ANATOMIE Abteilung Zellbiologie im Zentrum Anatomie Direktor: Prof. Dr. Ernst Ungewickell Forschungsprofil Vesikuläre Transportvorgänge innerhalb der eukaryotischen Zelle und deren molekulare Mechanismen stehen im Mittelpunkt des Forschungsinteresses der Abteilung. Ausgelöst wird die Bildung eines Transportvesikels durch lokale Veränderungen der Lipidzusammensetzung zellulärer Membranen und Anlagerung spezifischer Adaptor- und Hüllproteine. Diese rekrutieren auch die Fracht (z.B. Rezeptoren) und weitere Moleküle, die für die Erkennung und Verschmelzung mit dem Zielkompartiment benötigt werden. Am Abschnürungsprozess eines Transportvesikels sind Hüllproteine sowie enzymatisch wirkende Faktoren beteiligt. Im nächsten Schritt kommt es zur Dissoziation der Proteinhülle, um die Verschmelzung des Vesikels mit dem Zielkompartiment zu ermöglichen. Um die Funktion der an den Transportprozessen beteiligten Proteine auf molekularer Ebene zu charakterisieren, setzen wir neben Überexpression auch systematisch RNA-Interferenz ein. Die transfizierten Zellen werden sowohl lebend als auch fixiert mit Hilfe der Fluoreszenzmikroskopie und der Elektronenmikroskopie untersucht. Biochemische Untersuchungen von aufgereinigten Hüllproteinen dienen der Charakterisierung ihrer molekularen Eigenschaften sowie der Identifizierung ihrer Interaktionspartner. Forschungsprojekte Zellbiologie der Antigenprozessierung Bei der Auslösung einer adaptiven Immunantwort werden T-Zellen antigenspezifisch aktiviert. Diese selektive T-Zellaktivierung wird durch die Präsentation von Antigenfragmenten im Kontext von MHC Molekülen bewirkt. Unsere Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit zellulären Vorgängen, die zur Beladung dieser Moleküle mit Antigenfragmenten und deren Erkennung durch T-Zellen führen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem intrazellulären Transport von MHC II und Cofaktoren zu lysosomalen Kompartimenten, in denen die Beladung von MHC II stattfindet. Hier konnten wir bereits die genaue Transportroute aufklären, über die MHC II Moleküle im Komplex mit dem Cofaktor invariante Kette zu lysosomalen Kompartimenten gelangen. Es ist zwar noch nicht bekannt, durch welche Mechanismen MHC II zu diesen Kompartimenten sortiert wird, aber ein Hinweis auf einen möglichen Mechanismus ergab sich aus der Beobachtung, dass MHC II Moleküle auf der Zelloberfläche mit Membranmikrodomänen assoziieren. Diese Assoziation begünstigt dort die Ausbildung einer immunolo- MHH Forschungsbericht 2004 17 ANATOMIE gischen Synapse zwischen antigenpräsentierender Zelle und T-Zelle and die nachfolgende Aktivierung der T-Zelle. Mikrodomänen erfüllen jedoch nicht nur wichtige Funktionen in der Plasmamembran, sondern spielen als Lipid-basierte Membranmikrodomänen oder „lipid rafts“ auch eine Rolle bei der intrazellulären Sortierung von Proteinen. Um zu klären, ob „lipid rafts“ auch am intrazellulären Transport von MHC II beteiligt sind, haben wir untersucht, wann MHC II Moleküle mit „lipid rafts“ assoziieren. Der Schwerpunkt der Arbeiten lag dabei auf B-Zellen, wir haben allerdings mittlerweile auch Daten bei anderen antigenpräsentierenden Zellen wie Makrophagen, dendritischen Zellen und Dünndarmepi- Abb. 1: Trennung lipid-basierter Membranmikrodomänen von Tetraspaninnetzwerken und Brij 98-löslichen Membranproteinen. Ein Teil der MHC II Moleküle und nahezu die gesamte mature Glykosylierungsform von invarianter Kette (Ii) flotieren nach Lyse mit 1 % Brij 98 zusammen mit den „lipid raft“-Markern alkalische Phosphatase und GM1 in den 0-40% Saccharosegradienten, während Tetraspanine und nicht-“raft“ Proteine in den Bodenfraktionen bleiben. Abb. 2: Gebundene Peptide beeinflussen die „raft“-Assoziation von MHC II Molekülen. Ein Komplex aus einem immundominanten Peptid aus dem Modellantigen Hühnerlysozym (HEL) und dem Maus MHC II Molekül Ak zeigt eine signifikant höhere „raft“-Assoziation im Vergleich zu anderen Ak-Molekülen auf der Zelloberfläche, die mit einer heterogenen Mischung nicht-definierter Peptide beladen sind. Abb. 3: Modell der zwei Phasen der „lipid raft“-Assoziation von neusynthetisiertem MHC II auf