MANAGEMENT Wie drei Praktiker die Ferkelverluste senken Viele Sauenhalter kämpfen mit hohen Ferkelverlusten. top agrar stellt drei Betriebe vor, die die Verluste deutlich unter die 10 %-Marke gedrückt haben. D ie Gewinnmargen in der Ferkelproduktion werden immer enger. Hohe Saugferkelverluste kann sich heute keiner mehr leisten. Doch im Schnitt der Betriebe liegt die Verlustquote noch immer bei 14 bis 16 %. Das heißt: Fast jedes fünfte lebend geborene Ferkel erreicht das Absetzalter nicht! Heinrich Habermann, Neustadt Verluste unter 6 % gedrückt Unser Erfolgsrezept ist die intensive Betreuung der Sauen und Ferkel in den ersten beiden Tagen nach der Geburt“, betont Heinrich Habermann. Der 60-Jährige bewirtschaftet im niedersächsischen Hagen bei Neustadt gemeinsam mit seinem Sohn Lars (26) und seiner Frau Gisela einen 250er-Sauenbetrieb und 65 ha Acker. Durch die intensive Geburtskontrolle ist es dem Betrieb gelungen, die Saugferkelverluste immer weiter zu senken. Seit einigen Jahren liegt die Verlustquote im Schnitt sogar unter 6 %. Bei einer Säugedauer von 21 Tagen und einem 14-tägigen Produktionsrhythmus hat Habermann im vergangenen Jahr so stolze 24,6 Ferkel je Sau abgesetzt. Um die Ferkelverluste so gering zu halten, beobachtet Habermann die Sauen bei der ersten Fütterung nach der Geburt sehr genau. Bei Sauen, die nicht allein aufstehen, wird grundsätzlich die Temperatur gemessen und bei Bedarf eine Behandlung vorgenommen. Dies wird auf der Sauenkarte notiert. Auch die Gesäuge werden jetzt kontrolliert, um die Ferkel gezielt versetzen zu können. Kleinere Ferkel aus großen Würfen werden an Jungsauen mit kleineren Würfen ver- S 18 top agrar 12/2004 setzt, große Ferkel an Altsauen mit gutem Gesäuge. Nach dem Füttern wird über zusätzliche reichliche Wassergaben in den Trog sichergestellt, dass die Sauen genügend trinken. „Denn nach der Geburt sind die Sauen oft noch geschwächt und nehmen Doch es gibt auch Betriebe, die die Ferkelverluste unter die 10 %-Marke gedrückt haben. Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist dabei die Haltungstechnik im Abferkelstall. Die Abferkelbucht muss groß genug sein. Zudem sollte die Ferkelheizung gewährleisten, dass die Neugeborenen nicht frieren müssen. Denn nur warme Ferkel sind fitte Ferkel! Ebenso wichtig sind die Tiergesundheit, die Hygiene und eine intensive Betreuung der neugeborenen Ferkel. Denn gerade in den ersten Stunden nach der Geburt sind zu wenig Wasser auf. Durch das zusätzlich bereit gestellte Wasser saufen die Tiere mehr, wodurch weniger MMAProbleme auftreten“, hat der Ferkelerzeuger beobachtet. Wenn irgend möglich ist auch beim Hinlegen der Sauen jemand dabei, weil dann das Erdrückungsrisiko am größten ist. „Dies ist besonders an den heißen Sommertagen wichtig, wenn die Sauen sich weniger rücksichtsvoll hinlegen und zur Abkühlung öfter umdrehen. Dadurch haben wir schon viele Ferkel gerettet“, ist Habermanns Erfahrung. Rutschfeste Gummimatte für Problemsauen Treten Durchfälle auf, gibt Habermann Zitronensäure in die Wasserschalen. Oft treten Erdrückungsverluste auch dann auf, wenn die Sauen nicht gut stehen können bzw. in den Abferkelbuchten ausrutschen. Speziell für diese Problemsauen haben Habermanns in jedem 10er-Abferkelabteil zwei Buchten mit einer genoppten etwa 2 cm dicken Gummimatte bestückt. Die rund 0,65 x 1,20 m große Matte füllt die Fläche unter dem Ferkelschutzkorb ganz aus und ist fest auf den Kunststoffboden geschraubt. So stehen die Sauen