24 Kardiale und mesenteriale Tumoren

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24 Kardiale und mesenteriale Tumoren
Kardiale und perikardiale Tumoren
Gerhard Wess
Die Prävalenz von kardialen und perikardialen Tumoren ist
relativ niedrig, allerdings ist ihre Ante-mortem-Diagnosehäufigkeit seit Einführung der Echokardiografie gestiegen. Untersuchungen in den USA an über 720 000 Hunden und 210 000
Katzen ergaben für Herz- und Herzbasistumoren eine Inzidenz
von 0,19 % beim Hund und 0,03 % bei der Katze66. Eine retrospektive Auswertung der Häufigkeit von erworbenen Herzerkrankungen zeigte, dass kardiale Tumoren in 14,2 % der Fälle
vorkamen7. Sektionsdaten aus Deutschland zeigen, dass von
2631 Tumordiagnosen 309 (12 %) primär oder metastatisch das
Herz betrafen65. Kardiale Tumoren können zu hochgradigen klinischen Symptomen führen, obwohl manche auch zufällig entdeckt werden7. Mehr als 85 % der betroffenen Hunde sind 7–15
Jahre alt.
24.1.1
Kardiale Tumoren
Hämangiosarkom
Dieser bei Weitem häufigste Herztumor5,65
stellt eine maligne mesenchymale Neoplasie ausgehend von
den Endothelien der Gefäße dar (▶ S. 333 ff.). Das Alter beträgt
zum Zeitpunkt der Diagnose im Durchschnitt 9–12 Jahre. Die 3
Hauptlokalisationen sind die Milz (28–50 %), rechtes Atrium
und Herzohr (3–50 %) sowie Haut und subkutanes Gewebe
(13 %)13,34. In einer norwegischen Studie stellte das Herz neben
Milz und Leber die 3.-häufigste Primärlokalisation für diesen
Tumor dar27. Eine multizentrische Entstehung wird diskutiert,
da bis zu 30 % der Milztumoren auch einen Herztumor aufweisen. Früher wurde der Herztumor als eine Metastase eingestuft,
nun geht man von 2 separaten Primärtumoren aus5. Der Deutsche Schäferhund zeigt eine Rasseprädisposition für kardiale
Hämangiosarkome65. Eine Geschlechtsprädisposition wurde
nicht nachgewiesen.
Epidemiologie
der aszendierenden Aorta und dem Truncus pulmonalis steht,
aber keine Beteiligung des rechten Atriums einschließt
(▶ Abb. 24.2). Im engeren Sinne sind dies Chemodektom und
Tumoren ektopischen Schilddrüsen- oder Nebenschilddrüsengewebes65. Gelegentlich können auch Hämangiosarkome,
Mesotheliome und andere Tumoren diskrete Maßen an der
Herzbasis erzeugen40,47. Typischerweise wachsen Herzbasistumoren lokal invasiv um die Aortenbasis und die umgebenden
Strukturen.
Chemodektome
(syn. extra-adrenales Paragangliom, nicht
chromaffines Paragangliom, Glomus-Tumor) sind neuroendokrine Neoplasien der Chemorezeptoren an der Aortenbasis
(Glomus aorticus) oder im Bereich der A. carotis (Glomus caroticus). Der Glomus aorticus liegt im Perikard am Aortenbogen
auf Höhe der Pulmonalarterie, der Glomus caroticus ist an der
Bifurkation der A. carotis communis lokalisiert. Beide sind verantwortlich für die Messung des O2, CO2 und pH-Wertes im Blut
und sorgen über das autonome Nervensystem für Änderungen
in respiratorischen und kardialen Funktionen. Beim Hund entstehen Glomus-aorticus-Tumoren etwa 4- bis 5-mal häufiger
als Glomus-caroticus-Tumoren33,51.
Chemodektome kommen gehäuft bei brachyzephalen Rassen (z. B. Boxer, Boston Terrier, Englische Bulldogge) sowie bei
Golden und Labrador Retrievern vor, meist sind ältere Hunde
betroffen5,14,29,33,58,64,65,72. In einer Studie traten 8 von 9 Fälle
beim Boxer auf, alle Tiere waren > 8 Jahre50. Es wird hypothetisiert, dass die chronische Hypoxie und respiratorische Azidose,
die im Zusammenhang mit den Atembeschwerden brachyzephaler Rassen auftritt, in ursächlichem Zusammenhang mit
der Entstehung von Chemodektomen stehen könnte32,33,50,72.
Die Größe der Tumoren beträgt 1–10 cm (∅ 3 cm)50,54. Chemodektome bei Katzen sind extrem selten und wurden nur in
Einzelfällen beschrieben17,28,53,70.
Klinik Meist findet sich das kardiale Hämangiosarkom im rechten Atrium und/oder Aurikel. Manchmal infiltriert es die Ventrikelwand49. Kardiale Hämangiosarkome führen häufig zu blutigen Perikardergüssen und zur Herzbeuteltamponade. Zum
Zeitpunkt der Diagnose bestehen meist schon Metastasen
(▶ Abb. 24.1).
Hämangiosarkome werden bei der Katze selten und vorwiegend im rechten Atrium diagnostiziert48. Auch bei der Katze
zeigen kardiale Hämangiosarkome eine hohe Metastasierungsneigung.
Herzbasistumor (Chemodektom)
Herzbasistumoren sind die zweithäufigsten kardialen Tumoren
beim Hund65. Der Begriff „Herzbasistumor“ bezeichnet eine
Masse, die an der Herzbasis sitzt und im Zusammenhang mit
▶ Abb. 24.1 Kanines Hämangiosarkom ausgehend vom rechten Atrium
mit multiplen Metastasen in der Lunge (Sektionspräparat).