seinem Weg zur Zelloberfläche. thelzellen gewinnen können. Zur quantitativen Erfassung der „raft“-Assoziation entwickelten wir eine hochselektive Trennungsmethode, die auf der Resistenz verschiedener Lipid-basierter Membranmikrodomänen gegenüber dem Detergenz Brij 98 beruht und die in der Lage ist, „lipid rafts“ von Protein-basierten Mikrodomänen, wie z.B. Tetraspanin-Netzwerken zu trennen (Abb. 1). Es gelang uns zu zeigen, dass MHC II Moleküle im Verlauf ihrer Biosynthese 18 MHH Forschungsbericht 2004 ANATOMIE eine zweiphasige Assoziation mit „lipid rafts“ durchlaufen (Abb. 3). Unmittelbar nach ihrer Biosynthese binden MHC II Moleküle den Cofaktor invariante Kette, und dieser Komplex assoziiert im Golgiapparat mit „lipid rafts“. Während der für die intrazelluläre Sortierung kritischen Passage durch das trans-Golgi-Netzwerk und die frühen Endosomen befinden sich MHC II-invariante Kette Komplexe quantitativ in „lipid rafts“. Die hohe „raft“-Assoziation in der ersten Phase bleibt erhalten bis zur Beladung der MHC II Moleküle. Wird die Ausbildung von „lipid rafts“ durch Absenkung des zellulären Cholesterinspiegels behindert, verlangsamt sich der Transport von MHC II-invariante Kette Komplexen, und die Peptidbeladung von MHC II läuft nur mehr verzögert ab. Dieses Ergebnis lieferte den ersten Hinweis auf eine mögliche Beteiligung von „lipid rafts“ an der intrazellulären Sortierung von MHC II. In der sich anschließenden zweiten Phase wird die „raft“-Assoziation der jetzt peptidbeladenen MHC II Moleküle durch die Art des gebundenen Peptids bestimmt. Wir konnten zeigen, dass MHC II Moleküle, die mit einem immundominanten, natürlich prozessierten Peptid aus dem Modellantigen Lysozym (HEL) beladen wurden, eine wesentlich höhere „raft“-Assoziation aufweisen als der Durchschnitt aller MHC II Moleküle (Abb. 2). Die molekulare Ursache für Immundominanz könnte somit in der bevorzugten „raft“-Assoziation der entsprechenden MHC II-Peptidkomplexe liegen. Wir haben begonnen, diese Hypothese unter anderem mit einer Reihe von T-Zellhybridomen, die für Peptide unterschiedlicher Immundominanz spezifisch sind, zu überprüfen. Beteiligte Wissenschaftler: C. Karacsonyi (PhD-Programm Molekulare Medizin), R. Knorr, S. Reese, A. Fülbier, R. Lindner, Drittmittelgeber: DFG Weitere Forschungssprojekte Endozytose und Signalübertragung des Nervenwachstumsfaktors (NGF) Projektverantwortlicher: R. Bauerfeind Regulation der Endozytose durch Proteinphosphorylierung Projektverantwortlicher: R. Bauerfeind, Drittmittelgeber: Konrad-Adenauer-Stiftung Immunelektronenmikroskopie der olfactorischen Hüllzellen aus dem Bulbus olfactorius Projektverantwortliche: G. Brandes in Kooperation mit K. Wewetzer (Neuroantomie der MHH, Pathologie der TiHo) Gefäßwanddefekte bei PKCdelta/epsilon-doppeldefizienten Mausembryonen Projektverantwortliche: G. Brandes in Kooperation mit F. Sacher, M. Leitges (Max-PlanckInstitut für experimentelle Endokrinologie, Arbeitsbereich Signaltransduktion) MHH Forschungsbericht 2004 19 ANATOMIE Ultrastruktur der Pseudomonas aeruginosa Mutanten mit Phagozytosedefekten Projektverantwortliche: G. Brandes in Kooperation mit P. Salunkhe, B. Tümmler (Pädiatrische Pneumologie und Neonatologie der MHH, Klinische Forschergruppe: Molekulare Pathologie der Mukoviszidose); Drittmittelgeber: DFG, EU Funktionelle Untersuchung der zytotoxischen T-Lymphozyten isoliert aus einer Familie mit erblich bedingter Neutropenie und Pigmentierungsstörung Projektverantwortliche: G. Brandes in Kooperation mit G. Bohn (PhD-Programm Molekulare Medizin), C. Klein (Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Klinische Forschergruppe: Stammzelltransplantation und Immunmodulation - Molekulare Therapieansätze in der Pädiatrie); Drittmittelgeber: BMBF Charakterisierung einer neuen Clathrin-bindenden Kinase durch molekularbiologische Methoden, Kinase-Assays, Bindungsexperimente und Immunfluoreszenzen Projektverantwortliche: M. Düwel, E. Ungewickell; Drittmittelgeber: DFG Clathrin-abhängiger Transport von IgG im Dünndarmepithel von Rattensäuglingen Projektverantwortliche: S. Groos, R. Lindner (Um-)Organisation der Zellverbindungen