kultur beinhaltet ist von Ort zu Ort verschieden, menschlichen Kulturen die gleichen Grundelemente: - Wissen - Sprache - Symbole aller Art - sittliche Werte - Normen - Artefakte jedoch besitzen alle Die materielle Kultur besteht aus all den Dingen oder Artefakten die von Menschen geschaffen sind und denen sie Bedeutung zumessen wie Bücher, Kleider etc. Nichtmaterielle Kultur besteht aus menschlichen Schöpfungen, die nicht in physischen Gegenständen verkörpert sind, wie Werte, Normen, Wissen, Regierungsformen etc. Eine weitere Unterscheidung stammt von Georg Simmel, er unterschied sachliche, objektive sowie individuelle / subjektive Kultur. 9 Werte: Ein Wert ist eine von der Mehrheit einer Gruppe (Profession, Schicht) geteilte allgemeine Vorstellung darüber, was gut oder schlecht, was wünschenswert oder unerwünscht ist. Wenn Werte wiederholt in scharfe Konflikte zueinander geraten und eine Versöhnung zwischen ihnen schwer fällt, kann daraus sozialer Änderungsdruck entstehen. Verbunden mit historischen Ereignissen und sozialen Umständen verändern sich Werte. Norm: Eine Norm ist eine spezielle Richtlinie, eine Regel, die aussagt, wie man sich in bestimmten Situationen verhalten soll. Normen variieren von Gruppe zu Gruppe innerhalb ein und derselben Gesellschaft, aber auch im Laufe der Zeit. Es ist wichtig, den Unterschied zw. Normen und Werten zu verstehen. Normen variieren ausserordentlich in der Bedeutung die ihnen beigemessen wird oder in der Intensität der Reaktionen, wenn sie verletzt werden. Bräuche sind konventionell eingewöhnte Alltagsregeln, denen man ohne viel Nachdenken gehorcht. Max Weber schlug vor, Bräuche, die „auf langer Eingelebtheit beruhen“ Sitte zu nennen. Wer solche eingespielte Regeln verletzt, mag als ungehobelt, bestenfalls als Exzentriker gelten, wir normalerweise aber nicht scharf sanktioniert. Demgegenüber löst die Verletzung von sittlichen Geboten intensivere Reaktionen aus. Solche Vorschriften werden als zentrale grundlegende Bestandteile des Zusammenlebens angesehen und sind Ausdruck der am meisten hochgehaltenen Werte. Viele Normen sind als Gesetze oder Verordnungen formalisiert, als Regeln, die in parlamentarischen Systemen von der Legislative beschlossen werde nun deren Durchsetzung mit staatlicher Sanktionsmacht garantiert wird. Symbole: Als Zeichen werden Träger einer relativ einfachen Verweisung auf einen bestimmten Gegenstand oder eine bestimmte Vorschrift verstanden, man denke etwa an Verkehrszeichen. Symbol ist demgegenüber der Begriff für komplexere Verweisungsmedien. Symbole ermöglichen zumeist auch die Präsenz von etwas Abwesendem durch Verkörperung. (Kreuz für Jesu) Sprache: Sprache ist ein System phonetischer Zeichen, in dem Bedeutungen erzeugt und einander zugeordnet werden und deren Anwendung auf konventionell festgelegten Regeln beruht. Es ist die Fähigkeit der Sprache, durch die kognitive Strukturen geschaffen werden, die es uns ermöglichen, Bedeutungen und Erfahrungen festzuhalten und frei zu kombinieren. Wissen: Wissen ist eine Gesamtheit von Fakten, Annahmen und praktischen Fähigkeiten, die Menschen im Laufe ihres Lebens sammeln. Praktisches Wissen, aber auch unsere emotionalen Erfahrungen sind häufig nonverbal oder scher verbalisierbar. Kulturelle Unterschiede und Integration Kulturelle Integration: Die Elemente der Kultur sind funktional auch mit anderen Aspekten der Gesellschaft integriert, z.B. mit der Sozialstruktur oder den Herrschaftsverhältnissen. Menschen, die bruchlos in ihre Kultur eingebunden sind, empfinden zwischen der Art und Weise, wie sie denken und handeln, wenig