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24.1
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Kardiale und perikardiale Tumoren
Kardiales malignes Lymphom
Primäre kardiale Lymphome sind selten und stellen eine extranodale Form des malignen Lymphoms dar (▶ S. 505). Gelegentlich kommt es im Zusammenhang mit einem multizentrischen
malignen Lymphom zu einer kardialen Beteiligung52,65. Kardiale
maligne Lymphome gehen häufig mit einem Perikarderguss
einher41,60. Die Diagnose lässt sich meist zytologisch aus der
Perikardflüssigkeit stellen41.
Andere kardiale Tumoren
▶ Abb. 24.2 Großer Herzbasistumor (Chemodektom) bei einem Hund,
der die aszendierende Aorta und den Truncus pulmonalis umschließt.
Die Diagnosesicherung eines Chemodektoms ist intra vitam
schwierig. Eine ultraschallgestützte Feinnadelaspiration ist in
Einzelfällen möglich. Zwar sind die Tumoren exfoliativ, doch
ergibt die Aspiration häufig nur Blut, lysierte Zellen oder nackte
Zellkerne. Chemodektome stellen sich zytologisch als epitheliale Zellen mit rundem, zentral gelegenem Zellkern mit feiner
Chromatinstruktur und undeutlichen Nukleoli dar. Eine sichere
Differenzierung gegenüber anderen endokrinen Neoplasien
(v. a. ektopischen Schilddrüsentumoren) ist zytologisch nicht
möglich. Auch die Histologie erfordert zur Abgrenzung gegenüber anderen Tumoren immunhistologische Marker für neuroendokrines Gewebe (positiver Nachweis von Chromogranin A,
Synaptophysin und neuron-spezifische Enolase)4,14,50,53,65. Die
Chromogranin-A-Reaktion schwächt sich mit zunehmender
Malignität ab4,50.
Aufgrund ihrer Lokalisation und ihres langsamen Wachstums führen Chemodektome gelegentlich nicht zu Symptomen,
sondern finden sich als Zufallsbefund bei der Sektion. In einer
Studie waren 3 von 9 Fällen symptomlos50. Sofern Symptome
auftreten, stehen diese meist im Zusammenhang mit einem
Herzbeutelerguss bzw. einer Herztamponade, sie können aber
auch mechanisch den Blutfluss im Herzen behindern bzw. den
Aortenfluss obstruieren50. Seltener können Arrhythmien auftreten58.
Die histologische Dignitätsabschätzung der Chemodektome
ist schwierig und führt zu uneinheitlichen Berichten über den
Anteil maligner Tumoren. Nur eine Metastasierung ist ein
Andere kardiale Tumoren sind selten und nur in Einzelfällen
beschrieben. Vorwiegend sind die Tumoren in den Herzvorhöfen lokalisiert, während ventrikuläre Tumoren oder Tumoren
der Herzklappen seltener auftreten. Es kommen intrakardiale
ektopische Schildrüsentumoren3,9,21 und hauptsächlich Neoplasien mesenchymaler Herkunft vor, zu deren Differenzierung
häufig immunhistochemische Untersuchungen erforderlich
sind. Als maligne Tumoren sind Lymphangiosarkom69, Fibrosarkom44, Leiomyosarkom24, Rhabdomyosarkom2, Granularzelltumor56, Chondrosarkom16,22, Osteosarkom67, Fibrosarkom61,
maligne Nervenscheidentumoren71, Myxosarkom26, maligne
gemischte mesenchymale Tumoren42 und nieder differenzierte
Sarkome31 beschrieben. Einzelfälle benigner Tumoren sind Fibrom39, Rhabdomyom46,55, Neurofibrom5 und Lipom10. Myxome
treten v. a. an den Herzklappen auf und kommen beim Hund
nur in seltenen Einzelfällen vor1,42. Kardiale Metastasen
andernorts gelegener Primärtumoren kommen gelegentlich
vor31,65. In einer Studie waren 36 % aller kardialen Tumoren
Metastasen anderer Primärtumoren5.
Bei der Katze sind kardiale Tumoren seltener als beim
Hund. Es finden sich Hämangiosarkome, Chemodektome und
am häufigsten maligne Lymphome und metastatische Tumoren
(verschiedene Karzinome). Es findet sich je ein Fallbericht eines
kardialen Myxoms15 und eines kardialen Rhabdomyosarkoms63.
24.1.2
Tumoren des Perikards
Mesotheliom
Das Mesotheliom ist ein primärer Tumor der serösen Oberflächen und kommt in mehreren histologischen Varianten vor12
(Histologie, Immunhistologie und Ätiologie ▶ Kap. 25). Der
Tumor ist schwierig zu diagnostizieren, da sich perikardiale
Mesotheliome meist an der Innenseite des Perikards befinden
und sehr klein sein können. In einigen Fällen können Mesotheliome als diskrete Massen, meist an der Herzbasis, gefunden
werden40. Stets gehen perikardiale Mesotheliome mit einem
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sicherer Hinweis für Malignität. Frühere Studien zeigten eine
niedrige Metastaserate. In einer Studie mit 357 Chemorezeptor-Tumoren traten nur bei 12 % der Glomus-aorticus-Tumoren
Metastasen auf33. In anderen Arbeiten wurde eine höhere
Metastasierungshäufigkeit gefunden40,54,72. Metastasen treten
am häufigsten in Lunge, seltener in Milz, Leber und Knochen
auf30,33,40. Chemodektome der Katze metastasieren vergleichsweise häufig17. Die Glomus-caroticus-Tumoren des Hundes können sich infiltrativ entlang der A. carotis bis zum Hirnstamm
ausbreiten und scheinen eine hohe Metastasierungsneigung
aufzuweisen51.