im Darmepithel während der Apoptose Projektverantwortliche: S. Groos, L. Luciano Subzelluläre Verteilung der Inositolpolyphosphat 5-phosphatase Ocrl Projektverantwortliche: S. Groos in Kooperation mit A. Ungewickell (Division of Hematology, Washington University School of Medicine, St. Louis, MO 63110); E. Ungewickell Drittmittelgeber: American Heart Foundation Funktionelle Untersuchung der Clathrin-vermittelten Transportvorgänge Projektverantwortliche: L. Hinrichsen, E. Ungewickell; Drittmittelgeber: DFG Charakterisierung von frühen Veränderungen bei der diabetischen Nephropathie in einem neuen Typ 1 Diabetes-Tiermodell, der LEW.1AR1/Ztm-iddm Ratte Projektverantwortliche: B. Kubat in Kooperation mit A. Jörns, S. Lenzen (Abt. Klinische Biochemie), H-J. Hedrich (Abt. Versuchstierkunde) Heterogenität von Membranmikrodomänen Projektverantwortlicher: R. Lindner Die Rolle von Peptiden bei der Assoziation von MHC II Molekülen mit Membranmikrodomänen Projektverantwortlicher: R. Lindner 20 MHH Forschungsbericht 2004 ANATOMIE Antigenprozessierung und MHC II Transport in Dünndarmepithelzellen Projektverantwortlicher: R. Lindner; Drittmittelgeber: DFG Das Zytoskelett der Bürstenzellen und die assoziierten Motorproteine Projektverantwortliche: L. Luciano Charakterisierung des Clathrin Assembly Lymphoid Myeloid Leukemia (CALM) Proteins in Clathrin-vermittelten Transportprozessen Projektverantwortliche: A. Meyerholz (PhD-Programm Molekulare Medizin), E. Ungewickell; Drittmittelgeber: HiLF I Verteilung des Endozytoseproteins CALM und des Transkriptionsfaktors AF10 in der Lymphomzelllinie U 937 Projektverantwortliche: A. Meyerholz (PhD-Programm Molekulare Medizin), S. Groos Aggregationsformen des „short-chain“-Kollagens in basalen laminaren Ablagerungen des menschlichen Auges. Beobachtungen an chirurgisch gewonnenem subfoveolarem Gewebe. Projektverantwortlicher: E. Reale in Kooperation mit C. Eckardt und U. Eckardt, Augenklinik der Städtischen Kliniken Frankfurt a.M./Höchst Einfluß von Adaptoren und akzessorischen Proteinen auf die Dynamik Clathrinabhängiger Transportvorgänge Projektverantwortlicher: E. Ungewickell; Drittmittelgeber: DFG Originalpublikationen Bachmann O, Riederer B, Rossmann H, Groos S, Schultheis PJ, Shull GE, Gregor M, Manns MP, Seidler U. The Na+/H+ exchanger isoform 2 is the predominant NHE isoform in murine colonic crypts and its lack causes NHE3 upregulation. Am J Physiol Gastrointest Liver Physiol. 2004; 287: G125-33. Eckardt C, Eckardt U, Groos S, Luciano L, Reale E. Macular translocation in a patient MHH Forschungsbericht 2004 with adult-onset foveomacular vitelliform dystrophy with light- and electron-microscopic observations on the surgically removed subfoveal tissue. Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol. 2004; 242:456-67. Groos S, Busche R, von Engelhardt W, Reale E, Luciano L. Excessive apoptosis of guinea pig colonocytes may lead to an imbalance between phagocytosis and degradation in vivo. Cell Tissue Res. 2004; 316:77-86. 21 ANATOMIE Jörns A, Kubat B, Tiedge M, Wedekind D, Hedrich HJ, Klöppel G, Lenzen S. Pathology of the pancreas and other organs in the diabetic LEW.1AR1/Ztm-iddm rat, a new model of spontaneous insulin-dependent diabetes mellitus. Virchows Arch 2004; 444:183-9. Karacsonyi C, Knorr R, Fülbier A, Lindner R. Association of major histocompatibility complex II with cholesterol- and sphingolipid-rich membranes precedes peptide loading. J Biol Chem 2004; 279:34818-26. Trabandt N, Brandes G, Wintermantel E, Lenarz T, Stieve M. Limitations of titanium dioxide and aluminum oxide as ossicular replacement materials: an evaluation of the effects of porosity on ceramic prostheses. Otol Neurotol 2004; 25:682-93. Ungewickell A, Ward ME, Ungewickell E, Majerus PW. The inositol polyphosphate 5phosphatase Ocrl associates with endosomes that are partially coated with clathrin. Proc Natl Acad Sci U S A 2004; 101:13501-6. Wewetzer K, Kern N, Ebel C, Radtke C, Brandes G. Phagocytosis of O4+ axonal fragments in vitro by p75- neonatal rat olfactory ensheathing cells. Glia 2004; Epub Dec 8. 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