Diplomarbeit Die verschiedenen Schilddrüsenerkrankungen und ihre aktuellen medikamentösen Therapien eingereicht von Peter Samuel Geb.Dat.: 03.06.1987 zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie unter der Anleitung von Univ.-Prof.i.R. Mag.pharm. Dr.phil. Eckhard BEUBLER Ort, Datum: Graz, 06.08.2013 Unterschrift: Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, am 06.08.2013 Unterschrift: I Vorwort Endokrinologie hat mich schon immer fasziniert. Da die Schilddrüse ein hormonproduzierendes Organ ist und ich mich schon immer für sie interessiert habe, habe ich mich entschieden, sie hier genauer vorzustellen. Ich selbst habe im 6.Studienjahr auf der Endokrinologiestation am LKH Graz gearbeitet. In der Schilddrüsenambulanz bekam ich dann die verschiedenen Schilddrüsenerkrankungen samt ihrer Diagnostik und Therapie beigebracht. Ich durfte bei Blutabnahmen, Schilddrüsensonographien, -punktionen und Szintigraphien dabei sein und teilweise auch persönlich durchführen. Auch bei der Wahl der verschiedenen Therapieschemata konnte ich meinen Teil dazu beitragen. Alles in allem war dieses Praktikum sehr lehrreich und interessant für mich. Damit Patienten einen allgemeinen Überblick über die verschiedenen schilddrüsenspezifischen Pharmaka bekommen, habe ich mich entschieden eine Diplomarbeit darüber zu verfassen. Die Fragestellung dieser Arbeit ist für Männer und Frauen gleichermaßen bedeutsam. Daher wird zwischen den Geschlechtern nicht unterteilt. Zur Vereinfachung wird jedoch die männliche Form beziehungsweise die geschlechtsneutrale Formulierung verwendet. Wenn nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, um welches Geschlecht es sich handelt, sind beide Geschlechter gleichermaßen betroffen. II Danksagungen Es gibt viele Menschen, denen ich hier gerne danken möchte. Im Laufe der Erarbeitung dieser Diplomarbeit sind mir viele Menschen zur Seite gestanden. Natürlich kann ich hier nicht alle erwähnen, dennoch sei allen, die mich hierbei tatkräftig unterstützt haben, gedankt. Zuallererst möchte ich Univ.-Prof.i.R. Mag.pharm. Dr.phil. Eckhard BEUBLER, vom Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, herzlichst danken. Er ist mir als Betreuer ständig zur Seite gestanden. Schon die Themenvergabe und das Erstellen eines Konzeptformulares sind komplikationslos über die Bühne gelaufen. Überhaupt war das Betreuungsverhältnis ein sehr Positives. Hierbei sei auch mein Zweitbetreuer zu erwähnen: ao. Univ.-Prof. Dr.med.univ. Josef DONNERER, auch vom Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie. Ihm gebührt mein voller Dank. Am Erfolg dieser Diplomarbeit sind auch meine Familie und meine Freunde mitverantwortlich. Sie waren stets für mich da und haben mich immerfort motiviert und inspiriert. Auch gilt mein Dank allen Studenten, die mich auf meinem Weg als cand. med. begleitet haben. III Zusammenfassung Einleitung: Um die Diagnose "Schilddrüsenerkrankung" besser zu verstehen, wird vorerst auf die Anatomie, Histologie und Physiologie der Schilddrüse näher eingegangen. Vor allem die Schilddrüsenhormone werden genau betrachtet. Dann wird die Pathologie und Pathophysiologie der Schilddrüse beschrieben. Nach Aufzählung der verschiedenen Erkrankungen, Symptome und die dafür erforderlichen diagnostischen Untersuchungen, folgt schließlich die Auflistung der einzelnen Therapieschemata. Diese ändern sich ständig! Darum ist es wichtig, sich auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen. Speziell in Zeiten wie diesen, wo Schilddrüsenerkrankungen zunehmen. Es werden also die Medikamente genauer vorgestellt. Wirkungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Indikationen, Kontraindikationen, Pharmakodynamik und Pharmakokinetik eines jeden einzelnen Medikamentes sollen hier genauer durchleuchtet werden. Durch die Zusammenschau der aktuellen Therapiemöglichkeiten bekommt der Patient einen Überblick über die neuesten Behandlungsvarianten. Methodik: Die Kernfrage der Arbeit besteht aus der Zusammenschau von Literaturen, über das Thema "Schilddrüsenerkrankungen und ihre aktuellen Therapien". Die Fragestellung lautet also: " Wie therapiert man Schilddrüsenerkrankungen heute nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft?" Gegebenfalls wird auf verschiedene Therapiemöglichkeiten der ein- und derselben Schilddrüsenerkrankung näher eingegangen. Dabei wird die Grundlagenliteratur (Anatomie, Histologie, Physiologie, Pathologie, Pathophysiologie, Innere Medizin, Pharmakologie, Austria Codex) verwendet und ein Zugang zu PubMed (evtl. für Studien/Reviews) für die Internetrecherche benötigt. Auch wird versucht, die bestmögliche Therapie herauszufinden, bzw. unterschiedliche Therapien gegenüberzustellen. Die Frage ist von Bedeutung, da Schilddrüsenerkrankungen in der Gesamtbevölkerung zunehmen. Ich habe mich für eine Literaturrecherche entschieden, weil die Schilddrüse als Organ ein sehr Wichtiges ist. Die Hormone die sie sezerniert, können beispielsweise bei Unterfunktion oder Überfunktion beträchtliche Symptome hervorrufen. Resultate/Diskussion: Das Ergebnis, das in dieser Arbeit zu erwarten wäre, ist eine Übereinstimmung der aktuellen Schilddrüsentherapien. Gibt es keine IV Übereinstimmung, wird darauf näher eingegangen und versucht die jeweiligen Pros und Kontras gegeneinander abzuwägen und eine persönliche Meinung abzugeben. V Abstract Introduction: To understand the diagnosis „thyroid disease“ better, it will be elaborated on anatomy, histology and physiology of the thyroid gland for now. Especially the thyroid hormones will be examined. Then the pathology and pathophysiology will be described. After the enumeration of the various diseases, symptoms and the therfore required diagnostic examinations, finally the listing of the individual therapy shemes follows. These therapy schemes change constantly! Therfore it is important to bring oneself up-to-date. Precisely in times like these, where thyroid diseases increase. So the drugs will be particularly introduced. Effects, side effects, interactions, indications, contraindications, pharmacodynamics, pharmacokinetics of every single drug should receive a thorough examination here. By the synopsis of the currrent therapy possibilities, the patient gets an overview of the latest treatment varieties. Methods: The crucial question of the paper is made up of the synopsis of literatures, about the theme: „Thyroid diseases and their current therapies“. The interrogation reads as follows: „How does one treat thyroid diseases by the current state of scientific knowledge?“ Where necessary, it will be elaborated on the various therapy possibilities of one and the same thyroid disease. Thereby the basic literature (anatomy, histology, physiology, pathology, pathophysiology, internal medicine, pharmacology, Austria Codex) will be used and an access to PubMed (perhaps for studies/reviews) for the internet research will be required.. Also it will be tried to figure out the optimal therapy, respectively to contrast the diverse therapies. The question is of importance, because thyroid diseases increase in the entire population. I have chosen the literature research, because the thyroid as an organ, is a very important one. The hormones, which it secretes, can, for example in the case of hypofunction or hyperfunction, evoke considerable symptoms. Results/Discussion: The outcome, which may be expected in this paper is an accordance of the recent thyroid therapies. If there is no accordance, it will be elaborated on this, it will be tried to weigh the pros and cons and to hand out a personal opinion. VI Inhaltsverzeichnis Eidesstaatliche Erklärung………………………………………………………………I Vorwort……………………………………………………………………………………II Danksagung…………………………………………....………………………………..III Zusammenfassung……………………………………………………………………..IV Abstract…………………………………………………………………………………..VI 1 2 Einleitung ......................................................................................................... 1 1.1 Anatomie der Schilddrüse ......................................................................... 1 1.2 Histologie der Schilddrüse......................................................................... 2 1.3 Physiologie der Schilddrüse ...................................................................... 4 1.3.1 Regulation der Hormonsekretion ........................................................ 6 1.3.2 Wirkungen der Schilddrüsenhormone................................................. 6 1.3.3 Calcitonin ............................................................................................ 7 Spezieller Teil .................................................................................................. 8 2.1 Euthyreote Jodmangelstruma ................................................................... 8 2.1.1 Diagnostik der euthyreoten Jodmangelstruma ................................. 10 2.1.2 Therapie ........................................................................................... 11 2.1.3 Therapie der euthyreoten Jodmangelstruma .................................... 15 2.2 Hyperthyreose ......................................................................................... 20 2.2.1 Morbus Basedow (Immunhyperthyreose, Graves’ disease) ............. 21 2.2.2 Toxischer Knotenkropf ...................................................................... 22 2.2.3 Toxisches Adenom (autonomes Adenom) ........................................ 23 2.2.4 Diagnostik der Hyperthyreose........................................................... 23 2.2.5 Therapie der Hyperthyreose ............................................................. 25 2.3 Hypothyreose .......................................................................................... 34 2.3.1 Autoimmunthyreoiditis Hashimoto (chronisch lymphozytäre Thyreoiditis, Struma lymphomatosa) ............................................................. 36 2.3.2 Diagnostik der Hypothyreose ............................................................ 37 2.3.3 Therapie der Hypothyreose .............................................................. 40 3 Anmerkungen ................................................................................................ 48 4 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 49 VII Glossar und Abkürzungen A………………………………………………………………………………………Arteria N……………………………………………………………………………………..Nervus T4………………………………………………………………………………..…Thyroxin T3…………………………………………………………………………….Trijodthyronin rT3…………………………………….……………………….....Reverses Trijodthyronin μg……………………………………………………………………………...Mikrogramm I- ……………………………………………………………………………...………..Jodid Na+……………………………………………...................................................Natrium NIS……………………………………………………………..Natrium-Jodid-Symporter Cl-………………………………………………………………..…………………. Chlorid PDS…………………………………………………………………………………Pendrin TPO……………………………………………………………….……Thyreoperoxidase NADPH……………………………………..… Nicotinamidadenindinukleotidphosphat H2O2…………………………………………………………….…….Wasserstoffperoxid MIT…………………………………………………………..Monojodinierte Tyrosylreste DIT…………………………………………………………...….Dijodinierte Tyrosylreste VIII TSH…………………………………………………Thyreoidea stimulierendes Hormon TBG………………………………………………………....Thyroxinbindendes Globulin TRH……………………………………………....……Thyreotropin-Releasing-Hormon kDa……………………………………………………………………………….Kilodalton cAMP……………………………………………....Zyklisches Adenosinmonophosphat ADH…………………………………….…………………….…Antidiuretisches Hormon VLDL……………………………………………………..….Very low density lipoprotein Ca2+……………………………………………………………….……………….Kalzium IGF…………………………………………………………..…..Insulin-like growth factor FGF…………………………………………………...………….Fibroblast growth factor Cmax………………………………………………………………….Blutspiegelmaximum tmax………………………………………….………Zeit bis zum maximalen Blutspiegel AUC…………………………………………………………………Area under the curve CYP…………………………………………………………...……….Cythochrom P 450 IgG……………………………………………………………….………Immunglobulin G HLA…………………………………………………………….Human leukocyte antigen CD4/8……………………………………………………….Cluster of differentiation 4/8 IX TRAK…………………………………..……….Thyreotropin-Rezeptor-Autoantikörper GNAS……………………………………..Guanine nucleotide binding protein (G protein), alpha stimulating activity polypeptide ZNS………………………………………………………...…...Zentrales Nervensystem 131 I………………………………………………………………….……………….131Jodid Gy………………………………………………………………………...…………….Gray fT4 /fT3……………………….…………………….Freies Thyroxin/freies Trijodthyronin TPO-Ak……………………………………………………Thyreoperoxidase-Antikörper Tg-Ak…………………………………………………….……Thyreoglobulin-Antikörper CK…………………………………………………………………………....Kreatinkinase X Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Histologischer Aufbau der Schilddrüse…………………………......….3 Abbildung 2: Biosynthese von T4 und T3…………………………………………........5 Abbildung 3: Knotenkropf aus einem Jodmangelgebiet…………………...……….10 Abbildung 4: Ursachen einer Hyperthyreose………………………………………...20 Abbildung 5: Prätibiales Myxödem…………………………….………………...……22 Abbildung 6: Ursachen einer Hypothyreose……………….…………………...……35 Abbildung 7: Schnittfläche einer Hashimoto-Schilddrüse………………………….37 XI 1 Einleitung Bevor hier auf die Therapien der verschiedenen Schilddrüsenerkrankungen näher eingegangen wird, soll die Schilddrüse noch einmal genau beschrieben werden. Dabei werden Anatomie, Histologie und Physiologie genauer unter die Lupe genommen. 