Spezielle Onkologie
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24 – Kardiale und mesenteriale Tumoren
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Klinik, Diagnostik und Therapie kardialer und
perikardialer Tumoren
Klinik Bei kleinen Tumoren ohne funktionelle Beeinträchtigung des Herzens zeigen die Tiere meist keine kardialen Symptome. Systemische Krankheitsanzeichen, z. B. Schwäche, Inappetenz oder Fieber, können Hinweise auf eine tumoröse
Erkrankung geben. In chronischen Fällen kann es zur starken
Kachexie kommen. Wenn kardiale Symptome auftreten, stehen
diese meist im Zusammenhang mit einem Perikarderguss. Bei
der Auskultation kann ein Herzgeräusch aufgrund einer intrakardialen Obstruktion oder Arrhythmien infolge einer Infiltration des Myokards auffallen.
Ein Herzbeutelerguss aufgrund eines kardialen Tumors
kommt bei Hunden relativ häufig vor, findet sich bei Katzen
aber eher selten. Durch einen Perikarderguss wird häufig die
diastolische Füllung des Herzens beeinträchtigt. Da das Perikard nicht besonders dehnbar ist, kann vermehrte Flüssigkeit
im Perikard den intraperikardialen Druck schnell erhöhen.
Wenn der intraperikardiale Druck den Druck des gefüllten Herzens übersteigt, entsteht eine Herzbeuteltamponade. Hierunter
versteht man die Kompression des rechten Vorhofs und z. T.
auch des rechten Ventrikels. Solange der intraperikardiale
Druck geringer ist als der venöse Druck, bleiben die Füllung des
Herzens und der Auswurf relativ normal und Symptome einer
Tamponade fehlen.
Durch die Herzbeuteltamponade variiert der arterielle Blutdruck sehr stark. Der während der Inspiration verminderte
Auswurf des linken Herzens kann zu einem Abfall des arteriellen Blutdrucks ≥ 10 mmHg führen, was als Pulsus paradoxus
bezeichnet wird. Obwohl die Kontraktilität des Myokards nicht
direkt vom Perikarderguss beeinträchtigt wird, kann eine verminderte Perfusion der Koronargefäße während der Tamponade zur Beeinträchtigung der Systole und der Diastole führen.
Ein niedriger Auswurf des Herzens, arterielle Hypotension,
Rechtsherzversagen und eine verminderte Durchblutung des
Herzens und anderer Organe können zum kardiogenen Schock
und zum Tod führen.
Symptome bei Perikarderguss sind Anzeichen eines Rechtsherzversagens, wie Aszites, Pleuralerguss, gestaute Jugular-
venen oder subkutane Ödeme. Tachypnoe, Schwäche oder
Synkopen bei Anstrengung sind im Verlauf typisch. Lethargie,
Leistungsschwäche, Inappetenz, Husten und andere unspezifische Symptome können auftreten, bevor sich ein offensichtlicher Aszites entwickelt. Eine schnelle Flüssigkeitsansammlung kann zu einer akuten Tamponade, Schock und Tod
führen.
Klinische Untersuchung Bei der Untersuchung fallen typischerweise ein schwacher femoraler Puls, gedämpfte Herztöne,
eine Dilatation der V. jugularis, evtl. Aszites oder eine angestrengte Atmung auf. Die Herztöne werden durch einen moderaten bis starken Perikarderguss gedämpft, der Herzspitzenstoß
ist nur schwach fühlbar. Die Abschwächung des femoralen Pulses während der Inspiration kann bei manchen Patienten
wegen der phasischen Verminderung der Pulsstärke (und des
mittleren arteriellen Blutdrucks) als Pulsus paradoxus auffallen.
Ein hoher Sympathikustonus in Kombination mit einem reduzierten Herzauswurf führt zur Sinustachykardie, blassen
Schleimhäuten und einer verlängerten kapillären Füllungszeit.
Die Atemgeräusche werden bei einem Perikarderguss ventral
gedämpft. Ein hochgradiger Erguss kann aufgrund seiner Größe
zu klinischen Symptomen führen, auch wenn keine Herztamponade vorliegt. Eine Kompression der Lunge oder der Atemwege durch den Herzbeutelerguss kann Dyspnoe oder Husten
provozieren; eine Kompression des Ösophagus kann zu Dysphagie oder Regurgitation führen.
Röntgen Radiologische Veränderungen bei Herztumoren können sehr unterschiedlich sein. Es können eine normale Herzsilhouette, ungewöhnliche Ausbuchtungen, weichteildichte Massen oder ein Kugelherz bei Perikarderguss vorkommen. Der
kugelige Herzschatten als Ausdruck eines Perikardergusses ist
v. a. auf der ventrodorsalen oder dorsoventralen Aufnahme sichtbar. Trotzdem ist die röntgenologische Diagnose oft wenig aussagekräftig, da ein kleines Flüssigkeitsvolumen oft nur in einer milden bis moderaten generalisierten Kardiomegalie mit normaler
Kammerkontur resultiert. Andere röntgenologische Befunde bei
Perikarderguss und Tamponade sind eine Dilatation der kaudalen V. cava, Hepatomegalie und Aszites, z. T. ist ein Pleuralerguss
sichtbar. Ein Herzbasistumor kann als weichteildichte Verschattung sichtbar sein und zu einer Deviation der Trachea führen
(▶ Abb. 24.3), oder es kann zu einer ausgeprägten perihilären
Verschattung kommen50. Bei manchen primären oder metastatischen Tumoren finden sich bereits Lungenmetastasen.