Widersprüchlichkeiten. Ihr religiöses oder 10 wirtschaftliches Handeln oder ihr Familienleben scheinen wie aus einem Guss. Eingelebten Traditionen folgend, können die Mitglieder solcher Gesellschaften ihr Leben mit minimalen Orientierungskonflikten gestalten, aber hoch integrierte Kulturen sind zugleich sehr verletzbar. Denn Bräuche, Werte, Glaubensüberzeugungen und technisches Wissen sind vielfältig ineinander verflochten, d.h. kaum voneinander entkoppelbar und funktional ausdifferenzierbar. Wandlungen in einem Teilbereich können dann zum Gleichgewichtsverlust eines gesamten Systems führen. Kulturelle Unterschiede und Subkulturen: 2 Gründe kann es geben, damit eine Gesellschaft über lange Zeit kulturell schwach integriert bleiben. Einerseits können sich kulturelle Minderheiten einer Assimilation durch die dominante Kultur widersetzen, also wichtige Werte, Normen, die als „normal“ gelten, nicht übernehmen und die Hochschätzung ihrer besonderen und getrennt bleibenden Glaubensüberzeugungen, Sitten und kulturellen Identitäten dagegensetzen. Zum anderen können sich kulturelle Unterschiede aber auch dadurch verfestigen, dass dominante Gruppen und Eliten alles tun, um Minderheiten von der Mehrheitskultur fernzuhalten, so dass Ungleichheit zugunsten der Macht und der Privilegierung der herrschenden Gruppen gefestigt wird. In der Realität kommen selbstverständlich beide Gründe für die Aufrechterhaltung kultureller Unterschiede vor: Mitglieder der dominanten Kultur schränken die Chancen der Assimilation ein, während gleichzeitig Mitglieder kultureller Minderheiten dagegen opponieren, dass ihre unterschiedliche Identität durch Assimilation aufgelöst werden könne. Abgrenzungsnormen sowie eigene Sprache etc. können eine Subkultur bilden. Es sind verschiedene Subkulturen zu unterscheiden: 1. Tradierungs-Subkulturen: Erhalt eigener Kultur gegen Assimilationszwänge von Mehrheit. 2. Subkulturen der Ausgrenzung: Drogenszenen, Armutslagen, Prostitution. 3. Sozialstrukturelle Subkulturen: ganz egal ob auf Armut od. elitären Positionen beruhen. 4. Protestkulturen 5. Damit eng verbundenen Ausstiegskulturen, wie z.B. Fluchkulturen oder autarke Parallelkulturen. Soziologen sehen Kultur nicht als gegeben an, sondern als Ergebnis sozialen Handelns. Kultur und Massenmedien: Kultur ist niemals statisch, sondern einem dauernden Wandel unterworfen. In der heutigen Welt sind es vor allem die Massenmedien, besonders Fernsehen und Computer, welche kulturelle Wandlungen beeinflussen. Bücher spielen aber eine wichtige Rolle, indem Bücher für ein grosses Publikum zugänglich werden, können sich neue Ideen schneller verbreiten. Bilder im Gegenteil (TV) ist eine andere Sparte, da bewegte Bilder im Gegensatz zum geschriebenen Wort ein Kommunikationsmedium ist, das wesentlich fürs Dramatische geschaffen ist und nicht für die Analyse. Kulturelle Globalität: Eine der bemerkenswertesten Konsequenzen de massenmedialen Vernetzung ist die Internationalisierung der Kultur. Sich stark voneinander unterscheidende lokale 11 Kulturen werde zunehmend überformt durch eine einzige globale Kultur, an der jedermann teilhaben kann. Dass verschiedene Kulturen von einer grenzübergreifenden, heute: internationalen Kultur überformt und beeinflusst werden, ist nichts Neues. Eine Vereinheitlichung des Geschmacks (Cola, Jeans, südamerikanische Rhythmen etc.) ist nur ein Aspekt der Entwicklung. Erwartbar ist eine synkretistische Vermischung von globalen und lokalen Momenten der Kultur, ein widersprüchlicher Prozess, der mit einem neuen Kunstwort „Glokalisierung“ genannt wird. Die