1.1 Anatomie der Schilddrüse Die Schilddrüse, auch Thyroidea oder Glandula thyroidea genannt, ist eine innersekretorische Drüse. Sie ist rotbraun und leicht höckerig. Außerdem besteht sie aus zwei birnenförmigen Lappen, dem Lobus sinister und dem Lobus dexter, die durch den Isthmus, ein schmales Querstück, miteinander verbunden sind. Häufig steigt auch noch ein Lobus pyramidalis vom Isthmus vor dem Kehlkopf aufwärts. Dieser befestigt sich am Zungenbein durch einen Bindegewebsstreifen. Natürlich besitzt die Schilddrüse auch eine innere und äußere Organkapsel. Die innere Kapsel schickt Septen in die Tiefe der Schilddrüse. Dadurch wird sie in Läppchen (Lobuli) unterteilt. Die äußere Kapsel, die aus mehreren Lamellen besteht, wird auch als Capsula fibrosa bezeichnet. Sie ist dafür verantwortlich, dass die Drüse an Kehlkopf und Luftröhre haftet. Vom Isthmus der Schilddrüse bis zum Ringknorpel ziehen stärkere bandartige Züge. Durch lockeres Verschiebegewebe ist die Thyroidea mit der Umgebung verbunden. Dadurch folgt die Drüse allen Bewegungen des Kehlkopfes. Im Zwischenraum der zwei Kapseln befinden sich die Schilddrüsengefäße und die Epithelkörperchen. Die Thyroidea ist großen Gewichts- und Volumenschwankungen unterworfen, sodass keine Normwerte ausgemacht werden können. [1] Normalerweise ist die Schilddrüse am Hals weder sichtbar noch tastbar. Halbkreisförmig umfasst die Schilddrüse die Luftröhre (Trachea). Dabei liegt das Verbindungsstück beider Lappen, der Isthmus, vor dem 2. – 4. Trachealring. Die Spitzen der Schilddrüse können den unteren Winkel des Trigonum caroticum erreichen. Die zwei Seitenlappen lagern sich dem Schildknorpel bis zur Linea obliqua, dem Ringknorpel und den 6 oberen Luftröhrenringen auf. [1] Die Thyroidea liegt hinter dem mittleren Blatt der Halsfaszie (Lamina pretrachealis). Die untere Begrenzung dieses Organes stellt die obere Brustkorböffnung dar. [2] 1 Die arterielle Blutversorgung der Schilddrüse funktioniert zum einen über die A. thyroidea superior, die wiederum der A. carotis externa entspringt. Zum anderen erfolgt die Blutversorgung über die Arteria thyroidea inferior, die aus dem Truncus thyrocervicalis hervorkommt. Eine unpaare A. thyroidea ima kann in 10 % bestehen. Diese stammt direkt aus der Aorta oder aus dem Truncus brachiocephalicus. Der venöse Abfluss erfolgt sowohl über die Vena thyroidea superior und den Venae thyroideae mediae in die Vena jugularis interna, als auch über den Plexus thyroideus impar und die Vena thyroidea inferior in die Vena brachiocephalica sinistra. Nodi lymphoidei findet man in der Thyroidalregion an. Die Innervation der Drüse erfolgt parasympathisch und sensorisch durch Äste des N. laryngeus superior und des N. laryngeus inferior. [3] 1.2 Histologie der Schilddrüse Ungefähr 24 Tage nach der Befruchtung ist die Anlage der Schilddrüse erkennbar. Es ist als mediane Verdickung des Endoderms am Boden des primitiven Pharynx, ungefähr auf der Höhe des zweiten Schlundbogens, zu sehen. Genau diese Verdickung erstreckt sich nach unten, unter der Bildung einer Schilddrüsenknospe. Diese wächst in die Länge und kommt ventral vor dem Zungenbein und dem Schildknorpel zu liegen. Zumindest bis zur 6. Woche ist das Lumen der Schilddrüsenanlage eng. Diese Anlage bildet den Ductus thyroglossus, über den sie sich mit der Zungenoberfläche verbindet. Bevor diese Knospe sich in zwei Lappen unterteilt, wird sie kompakt und beginnt mit der histologischen Differenzierung als mediane Schilddrüsenanlage. Während sich die rechte und linke Knospenspitze ausdehnt und über den Schildknorpel wächst, bleibt der mittlere Abschnitt im Wachstum zurück und bildet den Isthmus. In der 7. Woche hat die Schilddrüse ihre endgültige Form erreicht. Dabei sollte sich der Ductus thyroglossus zurückgebildet haben. Die proximale Öffnung dieses Ductus bleibt aber weiter als Foramen caecum am Zungengrund bestehen. Wie bereits oben im Anatomiekapitel erwähnt, kann aus dem Ductus thyroglossus noch ein Lobus pyramidalis bestehen bleiben, der über Bindegewebe und glatte Muskulatur mit dem Zungenbein in Verbindung stehen kann. Die Zellansammlung der Schilddrüsenanlage lockert sich auf und formiert sich zu epithelialen Zellsträngen. Dies ist möglich, weil aus dem umgebenden Mesenchym gefäßreiches Bindegewebe einwächst. In der 8. Woche werden diese Zellstränge zu Zellhaufen 2 unterteilt. In diesen Zellen selbst bilden sich dann intrazelluläre Kanälchen (Canaliculi), die mit Mikrovilli ausgekleidet sind. Zwischen benachbarten Zellen verschmelzen diese Lumina zu einem großen Drüsenlumen. In der 10. Woche kann man dann schon Kolloid und aktives Schilddrüsenhormon feststellen. Die Zellen bilden also ein einschichtiges Epithel, das das Kolloid umgibt und die Form adulter Schilddrüsenfollikel hat. Inzwischen sind die Abkömmlinge der 6. Schlundtasche, des Telopharyngealkörpers, zwischen den Follikeln angekommen und bilden die parafollikulär angeordneten, Calcitonin-produzierenden C-Zellen. [4] Wie gesagt ziehen von der Capsula fibrosa Septen in das Innere der Schilddrüse und unterteilen sie in Läppchen. Jedes dieser Läppchen besitzt zahlreiche Follikel. Diese sind kugelig und haben ein Durchmesser von ungefähr 50 – 900 μm. Außerdem sind sie von einschichtigem Epithel begrenzt. Dabei variiert die Größe je nach Funktionszustand der Epithelzellen. Bei Hormonproduktion oder Rückresorption des Hormones aus dem Follikellumen sind die Epithelzellen aktiv und hochprismatisch. Während der Hormonspeicherung im Inneren des Follikels ist jedoch das Follikelepithel abgeplattet. Der homogen strukturlos erscheinende Inhalt der Follikel ist Kolloid (siehe Abbildung 1). Es besteht aus den von den Epithelzellen gebildeten Hormonen, die Bestandteile des Proteins Thyroglobulin sind. Zwischen den vielen Follikeln befindet sich Bindegewebe beziehungsweise Stroma. Des Weiteren ist jeder Follikel von einer Basalmembran und einem Kapillarnetz umgeben. Die parafollikulären C- Zellen sind größer und heller als die Epithelzellen der Follikel. Diese kommen sowohl im Bindegewebe zwischen den einzelnen Follikeln als auch zwischen den Follikelepithelzellen vor. [5,6,7] Abbildung 1: Histologischer Aufbau der Schilddrüse [8] 3 1.3 Physiologie der Schilddrüse Wie oben bereits erwähnt, speichert die Schilddrüse ihr Hormon extrazellulär im Kolloid des Follikels. Dabei ist das Hormon Thyroxin (T4) das Hauptprodukt. Dieses Hormon wird nur in der Schilddrüse hergestellt. Im Blut wird es an Plasmaproteine gebunden und durch Dejodierung zum T3 (Trijodthyronin) umgewandelt. Im Vergleich zu T4 ist T3 hundertfach aktiver. Außerdem wird das T4 auch zum biologisch unwirksamen reverse T3 (rT3) umgewandelt. T3 kann zu kleinen Teilen auch von der Schilddrüse freigesetzt werden. Wenn sich das aktive T3 an einen T3 – Rezeptor bindet, dann wirkt es direkt auf die Transkription ein. In einigen Organen und Geweben des Organismus gibt es verschiedene DejodaseIsoenzym-Systeme, die die Aktivierung und Inaktivierung der Schilddrüsenhormone steuern. Die Schilddrüse ist sehr von der Jodzufuhr abhängig. Jod kann nur durch die Nahrung aufgenommen werden. Dieses dient dann ausschließlich der Herstellung von Schilddrüsenhormonen. Da man am Tag nicht immer die gleiche Menge Jod zu sich nimmt, gibt es eine Autoregulation und ein System der Jodökonomie, um eine normale Schilddrüsenfunktion zu gewährleisten. Idealerweise sollte man am Tag ungefähr 100 – 200 μg Jod zu sich nehmen. Bevor in Österreich das Salz jodiert wurde, gab es einen erheblichen Jodmangel in der Bevölkerung. Jodid (I-) wird durch ein Na+ - Jodid – Symporterprotein (NIS) an der basolateralen Membran (Blutseite) in die Epithelzelle aufgenommen. Dieser Transport ist spezifisch, hat ein Ende und ist kompetitiv inhibierbar. Folgende Anionen können diesen Transport hemmen: Perchlorat, Pertechnat, Thiocyanat. Gebe es einen Jodmangel, funktioniert dieser Symport vermehrt. An der apikalen Seite wird I- mit Cl- ausgetauscht und gelangt somit in das Kolloid. Möglich macht das der Anionenaustauscher Pendrin (PDS). Gebe es dieses Pendrin nicht, könnte unter Umständen ein Struma entstehen. Im Kolloid wird das Jod in die Seitenkette der zahlreichen Tyrosylreste des Thyroglobulins eingebaut. Davor muss jedoch das Jodid durch die Thyreoperoxidase (TPO) zu elementarem Jod oxidiert werden. Eine NADPHOxidase stellt das dazu benötigte H2O2 zur Verfügung. Bei der Jodination entstehen zum einen monojodinierte (MIT) und zum anderen dijodinierte (DIT) Tyrosylreste. Zwei von den dijodinierten Tyrosylresten werden zu T4 – Resten kondensiert. Jedoch bleibt ein Teil der MITs und DITs unkondensiert. Die Thyreoperoxidase ist ein integrales Membranprotein an der apikalen Seite der 4 Epithelzellen, auch Thyreozyten genannt. Wegen den vehement zellschädigenden Reaktionsbedingungen an der apikalen Membran, findet die Kopplungsreaktion im Kolloidraum statt. Dabei kann die Schilddrüsenfunktion aufgrund des Hormonvorrats im Kolloid, bis zu 2 Monaten ohne Jodaufnahme gewährleistet werden. Wird die Schilddrüse durch das Thyreoidea stimulierende Hormon (TSH), das in der Hypophyse gebildet wird, stimuliert, werden die Hormone durch Endozytose in die Epithelzellen wieder aufgenommen. Lysosomale Proteasen bauen dann das Hormon Thyreoglobulin ab, wodurch T4 und in geringen Mengen T3 frei wird (siehe Abbildung 2). Die größte Menge von T3 entsteht jedoch in der Schilddrüsenzelle, in der Leberzelle oder in anderen Geweben durch Dejodierung von T4. In das Blut wird T3 und T4 im Verhältnis von 1:10 abgegeben. [9] Abbildung 2: Biosynthese von T4 und T3 [10] Wie gesagt wird T4 nur in der Schilddrüse produziert und im Plasma an 3 verschiedene Plasmaproteine gebunden: Thyroxinbindendes Globulin (TBG), Transthyretin und Albumin. Zu 1% kommt dieses Hormon im Plasma frei vor. T3 und T4 wirken jedoch nur in freier Form. Die Halbwertszeit des gebundenen T4 beträgt 7 Tage. Das Trijodthyronin (T3) entsteht extrathyreoidal in den Leberzellen durch Dejodierung von T4. Daher befinden sich mehr als 80% des gesamten T3 5 Körperpools intrazellulär. Die Bindungsaffinität von Trijodthyronin an den Plasmaproteinen ist geringer als die des Thyroxins. Die Halbwertszeit im Plasma ist auch kürzer. Diese beträgt einen Tag. Jedoch wird nicht nur das T3 aus dem T4 in der Körperperipherie gebildet, sondern auch das reverse T3 (rT3). Ob jetzt T3 oder rT3 gebildet wird, hängt von der Art der Dejodase ab. Dabei unterliegen die verschiedenen Isoenzyme der Dejodase einer für bestimmte Organe spezifischen Regulation. [9] 1.3.1 Regulation der Hormonsekretion Ein Regelzentrum im Hypothalamus kontrolliert die Konzentrationen von Thyroxin und Trijodthyronin im Blut. Fallen die Werte der Schilddrüsenhormone ab, bewirkt das eine verstärkte pulsatile Abgabe des Thyreotropin-Releasing-Hormons (TRH, Thyroliberin, Thyreoliberin) im Hypothalamus. Dieses stimuliert wiederum durch Aktivierung der Phospholipase C beziehungsweise durch Steigerung der zytosolischen Kalziumkonzentration, die Ausschüttung von Thyreotropin in der Adenohypophyse. Thyreotropin (TSH = Thyreoidea-stimulierendes Hormon) ist ein Glykoprotein mit einer Molekülmasse von 28 kDa. Es fördert cAMP-vermittelt die Jodaufnahme in der Glandula thyreoidea. Auch aktiviert es die Jodierung von Tyrosin und die Kondensation von MIT beziehungsweise DIT zu Trijodthyronin oder Thyroxin. Des Weiteren setzt TSH die Schilddrüsenhormone aus der Speicherform Thyroglobulin durch Proteolyse frei und induziert ihre Ausschüttung in die Blutbahn. Die Durchblutung der Schilddrüse und die Proliferation der Epithelzellen werden auch durch TSH gefördert. Es gibt externe Reize, die für die Hormonkonzentration eine große Rolle spielen. Kälte, psychische und physische Belastungen stimulieren die TRH Sekretion. ADH jedoch wirkt hemmend auf die Bildung von TRH. Bezüglich TSH kann man Folgendes sagen: Östrogene fördern die Sekretion. Dopamin, Glucokortikoide und Somatostatin dagegen hemmen die Sekretion eben dieses Hormones. [11] T4 aber vor allem T3 hemmt die TRHSekretion im Hypothalamus. Auch verringert sich die TRH-Rezeptordichte in der Hypophyse, was eine verminderte Ausschüttung von TSH, T3 und T4 zur Folge hat. Diesen Effekt nennt man negative Rückkopplung. [12] 1.3.2 Wirkungen der Schilddrüsenhormone Die Schilddrüsenhormone regen die Proteinsynthese an. Dies ist für eine geistige und körperliche Entwicklung unerlässlich. Vor allem die Entwicklung des Intellekts 6 ist stark von diesen Hormonen abhängig. So tragen diese während der Hirnentwicklung für das Auswachsen von Dendriten und Axonen, sowie die Bildung von Synapsen und Myelinscheiden einen wichtigen Teil bei. T3/T4 stimulieren, über Erhöhung der Somatotropinbildung/-freisetzung, das Längenwachstum des Knochens, die Herstellung von Enzymen, Transportproteinen und Rezeptoren. Sie fördern die Glucoseabsorption im Darm die Glykogenolyse in der Leber. Des Weiteren fördern sie auch die Glukoneogenese und die Glykolyse in verschiedenen Organen. Durch die Stimulation der Lipolyse steigern sie die Fettsäurekonzentration im Blut. Der Abbau von VLDL und der Umbau von Cholesterin in Gallensäuren werden auch durch sie stimuliert. T3/T4 steigern den Umsatz von der Bindegewebsgrundsubstanz Glykosaminoglykan und die Umwandlung von Karotin in Vitamin A. Peripher führen die Schilddrüsenhormone zu einer Vasodilatation. Sie sensibilisieren das Herz für Katecholamine. Dadurch steigt die Herzfrequenz und die Herzkraft nimmt zu. Dies ist unter anderem auch auf die gesteigerte Expression von β-Rezeptoren zurückzuführen. Die Hormone steigern den systolischen und erniedrigen den diastolischen Blutdruck. Außerdem werden durch sie der renale Blutfluss, die glomeruläre Filtrationsrate und die tubuläre Transportkapazität in der Niere gesteigert. In der Haut stimulieren sie die Aktivität der Schweiß- und Talgdrüsen, sie steigern auch die Darmmotilität und die neuromuskuläre Erregbarkeit. Durch T3/T4 erhöht sich der Energieverbrauch. Dadurch steigt der Grundumsatz, der die Temperaturregulation zu verstärkter Wärmeabgabe zwingt. [10] 1.3.3 Calcitonin Die Bildung dieses Hormons erfolgt vorwiegend in den parafollikulären Zellen (CZellen) der Schilddrüse. Es ist ein Peptidhormon, das bei erhöhtem Kalziumspiegel im Blut ausgeschüttet wird. Jedoch ist es für die Regulation des Kalziumhaushaltes von untergeordneter Bedeutung. Im Blut ist Calcitonin der direkte Gegenspieler des Parathormons. Steigt der Kalziumspiegel im Blut an, so wird Calcitonin ausgeschüttet, um ihn zu senken. Dieses Hormon steigert die Ausscheidung von Kalzium und Phosphat in den Nieren. Auch hemmt es die Ca2+Mobilisierung aus den Knochen. Es stimuliert die Osteoblasten zum Einbau von Kalzium und Phosphat in die Knochen und hemmt die Osteklastenaktivität. [13] 7 2 Spezieller Teil Da die Grundlagen der Schilddrüse bereits erklärt worden sind, sollen hier die verschiedenen Erkrankungen und ihre medikamentösen, schilddrüsenspezifischen Therapien genauer beschrieben werden. Dabei wird auf die Pathologie, Pathophysiologie, Pharmakologie sowie Diagnostik und Therapie der einzelnen Erkrankungen eingegangen. Operative Verfahren werden jedoch nicht im Detail beschrieben sondern nur erwähnt. 