vollständig auf der Gummimatte, wodurch die Standsicherheit erheblich erhöht wird und die Tiere sich vorsichtiger hinlegen. Eine weitere Besonderheit gibt es im Abferkelstall: Wenn eine Sau während der Geburt unruhig ist, werden die Neugeborenen sofort in einen selbst gebau- Bei unruhigen Sauen setzt Heinrich Habermann die Ferkel in einen selbstgebauten Schutzkasten, der in den Kunststoffrosten arretiert wird. Fotos: Heil, Wolf-Schwerin die Verluste am höchsten, und die Kontrollarbeit im Stall macht sich schnell bezahlt. Ziel muss es daher sein, die Ferkelverluste mit vertretbarem Arbeitsaufwand möglichst weit zu reduzieren. In den folgenden Reportagen schildern drei Praktiker mit welchen Tricks und Kniffen sie die Verluste in ihren Betrieben auf 8 % und weniger gesenkt haben. ten Kasten gesetzt. Dieser wird in den Kunststoffrosten arretiert und schirmt das Ferkelnest von der Sau ab. Mit Abschluss der Geburt oder wenn die Sau wieder ruhiger geworden ist, wird der Kasten aus der Bucht entfernt. Von der Geburt besonders geschwächte Neugeborene werden gelegentlich durch einen immer griffbereit liegenden Schlauch beatmet, so dass sie schneller zu sich kommen. Dazu wird das ca. 20 cm lange abgeschnittene Ende eines Besamungskatheters verwendet. Der Adapter wird schonend in die Schnauze eingeführt, wodurch die Tiere in ruhigem Atemrhythmus vorsichtig beatmet werden. Stützband und Trainingsbox für die Grätscher Um die Trittsicherheit der Neugeborenen zu verbessern, wird vor der Geburt eine Schaufel Torf auf die Liegefläche der Ferkel gestreut. Daneben hat der Torf offenbar eine durchfallhemmende und auch desinfizierende Wirkung, denn Durchfälle und Entzündungen der Gelenke oder am Nabel gibt es bei Habermanns seitdem nur wenig. „Durchfälle bei den Ferkeln treten fast nur auf, wenn die Sauen mal Fieber haben. Dann geben wir etwas Zitronensäure in die Wasserschalen, die wir von Anfang an neben die Tränkenippel in die Bucht stellen. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht“, merkt der Senior an. Hin und wieder treten, besonders in großen Würfen, Grätscher auf. Ihnen wird gleich nach der Geburt ein Stabilisierungsband aus Heftpflaster angelegt, das ausreichend Bewegungsfreiheit lässt. Nach spätestens vier Tagen wird es wieder entfernt. Kräftigere Ferkel mit leichten Grätscherproblemen werden in dieser Zeit täglich für maximal 15 Minuten in ei- nen selbst gebauten „Trainer“ gesetzt. In der schmalen Kiste werden die Ferkel an der Seite gestützt, und eine vor den Hinterbeinen durchgeführte Kette fördert die Kräftigung der Beinmuskulatur. Lars Habermann ist sich sicher, dass er die Ferkelverluste auch in Zukunft auf dem hervorragenden Niveau halten kann. „Wichtig ist, dass man sich besonders in den ersten Tagen nach der Geburt wirklich Zeit nimmt und alle Kontrollarbeiten gewissenhaft durchzieht“, meint der Junior abschließend. Christiane Wolf-Schwerin top agrar 12/2004 S 19 MANAGEMENT Adolf Borchers, Zeven „Die ersten drei Tage sind entscheidend“ Für Ferkelerzeuger Adolf Borchers aus dem niedersächsischen Ohrel bei Zeven steht fest, dass die Geburten absoluten Vorrang vor allen anderen Arbeiten haben. „Denn die finanziellen Einbußen, die ich durch hohe Ferkelverluste hätte, kann ich auf dem Feld gar nicht wieder herausholen“, betont der 42-Jährige. Konsequenterweise wurde die Milchviehherde vor fünf Jahren aufgegeben und die Sauenherde schrittweise auf 280 BHZP-Tiere aufgestockt. Bei der Betreuung helfen Borchers