Elektrokardiografie Das EKG kann zur Diagnose eines Perikardergusses verwendet werden. Es kann zwar normal sein,
aber es gibt einige EKG-Befunde, die einen Perikarderguss vermuten lassen. Dazu gehören eine verminderte Größe des QRSKomplexes (Hypovoltage; < 1 mV in allen Ableitungen), eine
elektrische Alternans und seltener eine Deviation der ST-Strecke. Die elektrische Alternans oder die veränderte QRS-Komplex-Höhe resultieren aus dem frei schwingenden Herzen
innerhalb des flüssigkeitsgefüllten Herzbeutels. Eine Sinustachykardie ist der bei einem Perikarderguss am häufigsten
beobachtete Herzrhythmus, selten auch atriale oder ventrikuläre Tachyarrhythmien.
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Perikarderguss und häufig mit perikardialer Tamponade einher6. Das Mesotheliom zählt wegen seines multiplen Auftretens, der Bildung sog. „Abklatschmetastasen“ und seines
schnellen Wachstums zu den malignen Tumoren. Für Mesotheliome sind weder Rasse- noch Geschlechtsprädispositionen
bekannt. In einer neueren Studie wurden bei 5 Golden Retrievern mit initialer Diagnose eines idiopathischen Perikardergusses und langsamem Krankheitsverlauf bei der Sektion
Mesotheliome diagnostiziert. Es wurde vermutet, dass sich die
Mesotheliome aufgrund des chronischen Entzündungsprozesses entwickelt haben könnten43. Andere perikardiale Tumoren
sind extrem selten. Beim Hund finden sich einzelne Fallberichte
über ein perikardiales Leiomyosarkom24, Osteosarkom57, Chondrosarkom37 und Lipom8,36.
Bei Katzen kommen perikardiale Mesotheliome sehr selten
vor62. Ein perikardiales ektopisches Schilddrüsenkarzinom bei
der Katze wurde beschrieben35.
391
Kardiale und perikardiale Tumoren
Echokardiografie Die Echokardiografie ist ein sehr sensitiver
(82 %) und spezifischer Test (100 %), um kardiale Tumoren zu
diagnostizieren und voneinander zu unterscheiden, v. a. wenn
gleichzeitig ein Perikarderguss vorliegt40. In einigen Fällen können Tumoren erst bei Folgeuntersuchungen dargestellt werden.
Ein Perikarderguss erscheint als ein echofreier Raum zwischen
dem Epikard und dem intensiv hyperechogenen parietalen
Perikard. Bei einer Herztamponade sieht man einen diastolischen Kollaps des rechten Atriums und manchmal auch des
rechten Ventrikels. Mithilfe der Echokardiografie kann man auf
die Ätiologie schließen, wenn Raumforderungen an der Herzbasis oder dem rechten Vorhof identifiziert werden können.
Wenn möglich, sollte die Echokardiografie vor Entfernung der
▶ Abb. 24.4 Im Herzultraschall stellt sich ein Hämangiosarkom als schwammartige, kavernöse Masse mit variabler Echogenität (an- und hyperechogen)
dar. In diesem Fall liegt der Tumor (T) im rechten Atrium. RA: rechter Vorhof; RV: rechter Ventrikel; LA: linker Vorhof; LV: linker Ventrikel.
MRT und CT Mit EKG-getriggerten und so mit der Herzaktion
synchronisierten CT- und MRT-Studien lassen sich das Herz
und die großen Gefäße in Schichten sowie dreidimensional
darstellen. Gerade mithilfe des MRT können Gefäße, Herzkammern und Weichteile verschiedener Dichten leichter unterschieden werden. Das MRT könnte in Zukunft eine gute Methode
darstellen, um Tumoren oder Metastasen zu finden, die nicht
durch die Echokardiografie entdeckt werden konnten45.
Labordiagnostik Laborveränderungen können auftreten, sind
aber meist unspezifisch. Eine milde, normochrome, normozytäre, nicht regenerative Anämie kann beim Hämangiosarkom
und bei anderen kardialen Tumoren vorkommen. Zudem fallen
Normoblasten (durch eine überschießende Regeneration der
Erythrozyten) und Schistozyten auf und es kann zu Hämostasestörungen kommen (▶ Tab. 21.3, ▶ S. 334).
▶ Abb. 24.5 Herzbasistumoren sind meistens mit der aszendierenden
Aorta assoziiert. Im vorliegenden Kurzachsenschnitt durch das Herz stellt
sich der Herzbasistumor (T) als unterhalb von der Aorta (Ao) liegende
Umfangsvermehrung dar. RA: rechter Vorhof; LA: linker Vorhof.
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▶ Abb. 24.3 Ventrodorsales Röntgenbild einer Französischen Bulldogge
mit einem großen Chemodektom. Beachte die Deviation der Trachea nach
rechts (Pfeile). © Dr. Martin Kessler, Tierklinik Hofheim.
perikardialen Flüssigkeit (Perikardiozentese) durchgeführt werden, da dies die Schallqualität verbessert.
Eine genaue Untersuchung des rechten Vorhofs und des
rechten Herzohrs, der aszendierenden Aorta und des parietalen
Perikards sind entscheidend zur Tumordiagnose. Typische Lokalisation für Hämangiosarkome sind das rechte Herzohr, der
rechte Vorhof oder die Wandregion zwischen rechtem Vorhof
und Ventrikel (AV-Grube). Das Hämangiosarkom stellt sich als
schwammartige, kavernöse Masse mit variabler Echogenität
(an- und hyperechogen) dar (▶ Abb. 24.4). Herzbasistumoren
sind meist mit der aszendierenden Aorta assoziiert. Sie variieren von kleinen, ovalen Strukturen bis hin zu großen Massen,
die die Aorta umgeben. Am besten lassen sich die Massen in
der rechten parasternalen Längsachse oder im Kurzachsenschnitt als ober- oder unterhalb der Aorta liegende Umfangsvermehrungen darstellen (▶ Abb. 24.5). Die Echogenität von
Herzbasistumoren ist homogener als die des Hämangiosarkoms. Mesotheliome sind selten als Massen darstellbar und
deshalb sehr schwer diagnostizierbar. Eine transösophageale
Echokardiografie kann bei der Untersuchung der Herzbasisregion auf vermutete Raumforderungen und vergrößerte
Lymphknoten hilfreich sein.