Internationalisierung der Kultur spielte auch eine entscheidende Rolle für politisch wichtige Ereignisse wie z. B. 1989, der auf dem „Platz des himmlischen Friedens“ in Peking blutig niedergeschlagene Demokratiebewegung Chinas Studenten. Kapitel 5, Sozialisation Unterschiedliche Erziehungsmethoden bringen nicht nur ganz verschiedene Individuen, sonder auch verschiedene Gesellschaftstypen hervor. (westl: Leistungsgesellschaft, Japan: Teamgesellschaft, China: Gruppenloyalität etc.) Den Prozess, durch den solche grundlegenden Kulturelemente den Mitgliedern einer Gesellschaft vermittelt werden, nennen wir Sozialisation. Die Sozialisation, die ein Individuum in einer Gesellschaft erfährt, kann unter Umständen dazu führen, dass es sich später in einer Weise verhält, die nicht mit den Werten dieser Gesellschaft konform, also in diesem Sinne abweichend ist. Die Struktur einer Gesellschaft beeinflusst die Sozialisation, indem sie festlegt, welche Fertigkeiten und Motivationen gebraucht werden und wer welche Sozialisation durchläuft. Durch die Sozialisation entwickeln Menschen spezifische Einstellungen zum sozialen Handeln. Dazu gehören die umfassenden Kulturstile. Wenn wir den Einfluss der Gesellschaftsstruktur und Machtverteilung auf die Sozialisation betrachten, so wird deutlich, dass jedes Individuum sie zwar anders erfährt und mit seinen Entscheidungen beeinflussen kann. Sozialisation ist aber nicht etwas, das sich das Individuum frei aussuchen kann. Vielmehr ist sie ein Prozess, in der das Individuum geformt wird - sowohl von der Gesellschaft als Ganzes wie auch von seinem besonderen Ort innerhalb der Gesellschaft. Sozialisation: Anlage und Umwelt: Wird das Verhalten einer Person vorwiegend durch ihre biologische Anlage oder die Umwelt, in der sie aufwächst bestimmt? Dieser Frage wird seit langem in den Wissenschaften diskutiert. Die eine Seite behauptet, der menschliche Säugling sei eine weitgehend leere Tafel, die bereit ist, beschreiben zu werden. Danach würde ausschliesslich durch die Umwelt bestimmt, zu was für einer Person sich ein Säugling entwickelt. ( z. B. Watson) Die Gegenseite argumentiert, dass viele menschliche Verhaltensweisen starke biologische Wurzeln haben: Erfahrung könne diese Verhaltensweisen zwar in gewissem Masse modifizieren, aber selten von Grund auf ändern. Eine relative neue Forschungsrichtung, die Soziobiologie, vertritt diese Position. Danach haben die Menschen im Evolutionsprozess nicht nur gewisse anatomische Merkmale, sondern auch gewisse Verhaltensmerkmale entwickelt, die ihnen einen Selektionsvorteil gegenüber anderen Spezies verleihen. Die Wechselwirkung zwischen Anlage und Umwelt: Zwar begrenzt das ererbte Potenzial den Spielraum der Sozialisation, doch beeinflusst die soziale Umwelt stark das Ausmass, in dem das ererbte Potenzial verwirklicht werden kann. 12 Nach Ansicht mancher Wissenschaftler hat, ähnlich wie im Tierreich, auch der Mensch eine bestimmte „Hackordnung“. Wie dem auch sei: Die spezifische Ranghierarchie einer Gesellschaft wird weitgehend von ihrer Struktur, ihren Machtbeziehungen und ihrer Kultur geformt. Gene legen also nie fest, wie Menschen sich verhalten, vielmehr werden wir mit einer Reihe von Entwicklungsmöglichkeiten geboren, die anschliessend von der Umwelt, in der wir leben, geformt wird. Durch Umwelteinflüsse können sie ständig verändert werden. Sozialisation im Lebenslauf: Physische Pflege allein genügt für die normale Entwicklung von Kindern nicht, sie brauchen auch sensorische und soziale Anregungen, um sich zu vollen Menschen zu entwickeln. Klassische Beiträge zur