Thermische Nutzung flacher Grundwasserleiter (J. Poppei)

Werbung
Thermische Nutzung flacher
Grundwasserleiter – wo bleibt die Wärme?
Dr. Joachim Poppei
AF-Colenco AG, Baden
Inhalt:
 die Ressource: hydroegologische Grundlagen und aktuelle
Nutzung
 Heizen, Kühlen, Speichern – Beispiel aus den letzten 15 Jahren
aus D und CH
 die Prognose: Prozesse und Modelle
 die Bewirtschaftung begrenzter Ressourcen
Thermische Nutzung flacher Grundwasserleiter
niederthermal (< 100°C)
oberflächennah / untief
geschlossene Systeme
(ohne Grundwasserförderung)
- Erdwärmesonden
- Energiepfähle
- Erdwärmeregister
hochthermal (>100°C)
tiefe Aquifere (hydrothermale
Geothermie)
offene Systeme
(mit Grundwasserförderung)
- Grundwasserwärmepumpen
- Direktkühlung
- saisonale Wärmespeicher
Thermische Nutzung flacher Grundwasserleiter (2)
energetisch und ökonomisch attraktiv weil:
EWS: ~ 50 W/m
GWWP dafür ¼ l/min
(ΔT=3K)
EFH mit Wärmepumpe:
Kälteleistung 10 kW
EWS: etwa 200 m
Brunnen: ca. 100 l/min
Quelle: BWP
aber:
 Reichweite oft >> Grundstücksfläche und
 Grundwasserschutz als Trinkwasser!
Quelle: BWP
Anteil installierter Heizleistung
(Wärmepumpensysteme)
Anteil Heizenergie
Anteil erneuerbar
Schweiz 2009
Quelle: EnergieSchweiz, Geowatt
2010
170
160
4'500 Anlagen
installierte
Wärmeproduktion
Leistung
200
150
Anteil erneuerbar
150
140
130
100
120
71%
110
~ 3'000
Anlagen
100
2000
2001
2002
2003
2004
Quelle: EnergieSchweiz, Geowatt 2010
2005
2006
2007
2008
50
0
2009
Wärmemenge (GWh)
Installierte Leistung (MW)
250
installierte Leistung
Grundwassernutzung:
Skizze Nielson!
nach
Nielson
2003
Spezifika und Prozesse
Hebung
thermische Änderung
Reinjektion /
Versickerung
•
Bilanz erhalten (bei Reinjektion)
• Spiegelabsenkung und –anhebung (schnell stationär)
• langsame (instationäre) thermische Änderung durch:
 advektiven Transport (verlangsamt gegenüber idealen Tracer)
 Wärmeaustausch Fluid und Fluid/Matrix
 Wärmeleitung im Aquifer und in den Zwischen- und
Deckschichten
 Dispersion
Beispiel 1: geringe Strömungsgeschwindigkeit (Nord D)
Darcy-Geschwindigkeit
…cm/a
Aquiferspeicher
Reichstag Berlin
100 m
25 m
Vertikalschnitt (überhöht)
© GTN Neubrandenburg GmbH
Beispiel 2: hohe Strömungsgeschwindigkeit (CH)
Simulation der
Temperaturverteilung
DarcyGeschwindigkeit
Injektion:
400'000 qm/a
Modellzeit:
10 a
Rückgabetemperatur: 22°C
> 300m/a
EM 10 2
x
x Brun nen
Erwä rmu ng um
0.5 - 1° C
1
- 2° C
2
- 3° C
3
- 4° C
4
- 5°C
5
- 7°C
7
- 9°C
9
- 10 °C
En tn ah mebrunn en
x
x
Rückga beb ru nne n
x
EM 20 9
Nutzung zu Kühlzwecken,
Reusstal, Schweiz
100
0
100
200 Meter
Besonderheiten der Grundwassernutzung
Fragen bei der Planung:
•
Verfügbarkeit von Grundwasser?
•
erforderlicher Abstand der Versickerung von der Förderung;
verfügbare Grundfläche ausreichend?
•
bei Speicherung: wie gross ist der Wirkungsgrad / Rückgewinnung?
•
Aufwand minimierbar?
Fragen des Genehmigungsrechts:
•
Reichweite der hydraulischen und thermischen Beeinflussung
•
Beeinträchtigung von Wasserfassungen
aber: Energiebedarf und Hydrogeologie immer standortspezifisch!
saisonaler Aquiferspeicher
Voraussetzungen:
• geringe regionale Grundströmung
• gering durchlässige Deckschicht (meist gespannter
Grundwasserleiter)
• homogene Struktur
• physikalisch-chemische Verträglichkeit
• keine Qualitätsbeeinträchtigung von
Grundwasserfassungen
• hinreichende Durchlässigkeit (> 10-4 m/s) und Mächtigkeit
(10…30 m)
saisonaler Aquiferspeicher
Spreebogen Berlin
Bundesbauten im Spreebogen Berlin
Installation Wärmespeicher
Bundesbauten im Spreebogen Berlin
Temperaturverteilung
November 2002
Temperaturverteilung
Februar 2003
300 m
300 m
600 m
600 m
70
70
65
65
Temperatur in °C
Beginn Rückfördern 27.11.2002
60
60
55
55
50
50
45
45
40
40
35
35
30
30
Rückfördertemperatur gemessen
Rückfördertemperatur Modell
25
25
20
20
1200
1220
1240
1260
1280
Tage seit Betriebsbeginn
1300
1320
Numerisches Modell:
Validierung
Wasserrechtliches
Genehmigungsverfahren:
Kältespeicher
108 Wohnungen
1„000 m2 Kollektorfläche
(solar roof)
WIRO – Wohnen in Rostock Wohnungsgesellschaft mbH
saisonaler Aquiferspeicher
„Helios Rostock“
Speicher: 15 … 25 u. G.
Überdeckung Mergellehm
2 Bohrungen im Abstand 55m
Max. Förderung und Injektion
15 m3/h
Solare Wärmeerzeugung
Jan
Wärmebedarf
Jan
Dez
Dez
Speicher
38 %
30 %
32 %
solare Wärme - direkt
solare Wärme - Speicher
konventionelle Zusatzheizung
Talaquifere in der Schweiz
BWG 2005
Hydrogeologogische Besonderheiten
 Hohe hydraulische Durchlässigkeit (Schotter)
 Hohe hydraulische Gradienten
 Räumliche Begrenzung durch Talränder
und geringpermeable Sohlen
 Meist ungespannt
 Wechselwirkungen mit Flüssen
Grundwassernutzung: Potential
Absenkung/Aufhöhung in einer Dublette:
Max. Volumenstrom bei 10% Absenkung:
Max. Leistung bei 3K Temperaturänderung und 10% Absenkung:
h 
 D  rw
V
ln
2  k f  H  rw