2.1 Euthyreote Jodmangelstruma Das Wort Struma kommt aus dem Lateinischen und heißt Drüsenschwellung. Dabei meint man eine Vergrößerung der Schilddrüse, die nicht neoplastischen Ursprungs ist und die von der geschlechtsspezifischen Norm abhängt. Eine Struma kann sich bei den verschiedensten funktionellen Schilddrüsenerkrankungen äußern. Dabei kann sie in der Schilddrüse solide, einseitig, beidseitig oder diffus auftreten. Früher waren Frauen häufiger betroffen als Männer. Heute gleichen sich die Werte an. Dabei spielt Jodmangel eine erhebliche Rolle. Es ist die häufigste Ursache einer Struma. Auf der ganzen Welt leiden ungefähr 200 Millionen Menschen an einer Jodmangelstruma. Vor allem in den Ländern, die vom Meer weit entfernt sind, treten diese Kröpfe auf. So auch bei uns in Österreich. Nicht nur die Alpenregion sondern auch die Anden- und Himalajaregion ist betroffen. Dabei spricht man von einer endemischen Struma, wenn mindestens 10 % der Bevölkerung eines Gebietes Kröpfe aufweisen. Die Zahl der Kröpfe hat aber rasant abgenommen, seit man die Jodierung des Speisesalzes eingeführt hat. In manchen Ländern ist es sogar gesetzlich vorgesehen jodiertes Speisesalz zu verkaufen (Schweiz). Dieser Umstand wird deswegen auch Jodsalzprophylaxe genannt. Täglich sollte ein Erwachsener 180 200 μg aufnehmen. Die Tagesdosis für Schwangere oder Stillende ist ein wenig höher: 230-260 μg. In Österreich und der Schweiz gelingt das im Großen und Ganzen, jedoch findet man bei 30 % der erwachsenen Menschen in Deutschland eine Struma oder einen Knoten. Man kann jedoch weder ein Nord-Süd-Gefälle noch eine besondere Betroffenheit des weiblichen Geschlechtes feststellen. [14] Die Pathogenese des Kropfes ist nicht nur auf einen Mechanismus zurückzuführen. Und obwohl zum Beispiel 2 Menschen in einem Jodmangelgebiet leben, kann einer von ihnen gesund sein und der andere eine Struma aufweisen. 8 Das heißt, dass die genetische Komponente eine bedeutende Rolle spielt. [15] Jod ist nicht nur für die Bildung von Schilddrüsenhormonen, sondern auch indirekt für das Wachstum der Thyreozyten (Epithelzellen) verantwortlich. Wenn genügend Jod vorhanden ist, entstehen jodierte Abkömmlinge von essenziellen Fettsäuren (Jodlactone) in der Epithelzellmembran. Diese inhibieren die Proliferation der Thyreozyten über eine Inhibierung der Proteinkinase C. Es gibt andere Jodfettsäuren, zum Beispiel das Jodhexadecanal, die spezifische Funktionen hemmen. Ist aber wenig bis gar kein Jod vorhanden, so fällt diese Inhibierung weg und es kommt somit zur Hyperplasie der Schilddrüse. [16] Die Wirkung von TSH auf den Follikelepithelzellen ist bei Jodmangel verstärkt. Der autokrine Wachstumsfaktor IGF-1 wird vermehrt exprimiert. Das wiederum ruft eine Proliferation der Thyreozyten hervor, was letztendlich auch zum Kropf führt. [17] Auch werden parallel parakrine Wachstumsfaktoren, wie das FGF, von den Thyreozyten exprimiert. Dadurch wird das Wachstum der Bindegewebszellen angeregt. Es entsteht auch eine Hyperplasie der Glandula thyreoidea. Im Laufe der Zeit kann eine solche diffuse Schilddrüsenvergrößerung zu Knoten führen. [18] Morphologie: Bei der Struma kommt es zunächst zu einer Hypertrophie, danach zu einer Hyperplasie der Follikelepithelzellen. Zuerst kann die Schilddrüse diffus vergrößert sein und ein Gewicht von bis zu 150 g erreichen. Bei der beginnenden euthyreoten Struma sind die Follikel klein und das Kolloid gering. Später werden die Follikellumina erweitert und die Epithelzellen flachen ab. Man spricht dann von einer diffusen Kolloidstruma. Das Gewicht der Thyroidea kann dann 500 g erreichen. Dieser Prozess läuft in den verschiedenen Regionen der Schilddrüse unterschiedlich schnell ab. Dadurch kommen unterschiedlich große Follikel zustande. Besteht so eine diffuse Struma für längere Zeit, so entsteht aus ihr fast immer eine irreversible Knotenstruma (siehe Abbildung 3). In der Knotenstruma selbst können kleine oder große Follikel, unregelmäßig stark ausgeprägte und verteilte Fibrosen, Blutungen mit Hämosiderinablagerungen, Verkalkungen oder Zysten vorkommen. Studien haben gezeigt, dass mindestens 60 % der Knoten monoklonalen Ursprungs sind, sodass sie damit Neoplasien entsprechen. [14] 9 Abbildung 3: Knotenkropf aus einem Jodmangelgebiet [14] 2.1.1 Diagnostik der euthyreoten Jodmangelstruma Meistens sind Strumen unauffällig, solange die Schilddrüsenfunktion noch erhalten ist. Blutet es jedoch in eine Zyste oder in einen Knoten ein, so kann es lokal zu einem Schmerz und einer Schwellung kommen. Bei der Palpation einer diffusen Struma findet man eine symmetrisch vergrößerte, nicht druckschmerzhafte weiche Drüse ohne tastbaren Knoten. Dabei definiert man eine Struma sonographisch. Beträgt das Schilddrüsenvolumen beim Mann mehr als 25 ml und bei der Frau mehr als 18 ml, so spricht man von einer Struma. Ist die Schilddrüse stark vergrößert, kann sie die Trachea und den Ösophagus beeinträchtigen. Wenn sich die Vergrößerung hinter dem Sternum befindet, spricht man von einer retrosternalen Struma. Bei dieser Art von Struma kann das Pemberton-Zeichen auftreten. Dieses äußert sich folgendermaßen: Ohnmachtsanfälle mit Gesichtsschwellung und oberer Einflussstauung der externen Jugularvenen, sobald man die Arme hebt. Dadurch wird die Schilddrüse in die Thoraxapertur eingezogen. Entstehen diese Symptome werden eine Lungenfunktionsuntersuchung, ein CT oder MRT zur Abklärung einer retrosternalen Struma durchgeführt. Außerdem sollen Schilddrüsenfunktionstests vorgenommen werden, um eine Hyper- oder Hypothyreose auszuschließen. Vor allem beim Jodmangel kann es passieren, dass das Gesamt -T4 erniedrigt ist und die T3- beziehungsweise TSH-Werte normal sind. Niedrige Jodspiegel im Urin (< 10 10 μg/dl) bekräftigen die Diagnose eines Jodmangels. Eine Schilddrüsenszintigraphie ist im Allgemeinen nicht erforderlich. Erkennt man mittels Palpation oder Sonographie Knoten, führt man eine Feinnadelpunktion durch. Dabei sollte der auffälligste Knoten, mit Hinweisen auf Malignität, Mikroverkalkungen, Echoarmut und Hypervaskularisation punktiert werden. [19] 2.1.2 Therapie Bevor hier näher auf die Therapie der euthyreoten Struma eingegangen wird, soll die Pharmakodynamik und Pharmakokinetik näher beschrieben werden. Pharmakodynamik Sie ist das Wissen über Wirkungen von Arzneimitteln auf den menschlichen Organismus. Dabei erfüllt das Arzneimittel eines oder mehrere der folgenden Zwecke: x Krankheiten heilen, lindern oder vorbeugen x körpereigene Wirkstoffe replizieren x Krankheitserreger oder körperfremde Stoffe eliminieren x Funktionen des Körpers und der Psyche beeinflussen x zur Diagnostik verwendet werden Weiters wirken die Arzneimittel (Pharmaka) auch auf Zielproteine. Solche sind: x Enzyme x Transportproteine x Ionenkanäle x Rezeptoren Leider wirken die Arzneimittel nicht immer spezifisch, sodass mit Nebenwirkungen gerechnet werden muss. Da die Zielproteine in den verschiedenen Organen vorhanden sein können, muss mit unerwünschten Nebenwirkungen gerechnet werden. Daher ist es wichtig, den genauen Wirkmechanismus eines Pharmakons zu kennen, um Wirkung, Nebenwirkung, und Kombinationsmöglichkeiten mit 11 anderen Arzneimitteln besser abschätzen zu können. Je nach Arzneimittel variiert der Wirkmechanismus. Dabei können Arzneimittel: x einen körpereigenen Stoff ersetzen und am selben Ort wie dieser angreifen x als Vorstufe eines körpereigenen Stoffes verabreicht werden und durch Umwandlung im Körper aktiviert werden x die Wirkung eines körpereigenen Stoffes am Rezeptor hemmen x den Abbau eines körpereigenen Stoffes hemmen x die Inaktivierung körpereigener Stoffe hemmen x die Synthese eines körpereigenen Stoffes hemmen x die Aktivität eines Enzyms hemmen x die Aktivität eines Enzyms stimulieren Zwischen Dosis und Wirkung eines Arzneimittels besteht ein Zusammenhang. Dieser Zusammenhang wird am besten durch eine Dosis-Wirkungskurve veranschaulicht. Man kann eine Dosiswirkungskurve für den gewünschten Effekt und für den tödlichen Effekt eines Arzneimittels erstellen. Der Abstand zwischen diesen beiden Kurven heißt „ therapeutische Breite“. Je größer dieser ist, desto sicherer ist die Substanz. Pharmakokinetik Dieses Fach versucht zu erklären, wie sich die Konzentration eines Pharmakons im menschlichen Organismus in Abhängigkeit von der Zeit verändert. Dabei spielen Resorption, Verteilung, Biotransformation (Metabolismus) und Ausscheidung eine wichtige Rolle. Bevor diese hier jedoch näher erläutert werden, soll hier kurz auf einige, für die Pharmakokinetik wichtige, Ausdrücke eingegangen werden. Blutspiegel: Dieser Begriff veranschaulicht die zeitliche Änderung der Konzentration eines Arzneimittels im Blut. Aus diesem Begriff lässt sich auch die Resorptionsgeschwindigkeit, das Blutspiegelmaximum (Cmax), die Zeit bis zum maximalen Blutspiegel (tmax) und die Ausscheidungsgeschwindigkeit berechnen. 12 Letztere wird auch Halbwertszeit genannt. Diese ist die Zeit, in der die Konzentration im Blut auf die Hälfte des vorher gemessenen Wertes absinkt. Dabei ist die Halbwertszeit mit der Wirkungsdauer nicht gleichzusetzen. Denn obwohl ein Arzneimittel aus dem Blut verschwinden kann, kann es immer noch am Rezeptor wirken. Fläche unter der Blutspiegelkurve ( Area under the curve, AUC): Trägt man die Konzentrationen eines Arzneimittels zu verschiedenen Zeiten auf, erhält man eine Blutspiegelkurve des Arzneimittels. Hier gilt die Fläche unter der Blutspiegelkurve als Maß für die Arzneistoffmenge, die im systemischen Kreislauf verfügbar ist. Bioverfügbarkeit: Dieser Begriff bezeichnet den Anteil eines applizierten Arzneimittels, der im allgemeinen Blutkreislauf erscheint. Eine intravenöse Gabe beispielsweise hat eine Bioverfügbarkeit von 100%, weil der gesamte Arzneistoff ins Blut übergeht. Dies kann man von oralen Arzneimitteln nicht behaupten. Bioäquivalenz: Vergleicht man 2 Arzneistoffe miteinander, so sind sie bioäquivalent, wenn sie bei identer Dosis einen annähernd gleichen Blutspiegelverlauf aufweisen und damit auch die AUC ident ist. Verteilungsvolumen: Dieses Volumen ist eine fiktive Größe. Sie soll veranschaulichen, auf welches Volumen sich eine bestimmte Dosis eines Pharmakons verteilt hätte, wäre der menschliche Körper ein homogenes Medium. Die Einheit dieser Größe ist: Liter/Kilogramm Körpergewicht. First pass effect: Dies ist ein Maß für die Menge des Arzneistoffes, die nach Aufnahme aus dem Magen-Darmtrakt bei der ersten Leberpassage verstoffwechselt wird. Plasmaproteinbindung: Pharmaka sind in differentem Ausmaß an Plasmaproteine gebunden. Dabei stellt diese Proteinbindung nicht nur eine Transportfunktion sondern auch eine Art Depotwirkung dar. 13 Resorption: Darunter versteht man die Aufnahme eines Pharmakons vom Ort der Verabreichung in den Blutkreislauf. Die bedeutendsten Aufnahmeorte sind: Haut, Muskelgewebe, Atmungstrakt, Mundschleimhaut und Magen-Darmtrakt. Verteilung: Nach der Aufnahme wird das Arzneimittel im ganzen Körper verteilt. Nach den Eigenschaften des Pharmakons verteilt sich ein Arzneistoff in Lipidstrukturen oder in wässrigen Körperarealen. Elimination: Darunter versteht man alle Prozesse, die zur Entfernung eines Pharmakons aus dem menschlichen Organismus beitragen. Die Elimination beinhaltet den Abbau, die Verstoffwechselung und alle Arten der Ausscheidung eines Pharmakons. Dabei bedeutet Verstoffwecheslung (Metabolismus), die biochemische Umwandlung eines Arzneimittels in eine unwirksame wasserlösliche Form. Die wichtigste Ausscheidungsform ist die renale Elimination, sofern der Metabolit wasserlöslich ist. Metabolismus: Die Umwandlung und Verstoffwechselung der Arzneistoffe erfolgt vorwiegend in der Leber und in der Darmmukosa. Dabei unterscheidet man zwei Haupttypen: 1) nicht-synthetische Reaktionen (Phase I), 2) synthetische Reaktionen (Phase II) 1) Nicht synthetische Reaktionen: Diese umfassen Oxidation, Reduktion, Hydrolyse, Desaminierung und Dealkylierung. Diese Vorgänge finden mit Hilfe sogenannter Cytochrom P 450 (CYP) Enzyme statt. 