Spezielle Onkologie
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24 – Kardiale und mesenteriale Tumoren
Thrombozytopenie und Leberenzymerhöhungen können
bei allen Herztumoren vorkommen. Sofern ein Perikarderguss
vorliegt, können sie sich jedoch auch bei idiopathischem Perikarderguss finden40. Elektrolytverschiebungen wie Hyponatriämie, Hypochlorämie oder Hyperkaliämie kommen v. a. bei Vorliegen eines Aszites vor. Der kardiale Biomarker Troponin-I ist
häufig erhöht bei Hunden mit Perikarderguss. In einer Pilotstudie schien er nicht geeignet, einen tumorassoziierten von
einem idiopathischen Perikarderguss zu unterscheiden38. Zu
anderen Ergebnissen kam eine neuere Studie, die bei Hunden
mit kardialen Hämangiosarkomen ein signifikant erhöhtes kardiales Troponin-I nachweisen konnte. Plasma-Troponin-I-Konzentrationen > 0,25 ng/ml waren mit kardialer Manifestation
eines Hämangiosarkoms assoziiert (Sensitivität 78 %, Spezifität
71 %; bei gleichzeitig vorliegendem Perikarderguss Sensitivität
81 %, Spezifität 100 %)18.
Perikardiozentese und Analyse der Perikardflüssigkeit Eine
zytologische Analyse des Perikardergusses wird empfohlen,
obwohl anhand der Ergusszytologie, außer bei kardialen Lymphomen41, nur in sehr seltenen Fällen die Diagnose eines
Tumors gestellt werden kann. Reaktive mesotheliale Zellen des
Perikards können im Erguss vorliegen und sind nur schwer von
neoplastischen Zellen zu unterscheiden. Besonders schwierig
ist die Unterscheidung reaktiver Mesothelzellen von denen
eines Mesothelioms. In einigen Studien wurde beim Menschen
und beim Hund der Nutzen einer pH-Messung der perikardialen Flüssigkeit untersucht, um zwischen einer entzündlichen
und einer nicht entzündlichen Ursache zu unterscheiden. Ein
sehr niedriger pH kann auf einen idiopathischen bzw. ein sehr
hoher auf einen neoplastischen Perikarderguss hinweisen,
jedoch besteht ein weiter Überlappungsbereich der pH-Werte
beider Gruppen, weshalb eine pH-Messung als diagnostischer
Test bei einem Perikarderguss nicht aussagekräftig ist25.
Therapie und Prognose Initial kann bei Vorliegen eines Perikardergusses die Symptomatik eines kongestiven Herzversagens (Aszites, Pleuralerguss, Schwäche) durch eine Perikardiozentese dramatisch verbessert werden. Bei rezidivierenden
Herzbeuteltamponaden kann der Perikarderguss mehrfach
abgezogen werden. Je nach Tumorart kann eine Perikadektomie
sinnvoll sein.
Die Prognose bei Hämangiosarkomen des rechten Atriums
ist ohne Therapie sehr ungünstig einzustufen und beträgt je
nach Studie oft nur einige Tage bis Wochen40. Obwohl bei primären Hämangiosarkomen des rechten Atriums mittels Perikardektomie oder Tumorexzision die klinischen Symptome
beseitigt werden können, ist zum Diagnosezeitpunkt bereits
von einer mikrometastatischen Ausbreitung auszugehen, weshalb die chirurgischen Interventionen lediglich als palliative
Maßnahmen anzusehen sind. Sofern der Tumor resezierbar ist,
kann dies zu längeren Überlebenszeiten führen, v. a. wenn die
Patienten anschließend mit einer Chemotherapie behandelt
werden. Die mediane postoperative Überlebenszeit betrug nach
alleiniger chirurgischer Entfernung des Tumors 42 Tage. Wurde
die chirurgische Therapie aber mit einer postoperativen Chemotherapie (z. B. Doxorubicin, Doxorubicin und Cyclophosphamid [AC-Protokoll] oder Vincristin, Doxorubicin und Cyclo-
phosphamid [VAC-Protokoll]) kombiniert, konnte dies die
mediane Überlebenszeit auf 175 Tage verlängern68. Bei gestielten, vom Herzohr ausgehenden Tumoren wurde auch eine thorakoskopische Resektionstechnik beschrieben20. Aufwändige
Resektionen der atrialen Wand sind prinzipiell möglich11, bleiben angesichts der vorsichtigen Prognose der Erkrankung
jedoch Einzelfällen vorbehalten.
Chemodektome wachsen normalerweise langsam64. Da sie
invasiv in die Aortawand wachsen, ist eine komplette chirurgische Entfernung meist nicht möglich. Versuche einer aggressiven Entfernung führen oft zu unstillbaren Blutungen und Tod
des Tieres. Jedoch können kleine, gut abgrenzbare Tumoren
vollständig entfernt werden23. Eine partielle Perikardektomie
kann die Überlebenszeit um Monate bis Jahre verlängern und
ist auch dann zu empfehlen, wenn kein Perikarderguss vorliegt.
In einer Studie mit 24 Hunden lag die mediane Überlebenszeit
nach Perikardektomie bei 730 Tagen, Hunde die keine Perikardektomie erhielten, überlebten median nur 42 Tage23. Zu
vergleichbaren Ergebnissen kam eine 2. Untersuchung bei 25
Patienten64.
