4.15 Abnorme Gewohnheiten und Störungen der

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4.15
Abnorme Gewohnheiten und
Störungen der Impulskontrolle
4.15.1 Allgemeines
n Definition
4 Krankheiten
4.15 Abnorme Gewohnheiten und Störungen
der Impulskontrolle
4.15.1 Allgemeines
n Definition: Das gemeinsame Merkmal dieser Störungen ist das wiederholte,
vollständige oder teilweise Versagen der (willentlichen) Beherrschung eines
Wunsches oder Antriebs (Impuls). Durch das daraus resultierende Verhalten
kommt es meist zur Schädigung der eigenen oder anderer Personen. Die wichtigsten Formen sind das pathologische Stehlen (Kleptomanie), die pathologische
Brandstiftung (Pyromanie) und das pathologische Spielen. Diese Erkrankungen
weisen große Überschneidungen zu den nichtstoffgebundenen Abhängigkeiten
auf.
n Merke
n Merke: Die Störung bzw. der Verlust der Impulskontrolle ist jedoch nicht in
jedem Fall eine eigenständige psychische Störung, sondern kommt als Symptom auch bei anderen psychiatrischen Erkrankungen vor.
Wichtig sind folgende Kriterien:
Schädlichkeit der Handlung
Spannung und Erregung vor der Handlung
Befriedigung und Erleichterung während
der Handlung
evtl. Selbstvorwürfe nach der Handlung.
Folgende Kriterien sind neben dem Verlust der Impulskontrolle für die Diagnose
einer Störung der Impulskontrolle wichtig:
die Handlung ist für die eigene Person oder für andere schädlich
vor Durchführung der Handlung tritt ein zunehmendes Gefühl von Spannung
oder Erregung auf
während der Durchführung der Handlung wird Vergnügen, Befriedigung oder
Erleichterung empfunden
unmittelbar nach der Handlung können (müssen aber nicht) echte Reue,
Selbstvorwürfe oder Schuldgefühle auftreten.
Historisches: Die Bezeichnungen „Kleptomanie“ und „Pyromanie“ gehen auf das
Konzept der sog. (instinktiven) Monomanien zurück. Diesem Konzept lag die
Vorstellung zugrunde, dass die Psyche nur
in einem Punkt krankhaft verändert sei,
während Urteilsvermögen und affektive
(gefühlsmäßige) Schwingungsfähigkeit
erhalten bleiben.
Historisches: Die heute noch gebräuchlichen Bezeichnungen für einzelne
Störungen der Impulskontrolle (Kleptomanie, Pyromanie) gehen auf das Konzept der sogenannten (instinktiven) Monomanien zurück, das besonders in
der französischen Psychiatrie des vorletzten Jahrhunderts vertreten wurde. Dieser Bezeichnung lag die Vorstellung zugrunde, dass die Psyche nur in einem
Punkt krankhaft verändert sei, während Urteilsvermögen und affektive
(gefühlsmäßige) Schwingungsfähigkeit ansonsten erhalten bleiben. Zeitweise
wurden über 100 verschiedene Formen von Monomanien beschrieben.
Anklänge an diesen Begriff finden sich noch heute in der umgangssprachlichen
Verwendung, wonach eine etwas übertriebene Leidenschaft für einen bestimmten Gegenstand oder seltsame Gewohnheiten als „Manie“ bezeichnet werden.
n Merke
Epidemiologie:
Die Häufigkeit des pathologischen Stehlens ist nicht sicher bekannt (weniger als
5 % der Personen, die wegen eines Ladendiebstahls angezeigt werden, weisen eine
Kleptomanie auf). Frauen sind häufiger
betroffen als Männer. Die Störung beginnt
meist in der Jugend.
n Merke: Die hier beschriebenen Störungen dürfen trotz ähnlicher Bezeichnung nicht mit einem manischen Syndrom („Manie“) im Rahmen affektiver
Störungen verwechselt werden.
Epidemiologie: Bezüglich der Ätiologie, der Häufigkeit und der Folgen existieren gravierende Unterschiede.
Die Häufigkeit des pathologischen Stehlens ist nicht sicher bekannt. Es ist
jedoch davon auszugehen, dass bei weniger als 5 % der Personen, die z. B.
wegen Ladendiebstahl angezeigt werden, eine entsprechende Vorgeschichte
besteht. In einigen Fällen wird durch die Betroffenen auch versucht, die
Umstände eines Diebstahls so darzustellen, dass die Kriterien einer Kleptomanie erfüllt werden, meist um entsprechende forensische Konsequenzen zu ver-
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Die wichtigsten Störungen werden in den modernen Diagnosesystemen in einer
eigenen diagnostischen Kategorie zusammengefasst.