Sozialisationstheorie ⇒ Siehe im Buch: Seite 128-130 Klassische Beiträge zur Sozialisationstheorie. Varianten der Sozialisation: - geschlechtsspezifisch: Wer wir sind und wie wir zu denken und zu handeln lernen, ist von Geburt an in hohem Masse durch unser Geschlecht bestimmt. Unserer geschlechtsspezifische Sozialisation wirkt sich auf mehr als nur oberflächliche Attribute wie Kleidungs- oder Sprachstile aus. - schichtenspezifisch: Gewisse Elemente der Gesellschaftsstruktur, wie Zugang zur Bildung und Chancen auf dem Arbeitsmarkt, spielen eine wichtige Rolle. Dass Positionen in der Gesellschaftsstruktur partiell durch die von den Eltern vermittelten Werte konserviert werden, belegen die bahnbrechenden Arbeiten des Soziologen Melvin Kohn. Angehörige unterer Schichten legen eher Wert auf Konformität gegenüber äusseren Autoritäten und entsprechende Verhaltensmerkmale, Angehörige oberer Schichten eher auf persönliche Autonomie und damit verbundene Persönlichkeitsmerkmale. Wahlmöglichkeiten und Wandel der sozialen Integrität: Wahlfreiheit schliesst auch ein, dass wir uns der Sozialisation zu Rollen widersetzten können, die wir nicht mögen. Mädchen können sich z. B. weigern, an Schönheitswettbewerben teilzunehmen und lieber Basketball spielen oder Botanik lernen wollen. Solche Veränderungen sind möglich, weil unsere Kultur nicht etwas Starres ist. Ständig vollziehen sich Veränderungen der Identitäten, die kulturell legitimiert sind und zum Kristallisationskern sozialer Gruppen und Bewegungen werden können. Man nennt diese Auffassung, wonach die soziale Identität in gesellschaftlichen Prozesse konstruiert und daher veränderlich ist, Konstruktivismus. Als Essenzialismus bezeichnet man die gegenteilige Auffassung, wonach die soziale Identität biologisch bedingt, immun gegen soziale Kräfte und daher relativ starr ist. Da der Essenzialismus die Rolle des individuellen Handelns und der individuellen Wahlmöglichkeiten herunterspielt, neigen die meisten Soziologen eher zum Konstruktivismus. Instanzen der Sozialisation in der Kindheit: In den meisten Gesellschaften ist die Familie die entscheidende Sozialisationsinstanz. Allerdings sind in den heutigen westl. Gesellschaften auch die Massenmedien sehr einflussreich! 13 Peer-Groups: (Gleichaltrigen) In einer Gruppe von Kindern sind alle, Kraft Definition, ihren Altersgenossen gleichgestellt. Dieser gleiche soziale Status macht peer-groups zu einem idealen Rahmen für das Erlernen von Normen des Teilens und der Reziprozität (Gegenseitigkeit) Sozialisation im Erwachsenenalter: Früher glaubte man, dass die Sozialisation im Erwachsenenalter als blosse Ergänzung galt, als ein Lernen, das eine Person nicht mehr grundlegend verändern kann. Heute ist diese traditionelle Auffassung in erheblichem Masse revidiert worden. Desozialisation und Resozialisation: Einige der neu zu erlernenden Werte und Normen können im Widerspruch zu denen stehen, die das Individuum früher verinnerlicht hat und die jetzt nicht mehr für es gelten. Insofern könnte man von Resozialisation sprechen, die in gewissem Masse immer auch eine Desozialisation im Hinblick auf das früher Gelernte impliziert. Extreme Fälle der De- und Resozialisation spielen sich in Organisationen ab, die sich bewusst von der Aussenwelt abschirmen und ein äusserst isoliertes Leben führen, das formal durchorganisiert und scharf kontrolliert ist. Solche Organisationen nennt man auch totale Institutionen, weil sie die Gedanken und Handlungen ihrer Mitglieder total beherrschen. Beispiele sind z. B. Rekrutenschulen, Gefängnisse und psychiatrische Anstalten. Die