2  k f  H

V
max  0.1
 D  rw 

ln
r
 w 
Pmax    c  T  Vmax
2
2  k f  H2
   c  3K  0.1
 D  rw 

ln
r
 w 
Grundwassernutzung:
Potential Rheintal
St.Gallen
 Kleinanlage: 10 kW
 Kleine bis mittlere
Anlage: 30 kW
 Mittlere Anlage: 100 kW
Kartierung aus kWert und H:
 Größere Anlage: 300 kW
AF Colenco für Amt für Umwelt und Energie Kanton St .Gallen, 2011
Grundwassernutzung: Energiebilanz
Wärmestrom durch ungesättigte
Zone
auf 1km2:
1.5 MW
Infiltration / Versickerung:
200 kW

3K Entnahmeterrestrischer
Wärmestrom
Grundwasserfluss
auf 1„000 x 20 m2: 500 kW
60 kW +
…
Suhretal, Kanton AG
auf 4 km2:
• 1 x Trinkwasser:
4„000 l/min
• 1 x Brauchwasser:
300 l/min
• 27 x thermische
Nutzung
Quelle: Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abt.
für Umwelt Kanton Aargau, 2011
Entwicklung der thermischen Beeinflussung
ist abhängig von:
 Temperaturänderung und Volumenstrom
 hydrogeologischen Parameter des Aquifers
 thermophysikalischen Parameter (Aquifer und
Deckschichten)
 Abstand Entnahme und Rückgabe
 Ausbau der Brunnen
 natürlichen Fliessfeld
 konkurrierenden Nutzern
 komplex und standortabhängig
Planungshilfe Energienutzung Kanton Zürich
(AWEL 2010)
Modellierte «Kältefahnen» im Limmatgrundwasserstrom
Kanton Luzern: Reusstal Aquifer
Strömungsmodell (Kantonales Amt
für Umwelt und Energie, LU)
Anwendungsbeispiel (1):
Fachmarkt Emmen, 2004:
350
Kühlbedarf [MWh/Monat]

16
Kühlbedarf
Temperatur
Wärmefahne bei durchgehender Nutzung
14
300
13
250
12
11
200
10
150
9
100
8
1
2
3
4
5
6
7
Zeit [Monate]
900 kW
Kühlung
15
8
9
10
11
12
Grundwassertemperatur (MM) [°C]
400
Q = 400‟000 m3/a
T (in) = 27 °C (ca. 900 kW)
+3 K Isolinie nach 10 Jahren:
ca. 550 m unterstrom
Q = 200‟000 m3/a
T (in) = 27 °C (ca. 450 kW)
+3 K Isolinie nach 10 Jahren:
ca. 300 m unterstrom
Anwendungsbeispiel (2)
Reusstal: Heizen und Kühlen (2008)

ΔT=3K (permanent)

Heizen: 2%
Durchsatz: 1.9 Mio. m3/a
750 kW
Kühlung
Anwendungsbeispiel (2)
1K- (blau) und 3K-(rot)
Änderung im 9. und 10.
Betriebsjahr
Anwendungsbeispiel (3)
Reusstal: Heizen und Kühlen (2008/10)