Die durchschnittliche Überlebenszeit von Hunden mit
Mesotheliomen beträgt laut einer Studie 6,5 Monate40. Eine
Überlebenszeit von über 27 Monaten wurde laut einem Fallbericht mittels einer Kombination aus Perikardektomie, intracavitärer Cisplatin-Verabreichung und intravenösem Doxorubicin
erreicht19 (▶ Kap. 25).
Die Prognose eines kardialen malignen Lymphoms ist ohne
Chemotherapie schlecht (mediane ÜZ 22 Tage). Die mediane
Überlebenszeit konnte mit einer Chemotherapie laut einer kleinen, retrospektiven Studie auf 157 Tage gesteigert werden41.
24.2
Thymome und Tumoren des kranialen
Mediastinums
Christian Bolliger
Epidemiologie Die beiden häufigsten Tumoren im kranialen
Mediastinum bei Hund und Katze sind das maligne Lymphom
und das Thymom. Thymome entstehen aus den epithelialen
Resten des zurückgebildeten Thymus und können mit Myasthenia gravis und anderen paraneoplastischen Autoimmunerkrankungen assoziiert sein. Histopathologisch sind Thymome
epitheliale Tumoren mit einer variablen Anzahl reifer T-Lymphozyten1,4,39,44. Die Neoplasie ist selten und tritt v. a. bei älteren Hunden und Katzen auf. Bei Katzen kommen ganz selten
zystische Thymome vor29. Das Durchschnittsalter bei Hunden
liegt bei 10,5 Jahren (2,5–16 Jahre) und 9,1 Jahren bei Katzen
(3–15 Jahre). Labrador Retriever, Golden Retriever und der
Deutsche Schäferhund sind überdurchschnittlich häufig betroffen1,4,14.
Die wichtigste Differenzialdiagnose zum Thymom ist die
mediastinale Form des malignen Lymphoms, das von den lymphatischen Zellen des Thymus oder den Lymphknoten des
Mediastinums ausgeht und oft Teil einer systemischen Erkrankung ist. Bei einem mediastinalen Lymphom sind Hunde meist
mittleren Alters, während Katzen häufiger jung sind4,7,18,38,43.
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Thymome und Tumoren des kranialen Mediastinums
Klinik Die Symptome variieren und werden direkt durch den
Tumor im Mediastinum oder durch ein paraneoplastisches Syndrom bestimmt. Atemnot, Husten und Leistungsschwäche treten auf und v. a. Dysphagie und Regurgitation. Eine tumorbedingte Kompression oder Infiltration des N. recurrens kann
zu einer Stimmveränderung oder Larynxparalyse und eine
Affektion des sympathischen Grenzstrangs zu einem HornerSyndrom führen1,14,30,49. In einzelnen Fällen bilden sich Ödeme
in der vorderen Körperhälfte, wenn eine große Tumormasse zu
einer mechanischen Kompression der kranialen V. cava führt
(präkavales Syndrom, Vena-cava-Syndrom)15. Die Tumormasse
und die Flüssigkeitsansammlung im Thorax können die Lungengeräusche nach dorsal verlagern. Mehr als 60 % der Hunde
mit einem Thymom zeigen autoimmunbedingte paraneoplastische Syndrome, wie die erworbene Myasthenia gravis, Polymyositis, die Entstehung neuer Tumoren durch Störung der
zellvermittelten Immunität und in seltenen Fällen eine Hyperkalzämie2,49.
Auch bei der Katze wurden Fälle mit sekundärer Myasthenia gravis beschrieben33,45. Zudem kann bei der Katze als Besonderheit eine nicht pruritische, exfoliative Dermatitis auftreten, die sich zuerst am Kopf und den Ohrmuscheln äußert
(▶ S. 30 ff.)37,40. Eine Spontanremission der kutanen Veränderung nach Resektion des Thymoms ist möglich13.
Die Myasthenia gravis ist eine Erkrankung der quergestreiften Muskulatur mit Störung der neuromuskulären Reizübertragung. Die Muskelschwäche manifestiert sich generalisiert oder
fokal und betrifft oft den Ösophagus6,9,27. Ein Megaösophagus
mit Regurgitation und Aspirationspneumonie tritt dabei häufiger beim Hund als bei der Katze auf, da der kanine Ösophagus
einen größeren Anteil an quergestreifter Muskulatur aufweist1,2,14,34,35 (▶ S. 31 ff.).
sind typisch für Thymome. Die Myasthenia gravis wird durch
den Nachweis von Antikörpern im Serum gegen den Acetylcholinrezeptor diagnostiziert8,9,34,35. Lymphadenopathie und
Hyperkalzämie treten in der Mehrzahl bei mediastinalen Lymphomen auf. Allerdings wurde im Zusammenhang mit Thymomen vereinzelt eine Hyperkalzämie beschrieben2,49, die ähnlich
wie beim malignen Lymphom durch die Produktion einer
parathormonähnlichen Substanz (PTH-rp) entstehen kann12
(▶ S. 24 ff.). Andere hämatologische und biochemische Laborparameter liegen bei einem Thymom meist im Referenzbereich.
Bei der Katze wurde im Zusammenhang mit einem Thymom
auch eine immunmediierte Granulozytopenie beschrieben11.
Die Lage, Größe und Invasivität einer mediastinalen Masse
ist durch eine Ultraschalluntersuchung oder besser mit einer
Kontrast-Computertomografie untersuchbar16,48 (▶ Abb. 24.7).
Eine ausreichende Beurteilung der Invasion in die großen
Gefäße des kranialen Mediastinums ist auch mit der CT nicht
immer möglich36. Es ist möglich, dass Tiere mit den Symptomen einer Myasthenia gravis ein kleines Thymom aufweisen,
das nur mit einer Computertomografie sichtbar wird47.