2) Synthetische Reaktionen: Hier werden Pharmaka oder Phase I – Metabolite unter Mithilfe von Phase II – Enzymen mit körpereigenen Stoffen wie Glucuronsäure, Schwefelsäure, Glycinsäure oder Essigsäure konjugiert. Dabei entstehen wasserlösliche Verbindungen wie Ester, Amide oder Glucuronide. Dadurch werden die verschiedenen Pharmaka unwirksam und ausscheidungsfähig gemacht. Clearance: Diese Größe bezeichnet die totale Elimination aus dem Organismus (totale Clearance). Es ist ein fiktives Maß. Sie stellt das Volumen der 14 Kreislaufflüssigkeit in Millilitern dar, welches in der Zeiteinheit (pro Minute) durch die Funktion aller Ausscheidungsorgane von einem Arzneistoff befreit wird. [20] 2.1.3 Therapie der euthyreoten Jodmangelstruma Da bei diesem Krankheitsbild keine Hormonveränderungen vorliegen (euthyreot), wird hier Jod als Therapeutikum verabreicht. In Österreich heißt der Handelsname: Jodid® `Merck` 100 μg – Tabletten. Wie bereits oben erwähnt, besteht ein täglicher Jodbedarf von 180 μg – 200 μg. In der Schwangerschaft und in der Stillzeit beträgt er mehr (230-260 μg). Ist die Jodzufuhr unzureichend, kann eine Jodprophylaxe mit 5 g jodiertem Kochsalz täglich erforderlich sein. Diese entspricht einer Zufuhr von 100 μg Jod. Ist dies nur schwer zu erreichen kann man alternativ Kaliumjodidtabletten täglich in einer Dosis von 100 μg -200 μg schlucken. Ziel der medikamentösen Therapie ist die Verkleinerung der Thyroidea. Durch diese Therapie bildet sich der Kropf zurück. Nach 6-12 Monaten lässt sich eine Volumenreduktion der Schilddrüse von 25-40% feststellen. Danach ist eine Rezidivprophylaxe mit 100 μg Jodid/Tag erstrebenswert. Sind die Patienten jung oder die Strumen klein bis mittelgroß und diffus, ist diese Therapie sehr erfolgversprechend. Sind die Patienten allerdings über 40 Jahre oder schwanger so ist es sehr wahrscheinlich, dass sich auch ein Hormonmangel eingestellt hat. Daher ist es wichtig hier eine Kombination aus Jodid und Thyroxin zu verabreichen. Durch die zusätzliche Gabe von Thyroxin nimmt der TSH-Spiegel ab. Es kommt damit zu einer Rückbildung der Zellhypertrophie und zu einer verminderten Durchblutung. Um eine effektive Rückbildung von Hypertrophie und Hyperplasie zu gewährleisten, sind sowohl eine Reduktion des TSH-Spiegels als auch eine Erhöhung des Jodgehaltes in der Schilddrüse erforderlich. Neuere klinische Studien bestätigen die Effektivität dieses Therapieschemas bei Jugendlichen und Erwachsenen bis zum 40. Lebensjahr. Solange die Therapie läuft, sollte der TSHSpiegel gemessen werden. Dieser sollte im unteren Normbereich liegen (0,3-1,2 μU/ml). In Österreich gibt es hier wiederum nur ein Präparat: Jodthyrox®. Sind die Strumen sehr groß und damit ein Störfaktor für die Funktion benachbarter Organe, ist eine Operation notwendig. Gibt es aber Kontraindikationen für eine Operation, muss eine Radiojodtherapie in Erwägung gezogen werden. [21,22] 15 In der Zusammenschau der verschiedenen pharmakologischen Literaturstellen, konnte feststellt werden, dass die Therapie der euthyreoten Struma ident ist. Lediglich eine Monotherapie mit Levothyroxin wurde aus einigen Quellen herausgefiltert. Diese Therapie ist aber nicht kausal. Die Hyperplasie der Glandula thyreoidea bleibt von dieser Monotherapie unbeeinflusst, der Jodmangel besteht weiterhin. Aus klinischen Daten geht daher hervor, dass eine Monotherapie mit Levothyroxin nicht ausreichend ist. [22, 23] Anbei soll auf die 2 Jodpräparate eingegangen werden, die in Österreich im Handel sind. Dabei werden Wirkungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Indikationen, Kontraindikationen, Pharmakodynamik und Pharmakokinetik genauer durchleuchtet. Jodid® `Merck` 100 μg Eine Tablette enthält 130,8 μg Kaliumjodid. Das entspricht 100 μg Jod. Sonstige Bestandteile sind: Magnesiumstearat, mikrokristalline Cellulose, hochdisperses Siliciumdioxid, Maisstärke, Cellulosepulver und Lactosemonohydrat. [24] Wirkung: Eine Jodsubstitution beendet den Grund einer euthyreoten Jodmangelstruma. Der intrathyreoidale Jodgehalt wird normalisiert und damit eine Verkleinerung des Kropfes hervorgerufen. [22] Indikation: Dieses Medikament ist für die Behandlung des Jodmangelkropfes bei Neugeborenen und Kindern zugelassen. Kontraindikation: Diese sind: Manifeste Hyperthyreose, latente Hyperthreose bei einer Dosierung über 150 μg Jodid/Tag, autonomes Adenom der Schilddrüse sowie fokale und diffuse Schilddrüsenautonomien und Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der sonstigen Bestandteile. Vor der Verabreichung dieses Medikamentes ist also eine gezielte Diagnostik wichtig. Dabei sollen diffuse oder fokale Autonomien ausgeschlossen werden, weil sonst bei einer Gabe von Jodid über 150 μg/Tag eine Hyperthyreose verursacht werden kann. 16 Wechselwirkung: Behandelt man gleichzeitig den Patienten mit Lithium und hohen Jodiddosen (>1mg/Tag) können eine Struma und eine präbeziehungsweise klinische Hypothyreose entstehen. Nebenwirkung: Wie bereits erwähnt kann bei großen autonomen Arealen der Schilddrüse eine Hyperthyreose manifest werden, wenn man mehr als 150 μg Jodid/Tag zu sich nimmt. Sind Patienten disponiert für eine Autoimmunerkrankung, können sich Thyreoperoxidaseantikörper entwickeln. Pharmakodynamik: Nachdem die Epithelzellen der Schilddrüsenfollikel Jodid aufgenommen haben, folgt eine Oxidation durch das Enzym Thyreoperoxidase (TPO). Dadurch entsteht elementares Jod. Ein Teil des Tyrosinrestes des Glykoproteins Thyreoglobulin wird an Position 3 und 5 des aromatischen Ringes jodiert. Durch oxidative Kondensation verbinden sich die jodierten Tyrosinreste zum Thyroningerüst. Es entstehen dabei Thyroxin und Trijodthyronin. Physiologische Jodidmengen (bis 300 μg/ Tag) beugen einer euthyreoten Jodmangelstruma vor. Pharmakokinetik: Das anorganische Jodid wird nach Nahrungsaufnahme fast vollständig im Dünndarm resorbiert. Das Verteilungsvolumen beträgt im Mittel 23 Liter (38% des Körpergewichts). Der Serumspiegel liegt bei etwa 0,1-0,5 μg/dl. Jod wird in der Glandula thyroidea, der Brustdrüse, dem Magen und den Speicheldrüsen angereichert. Im Speichel, Magensaft und in der Muttermilch ist Jod im Vergleich zum Plasma in 30-facher Konzentration vorhanden. Indikator für die ausreichende Jodidzufuhr ist der Jodidgehalt im Urin (Einheit: μg/g Kreatinin). Dieser korreliert mit der täglichen, nahrungsbedingten Jodidzufuhr. [24] Jodthyrox® Eine Tablette enthält 100 μg Levothyroxin-Natrium und 131 μg Kaliumjodid (enthalten 100 μg Jod). Sonstige Bestandteile sind: mikrokristalline Cellulose, Gelatine, Croscarmellose-Natrium und Magnesiumstearat. [24] 17 Wirkung: Durch die zusätzliche Gabe von Thyroxin nimmt der TSH-Spiegel ab. Es kommt damit zu einer Rückbildung der Zellhypertrophie und zu einer verminderten Durchblutung. Um eine effektive Rückbildung von Hypertrophie und Hyperplasie zu gewährleisten, sind sowohl eine Reduktion des TSH-Spiegels mittels Thyroxin, als auch eine Erhöhung des Jodgehaltes in der Schilddrüse erforderlich. [22] Indikation: Dieses Präparat ist für die Behandlung der Struma mit bestehendem Jodmangel und zur Rezidivprophylaxe nach Operation einer Jodmangelstruma geeignet. Kontraindikation: Diese sind: Autonome Areale beziehungsweise Adenome der Schilddrüse, Struma nodosa, Hyperthyreose jeglicher Genese, nicht kompensierte Nenbennierenrindeninsuffizienz, Myokardinfarkt, Angina pectoris, Myocarditis, Pancarditis, tachykarde Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, echte Jodallergie, Dermatitis herpetiformis Duhring und Überempfindlichkeit gegen einen der Wirkstoffe oder einen der sonstigen Bestandteile. Auch können Schilddrüsenhormone die Glucoseresorption sowie Insulinsekretion und – empfindlichkeit beeinflussen. Daher ist es wichtig den Blutzuckerspiegel, in der Initialphase der Therapie mit Jodthyrox®, regelmäßig zu kontrollieren. Wechselwirkung: Jodthyrox® kann den Effekt von Cumarinderivaten erhöhen. Es kann daher zu einer verstärkten Blutgerinnungshemmung kommen. Wie oben bereits erwähnt kann die Einnahme von Levothyroxin zu einer Veränderung der Glucoseresorption führen. Es kann auch die Wirkung von Antidiabetika vermindern. Eine Dosisanpassung ist daher erforderlich. Auch die Wirkung von Digitalispräparaten kann verringert werden. Folgende Wirkstoffe können die Wirkung von Levothyroxin verstärken: Salicylate, Dicumarol, Furosemid (in hohen Dosen), Clofibrat und Phenytoin. Folgende Wirkstoffe können die Wirkung von Levothyroxin vermindern: Ionenaustauscher (Colestyramin, Colestipol), aluminiumhaltige Arzneimittel, Eisensalze, Calciumcarbonat, Sevelamer, Tyrosinkinaseinhibitoren (Imatinib, 18 Sunitinib), Sertralin, Chloroquin/Proguanil, Barbiturate, Carbamazepin, Östrogene. Amiodaron, Propylthiouracil, Glucokortikoide, β-Sympatholythika und jodhaltige Kontrastmittel hemmen die periphere Konversion von T4 zu T3. Zusätzlich kann Amiodaron eine Hyper- beziehungsweise Hypothyreose hervorrufen. Nebenwirkung: Normalerweise entstehen bei sachgemäßer Verwendung von Levothyroxin keine Nebenwirkungen. Erhöht man aber die Dosis zu schnell können Symptome, wie sie bei der Hyperthyreose vorkommen, auftreten. Diese können sein: Tachykardie, Palpitationen, kardiale Arrythmien, Angina pectoris, Fieber, Erbrechen, Menstruationsstörungen, Pseudotumor cerebri, Tremor, Hyperhidrosis, erhöhte Nervosität, Gewichtsabnahme, Diarrhoe, Kopfschmerzen, Muskelschwäche und Muskelkrämpfe. Pharmakodynamik: Das Schilddrüsenhormon, welches in Jodthyrox® enthalten ist, entspricht von der Wirkung her, dem endogen produzierten T4. In der Schilddrüse werden die Hormone T4 und T3 gebildet und gelangen ins Blut im Verhältnis 10:1. T4 wird in der Peripherie zu T3 konvertiert. Dieses T3 ist viel wirksamer als das T4. Der zelluläre Wirkmechanismus der Schilddrüse besteht in der Proteinsynthese und in der Enzymaktivierung. Bei physiologischer Hormonwirkung kommt es zu einem Zellwachstum und einer – differenzierung, Steigerung des Energieumsatzes, Temperaturregulation und Beschleunigung der Stoffwechselprozesse. Durch die Erhöhung des Hormonspiegels mittels Jodthyrox®, wird der TSH-Spiegel im Blut durch einen negativen Feedbackmechanismus erniedrigt. Durch die Gabe von Levothyroxin nimmt TSH also ab und die Vergrößerung der Schilddrüse geht zurück. Die Struma bildet sich zurück. Pharmakodynamik von Jodid: (siehe Jodid ’Merck’ 100 μg) Pharmakokinetik: Dieses Präparat wird auf nüchternem Magen eingenommen. Levothyroxin wird im Dünndarm mit einer biologischen Wirksamkeit von 76- 85% resorbiert. Nach 5-6 Stunden ist die Levothyroxinkonzentration im Blut am höchsten. Der Wirkungseintritt erfolgt nach 3-5 Tagen. Im Blut liegt Levothyroxin zu 99,7% an Serumproteinen gebunden vor. Die Halbwertszeit von T4 beträgt 7 Tage. Bei Hyperthyreose beträgt sie 6 Tage und bei Hypothyreose 8 Tage. Das Verteilungsvolumen beträgt ungefähr 10 – 12 Liter. 1/3 des gesamten 19 extrathyreoidalen Thyroxins findet man in der Leber an. Das wirksamere T3 entsteht durch enzymatische Dejodierung von T4. Inaktiviert werden die Schilddrüsenhormone in der Leber durch Konjugation. Über den Urin und den Stuhl werden die Abbauprodukte ausgeschieden. Die gesamte Clearancerate von Levothyroxin beträgt 1,2 l Plasma/Tag. Pharmakokinetik von Jodid: (siehe Jodid ’Merck’ 100 μg) [24] 2.2 Hyperthyreose Eine Hyperthyreose ist eine erhöhte Sekretion der Schilddrüsenhormone T3 und T4. In Gebieten, wo die Jodversorgung adäquat ist, ist die häufigste Ursache einer Hyperthyreose der Morbus Basedow (Immunhyperthyreose). Herrscht jedoch Jodmangel so ist die häufigste Ursache ein toxischer Knotenkropf. Ein toxisches (autonomes) Adenom der Schilddrüse kann auch Ursache einer persistierenden inadäquat erhöhten Sekretion von Thyroxin und Trijodthyronin sein (siehe Abbildung 4). Die Hyperthyreose kommt zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr gehäuft vor. Die Prävalenz beträgt 1-3% bei der Frau und 0,1% beim Mann. Abbildung 4: Ursachen einer Hyperthyreose [14] 20 2.2.1 Morbus Basedow (Immunhyperthyreose, Graves’ disease) Diese Erkrankung ist eine generalisierte Autoimmunerkrankung die thyreoidale und extrathyreoidale Manifestationen hat. Thyreoidal ist Morbus Basedow durch eine Hyperthyreose und einer diffusen Struma gekennzeichnet. Extrathyreoidal entsteht eine endokrine Orbitopathie, ein Myxödem und eine Akropathie. Die primäre Ursache dieser Erkrankung ist jedoch nicht geklärt. Klar ist, dass die Entstehung von einer Immunhyperthyreose multifaktoriell bedingt ist. Neben einer genetischen Prädisposition aufgrund einer Überexpression von HLA-B8 und HLADR3, tragen andere Faktoren zur Krankheitsentstehung bei. So zum Beispiel eine Reihe von immunologischen Mechanismen, psychosoziale Faktoren und Umwelteinflüsse wie: Nikotinabusus, Jodkontamination, virale Infektionen, negativer Stress, immunstimulierende Medikamente (Interferon-Gamma oder Interleukin-2) oder Selenmangel. Bei prädisponierten Personen ist wahrscheinlich ein Autoimmunprozess durch eine Immunantwort gegen virale oder bakterielle Antigene für diese Krankheit