Neuankömmlinge in einer totalen Institution durchlaufen einen Prozess, den der Soziologe Erving Goffman als Demütigung und Abtötung bezeichnet hat. Diese Prozeduren zerstören das Selbstwertgefühl und richten die Menschen zur Unterwerfung ab. Totale Institutionen erzwingen die psychische Regression: Sie fördern kindliche Gefühle der Hilflosigkeit und Abhängigkeit, um das Leben ihrer Insassen leichter zu kontrollieren. Sind diese einmal soweit regrediert, können sie zu einer neuen, von der totalen Institution vorgesehenen Rolle resozialisiert werden. Sozialisation für einen bestimmten Arbeitsplatz nennt man auch berufliche Sozialisation. Es ist von erheblicher Bedeutung, ob jemand individuell oder in einer Gruppe zu einem Beruf sozialisiert wird. Oft versuchen wir uns auf die Sozialisation zu einer neuen Arbeitsrolle vorzubereiten. Was die Berufsanfänger tun, läuft darauf hinaus, sich selbst unter Vorwegnahme der Sozialisation, der sie sich gerade unterziehen, „umzumodeln“. Alle diese Veränderungen fassen wir unter dem Begriff antizipatorische Sozialisation zusammen. Kapitel 9, Klassenstruktur und soziale Schichtung Reichtum, Macht und Prestige: Die Dimensionen der sozialen Schichtung: Neben der Beschreibung statistischer Verteilungen geht es der Soziologie um Erklärungen für die Ursachen sozialer Ungleichheit, um die Folgen ungleicher Lebensbedingungen und Lebenschancen sowie um die Formen und Dimensionen sozialer Ungleichheit in modernen Gesellschaften. Kurz, sie versucht, 14 institutionalisierte Muster sozialer Ungleichheit zu erklären, und will herausfinden, wer was bekommt - und warum. Der Terminus soziale Schichtung bezeichnet die Gliederung einer Gesellschaft in Schichten, deren Mitglieder über ungleiche Mengen an knappen, aber begehrten Ressourcen verfügen, ungleiche Lebenschancen besitzen und einen ungleich grossen gesellschaftlichen Einfluss haben. Entsprechend der relativen „Höhe“ ihrer Schicht haben die Individuen Statuspositionen inne, von denen ihr Zugang zu den drei Hauptdimensionen der sozialen Schichtung: - Reichtum - Macht - Prestige …abhängt. Ein Schichtungssystem gilt als geschlossen, wenn es schwierig oder unmöglich ist, in der sozialen Hierarchie aufzusteigen (z.B. Kastensystem in Indien, Apartheidregime in Afrika). Hingegen ist das Schichtungssystem in westl. Industriegesellschaften vergleichsweise offen. Unbestritten spielt die individuelle Leistung eine Rolle, doch nach wie vor ist der sozio-ökonomische Status der Eltern die beste Voraussagevariable (Prädikator) der sozialen Position, die ihre Kinder einnehmen werden. In west. Ländern wie USA od. westeuropäischen Ländern spielen Reichtum und Einkommen als Kriterien der sozialen Schichtung eine herausragende Rolle. Einige Berufe sind nach der Davis-Moore-Theorie für die funktionale Integration komplexer Gesellschaften wichtiger als andere: Gesellschaftliche Ungleichheit sei daher funktional notwendig. Eine Gesellschaft, die es unterlasse, die Menschen zur Erfüllung dieser wichtigen Berufe (z.B. Arzt) zu motivieren (mehr Lohn), breche zusammen. Schliesslich sind die Chancen der Individuen auf dem Arbeitsmarkt von ihrer Rasse, ethnischen Herkunft und von ihrem Geschlecht abhängig. Kultur: Nicht einmal Reichtum und Macht zusammen können nach Weber die Schichtungssysteme in modernen Gesellschaften vollständig erklären. Auch kulturelle Faktoren müssen einbezogen werden, sowohl als spezifische Quelle der Schichtung wie als Dimension der Ungleichheit. Prestige ist die gesellschaftliche Achtung, der Respekt oder die Billigung, mit der belohnt wird, wer