Sonografisch zeigt das mediastinale Lymphom eine gleichmäßige hypoechogene Struktur, während Thymome und andere
Neoplasien ein heterogenes Erscheinungsbild aufweisen und
oft flüssigkeitsgefüllte Zysten enthalten21,29,49.
Die Entnahme einer Gewebeprobe ist unerlässlich für die
Diagnose und wird am besten unter Ultraschall- oder CT-Kontrolle durchgeführt10. Die Feinnadelaspiration kann in unklaren
Fällen mit einer Hohlnadelbiopsie ergänzt werden. Das zytologische Präparat eines Thymoms ist geprägt durch eine heterogene Population von reifen (kleinzelligen) Lymphozyten und
wenigen Mastzellen in Kombination mit einer variablen Anzahl
Thymusepithelzellen2,14 (▶ Abb. 24.8). Diese können runde,
ovale oder spindelförmige Formen aufweisen. Anhand der
Biopsie kann allerdings nicht zwischen einem invasiven und
einem nicht invasiven Tumor unterschieden werden. Das Zellbild eines malignen Lymphoms zeichnet sich durch das Vorhandensein einer homogenen Population von zumeist unreifen
Diagnose Klinisch ist die Unterscheidung zwischen Lymphom
und Thymom von zentraler Bedeutung, da unterschiedliche
Therapieansätze verfolgt werden müssen. Das Lebensalter gibt
einen ersten Hinweis: Katzen mit mediastinalem Lymphom
sind meist jünger (1–3 Jahre) und oft FeLV-positiv, während
Thymome bevorzugt bei älteren Katzen auftreten (8–10 Jahre).
Auch bei Hunden kommen Thymome vorwiegend bei älteren
Hunden vor, während das mediastinale maligne Lymphom vorwiegend Tiere im jüngeren und mittleren Alter betrifft. Röntgenologisch ist beim Lymphom wie beim Thymom eine Masse im
kranialen Mediastinum sichtbar (▶ Abb. 24.6). Bei beiden Tumoren kann sich ein Thoraxerguss bilden.
Das Auftreten von paraneoplastischen Syndromen, insbesondere die generalisierte oder fokale Myasthenia gravis, Polymyositis, exfoliative Dermatitis oder sekundäre Neoplasien
▶ Abb. 24.6 Röntgenbild des Thorax eines Hundes mit einem Thymom im
kranialen Mediastinum. Beachte die ovoide Weichteilstruktur kranial des
Herzens.
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Ganz selten treten bei Katzen Thymuslipome auf, eine Mixtur
aus Fett- und Thymusgewebe48. Seltener finden sich im kranialen Mediastinum Tumoren aus ektopischem Schilddrüsen- oder
Nebenschilddrüsengewebe, Chemodektome, Teratome, Sarkome sowie Metastasen andernorts lokalisierter Primärtumoren23,30,48. Differenzialdiagnostisch sind nicht neoplastische
Branchialzysten aus Resten der fötalen Schlundtaschen, Thymusblutungen, Abszesse und entzündliche Granulome in
Betracht zu ziehen 3,4,19,24,30,44.
Spezielle Onkologie
393
394
24 – Kardiale und mesenteriale Tumoren
394
▶ Tab. 24.1 Stadieneinteilung beim Thymom (nach Smith et al. 2001)39.
Stadium
Definition
I
Tumorwachstum innerhalb der Thymuskapsel (nicht
invasiv)
II
Tumor durchbricht die Thymuskapsel und wächst in
das umgebende Gewebe
III
Tumor infiltriert umliegende Organe, Perikard, große
Gefäße und Lunge
IV-A
perikardiale oder pleurale Dissemination
IV-B
Metastasierung via hämatogene oder lymphatische
Bahnen
Lymphozyten bzw. -blasten aus7,43. Probleme bereiten die Interpretation kleinzelliger, gutartig erscheinender Lymphozyten,
die bei beiden Tumortypen aspiriert werden können. Mithilfe
der Durchflusszytometrie können thymusspezifische Lymphozyten (Thymozyten) von den übrigen Lymphozyten abgegrenzt
werden. Die Mehrzahl der Thymozyten (> 80 %) tragen die
Oberflächenrezeptoren CD4 und CD8, während mediastinale
Lymphome aus klonalen Lymphozyten bestehen22. Eine offene
Gewebeentnahme oder eine diagnostische Chemotherapie
empfiehlt sich in speziellen Fällen. Im Gegensatz zum Thymom
lassen sich maligne Lymphome mit einer Polychemotherapie
meistens innerhalb von 14 Tagen in eine partielle oder komplette Remission bringen.
Biologisches Verhalten Das histopathologische Erscheinungsbild der Thymome korreliert nicht mit seinem biologischen
Verhalten oder dem Auftreten paraneoplastischer Syndrome.
Die Dignität des Tumors wird vielmehr auf der Basis seiner
Invasivität in das umgebende Gewebe beurteilt. Die Stadieneinteilung für Thymome ist in ▶ Tab. 24.1 dargestellt39.
▶ Abb. 24.8 Zytologisches Präparat eines Thymoms bei einem Hund.
Kleine reifzellige Lymphozyten umgeben eine Ansammlung von Thymusepithelzellen (Pfeil).
Der größere Teil der Thymome bei Hunden und Katzen verhält sich invasiv, aber nur eine kleine Anzahl metastasiert,
wobei v. a. die regionären Lymphknoten und die Lunge betroffen werden2,14,29,49.