verantwortlich. Dabei ähneln diese Antigene den Antigenen in der Schilddrüse, wie zum Beispiel der humane TSH-Rezeptor. Funktioniert die Selbsttoleranz dieser Antigene nicht mehr, können aktivierte autoreaktive Lymphozyten (CD4- und CD8T-Lymphozyten) über bestimmte Adhäsionsmoleküle in die Schilddrüse gelangen. Dort erkennen diese T-Lymphozyten Schilddrüsenantigene, die von dendritischen Zellen, Makrophagen, B-Lymphozyten und HLA-DR-exprimierenden Follikelepithelzellen präsentiert werden. Von T-Lymphozyten wird dann anschließend eine humorale Immunantwort in die Wege geleitet, die zur Ausreifung von Plasmazellen und zur Bildung spezifischer Antikörper gegen Schilddrüsenantigene führt. Solche Antigene wären dann die TSH-Rezeptoren, die Thyreoperoxidase und das Thyreoglobulin. Der Antikörper gegen den TSHRezeptor heißt TRAK. Je nach Bindungsaffinität und –spezifität kann dieser TRAK den TSH-Rezeptor stimulieren oder blockieren. Stimulierende TRAK aktivieren verschiedene intrazelluläre Signalwege. Dadurch wird die Jodaufnahme, die Bildung und Freisetzung von Schilddrüsenhormonen T3 und T4 sowie das Schilddrüsenwachstum stimuliert. [14,18] 21 TSH-Rezeptoren sind auch auf Präadipozyten und Fibroblasten der Orbita vorhanden. Durch TRAK werden auch diese stimuliert. Dadurch kommt es zu einer Hypertrophie und Hyperplasie des retroorbitalen Fettgewebes mit der Folge eines Exophthalmus. Die Fibroblasten werden auch zu einer gesteigerten Glykosaminoglykansynthese angeregt, was zu einer Volumenzunahme nicht nur des Retroorbitalgewebes sondern auch des prätibialen Gewebes führt. Dies nennt man Myxödem (siehe Abbildung 5). [25] Abbildung 5: Prätibiales Myxödem [14] Morphologie: Die Glandula thyreoidea ist diffus vergrößert und verstärkt vaskularisiert. Schneidet man die Schilddrüse, so ist diese Schnittfläche weiß und rotbraun. Unter dem Mikroskop findet man eine diffuse Hyperplasie des Parenchyms. Die Follikel sind klein und die Follikelepithelzellen hochzylindrisch. Im Bindegewebe kann man lymphozytäre Infiltrate und Lymphfollikel feststellen. 2.2.2 Toxischer Knotenkropf Diese Erkrankung weißt darauf hin, dass sich autonome Areale/Knoten im multinodösen Kropf befinden. Man spricht daher auch von einer disseminierten Autonomie. Dabei sind nicht alle Knoten hyperfunktionell. Manche sind normoandere wiederum hypofunktionell. Jedoch überwiegen im toxischen Knotenkropf die hyperfunktionellen Knoten. Die Pathophysiologie ist noch nicht völlig geklärt, allerdings können aktivierende Punktmutationen im TSH-Rezeptorgen oder des GNAS-Gens zur Entstehung von hyperfunktionellen Arealen/Knoten führen. 22 2.2.3 Toxisches Adenom (autonomes Adenom) Ein Adenom ist ein gutartiger Tumor. Die Follikelepithelzellen sind differenziert. Allerdings produziert dieses Adenom Schilddrüsenhormone, ohne adäquate Kontrolle durch TSH. Das bedeutet, dass auch in Abwesenheit von TSH, überschießend T3 und T4 gebildet werden. Dies kommt daher, weil die Zellen durch Mutationen aktivierte TSH-Rezeptoren besitzen. Bis jetzt sind 55 aktivierende Punktmutationen des TSH-Rezeptorgens bekannt. Auch bei Mutationen des GNAS1-Gens kommt es zur übermäßigen Produktion und Sekretion von Schilddrüsenhormonen. Neben den oben erwähnten häufigen Ursachen gibt es auch seltenere Ursachen einer Hyperthyreose. Diese wären: Amiodaron-induzierte Hyperthyreose, Jodinduzierte Hyperthyreose, iatrogene Schilddrüsenhormonzufuhr (Thyreotoxicosis factitia), Schilddrüsenkarzinome, TSH-produzierendes Hypophysenadenom, Chorionkarzinom. Eine transiente Hyperthyreose entsteht nach Radiojodtherapie oder bei einer subakuten Thyreoiditis (Thyreoiditis de Quervain). [14,18] 2.2.4 Diagnostik der Hyperthyreose Anbei soll näher auf die Diagnostik der 3 Hauptursachen der Hyperthyreose eingegangen werden. Diese wären Morbus Basedow, toxischer Knotenkropf und autonomes Adenom. Diagnostik des Morbus Basedow Die Symptome der Hyperthyreose kommen aus der Wirkung der Schilddrüsenhormone zustande. Allgemeine Symptome einer Hyperthyreose sind: Unruhe, Nervosität, Schlafstörungen, Schwitzen, Wärmeintoleranz, Gewichtsabnahme, nächtlich auftretendes Herzrasen und Tachyarrhythmien. Neben den allgemeinen Symptomen der Hyperthyreose können bei einem Morbus Basedow folgende Symptome hinzukommen: Merseburger-Trias: Exophthalmus, Struma, Tachykardie. Seltener, jedoch mitunter typisch für die Immunhyperthyreose ist das prätibiale Myxödem. Mögliche Komplikation eines Morbus Basedow ist die thyreotoxische Krise. Diese kann ausgelöst werden durch: 23 x Jodexposition bei vorbestehender funktioneller Autonomie (zum Beispiel jodhaltige Kontrastmittel, Medikamente) x Intensive Manipulation am Halsbereich x Operationen bei einem Morbus Basedow Patienten, der präoperativ nicht euthyreot eingestellt war x Exsikkose Die thyreotoxische Krise ist lebensbedrohlich. Da der Patient in solch einer Situation viel Wasser verliert, führt dies zu einer starken Gewichtsreduktion. Weiters können Erbrechen, Durchfälle, Schweißausbrüche, Pulsanstieg (auf 140160 Schläge/min) und Körpertemeraturanstieg (auf 41°C) vorkommen. Auch Symptome des zentralen Nervensystems, wie Erregungszustände, Halluzinationen, delirantes Zustandsbild bis zum thyreotoxischen Koma können auftreten. Anhand der Anamnese und der Inspektion kann man eine Immunhyperthyreose feststellen, solange die Symptome eindeutig sind. Jedoch dienen die Laborparameter der Bestätigung. Ist der Morbus Basedow manifest, findet man erhöhte periphere Schilddrüsenhormonspiegel (freies T3 und freies T4). TSH ist jedoch supprimiert. Sind auch noch die TSH-Rezeptor-Autoantikörper (TRAK) positiv, ist die Diagnose eines Morbus Basedow gesichert. Die ThyreoperoxidaseAntikörper fallen aufgrund der generalisierten Autoimmunerkrankung ebenfalls häufig positiv aus. Leider kann der Antikörpernachweis, trotz bestehender Immunhyperthyreose, negativ ausfallen. In der Schilddrüsensonographie findet man ein diffuses, echoarmes Bild vor. Kann weder ein Exophthalmus noch eine Antikörperpositivität festgestellt werden, hilft eine Kombination aus Sonographie und Szintigraphie weiter. Bei fokaler Autonomie beispielsweise kann die Szintigraphie zeigen, ob es sich um einen warmen oder kalten Knoten handelt. Diagnostik des autonomen Adenoms und des toxischen Knotenkropfes Normalerweise macht weder der toxische Knotenkropf noch das autonome Adenom Beschwerden. Lediglich bei größeren Adenomen kann man lokal einen Druck verspüren. Treten vegetative Symptome, Tachykardien, Herzarrhythmien auf, ist an ein autonomes Adenom oder an einen toxischen Knotenkropf als mögliche Ursache zu denken. Außerdem können allgemeine Symptome einer 24 Hyperthyreose auftreten (siehe Diagnostik des Morbus Basedow). Diagnostisch sind Anamnese, Inspektion und Schilddrüsenparameter von Bedeutung. Dabei sind freies Thyroxin und freies Trijodthyronin erhöht. Das TSH ist erniedrigt. Da es sich im Gegensatz zur Immunhyperthyreose nicht um einen Autoimmunprozess handelt, sind die Schilddrüsenantikörper negativ. Sonographisch zeigt sich das autonome Adenom echoarm. Im Zentrum dieses Adenoms kann ein echofreier Bezirk vorliegen. Dabei handelt es sich um eine zystische Umwandlung des Gewebes. Ein toxischer Knotenkropf stellt sich in der Sonographie inhomogenfleckig dar. Um zu sehen ob ein Adenom oder mehrere Knoten hormonell aktiv sind, eignet sich die Schilddrüsenszintigraphie. Dabei werden hormonell aktive Areale als „heiße“ und hormonell inaktive (minderspeichernde) Bereiche als „kalte“ Knoten bezeichnet. Im Falle eines autonomen Adenoms oder eines toxischen Knotenkropfes handelt es sich also um einen heißen oder mehrere heiße Knoten! Bei der Szintigraphie wird ein Isotop mit kurzer Halbwertszeit verabreicht (zum Beispiel 99mTechnetium-Pertechnetat). Dieses wird wie Jodid von den Follikelepithelzellen aufgenommen und gespeichert. Der Vorgang wird mit einer Gammakamera in ein Bild umgesetzt. Ist die Speicherung unregelmäßig und die Schilddrüse massiv umgebaut, dient die Suppressionsszintigraphie der Detektion von autonomen Arealen. Dabei gibt man für 7 Tage Trijodthyronin in einer Tagesdosis von 60 μg. Durch negatives Feedback wird TSH supprimiert und in gesunden Follikelepithelzellen werden vermindert Schilddrüsenhormone produziert. Da dieses Prinzip bei autonomen Arealen nicht wirkt, ist der anschließende 99mTechnetium-Pertechnetat-Uptake der gleiche. Dadurch kann man gesundes Gewebe vom pathologischen Gewebe unterscheiden. [26] 2.2.5 Therapie der Hyperthyreose Ziel der Therapie einer Hyperthyreose ist die Normalisierung der gesteigerten Hormonproduktion. Dabei stehen drei Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. x Thyreostatische Therapie x Radiojodtherapie x Operative Therapie 25 Symptomatisch können β-Adrenorezeptorantagonisten dagegen helfen, die Tachykardie in den Griff zu bekommen. Außerdem gibt es einige βAdrenorezeptorantagonisten, die durch Hemmung der 5’-Dejodase die periphere Konversion von T4 zu T3 verhindern, wie zum Beispiel das β-Propranolol. Treten auch ZNS-Störungen auf, wie etwa Schlafstörungen, Nervosität oder Unruhen, kann man Benzodiazepine verabreichen. Allerdings ist hierbei das Abhängigkeitspotential bei längerer Einnahme zu beachten. Thyreostatische Therapie Drei unterschiedliche Wirkmechanismes liegen der thyreostatischen Therapie zu Grunde. 1) Thioamidthyreostatika: Diese reduzieren die Herstellung von Schilddrüsenhormonen durch Hemmung der Thyreoperoxidase (TPO) in den Follikelepithelzellen. TPO wird normalerweise für die Jodierung von Tyrosinresten im Thyreoglobulin verwendet. 2) Monovalente Anionen wie das Perchlorat hemmen den Natrium-JodidSymporter (NIS) und damit in weiterer Folge, aufgrund des Jodidmangels in der Schilddrüse, die Synthese von Schilddrüsenhormonen. 3) Jod/Jodid hemmt in hohen Dosen die Abgabe von Schilddrüsenhormonen aus den Follikelepithelzellen. 1) Die Wirkungen der verschiedenen Thyreostatika sind reversibel. In Österreich gibt es von den Thioamidthyreostatika Thiamazol (Thiamazol® Sandoz 20 mg Tabletten) und Propylthiouracil (Prothiucil® Tabletten). Früher gab es auch noch das Carbimazol, das nach seiner Resorption durch Abspaltung einer Carboxy-Gruppe zu Thiamazol umgewandelt wurde. Die Initialdosis von Thiamazol bis zum Errreichen einer Euthyreose beträgt 10-40 mg/Tag. Die Erhaltungsdosis zur Rezidivprophylaxe beträgt 2,5-10 mg/Tag. Bei Propylthiouracil beträgt die Initialdosis 100-500 mg/Tag und die Erhaltungsdosis: 50-200 mg/Tag. Dies sind Richtdosen. Welche Dosen man genau verschreibt, hängt von der klinischen Aktivität und der Jodbelastung ab. So ist die Dosis bei geringer klinischer Aktivität und fehlender Jodbelastung kleiner als bei hoher klinischer Aktivität und hoher 26 Jodbelastung. Der Vollständigkeit halber, soll hier noch erwähnt werden, dass eine Kombinationstherapie mit Levothyroxin möglich ist, um hypothyreote Zustände zu vermeiden. Die volle Wirkung der Thyreostatika entwickelt sich erst nach einer Latenzzeit von 2-6 Wochen. Empfohlen wird eine Therapiedauer von 1-2 Jahren. Tritt danach ein Rezidiv auf, ist an eine Radiojodtherapie oder an eine Operation zu denken. Leider kann diese Therapie den Autoimmunprozess des Morbus Basedow nicht kausal behandeln. Für das autonome Adenom und den toxischen Knotenkropf gilt, dass eine Therapie mit Thioamidthyreostatika nur für wenige Wochen eingesetzt wird, bis sich ein euthyreoter Zustand eingestellt hat. Denn bei funktionellen Autonomien ist mit einer Spontanremission nicht zu rechnen. Nach Erreichen einer Euthyreose wird eine Radiojodtherapie oder eine Operation geplant. 2) Perchlorat mit dem Handelsnamen „Irenat® Tropfen“ hat eine geringe therapeutische Breite. Außerdem ist die Zuverlässigkeit seiner Wirkung geringer als bei den Thioamidthyreostatika. Besteht eine Unverträglichkeit gegenüber Thiamazol und Propylthiouracil, so kann man auf Perchlorat umsteigen. Die wichtigste und häufigste Indikation ist die Hemmung der Jodidaufnahme bei unvermeidbarer Gabe hoher Jodiddosen, wie zum Beispiel bei der Gabe jodhaltiger Kontrastmittel. Vor allem dann, wenn bereits eine Autonomie vorherrscht. Die Tagesdosis beträgt 1g Natriumperchlorat (1ml = 300mg Natriumperchlorat). Spätestens 2 Stunden vor einer jodhaltigen Kontrastmitteleinnahme soll Perchlorat eingenommen werden. Danach soll die Therapie mit Irenat® (300mg) für 10-14 Tage in Kombination mit Thiamazol 20 mg fortgeführt werden. 