Ehefrau Angelika und manchmal sein Vater Johann. Neben dem Verkauf von Absetzferkeln als Hauptbetriebszweig werden noch 37 ha Getreide bewirtschaftet. Die biologischen Leistungen der Sauen liegen im Mittel der letzten drei Jahre bei 23,5 abgesetzten Ferkeln je Sau und Jahr. Ausschlaggebend für den Erfolg sind auch die geringen Saugferkelverluste, die der Ferkelerzeuger bei 28 Säugetagen auf rund 8 % gedrückt hat. Ganz entscheidend sind für Borchers dabei die ersten drei Lebenstage. „Hier investieren wir viel Zeit. Zudem werden die Verluste und deren Ursachen genau erfasst. Noch vor wenigen Jahren gehörten Gelenkentzündungen zu den Kernproblemen. Nicht selten gab es Würfe, in denen bis zu einem Drittel der Ferkel davon betroffen waren. Seitdem treibt Adolf Borchers täglich einmal alle Ferkel auf und behandelt sie bei Bedarf sofort. „Für diese Kontrollen muss ich täglich höchstens eine Viertelstunde aufwenden. Die Auswertung im Sauenplaner zeigt, dass sich der Einsatz lohnt. Denn inzwischen machen Gelenkentzündungen nur noch 10 % aller Verluste aus“, stellt der Landwirt zufrieden fest. Durchfälle mit Impfung und Top-Hygiene im Griff Eine weitere wichtige Ursache für Verluste bei Saugferkeln waren bis vor vier Jahren Durchfälle. Eine deutliche Verbesserung hat die Einführung einer routinemäßigen Coli-Impfung der Sauen bis 14 Tage vor dem Abferkeln gebracht. Einen Teil dieser Verbesserung führt Benno Föcke, Haselünne Vitale Ferkel von Anfang an Hohe biologische Leistungen sind für Benno Föcke aus Haselünne im Emsland trotz mehrerer Aufstockungen kein Problem. So hat der 40-Jährige im letzten Jahr mit den 300 Sauen bei 23 Säugetagen 24,8 Ferkel je Sau und Jahr abgesetzt. Unterstützt wird Föcke auf dem 75 haBetrieb durch seine Frau Mechthild. Die Saugferkelverluste hat der Landwirt schon lange im Griff. Im letzten Jahr betrugen sie nur 8,5 %. Für ihn steht fest: „Die Sauengesundheit ist der Dreh- und Angelpunkt für den Erfolg.“ Um die Gesundheit seiner Sauenherde stets optimal beurteilen zu können, macht Föcke mit seinem Hoftierarzt alle vier Wochen einen Bestandsdurchgang. „Das ist zwar zeitaufwändig und nicht billig. Doch ich zwinge mich so, meine Tiere kritisch zu beobachten und erkenne aufkeimende Probleme viel früher“, erklärt der Ferkelerzeuger selbstkritisch. In Absprache mit seinem Hoftierarzt hat Föcke denn auch beschlossen, einen Quarantänestall für die Jungsauen zu bauen und seine Sauen mit einem Lebendimpfstoff gegen PRRS zu impfen. Föcke dazu: „Wir hatten vor allem bei den Jungsauen immer wieder Probleme mit Um- S 20 top agrar 12/2004 Für Familie Föcke ist die Sauengesundheit der Schlüssel für niedrige Ferkelverluste. rauschern und lebensschwachen Ferkeln. Seitdem wir die Jungtiere schon im Quarantänestall gegen PRRS impfen, ist die Herdengesundheit wesentlich stabiler.“ Ganz wichtig ist für Föcke im Rahmen der Tiergesundheit auch eine optimale Futterversorgung der Sauen. Zwei Tage vor dem Abferkeln werden daher einmalig 200 g eines Geburtsvorbereitungsfutters als Top-Dressing verabreicht und die übrige Futtermenge gleichzeitig um ein halbes Kilogramm reduziert. Dies bewirkt eine zügige Darmentleerung vor der Geburt und intensiviert die Wehentätigkeit. Außerdem wird mit dem Ergänzungsfutter eine zusätzliche Versorgung mit Vitaminen und Spurenelementen erreicht, so dass sich die Kosten von nur 60 Cent je Sau schnell bezahlt machen. Neuerdings probiert Föcke zur Beschleunigung des Geburtsverlaufes während