Therapie Das mediastinale Lymphom wird bevorzugt chemotherapeutisch behandelt7,18,43 (▶ Kap. 32). Beim Thymom ist die
chirurgische Entfernung die Methode der Wahl und ist bei eingekapselten Tumoren oft kurativ1,2,14,41. Die Resezierbarkeit
eines Thymoms kann oft erst intraoperativ beurteilt werden, ist
aber in der Mehrzahl der Fälle möglich und reduziert das Risiko
einer Verschlimmerung der Myasthenia gravis20,41,42. Um die
Überlebenschance zu verbessern, muss vor der Resektion eine
evtl. Aspirationspneumonie oder Myasthenia gravis medikamentös behandelt werden5. Das Vorhandensein eines Megaösophagus verschlechterte die Überlebenszeit in früheren Studien
dramatisch auf wenige Tage nach einem chirurgischen Eingriff2,31,47. Die Überlebenszeit der Patienten mit einem milden
Megaösophagus kann durch eine intensive Betreuung peri- und
postoperativ, u. a. mit häufigem Aspirieren des Ösophagus
durch eine Nasenschlundsonde, deutlich verbessert werden.
Es ist erwähnenswert, dass Thymome ein langsames Wachstum zeigen können und vereinzelt Hunde ohne Behandlung
> 1 Jahr überlebten, insbesondere wenn nur milde paraneoplastische Symptome vorhanden waren2,20.
Der operative Zugang zu kleinen Tumoren erfolgt durch den
linken 3. Interkostalraum, während eine mediane Sternotomie
bei größeren Tumoren eine bessere Übersicht erlaubt (▶ Abb.
24.9). Postoperative Instabilität und Schmerzen werden reduziert, wenn das Sternum nicht auf der ganzen Länge durchtrennt wird. Die A. und V. thoracica interna verlaufen bogenförmig von dorsal kommend parallel entlang des Sternums nach
kaudal. Bei der Resektion eines großen Tumors kann es nötig
werden, diese Gefäße zu ligieren. Die paarigen Nn. phrenici ziehen dorsal im Mediastinum zum Zwerchfell und sollten
geschont werden. Eine einseitige Verletzung führt zu einer einseitigen Zwerchfellslähmung, die aber meist toleriert wird25,32.
Thymome bestehen aus sehr fragilem Gewebe mit einer
starken Blutungsneigung, wodurch eine Bluttransfusion nötig
werden kann. Adhäsionen an die umliegenden Gewebe und die
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▶ Abb. 24.7 Computertomografische Aufnahme eines Thymoms bei
einem Hund nach Gabe eines intravenösen Kontrastmittels. Beachte die
große, wenig kontrastanreichernde Masse (T) kranial des Herzens. © Dr.
Martin Kessler, Tierklinik Hofheim.
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Thymome und Tumoren des kranialen Mediastinums
▶ Abb. 24.10 Reseziertes Thymom des Patienten aus ▶ Abb. 24.9. © Dr.
Martin Kessler, Tierklinik Hofheim.
▶ Abb. 24.9 Thymome können enorme Ausmaße erreichen. Dargestellt
ist der Operationssitus nach medianer Sternotomie mit dem Thymom in
situ. Die Präparation im Bereich der großen Gefäße im kranialen Mediastinum muss mit großer Sorgfalt erfolgen. © Dr. Martin Kessler, Tierklinik
Hofheim.
Invasion großer mediastinaler Gefäße erschweren die Operation zusätzlich2,15,49 (▶ Abb. 24.10). Der Verschluss des Sternums erfolgt mit chirurgischem Draht in einer Achterschlinge
um die Rippen-Sternum-Verbindungen. Eine intraoperativ
gelegte Drainage erlaubt, Luft aus dem Thorax zu evakuieren,
evtl. Blutungen zu erkennen und Schmerzmittel zu applizieren.
Postoperativ muss das Auftreten einer Aspirationspneumonie,
v. a. beim Bestehen eines Megaösophagus, beachtet werden2,14,23,47. Die thorakoskopische Entfernung kleiner, nicht
invasiver Thymome wurde beschrieben26.
Ist eine Operation nicht indiziert oder wurde eine unvollständige Resektion durchgeführt, kann eine Bestrahlung des
Thymoms zu einer Verbesserung der klinischen Symptome führen. In einer Studie sprachen 75 % der Katzen und Hunde auf
eine Bestrahlungstherapie an. Die mittlere Überlebenszeit betrug 248 Tage bei Hunden und 720 Tage bei Katzen17,28,39. Die
Wirksamkeit einer Chemotherapie ist ungewiss und hängt
auch vom Gehalt an Lymphozyten im Thymom ab. Ein Behandlungsversuch mit Lymphomprotokollen kann in nicht operablen Fällen versucht werden18,43.
Prognose Kann eine komplette Resektion des Thymoms oder
von Thymuszysten durchgeführt werden und bestehen keine
paraneoplastischen Krankheitsbilder, ist die langfristige Prognose sehr gut2,15,49. Liegt ein Megaösophagus oder eine Aspirationspneumonie vor, besteht eine generalisierte Myasthenia
gravis oder ist das Tumorwachstum stark infiltrativ, verschlech-
tert sich die Prognose deutlich1,31,47. Zusammenfassend überleben zwischen 30–94 % der behandelten Hunde und > 80 % der
Katzen das 1. Jahr2,14,49.
In der Humanmedizin wird die Thymomektomie zur Behandlung der Myasthenia gravis durchgeführt. Dabei kommt es
bei einem größeren Teil der Patienten zu einer deutlichen Verbesserung der Symptome42. In der Tiermedizin ist die Rückbildung der Myasthenia gravis nach einer Thymomektomie spärlich dokumentiert21,41. Vereinzelt entstand sogar erst nach
einer erfolgreichen Resektion eine Myasthenia gravis, weshalb
auf die typischen Symptome postoperativ geachtet werden
muss14.
Literaturverzeichnis im Internet auf www.thieme.de/shop über
die Produktsuche.
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Spezielle Onkologie
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