3) Wird Jod/Jodid in hohen Dosen verabreicht, kommt es zu einer raschen Blockade der Schilddrüsenhormonsekretion. Diese Therapie wird auch Plummerung genannt. Jedoch hält diese paradoxe Wirkung nur wenige Tage an. Sobald der Patient euthyreot ist, muss an eine operative Therapie gedacht werden. Herrscht jedoch eine jodinduzierte Entgleisung vor, ist diese Art von Therapie strengstens untersagt. Nebenbei sei auch erwähnt, dass Lithiumsalze früher zur Therapie der Hyperthyreose eingesetzt wurden. Allerdings ist dies heute, wegen der geringen therapeutischen Breite und der hohen Toxizität, nicht mehr der Fall. 27 Radiojodtherapie Diese Art von Therapie ist effektiv und sehr kompliaktionsarm. Die Strahlenexposition des restlichen menschlichen Organismus ist ziemlich gering. Besonders bei Vorliegen einer Autonomie, ist diese Art von Therapie der goldene Standard. Der ß- und Ɣ- Strahler 131Jodid (131I) wird im Speziellen von den autonomen Arealen der Schilddrüse aufgenommen. Die normalen Follikelepithelzellen nehmen dieses Radiojod nur geringfügig auf. Daher bleiben diese ziemlich unbeschädigt. Sowie bei den Thiamidthyreostatika, tritt die Wirkung der Radiojodtherapie erst nach einer Latenzzeit (2-3 Monaten) auf. Bis kurz vor der Radiotherapie soll mit Thyreostatika behandelt werden. Nach der Radiojodtherapie kann bis zum Wirkungseintritt (einige Tage später) auch ein Thyreostatikum verabreicht werden. Jedoch ist die Ko-Therapie mit Perchlorat oder Jodid kontraindiziert. Eine Herddosis von 200-400 Gray (Gy) sollte erreicht werden. Es gibt drei Radiotherapeutika, deren Namen zwar im Austria Codex (Fachinformation 2012/13) aufscheinen, jedoch laut Erläuterung nicht im Handel erhältlich sind. Daher können sie hier nur namentlich erwähnt, jedoch nicht genauer beschrieben werden: x CAPSION® Iod-131 Kapsel zur Therapie XL x NATRIUMJODID® (131I) `BSM` Kapsel T XL x THERACAP® 131 XL Operation Die operative Entfernung der Schilddrüse, auch Thyreoidektomie genannt, ist der Radiojodtherapie in folgenden Fällen überlegen: x bei großen Kröpfen x bei gleichzeitig vorhandenen kalten Knoten x bei gleichzeitig vorhandenen Zysten x für eine schnelle mechanische Entlastung Bei Verdacht auf einen bösartigen Tumor der Schilddrüse (Malignom) wird primär chirurgisch vorgegangen. Um nach der Operation verbliebenes 28 Schilddrüsengewebe zu beseitigen, wird die Radiojodtherapie angewendet. Ist die Schilddrüse entfernt, wird eine lebenslange Substitution mit Levothyroxin notwendig sein. In der Zusammenschau der verschiedenen pharmakologischen Bücher konnten im Bezug auf die Therapiemöglichkeiten einer manifesten Hyperthyreose keine Unterschiede gefunden werden. [21,22,23,27,28] Anbei sollen die drei in Österreich erhältlichen Thyreostatika: Thiamazol® Sandoz 20 mg Tabletten, Prothiucil® Tabletten und Irenat® Tropfen beschrieben werden. Auf die Jod/Jodid-Präparate ist bereits im Kapitel 2.1.3 Therapie der euthyreoten Jodmangelstruma eingegangen worden. Thiamazol® Sandoz 20 mg Tabletten Eine Tablette enthält 20 mg Thiamazol. Sonstige Bestandteile sind: Lactose Monohydrat (25 mg), Calciumhydrogenphosphat, Maisstärke, Saccharose (10 mg), Talkum, Eisenoxid gelb. [29] Wirkung: Thiamazol reduziert die Herstellung von Schilddrüsenhormonen durch Hemmung der Thyreoperoxidase (TPO) in den Follikelepithelzellen. Diese wird normalerweise für die Jodierung von Tyrosinresten im Thyreoglobulin verwendet. [22] Indikation: Zugelassen ist dieses Präparat für alle Formen der Hyperthyreose, der Thyreotoxikose und der thyreotoxischen Krisen. Weitere Anwendungsgebiete sind: Morbus Basedow, autonome Adenome, Vorbehandlung zu einer geplanten Radiojodtherapie, Vorbehandlung zur Strumareduktion, Intervalltherapie nach einer Radiojodtherapie, bis diese vollständig ihre Wirkung entfaltet. Kontraindikation: Thiamazol darf nicht angewendet werden: Bei Überempfindlichkeit gegen eben diesen Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile, bei Blutbildveränderungen wie Granulozytopenie, bei Hyperthyreosen mit retrosternaler Struma oder trachealer Obstruktion, weil eine höhere Dosis von Thiamazol zur Schilddrüsenvergrößerung und damit zur 29 Verschlechterung des Zustandes führen kann. Weiters darf es bei vorbestehender Cholestase, vorbestehender vegetativer Dysregulation nicht angewendet werden. Wechselwirkung: Besteht ein Jodmangel, wirkt Thiamazol besser, bei Jodüberschuss jedoch schlechter. Daher ist die gleichzeitige Gabe von Jod kontraindiziert. Nebenwirkung: Sehr häufig (≥1/10) kommt es zu allergischen Hauterscheinungen. Im Laufe der Therapie bilden diese sich aber zurück. Häufig (≥1/100, <1/10) kommt es zu Gelenksschmerzen, die einige Wochen nach der Behandlung auftreten können. Gelegentlich (≥1/1000, <1/100) kann es zu Leukopenie, Granulozytopenie, Agranulozytose und Anämie führen. Damit verbunden sind Rachenbeschwerden, Temperaturanstieg, Diarrhoe, Übelkeit Erbrechen, Stomatits, Pharyngitis. In seltenen Fällen (≥1/10000, <1/1000) sind Polyneuritiden, Kopfschmerzen, Hypogeusien, Anosmien und Geschmacksstörungen beobachtet worden. Sehr selten (<1/10000) wurden Thrombozytopenien, Panzytopenien und generalisierte Lymphadenopathien festgestellt. Hypothyreosen (bei Überdosierung), Strumen, akute Speicheldrüsenschwellungen, cholestatische Ikteren, toxische Hepatitiden, Haarausfall, medikamenteninduzierter Lupus erythematodes und Gewichtszunahme können auch selten auftreten. Pharmakodynamik: Thiamazol hemmt den Einbau von Jod in die Tyrosinreste des Thyreoglobulins durch Hemmung der Thyreoperoxidase (TPO). Dadurch wird die Neusynthese von Schilddrüsenhormonen eingestellt. Die Hyperthyreose wird somit ausgeglichen. Allerdings dauert es bis die Wirkung eintritt, weil die Schilddrüsenhormone, die bereits produziert worden sind, durch Thiamazol nicht beeinflusst werden. Pharmakokinetik: Nach der oralen Einnahme von Thiamazol, wird es fast vollständig im Darm resorbiert. Die maximale Plasmakonzentration ist nach 1 bis 2 Stunden erreicht. Thiamazol wird in der Schilddrüse angereichert und dort verstoffwechselt. Aber nicht nur dort, sondern auch in der Leber. Ausgeschieden 30 wird es vorwiegend über die Nieren. Die Eliminationshalbwertszeit von Thiamazol beträgt 3 bis 6 Stunden. [29] Prothiucil® Tabletten Eine Tablette enthält 20 mg Propylthiouracil. Weitere Bestandteile sind Milchzucker, Maisstärke, Talkum, Siliciumoxid, Magnesiumstearat. [30] Wirkung: Propylthiouracil reduziert die Herstellung von Schilddrüsenhormonen durch Hemmung der Thyreoperoxidase (TPO) in den Follikelepithelzellen. Diese wird normalerweise für die Jodierung von Tyrosinresten im Thyreoglobulin verwendet. Jedoch dauert es auch hier bis die Wirkung eintritt, weil das noch vorhandene Schilddrüsenhormondepot erst aufgebraucht werden muss. [22] Indikation: Dieses Präparat wird angewendet bei Hyperthyreosen hervorgerufen durch Morbus Basedow, Thyreotoxikosen, zur Vorbereitung von Thyreoidektomien. Kontraindikation: Bei Überempfindlichkeit gegen Propylthiouracil oder eines der sonstigen Bestandteile, substernaler Struma, schweren Leberfunktionsstörungen, ernsten Knochenmarksdepressionen, Blutbildveränderungen oder trachealer Obstruktion ist die Verwendung von Propylthiouracil kontraindiziert. Wechselwirkung: Jod und jodhaltige Arzneimittel vermindern die Wirkung des Propylthiouracils. Die Wirkung von Cumarinen oder Propranolol wird jedoch durch das gleichzeitige Einnehmen von Propylthiouracil verstärkt. Nebenwirkung: Vor allem am Beginn der Therapie kann es zu Nebenwirkungen kommen, die nach und nach abklingen. Nach Absetzen der Therapie sind sie reversibel. Mögliche Nebenwirkungen, die auftreten können, sind: Allergische Reaktionen wie Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut (Pruritus, Exantheme). Selten kommt es zu Arzneimittelfieber, Gelenksschmerzen, gastrointestinalen Störungen (Übelkeit, Erbrechen), Kopfschmerzen, Störungen des Geschmacksund Geruchsempfindens. Wird eine hohe Dosis eingenommen, kann es zu 31 Hypothyreose mit vermehrter TSH Bildung kommen. Dadurch kann eine Struma entstehen. In Einzelfällen wurden folgende Nebenwirkungen beschrieben: Hepatitis, Lupus erythematodes, Vasculitis, Lymphadenopathie, Thrombozytopenie, Neutropenie, Agranulozytose, hämolytische Anämie, interstitielle Pneumonie, Periarteritis nodosa, Neuropathien, periphere Ödeme oder Alopezie. [30] Pharmakodynamik: Propylthiouracil hemmt den Einbau von Jod in die Tyrosinreste des Thyreoglobulins durch Hemmung der Thyreoperoxidase (TPO). Dadurch wird die Neusynthese von Schilddrüsenhormonen eingestellt. Die Hyperthyreose wird somit ausgeglichen. Allerdings dauert es bis die Wirkung eintritt, weil die Schilddrüsenhormone, die bereits produziert worden sind, durch Propylthiouracil nicht beeinflusst werden. Ferner verringert Propylthiouracil die periphere Konversion von Thyroxin zu Trijodthyronin. Pharmakokinetik: Die Resorption von Propylthiouracil im Darm, erfolgt rasch und vollständig nach oraler Gabe. Die Plasmahalbwertszeit von Propylthiouracil beträgt 1,5 - 2 Stunden. Daher muss die Tagesdosis auf bis zu 6 Einzelgaben verteilt werden. Es passiert die Plazenta und geht in die Muttermilch über. Allerdings ist die Konzentration in der Muttermilch geringer als es die Konzentration von Thiamazol sein würde, würde man diesen Wirkstoff einnehmen. Propylthiouracil wird in der Schilddrüse angereichert. In der Schilddrüse wird es durch Schwefeloxidation und in der Leber durch Glucuronidierung inaktiviert. Vorwiegend wird es renal und weniger biliär eliminiert. [22,27] Irenat® Tropfen 1 ml (21 Tropfen) dieser Flüssigkeit enthält 300 mg Natriumperchlorat. Weitere Bestandteile sind: Ammoniumchlorid, Magnesiumchlorid, Calciumchlorid, gereinigtes Wasser. [24] Wirkung: Perchlorat hemmt den Natrium-Jodid-Symporter (NIS) und damit in weiterer Folge, aufgrund des Jodidmangels in der Schilddrüse, die Synthese von Schilddrüsenhormonen. [22] 32 Indikation: Natriumperchlorat wird angewendet zur Therapie von jodinduzierter Hyperthyreose, zur Therapie von Amiodaron-induzierter Schilddrüsenüberfunktion, zur Blockade der Schilddrüse bei szintigraphischen Untersuchungen anderer Organe mit radioaktivem Jod, bei latenter Schilddrüsenüberfunktion und gleichzeitiger notwendiger Anwendung von jodhaltigen Röntgenkontrastmitteln. Kontraindikation: Bei Überempfindlichkeit gegen Natriumperchlorat oder einen der sonstigen Bestandteile, basedowifizierte Knotenstrumen, Struma retrosternalis oder bei bereits zuvor schon bekannten Blutbildveränderungen unter Natriumperchlorat-Gabe, ist die Einnahme von Prothiucil® kontraindiziert. Auch ist die Verabreichung von Natriumperchlorat während der Plummerung (Gabe von hohen Jodiddosen) zur Operationsvorbereitung strengstens untersagt. Wechselwirkung: Perchlorat inhibiert dosisabhängig die Radiojod- oder die 99m Technetium-Pertechnetat-Aufnahme. Die gleichzeitige Gabe von Perchlorat und Thiamazol beziehungsweise Propylthiouracil verstärkt den thyreostatischen Effekt. Jedoch vermindert die gleichzeitige Jodgabe die Wirkung von Irenat®. Nebenwirkungen: Das Auftreten von Nebenwirkungen hängt von der Dosis ab. Häufig (≥1/100, <1/10) kommt es zu Leukopenie, Lymphadenopathie, Übelkeit, Erbrechen, Mundtrockenheit, pharingitischen Reizungen, flüchtigem Exanthem, Purpura, fieberhaften Athralgien, Arzneimittelfieber, Hyperthyreose. Zu Eosinophilie, Agranulozytose, leichten Muskelkrämpfen, Brennen in den Füßen, Schwere im Kopf, Durchfall, Ikterus oder Juckreiz kann es gelegentlich (≥1/1000, <1/100) kommen. Eine Panzytopenie und/oder eine allergische Reaktion kann/können in seltenen Fällen (≥1/10000, <1/1000) auftreten. Sehr selten (<1/10000) jedoch kommt es zu Thrombozytopenie, aplastischer Anämie, Leberschädigung, nephrotischem Syndrom, Akne, Haarausfall, generalisierter Dermatitis, Urtikaria und Erythema nodosum. Pharmakodynamik: Perchlorat inhibiert die Jodaufnahme in die Schilddrüse kompetitiv. Außerdem schwemmt es Jodid aus der Schilddrüse aus, sodass die Jodisation der Tyrosinreste nicht stattfinden kann. Auch die Wiederverwendung von extrathyreoidalem Jod nach Dejodierung der Schilddrüsenhormone wird 33 gehemmt. Analoges gilt für das Jod, das nach jodhaltiger Kontrastmittel- oder 99m Technetium-Pertechnetat-Aufnahme frei wird. Dieses Jod wird auch kompetitiv an der Aufnahme in die Schilddrüse gehindert. Perchlorat fördert sogar noch die renale Ausscheidung von Jod. Pharmakokinetik: Innerhalb weniger Minuten wird Perchlorat im MagenDarmtrakt resorbiert. Der Wirkungeintritt an der Schilddrüsenzelle erfolgt schnell. Die Hemmung der Jodaufnahme hält bei einer Einzelgabe nur wenige Stunden an. Daher ist es erforderlich täglich mehrere Male Perchlorat einzunehmen. So kann ein konstanter Serumspiegel gewährleistet werden. Die Halbwertszeit des Perchlorats beim Menschen ist nicht genau bekannt. Die maximale Perchloratkonzentration in der Schilddrüse wird nach 4 Stunden erreicht. Perchlorat bindet sich an Albumin. Ohne Verstoffwechselung wird es schnell, unverändert und fast vollständig über die Nieren eliminiert. Nach ungefähr 72 Stunden ist dieser Wirkstoff zu >95 % ausgeschieden. Eine Elimination aus der Schilddrüse dauert jedoch einige Wochen. [24] 2.3 Hypothyreose Bei der Hypothyreose unterscheidet man zwischen der primären und der sekundären Hypothyreose. Die pathologische Ursache liegt bei der primären Hypothyreose in der Schilddrüse. Sekundäre Hypothyreose bedeutet, dass der Grund für diese Funktionsstörung in der Hypophyse oder im Hypothalamus anzufinden ist. Beim Letzteren fehlt die Stimulation der Schilddrüse durch Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH) oder durch Thyreotropin- ReleasingHormon (TRH). Im Allgemeinen führt die Hypothyreose zu einem hypometabolen Zustand, hervorgerufen durch eine inadäquat niedrige Hormonsekretion. Tritt dies vor der Geburt oder beim Kleinkind auf, so bildet sich ein Kretinismus. Im Erwachsenenalter dagegen entsteht ein Myxödem. Frauen bekommen häufiger als Männer eine Hypothyreose. Die Prävalenz bei Frauen beträgt 5-10% und bei Männern 0,5-2%. Für die Hypothyreose sind zwei Ursachen verantwortlich: 1) Funktionelle Störungen der T3-/T4-Synthese und –Sekretion 2) Reduktion des Schilddrüsengewebes 34 Zu den funktionellen Störungen zählen: x Jodmangel x Eiweißretentionskrankheit (fehlerhafte Faltung von Thyreoglobulin) x Genetische Defekte bei der Herstellung von Thyroxin und Trijodthyronin x TRH- bzw. TSH-Ausfall von Hypothalamus/Hypophyse x Periphere Resistenz gegen T3 und T4 Zur Reduktion des funktionellen Schilddrüsengewebes gehören: x Autoimmunthyreoiditis Hashimoto x Operative Resektionen x Röntgenbestrahlung, Radiojodbehandlung x Agenesie, Aplasie x Hypoplasie Dabei ist die häufigste Ursache einer funktionellen Störung ein Jodmangel. Bis zu 90% aller Jodmangelkröpfe gehen mit einer subklinischen Hypothyreose einher. Die häufigste Form der Schilddrüsenparenchymreduktion ist die Autoimmunthyreoiditis Hashimoto (siehe Abbildung 6). [14] Abbildung 6: Ursachen einer Hypothyreose [14] 35 Die Hypothyreose aufgrund von peripherer Schilddrüsenhormonresistenz ist sehr selten. Hierbei sind verschiedene Organe unempfindlich gegenüber Thyroxin und Trijodthyronin. [31,32] Da wie oben erwähnt die zwei häufigsten Ursachen einer Hypothyreose Jodmangel und Autoimmunthyreoiditis Hashimoto sind und auf den Jodmangel bereits im Kapitel 2.1 näher eingegangen worden ist, soll hier die HashimotoThyreoiditis genauer beschrieben werden. 