der acht Tage vom Einstallen bis zur Geburt die tägliche Gabe von 30 g Mono- calciumphosphat in den Trog aus. Diese Anregung seines Tierarztes kostet insgesamt nur wenige Cent pro Sau. „Die ersten Erfahrungen mit dem Futterzusatz sind positiv. Bevor ich es als Routinemaßnahme einführe, muss ich aber noch weiter beobachten“, betont der experimentierfreudige Betriebsleiter. Auch bei den Ferkeln achtet Föcke auf eine optimale Energieversorgung. Vom vierten Lebenstag an wird den Ferkeln daher ein Milchaustauscher bereit gestellt, der mit warmem Wasser angerührt wird. Ab dem siebten Tag gibt der Landwirt eine Hand voll Prestarter und ca. 250 ml Ferkelmilch in die Futterschalen. Diese Mischung wird täglich bis zum Absetzen angeboten. „So nehmen die Ferkel das Beifutter viel lieber auf, und der Start in die Aufzucht läuft deutlich besser“, hat Benno Föcke festgestellt. -cws- S C H W E I N Angelika und Adolf Borchers erfassen die Ferkelverluste sehr genau und können so die Ursachen gezielt angehen. Borchers auch darauf zurück, dass er jetzt für jeden Abferkelstall eine eigene Schaufel zum Misten verwendet und konsequent zweimal täglich den Kot aus den Abferkelbuchten entfernt. Zur Verbesserung der Buchtenhygiene setzt der Sauenhalter seit kurzem auch ein Trockendesinfektionsmittel ein, wovon er vor der Abferkelung eine Hand voll auf das Ferkelnest streut. Das Hygienepulver wird besonders in den ersten 14 Tagen der Säugezeit nach Augenschein alle vier bis sechs Tage erneuert. Borchers hat sich gezielt für ein hoch absorbierendes, feines mineralisches Pulver entschieden, das kein Kupfer und Zink enthält. Bei anderen Desinfektionsmitteln hatte er öfter Schäden an den Klauen beobachtet, die jetzt nicht mehr auftreten. Für eine Top-Hygiene hält Borchers es zudem für unverzichtbar, dass man sich rechtzeitig von lebensschwachen bzw. stark zurück bleibenden Ferkeln trennt. „Man ist zwar geneigt, den schwachen Ferkeln noch eine Chance zu geben. Doch oft quälen sich die kleinen Ferkel vergebens. Hinzu kommt, dass die Kümmerer besonders krankheitsanfällig und ein ständiger Risikoherd für die übrigen Ferkel sind“, ist Borchers Erfahrung. Deshalb werden die betreffenden Ferkel spätestens bis zum 10. Tag gemerzt. Neben der Saugferkelbetreuung legt Adolf Borchers auch großen Wert auf eine optimale Futterversorgung der Sauen. „Für die Vitalität der Ferkel und Sauen ist dabei nicht allein das Säugefutter, sondern auch das Trächtigkeitsfutter besonders wichtig“, ist der Landwirt überzeugt. Er füttert daher während der Trächtigkeit und bis fünf Tage nach der Geburt ein spezielles Trächtigkeitsfutter mit 11,8 MJ ME. Dies enthält seit dem Verbot von Fischmehl aufgeschlossenes Sojaschrot. Hierdurch werden auch im letzten Drittel der Trächtigkeit die hohen Ansprüche an eine sehr gute Verdaulichkeit und Versorgung mit essenziellen Fettsäuren erfüllt. Ebenso stellt es durchweg eine zügige Darmpassage sicher. Fünf Tage nach der Geburt stellt Borchers auf ein energiereicheres Laktationsfutter mit 13 MJ ME um. Die Abferkelungen laufen seitdem viel leichter ab, und Verstopfungen gibt es so gut wie gar nicht mehr. Hierdurch treten natürlich auch weniger MMA-Probleme auf. Durch die Verbesserung der Sauengesundheit sind nicht nur die Ferkelverluste gesunken. Auch die Ferkelqualität hat sich verbessert. „Wir können unseren Mäster heute mit gleichmäßigen Ferkeln beliefern, die beim Absetzen fast 9 kg wiegen“, resümiert Borchers. -cws- top agrar 12/2004 S 21