Heizen November bis
April: ΔT=4K

Kühlen Mai-Oktober:
ΔT=4K
400 kW
Heizung /
200 kW
Kühlung
“Saisonal stationäre” Verhältnisse nach
ca. 10 a
Ende der
Heizperiode:
- 3 K ca. 150 m
“Saisonal stationäre” Verhältnisse nach
ca. 10 a
Ende der
Kühlperiode:
+ 2 K ca. 100 m
Anwendungsbeispiel (4)
Wiggertal (LU) –Tiefkühl Center
(2002/3)
ursprüngliche Planung: 5„000 l//min
ΔT=7K
2.4 MW
Kühlung
Anwendungsbeispiel (4)
Reduktion Abwärme um 60%
Anwendungsbeispiel (5)
Wiggertal (LU/AG) – (2009)
Oktober
April
423 kW
Heizung /
628 kW
Kühlung
max. ΔT=3K
Solche Modelle sind nicht
immer dem Projekt
angemessen;  kurzer
Ausflug in die Physik und
Modellierung:
39
Ausbreitung der thermischen Front
„Injection of fluids“ Horne, 1988
Druck (wie Schall)
 Tracer (Advektion; ggf. retardiert durch Sorption…)
 Wärme (retardiert durch Wärmeaustausch
Fluid/Fluid und Fluid/Matrix)
Filtergeschwindigkeit / Darcygeschwindigkeit:
Abstandsgeschwindigkeit:
Thermische Front (im Aquifer):
Porosität
c f
c a


v  kh
 1
u v
n

c 
v th  f v
c a
c a  n  c f  1  nc r
vth/u
0.1
1.8
0.24
0.2
2.0
0.41
0.3
2.3
0.55
Wärmetransport =
Faktor 2…4 langsamer als
idealer Tracer!
40
Wärmeaustausch - Übersicht
Energiebilanz
T
 

  a  T    f c f  v  T    a c a
t


T


   R   T   R c R
t


Press & Siever,
1997
im Aquifer
im Liegenden und
Hangenden
Modellieren = Vereinfachen:
z
Lauwerier:
T z ---> 2 T
z
E
M
+ __
2
RHäfner/Voigt
cR
 zR--> z 2
t
Ez
Caprock
0
Aquifer
M
-- __
2
x
aca
optional in Richtung:
T
 T
 f cf vgradT  R
t
M z
z  z0
  a T
Bedrock
 a c a  (1   ) M c M   f c f
-z
41
2D analytische Lösungen mit Grundströmung
(R. Schulz, J Geophys,1987)
geschlossene Lösung
nur für eine Dublette!
42
1.
2.
3.
4.
Koordinatentransformation
Modellgebiet
Randbedingungen
Diskretisierung (z. B. 2„500 Elemente, min. 0.1 m in
Brunnennähe, log. bis zum Rand)
5. Nach Berechnung: Rücktransformation der
Koordinaten und Isoliniendarstellung
b min
a min
 v
  t
c f 3V
1
s
 max   nat  t s ;2

2 n
c a 4  H

 2V

  t


s
 max 
;R 
 H








43
Groundwater Energy Designer
(mit Unterstützung des BfE)
www.af-colenco.com
ein kleines Beispiel zur Diskussion:
Bedarfscharakteristik:
Ein- oder Zweifamilienhaus
Wärmeenergiebedarf: 23.5 MWh/a (~ 1,860 l
leichtes Heizöl pro Jahr)
Heizleistung: 13 kW
JAZ der Wärmepumpe: 3.5
Auskühlung: 5 K
Hydrogeologische Verhältnisse:
Aquifer gespannt,
Mächtigkeit: 3m;
Porosität: 30%;
Gradient der Grundwasseroberfläche: 0.1m/100m (0.1%)
hydraulische Leitfähigkeit:
Test 1:
1·10-2 m/s
Test 2:
1·10-4 m/s
 Darcy Geschwindigkeit: ~ 300 m/a
 Darcy Geschwindigkeit : ~ 3 m/a
300 m/a
3 m/a
nach 10 Jahren
nach 30 Jahren
46
Einfluss des Wärmeaustauschs (bei 300 m/a)
5.0
Abstand Reinjektion 5 m
4.5
Temperaturdifferenz [K]
4.0
3.5
ohne Wärmeaustausch
3.0
2.5
mit Wärmeaustausch
2.0
1.5
1.0
0.5
Abstand13 m
0.0
0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
1000
Abstand von Förderbrunnen [m]
47
Einfluss des Wärmeaustauschs (bei 3 m/a)
Entfernung
200 m
25 m
Schlussfolgerungen
• energetische Nutzung von Grundwasser ist attraktiv
(ökonomisch und ökologisch) und spannend (planerisch)
• jede Anlage ist speziell
• Planung von Anlagen und Management der Ressourcen braucht
branchenübergreifendes know-how
• zunehmende Nutzung erfordert raumplanerische (evtl. auch
juristische) Überlegungen und Massnahmen
• Werkzeuge stehen zur Verfügung; müssen ggf. „projekt- und
budgetspezifisch“ optimiert werden
• energetische und ökologische Randbedingungen werden uns
zunehmend zwingen, praktikable Lösungen anzubieten
wo bleibt die
Wärme?
Ich danke für Ihre
Aufmerksamkeit!
Herunterladen