2.3.1 Autoimmunthyreoiditis Hashimoto (chronisch lymphozytäre Thyreoiditis, Struma lymphomatosa) Wie der Name schon sagt, handelt es sich bei dieser Erkrankung um einen Autoimmunprozess. Dabei findet eine ausgedehnte Zerstörung des Schilddrüsengewebes statt. Im Alter von 30 – 50 Jahren kommt die Struma lymphomatosa gehäuft vor. Frauen sind jedoch zehnmal häufiger betroffen als Männer. Da man heute vermehrt jodiertes Kochsalz verwendet, ist die Autoimmunthyreoiditis Hashimoto die häufigste Ursache einer Hypothyreose. Bis dato ist die Ursache der Erkrankung noch nicht völlig geklärt. Fest steht, dass in diesem Prozess sowohl zytotoxische T-Zellen als auch Antikörper beteiligt sind. Dabei sind die Antikörper gegen Folgendes gerichtet: x Thyreoperoxidase (TPO) x Thyreoglobulin x Follikelepithelzellmembran x Schilddrüsenhormone Thyroxin und Trijodthyronin x Andere Fraktionen des Kolloids außer Thyreoglobulin Diese Erkrankung tritt familiär gehäuft auf. Sie ist mit dem HLA-DR5-Genotyp assoziiert. Dabei tritt bei dieser genetischen Gegebenheit, öfter als bei der Normalbevölkerung, ein generalisierter Autoimmunprozess auf. Außerdem kann es nebenbei zu einer Zerstörung der Nebennieren, Langerhans-Inseln und der Belegzellen der Magenschleimhaut kommen. 36 Morphologie: Im Frühstadium lagert sich entzündliches Infiltrat in die Schilddrüse ein. Dabei ist die Glandula thyreoidea symmetrisch vergrößert. Sie fühlt sich derb an, ist jedoch nicht mit der Umgebung verwachsen. Schneidet man in diese Schilddrüse hinein, bekommt man eine grau-weiße Schnittfläche zu sehen (siehe Abbildung 7). Abbildung 7: Schnittfläche einer Hashimoto-Schilddrüse [14] Unter dem Mikroskop sieht man ein dichtes über die gesamte Schilddrüse verteiltes lymphoplasmazelluläres Infiltrat (B- und T-Lymphozyten) mit Makrophagen. Sehr oft bilden sich auch noch Lymphfollikel mit Keimzentren aus. Die Schilddrüsenfollikel sind destruiert und zerfließen zu Zellsträngen. Vor allem bei der Autoimmunthyreoiditis Hashimoto sieht man eine onkozytäre Metaplasie der Follikelepithelzellen des restlichen Parenchyms. Diese sind durch eine Zellvergrößerung und ein eosinophiles Zytoplasma gekennzeichnet. Im Spätstadium verkleinert sich die Schilddrüse. Da das Schilddrüsenparenchym zerstört wird, entwickelt sich nach und nach eine Schilddrüsenunterfunktion. Diese kann sich über Monate beziehungsweise Jahre verschlimmern. In 10% der Fälle fibrosiert die Schilddrüse und das entzündliche Infiltrat bildet sich zurück. 2.3.2 Diagnostik der Hypothyreose Da sich die Schilddrüsenunterfunktion langsam entwickelt, hat der Patient vorerst keine Symptome. Erst wenn die Unterfunktion gravierend wird, verspürt der Patient subjektiv seinen hypometabolen Zustand. Allgemeine Symptome sind: 37 Müdigkeit, Antriebsminderung, Konzentrationsunfähigkeit, gesteigertes Schlafbedürfnis, Kälteempfindlichkeit beziehungsweise –intoleranz, Obstipation. Über Geschmacks- und Geruchsstörungen ist auch berichtet worden. Außerdem verspüren manche Patienten eine Abnahme der Hörfähigkeit. Eine allgemeine Verlangsamung fällt weiters auf. Gewichtszunahme, Zyklusstörungen, Libidoverlust, brüchige Haare und Nägel, Lidödeme und eine verwaschene, raue Sprache können auch vorkommen. Die Haut ist kühl, schuppend, trocken und blassgelb. In schweren Fällen können Schwellungen der Haut auftreten. Daraus kann sich ein generalisiertes Myxödem entwickeln. Im Unterschied zum kardial bedingten Ödem, lassen sich Myxödeme nicht eindellen. Bei der Auskultation und der Pulsmessung lässt sich teilweise eine Bradykardie feststellen. Die Patellarund Achillessehnenreflexe laufen nicht prompt sondern träge ab. Ältere Patienten weisen bei Hypothyreose Allgemeinsymptome wie Adynamie, Obstipation, depressive Verstimmung, Stenokardien und Kälteempfindlichkeit auf, weswegen man die Altershypothyreose leicht übersieht. Nach der Anamnese, der Inspektion und der Palpation wird die Diagnose der Hypothyreose durch eine laborchemische Hormonbestimmung gesichert. Will man sich vergewissern, ob eine primäre Hypothyreose vorliegt oder nicht, muss man den TSH-Wert bestimmen. Ist dieser normal, besteht keine primäre Hypothyreose. In diesem Fall ist auch die Bestimmung von Thyroxin und Trijodthyronin überflüssig. Ist der TSH-Wert jedoch erhöht muss zum Nachweis einer primären Hypothyreose auch das freie Thyroxin (fT4) gemessen werden. Bei der sekundären Hypothyreose jedoch müssen sowohl TSH-Wert als auch die Schilddrüsenhormone bestimmt werden, weil bei einer sekundären Hypothyreose der TSH-Wert im Normbereich liegen kann. In der Praxis werden meistens TSHWert und Schilddrüsenhormone gleichzeitig bestimmt. Für die Diagnose der Hypothyreose ist die Bestimmung von Trijodthyronin ungeeignet, weil durch eine Erhöhung des TSH-Wertes peripher vemehrt T4 zu T3 konvertiert wird. Das Trijodthyronin bleibt damit für längere Zeit im Normbereich. Ist der TSH-Wert erhöht, die Schilddrüsenhormonkonzentration aber noch im Normbereich, spricht man von einer präklinischen oder latenten Hypothyreose. Im Laufe der Erkrankung entwickelt sich eine Schilddrüsenunterfunktion bei gesteigertem TSH-Wert. Tritt dies ein, so spricht man von einer manifesten Hypothreose. Um die Ursache einer 38 primären Hypothyreose zu klären, werden die Thyreoperoxidase-Antikörper (TPOAK) und die Antikörper gegen Thyreoglobulin (Tg-AK) bestimmt. Sind diese zusätzlich zu den erniedrigten Schilddrüsenhormonen positiv, so handelt es sich um eine immunologisch-entzündliche Genese der Hypothyreose. Weiters kann ein Blutbild eine normo- beziehungsweise hypochrome Anämie aufweisen. Das Gesamtcholesterin kann aufgrund des hypometabolen Zustandes erhöht sein. Die Kreatinkinase (CK) kann als Folge der Myxödemmyopathie massiv erhöht sein. Röntgenologisch kann sich ein Myxödemherz zeigen. Dieses weist eine Linksherzund eine Rechtsherzdilatation auf. Auch kann sich bei ausgeprägter Hypothyreose ein Perikarderguss ausbilden. Im EKG findet man eine Niedervoltage und ein Fehlen der T-Zacken an. Ist die primäre Hypothyreose gesichert, ist die Sonographie die Methode der Wahl. Bei der Autoimmunthyreoiditis Hashimoto beispielsweise erkennt man eine echoarme, schlecht gegen die Umgebung abgrenzbare Schilddrüse. Im Spätstadium lässt sich kaum noch Schilddrüsenparenchym nachweisen. Die Feinnadelpunktion, die lymphozytäre Infiltrate als Ausdruck eines entzündlich-destruierenden Prozesses nachweisen kann, ist heute durch die Schilddrüsenantikörperbestimmung und die Sonographie verdrängt worden. Für die Diagnostik der Schilddrüsenunterfunktion kann meist auf die Schilddrüsenszintigraphie verzichtet werden. Ein geringer oder fehlender Tracer-Uptake wäre für die Hypothyreose charakteristisch. Bei adäquater Substitution von synthetischen Schilddrüsenhormonen, bleibt der Patient euthyreot. Voraussetzung dafür ist jedoch die lebenslange und gewissenhafte Einhaltung der Substitution. Eine sehr seltene Komplikation der Hypothyreose ist das hypothyreote Koma. Dieses kann entstehen, wenn Patienten unzureichend therapiert oder die Hypothyreosen für lange Zeit nicht erkannt worden sind. Kommen dann noch Belastungsfaktoren wie Traumen oder Infekte hinzu, führt das zur Dekompensation. Narkosen bei operativen Eingriffen oder Sedativa bei Schmerzen können auch ein hypothyreotes Koma begünstigen. Durch die Hypoventilation entsteht eine Hyperkapnie, die lebensbedrohlich sein kann. Diese sollte mit einer künstlichen Beatmung behandelt werden. [33] 39 2.3.3 Therapie der Hypothyreose Die Therapie der Hypothyreose besteht in der Gabe von Thyroxin (Levothyroxin) oder Trijodthyronin (Liothyronin). Es gibt auch Kombinationspräparate der beiden Hormone, die zur Verfügung stehen. Allgemein lässt sich jedoch sagen, dass das T4, das Mittel der Wahl ist. Thyroxin wird peripher zu Trijodthyronin dejodiert. Außerdem hat T3 eine kürzere Halbwertszeit, daher müssten 5-6 Dosen pro Tag verabreicht werden. Bei Zuständen einer peripheren Schilddrüsenhormonresistenz oder einer Schwäche der Konversion von Thyroxin zu Trijodthyronin, wird T3 eingesetzt. Verwendet man ein Kombinationspräparat, so steigt der Trijodthyroninspiegel im Serum an, weil wie oben erwähnt, zusätzlich Thyroxin zu Trijodthyronin konvertiert wird. Bei höherer Dosierung des Kombinationspharmakons kann es also zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen. Generell sollte nur Thyroxin verwendet werden. T4 wird meistens oral in Form einer Tablette eingenommen. Da die gleichzeitige Einnahme von T4 mit der Nahrung die Resorption von Thyroxin vermindert, sollte die Tablette 30-60 Minuten vor dem Frühstück auf nüchternem Magen eingenommen werden. Die Enddosis die bei der Substitution erreicht werden sollte, liegt zwischen 75 μg – 100 μg. Damit man unerwünschte Wirkungen vermeidet, sollte stufenweise begonnen werden. Zuerst sollten 25 μg – 50 μg eingenommen werden. Nach ungefähr 2- bis 4- wöchigen Abständen sollte die Dosis um 25 μg- 50 μg pro Tag gesteigert werden, bis 75 μg beziehungsweise 100 μg/ Tag (manchmal sogar bis 200 μg) erreicht werden. Im Mittel beträgt die Erhaltungsdosis 1,6 μg/kg/Tag. Bei älteren oder kardial vorgeschädigten Patienten, sollte die Intialdosis 12,5 μg – 25 μg betragen. Die Dosissteigerung erfolgt langsamer in 12,5 μg – beziehungsweise 25 μg – Schritten alle 4 Wochen. In der Schwangerschaft ist der Levothyroxinbedarf erhöht. Eine konnatale Hypothyreose muss spätestens nach 2-3 Wochen postpartal erkannt und behandelt werden, damit eine normale geistige und körperliche Entwicklung stattfinden kann. Bei Frühgeborenen beträgt die Initialdosis 25 μg, bei reifen Neugeborenen 50 μg. Nach dem ersten Lebensjahr wird 50 – 75 μg Levothyroxin/ Tag verabreicht. Dann wird eine Erhaltungsdosis von 100 – 150 μg/m2 Körperoberfläche/Tag angestrebt. 40 Beim hypothyreoten Koma werden 500 μg T4 intravenös appliziert. Ab dem 2. Tag sollten 100 μg Thyroxin pro Tag intravenös injiziert werden. Nach einer Thyreoidektomie oder einer Radiojodtherapie wegen eines papillären oder follikulären Schilddrüsenkarzinoms muss lebenslang eine Thyroxinsubstitution vorgenommen werden. Da man den TSH-Spiegel supprimieren will, um ein erneutes Wachstum zu verhindern, müssen 150 – 300 μg Levothyroxin/Tag eingenommen werden. Als Therapiekontrolle dienen der TSH-Wert und der fT3-Wert im Serum. Dabei darf der TSH-Normbereich (0,3-2,5 mU/l) nicht unterschritten und der fT3-Normbereich (2,5-6 pg/l) im Serum, nach T4 Substitution, nicht überschritten werden. In der Zusammenschau der verschieden Literaturen konnten auch bei der Therapie der Hypothyreose im Großen und Ganzen keine Unterschiede gefunden werden. [21,22,23,27,28] Nun soll auf die verschiedenen Schilddrüsenhormonpräparate eingegangen werden. Laut Austria Codex Fachinformation 2012/13 gibt es drei Thyroxinpräparate: x Euthyrox® -Tabletten (25 μg, 50 μg, 75 μg, 88 μg, 100 μg, 112 μg, 125 μg, 137 μg, 150 μg, 175 μg, 200 μg) x L-Thyroxin „Henning“ ® -Tabletten (25 μg, 50 μg, 75 μg, 100 μg, 125 μg, 150 μg) x Thyrex® -Tabletten (25 μg, 50 μg, 75 μg, 100 μg, 125 μg, 160 μg) Daneben gibt es 2 Kombinationspräparate: x Novothyral® -Tabletten x Combithyrex® -Tabletten (mite, forte) In Österreich ist auch ein T3-Präparat im Handel erhältlich: 41 x Trijodthyronin „Sandoz“ ® 25 Gamma-Tabletten Euthyrox® 1 Tablette Euthyrox enthält eine dieser Dosen an Levothyroxin-Natrium: 25 μg, 50 μg, 75 μg, 88 μg, 100 μg, 112 μg, 125 μg, 137 μg, 150 μg, 175 μg, 200 μg. Andere Bestandteile sind: Maisstärke, Croscarmellose, Natrium, Gelatine, LactoseMonohydrat, Magnesiumstearat. [34] Wirkung: Das synthetische Levothyroxin wirkt gleich wie es das endogen produzierte Thyroxin tut (siehe Kapitel 1.3.2 Wirkungen der Schilddrüsenhormone). Indikation: Euthyrox® 25 μg-200 μg hat folgende Anwendungsgebiete: Therapie der gutartigen Struma bei normaler Funktionslage, Prophylaxe einer Rezidivstruma nach Resektion einer euthyreoten Struma, Schilddrüsenhormonsubstitution bei Hypothyreose, Suppressionstherapie bei malignen Schilddrüsentumoren. Kontraindikation: Gegenanzeigen für eine Euthyrox® -Gabe sind: Überempfindlichkeit gegen Levothyroxin-Natrium oder eines der sonstigen Bestandteile, unbehandelte Nebennierenrindeninsuffizienz, unbehandelte Hypophyseninsuffizienz, unbehandelte Hyperthyreose, akuter Myokardinfarkt, akute Myokarditis, akute Pankarditis. Während der Schwangerschaft darf