Eigenschaften besitzt, die in der Gesellschaft als bewundernswert gelten. Prestigeüberlegungen spielen zwar in akademischen Berufen die grösste Rolle, finden aber auf allen Ebenen der Berufshierarchie Anwendung. Soziales Handeln: Das Beispiel des kulturellen Kapitals zeigt, dass Statuspositionen durch soziales Handeln geformt werden. Nach Marx braucht das kapitalistische System, um zu funktionieren, eine grosse Zahl Arbeiter und nur eine geringe Anzahl Kapitalisten. Davids und Moore hingegen betonen stärker das individuelle Handeln, da für sie das Problem der funktionalen Integration im Vordergrund steht. Ihnen erscheint das gesellschaftliche Ziel, die Individuen zur Arbeit zu motivieren, als zu wichtig, um es dem Zufall zu überlassen: Auf eine gesellschaftlich organisierte Weise müsse sichergestellt werden, dass die Individuen die notwendige Ausbildung erhalten und die notwendige Arbeit tun - und Strukturen der Ungleichheit erfüllten diesen Zweck. 15 Fassen wir zusammen: Die heutige Soziologie folgt Marx, indem sie von der ökonomischen Struktur als dem wichtigsten einzelnen Faktor für die soziale Schichtung ausgeht. Doch sie folgt auch Weber, indem sie erkennt, dass nicht allein Reichtum soziale Schichtung bedingt. Indikatoren und Zahlen: Der materielle Wohlstand oder die Knappheit dient hier als ein Indikator für die Teilhabemöglichkeit der Menschen am Lebensstandart einer Gesellschaft. Zudem bietet ein höherer materieller Wohlstand auch eine bessere Absicherung gegenüber Risiken im Lebenslauf. Soziale Mobilität Soziale Mobilität bezieht sich auf Bewegungen von einer sozialen Position in eine andere, von einer sozialen Schicht in eine höhere oder tiefere. Sie kann die Form einzelner kleiner Schritte aufwärts bzw. abwärts, eines schnellen Kletterns an die Spitze oder eines jähen Absturzes ganz nach unten annehmen. Unter intragenerationeller oder Karrieremobilität versteht man Berufswechsel oder Wechsel der Schicht- bzw. Klassenzugehörigkeit im jeweiligen Lebenslauf; unter intergenerationeller oder Generationenmobilität Statusveränderungen zwischen den Eltern- und Kindergenerationen - intragenertionelle od. Karrieremobilität (Berufswechsel, Wechsel der Schicht) - intergenerationelle od. Generationsmobilität (Statusveränderung in Familie) Probleme mit Schichtwechseln: Mit dem Herauslösen aus vertrauten Sozialmilieus können Berufs- und Lebenserfahrungen „entwendet“ werden, wodurch Orientierungsschwierigkeiten und Identitätsprobleme hervorgerufen werden. Soziale Mobilität und sich häufende Statusunsicherheiten können zudem zum Verlust tradierter Bindungen führen und mit sozialer Desintegration bis hin zur Anomie in Verbindung gebracht werden insbesondere dann, wenn bei steigender oder anhaltend hoher Arbeitslosigkeit die Chancen eines (Wieder-)Einstiegs in das Erwerbssystem schwinden. Chancen von sozialer Mobilität: Dagegen kann ein hohes Mass an sozialer Mobilität auch als ein Indikator für die notwenige Offenheit und Pluralität einer modernen Gesellschaft aufgefasst werden, denn soziale Mobilität bringt zugleich neue Lern- und Selbstverwirklichungschancen mit sich. Dies kann in ökonomischer Hinsicht zu grösserer Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Gesellschaft führen. Diese positiven Funktionen sozialer Mobilität stehen jedoch in Frage wenn sich Anzeichen dafür finden lassen, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen - etwa „die Armen“ - dauerhaft ausgegrenzt werden. Soziologen weisen jedoch darauf hin, dass soziale Mobilität oft aus strukturellem Wandel und nicht aus individuellem Erfolg resultiert.