Levothyroxin-Natrium mit Thyreostatika nicht kombiniert werden. Koronare Herzinsuffizienz, Angina pectoris, Arteriosklerose, Bluthochdruck, tachykarde Herzrhythmusstörungen und eine bestehende, nicht behandelte Schilddrüsenautonomie sind weitere Kontraindikationen für den Gebrauch dieses Präparates. Diese müssen vorerst behandelt werden, bevor man mit dieser Therapie beginnt. Wechselwirkung: (siehe Wechselwirkung bei Jodthyrox®) Nebenwirkung: (siehe Nebenwirkung bei Jodthyrox®) 42 Pharmakodynamik: (siehe Pharmakodynamik Jodthyrox®) Pharmakokinetik: (siehe Pharmakokinetik Jodthyrox®) [34] L-Thyroxin „Henning“® -Tabletten 1 Tablette enthält eine der angegebenen Dosen an Levothyroxin-Natrium: 25 μg, 50 μg, 75 μg, 100 μg, 125 μg, 150 μg. Sonstige Bestandteile sind: Maisstärke, vorverkleisterte Maisstärke, mikrokristalline Cellulose, Natriumcarbonat, Natriumthiosulfat 5 H2O, hochdisperses Siliciumdioxid, hydriertes Rizinusöl. [24] Wirkung: (siehe Kapitel 1.3.2 Wirkungen der Schilddrüsenhormone) Indikation: Angewendet wird dieses Präparat zur: Substitution bei Hypothyreosen jeglicher Genese, Therapie der gutartigen Struma mit euthyreoter Funktionslage, Prophylaxe eines Rezidivkropfes nach erfolgter chirurgischer Entfernung oder Radiojodtherapie eines euthyreoten Kropfes, Zusatzmedikation zu Thyreostatika bei Hyperthyreose, Suppressiontherapie eines bösartigen Schilddrüsentumors nach Thyreoidektomie (partiell, total). Kontraindikation: (siehe Kontraindikation Euthyrox®) Wechselwirkung: (siehe Wechselwirkung Jodthyrox®) Nebenwirkung: (siehe Nebenwirkung Jodthyrox®) Pharmakodynamik: (siehe Pharmakodynamik Jodthyrox®) Pharmakokinetik: (siehe Pharmakokinetik Jodthyrox®) Der einzige Unterschied zu Jodthyrox® ist, dass der maximale Plasmaspiegel des L-Thyroxin „Henning“ ® in 2-3 Stunden erreicht ist. [24] 43 Thyrex® 1 Tablette enthält eine dieser folgenden Dosen an Levothyroxin-Natrium: 25 μg, 50 μg, 75 μg, 100 μg, 125 μg, 160 μg. Sonstige Bestandteile sind: Zitronensäure wasserfrei, Natriumedetat, Magnesiumstearat, Talkum, Guarkernmehl, Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A), Mannitol (E421). [29] Wirkung: (siehe Kapitel 1.3.2 Wirkungen der Schilddrüsenhormone) Indikation: Anwendungsgebiete dieses Präparates wären: Primäre und sekundäre Hypothyreosen, euthyreote Strumen, Thyreoiditis, Rezidivprophylaxe und –therapie nach Strumektomie, Zusatztherapie bei behandeltem Schilddrüsenmalignom. Kontraindikation: (siehe Kontraindikation Euthyrox®) Wechselwirkung: (siehe Wechselwirkung Jodthyrox®) Nebenwirkung: (siehe Nebenwirkung Jodthyrox®) Pharmakodynamik: (siehe Pharmakodynamik Jodthyrox®) Pharmakokinetik: (siehe Pharmakokinetik Jodthyrox®) [29] Novothyral® -Tabletten 1 Tablette enthält 100 μg Levothyroxin-Natrium und 20 μg Liothyronin-Natrium. Sonstige Bestandteile sind: Lactose-Monohydrat, Maisstärke, Gelatine, Croscarmellose-Natrium, Magnesiumstearat. [30] Wirkung: (siehe Kapitel 1.3.2 Wirkungen der Schilddrüsenhormone) 44 Indikation: Novothyral wird verabreicht bei: Non- oder Low-Respondern unter LThyroxin-Therapie bei allen Formen der Hypothyreose, bei Patienten mit einer Störung der Konversion von T4 zu T3 in der Körperperipherie. Kontraindikation: (siehe Kontraindikation Euthyrox®) Wechselwirkung: (siehe Wechselwirkung Jodthyrox®) Nebenwirkung: (siehe Nebenwirkung Jodthyrox®) Pharmakodynamik: (siehe Kapitel 1.3 Pysiologie der Schilddrüse, 1.3.1 Regulation der Hormonsekretion, 1.3.2 Wirkungen der Schilddrüsenhormone, Pharmakodynamik Jodthyrox®) Pharmakokinetik: Für Liothyronin (T3) gilt: Bei nüchternem Magen und oraler Einnahme von Liothyronin wird es im oberen Dünndarm zu 78%- 95% resorbiert. Die Plasmaproteinbindung beträgt 99,70%. Dabei ist die Protein-Hormonbindung nicht kovalent, sodass das Hormon rasch in seiner freien Form übergehen kann. Die Plasmahalbwertszeit von T3 beträgt einen Tag. Bei Hyperthyreose ist diese verkürzt und bei Hypothyreose verlängert. In der Schwangerschaft oder bei Östrogentherapie ist die Proteinbindungskapazität erhöht, bei Leberzirrhose (wegen der Hypoproteinämie) oder durch Medikamenteneinfluss (Glucokortikoide, β-Rezeptorenblocker oder jodältige Medikamente) ist die Bindungskapazität vermindert. Die Wirkung tritt nach 12-48 Stunden ein und dauert etwa 3-5 Tage. Die Elimination erfolgt renal aber auch enteral nach Konjugation in der Leber. Die gesamte metabolische Clearance-Rate von Liothyronin beträgt 24 l/die/70 kg. Pharmakokinetik von Levothyroxin-Natrium: (siehe Pharmakokinetik Jodthyrox®) [30] Combithyrex mite/forte® -Tabletten 1 Tablette Combithyrex mite® enthält 50 μg Levothyroxin-Natrium und 12,5 μg Liothyronin-Natrium. Dagegen enthält die Combithyrex forte®-Tablette 100 μg Levothyroxin-Natrium und 25 μg Liothyronin-Natrium. Sonstige Bestandteile 45 wären: Zitronensäure, Dinatriumedetat, Magnesiumstearat, Talk, Guarkernmehl, Carboxymethylstärke, Mannit. [35] Wirkung: (siehe Kapitel 1.3.2 Wirkungen der Schilddrüsenhormone) Indikation: Dieses Präparat steht für folgende Pathologien zur Verfügung: Primäre und sekundäre Hypothyreosen, euthyreote Strumen, Rezidivprophylaxe und –therapie nach Kropfentfernung, Begleitmedikation zur thyreostatschen Therapie von Hyperthyreosen, Thyreoiditis, Zusatztherapie bei behandeltem Schilddrüsenkarzinom. Kontraindikation: (siehe Kontraindikation Euthyrox®) Wechselwirkung: (siehe Wechselwirkung Jodthyrox®) Nebenwirkung: (siehe Nebenwirkung Jodthyrox®) Pharmakodynamik: (siehe Kapitel 1.3 Pysiologie der Schilddrüse, 1.3.1 Regulation der Hormonsekretion, 1.3.2 Wirkungen der Schilddrüsenhormone, Pharmakodynamik Jodthyrox®) Pharmakokinetik: (siehe Pharmakokinetik Novothyral®) [35] Trijodthyronin „Sandoz“ ® 25 Gamma-Tabletten 1 Tablette enthält 25 μg Liothyronin (T3) als Natriumsalz. Sonstige Bestandteile wären: Zitronensäure wasserfrei, Dinatriumedetat, Magnesiumstearat (E 572), Talk, Guarkernmehl, Carboxymethylstärke, Natrium, Mannit. [29] Wirkung: (siehe Kapitel 1.3.2 Wirkungen der Schilddrüsenhormone) Indikationen: Verwendet wird dieses Präparat zur Überbrückung der hypothyreoten Phasen vor einer Radiojodtherapie bei Schilddrüsenkarzinom, zur Substitutionstherapie einer Hypothyreose bei nachgewiesener oder vermuteter T4 46 zu T3 Konversionsschwäche, -störung. Üblicherweise wird hierbei auch ein Levothyroxin-Natrium verabreicht. Allgemein ist eine ausschließliche Dauertherapie mit T3 ungeeignet. Kontraindikation: (siehe Kontraindikation Euthyrox®) Wechselwirkung: (siehe Wechselwirkung Jodthyrox®) Nebenwirkung: (siehe Nebenwirkung Jodthyrox®) Pharmakodynamik: (siehe Kapitel 1.3 Pysiologie der Schilddrüse, 1.3.1 Regulation der Hormonsekretion, 1.3.2 Wirkungen der Schilddrüsenhormone, Pharmakodynamik Jodthyrox®) Pharmakokinetik: (siehe Pharmakokinetik Novothyral®) [29] 47 3 Anmerkungen Verwendet man diese Schilddrüsentherapeutika, unter Berücksichtigung aller Parameter mit Bedacht, so verläuft die Therapie meist komplikations- und nebenwirkungsarm. Allerdings sei hier erwähnt, dass viele Patienten Schilddrüsenhormone missbräuchlich verwenden, um eine Gewichtsreduktion herbeizuführen. Da eine Hyperthyreose, also eine vermehrte Schilddrüsenhormonproduktion, zu Gewichtsabnahme führt, glauben viele Menschen mit euthyreoter Stoffwechsellage, dass sie durch die Einnahme von Thyroxin im physiologischen Bereich abnehmen. Dies ist aber nicht der Fall. Noch schlimmer ist es, wenn Patienten supraphysiologische Dosen von T4 zu sich nehmen. Diese Dosen können schwere und sogar lebensbedrohliche Nebenwirkungen, wie sie oben beschrieben wurden, nach sich ziehen. Für die Gewichtsreduktion sind andere Medikamente viel besser geeignet. Schilddrüsenhormone sollten wirklich nur im Rahmen einer Schilddrüsenüberfunktion eingenommen werden. Studien haben auch gezeigt, dass Sojaprodukte die intestinale Aufnahme von Levothyroxin vermindern. Daher müssen hypothyreote Veganer und Vegetarier, deren Ernährung hauptsächlich aus Sojaprodukten besteht, besondere Vorsicht walten lassen. Vor allem ist zu Beginn oder nach Beendigung einer sojahaltigen Ernährung eine Dosisanpassung notwendig. Es sollte daher stets nach den Ernährungsgewohnheiten der hypothyreoten Patienten gefragt werden. 48 4 Literaturverzeichnis [1] Friedrich Anderhuber, Franz Pera, Johannes Streicher. Waldeyer – Anatomie des Menschen. 19. Auflage. De Gruyter Verlag; 2012. pp. 856. [2] Herbert Lippert. Lehrbuch Anatomie. 8. Auflage. Elsevier Urban & Fischer Verlag; 2011. p. 622. [3] Theodor H. Schiebler, Horst – W. Korf. Anatomie. 10. Auflage. Steinkopff Verlag; 2007. p. 652. [4] Keith L. Moore, T. Vidhya N. Persaud. Embryologie. 5. Auflage. Elsevier Urban & Fischer Verlag; 2007. p. 239-241. [5] Renate Lüllmann-Rauch. Histologie. 4. Auflage. Georg Thieme Verlag; 2012. pp. 454. [6] Luiz Carlos U. Junqueira, Jose Carneiro, Manfred Gratzl. Histologie. 6. Auflage. Springer Verlag; 2004. p. 356. [7] M. Hartmann, M. A. Pabst, G. Dohr. Zytologie, Histologie und Mikroskopische Anatomie. 5. Auflage. Facultas Verlag; 2011. p. 75. [8] M. Hartmann, M.A. Pabst, G. Dohr. Zytologie, Histologie und Mikroskopische Anatomie. 5. Auflage. Facultas Verlag; 2011. CD 1. [9] Rainer Klinke, Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, Stefan Silbernagl. Physiologie. 6. Auflage. Thieme Verlag; 2009. p. 549-551. [10] Robert F. Schmidt, Florian Lang, Manfred Heckmann. Physiologie des Menschen. 31. Auflage. Springer Verlag; 2010. pp.447. [11] E. Mutschler, H. – G. Schaible, P. Vaupel. Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen. 6. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2007. p. 555. [12]Stefan Silbernagl, Agamemnon Despopoulos. Taschenatlas Physiologie. 8. Auflage. Thieme Verlag; 2012. p. 300. [13] Florian Horn. Biochemie des Menschen. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag; 2012. pp.393. [14] W. Böcker, H. Denk, Ph. U. Heitz, G. Höfler, H. Kreipe, H. Moch. Pathologie. 5. Auflage. Elsevier Urban & Fischer Verlag; 2012. p. 305,306, 308-313. [15] Krohn K, Führer D, Bayer Y et al. Molecular pathogenesis of euthyroid and toxic multinodular goiter. Endocr Rev 2004 Dec 22; [Epub ahead of print] [16] Pisarev MA, Gärtner R. Autoregulatory actions of iodine. In: Braverman LE, Utiger RD (eds.). Werner & Inbar’s: The Thyroid. A fundamental and clinical textbook. 8th ed. Lippincott Williams & Wilkins 200; pp. 85. [17] Gärtner R, Dugrillon A. Vom Jodmangel zur Struma. Pathophysiologie der Jodmangelstruma. Internist 1998; 39: 566. [18] Walter Siegenthaler, Hubert E. Blum. Klinische Pathophysiologie. 9. Auflage. Georg Thieme Verlag; 2006. p. 279, 283-284, 286-287. [19] Longo, Fauci, Kasper, Hauser, Jameson, Loscalzo. Herausgegeben von: M. Dietel, N. Suttorp, M. Zeitz. Harrisons Innere Medizin Band 3. 18. Auflage. Mc Graw – Hill ABW. Wissenschaftsverlag; 2012. pp. 3167. [20] Eckhard Beubler. Kompendium der Pharmakologie. 3. Auflage. Springer Verlag; 2011. p. 3-13. [21] Ernst Mutschler, Gerd Geisslinger, Heyo K. Kroemer, Sabine Menzel, Peter Ruth. Mutschler Arzneimittelwirkungen. 10. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2012. p. 361-366. 49 [22] Björn Lemmer, Kay Brune. Pharmakotherapie. 14. Auflage. Springer Verlag; 2010. p. 362-370. [23] Karl Heinz Graefe, Werner Lutz, Heinz Böhnisch. Pharmakologie und Toxikologie. 1. Auflage. Thieme Verlag; 2011. p. 362-369. [24] Austria Codex. Fachinformation 2012/13. Band 4 (I-Mia). 67. Auflage. ISBN 978-3-85200217 0. Österreichische Apotheker-Verlagsgesellschaft M.B.H. Wien; 2012. p. 6949, 6950, 7143-7147, 8339-8343. [25] Kahaly GJ. Extrathyreoidale Manifestationen bei Autoimmunthyreoiditis – endocrine Orbitopathy, prätibiales Myxoedem. Akropachie. In: Gärtner R (Hrsg.) Schilddrüsenerkrankungen: Grundlagen, Diagnostik, Therapie. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbh 2004; pp. 193. [26] Duale Reihe. Innere Medizin. 3. Auflage. Thieme Verlag; 2012. p. 746, 755-761. [27] Aktories, Förstermann, Hofmann, Starke. Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 10. Auflage. Elsevier Urban & Fischer Verlag; 2009. p. 721-728. [28] Heinz Lüllmann, Klaus Mohr, Lutz Hein. Pharmakologie und Toxikologie. 17. Auflage. Georg Thieme Verlag; 2010. p. 408-411. [29] Austria Codex. Fachinformation 2012/13. Band 7 (T-Z). 67. Auflage. ISBN 978-3-85200217 0. Österreichische Apotheker-Verlagsgesellschaft M.B.H. Wien; 2012. p. 13669-13672,13707-13710, 14071-14073. [30] Austria Codex. Fachinformation 2012/13. Band 5 (Mic-P). 67. Auflage. ISBN 978-3-85200217 0. Österreichische Apotheker-Verlagsgesellschaft M.B.H. Wien; 2012. p. 9744-9747, 11272, 11273. [31] Jansson OE. Molekularbiologische Grundlagen von Schilddrüsenerkrankungen. In: Gärtner R (Hrsg.). Schilddrüsenerkrankungen: Grundlagen, Diagnostik, Therapie. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH 2004; pp. 104. [32] Kopp P, Kitajima K, Jameson LJ. Syndrome of resistance to thyroid hormone insight into thyroid hormone action. Proc Soc Exp Biol Med 1996; 211: 49. [33] M. Classen, V. Diehl, K. Kochsiek. Innere Medizin. 6. Auflage. Elsevier Urban & Fischer Verlag; 2009. p. 1102-1106, 1115. [34] Austria Codex. Fachinformation 2012/13. Band 3 (E-H). 67. Auflage. ISBN 978-3-85200217 0. Österreichische Apotheker-Verlagsgesellschaft M.B.H. Wien; 2012. p. 5053-5057. [35] Austria Codex. Fachinformation 2012/13. Band 2 (C-D). 67. Auflage. ISBN 978-3-85200217 0. Österreichische Apotheker-Verlagsgesellschaft M.B.H. Wien; 2012. p. 3244. 50