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4.15 Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle
Ätiopathogenese: Die Ursache des pathologischen Stehlens ist nicht bekannt.
Psychodynamische Entstehungsbedingungen in der ödipalen Phase werden diskutiert. Eine ursächliche Bedeutung wird auch psychosozialem Stress, Liebesentzug und histrionischen Persönlichkeitszügen (s. S. 361 ff.) zugeschrieben.
Spezielle ätiologische Hypothesen, die pyromanes Verhalten schlüssig erklären
könnten, fehlen bisher.
Zur Entstehung des pathologischen Spielens gibt es Theorien aus den unterschiedlichsten Bereichen (tiefenpsychologisch, lerntheoretisch, neurobiologisch). Keine kann jedoch eine vollständige Erklärung für dieses Verhalten
geben, sodass eine komplexe Genese anzunehmen ist. Interessant erscheinen
Hinweise darauf, dass unter den Patienten häufig solche mit affektiven Störungen (s. S. 73 ff.) zu finden sind. In der Verwandtschaft treten offensichtlich
gehäuft Alkohol- oder Drogenabhängigkeiten auf.
Die pathologische Brandstiftung ist auf
die Allgemeinbevölkerung bezogen zwar
eine seltene Störung, unter Brandstiftern
ist sie hingegen relativ häufig zu finden.
Die Häufigkeit des pathologischen Spielens wird mit 1–3 % angegeben. Das Spielen am Geldautomaten ist die häufigste
Form des Glücksspiels (i 90 %), gefolgt
von Kasino-Spielen mit 19 %. Männer sind
häufiger betroffen als Frauen.
Mindestens 100 000 behandlungsbedürftige Glücksspieler leben in Deutschland.
Ätiopathogenese: Die Ursache des pathologischen Stehlens ist nicht bekannt.
Die Ätiologie der Pyromanie ist ebenfalls
unklar.
Die Ursachen des pathologischen Spielens
sind komplex. Häufig finden sich
gleichzeitig auch affektive Störungen
(s. S. 73 ff.).
4.15.2 Symptomatik und klinische
4.15.2 Symptomatik und klinische Subtypen
Subtypen
Pathologisches Stehlen (Kleptomanie)
Pathologisches Stehlen (Kleptomanie)
n Definition: Dem Impuls Dinge zu stehlen, die nicht dem persönlichen
Gebrauch oder der Bereicherung dienen, kann nicht widerstanden werden.
Die Gegenstände werden häufig weggeworfen, weggegeben oder gehortet.
m Definition
4.127
Symptomatik des pathologischen Stehlens nach ICD-10 und DSM-IV
ICD-10
Die betroffene Person kann Impulsen nicht widerstehen,
Dinge zu stehlen, die nicht dem persönlichen Gebrauch oder
der Bereicherung dienen. Die Gegenstände werden häufig
weggeworfen, weggegeben oder gehortet
steigende Spannung vor der Handlung und ein Gefühl der
Befriedigung während und sofort nach der Tat
der Diebstahl wird alleine und ohne Komplizen durchgeführt
Die Betroffenen können Angst, Verzagtheit und Schuldgefühle zwischen den einzelnen Diebstählen zeigen, aber das
verhindert den Rückfall nicht.
DSM-IV
wiederholtes Versagen, Impulsen zum Stehlen von Gegenständen zu widerstehen, die weder zum persönlichen
Gebrauch noch wegen ihres Geldwerts benötigt werden
zunehmendes Gefühl von Spannung unmittelbar vor Begehen
des Diebstahls
Vergnügen, Befriedigung oder Entspannung beim Begehen
des Diebstahls
Das Stehlen wird nicht begangen, um Wut oder Rache auszudrücken und erfolgt nicht als Reaktion auf Wahnphänomene oder Halluzinationen.
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meiden. Frauen sind insgesamt häufiger betroffen als Männer. Die Störung
beginnt meist in der Jugend.
Die pathologische Brandstiftung ist auf die Allgemeinbevölkerung bezogen
zwar eine seltene Störung, unter Brandstiftern ist sie jedoch relativ häufig zu
finden. In einer groß angelegten Studie aus den USA fanden sich unter 1145
erwachsenen männlichen Brandstiftern 39 % mit einer Pyromanie. Bei Frauen
wird diese Störung kaum einmal diagnostiziert.
Die Häufigkeit des pathologischen Spielens scheint deutlich höher zu sein als
die der anderen Störungen der Impulskontrolle. Größere Studien nehmen eine
Häufigkeit zwischen 1 und 3 % in der Erwachsenenpopulation an. Unter den
Arten des Glücksspieles steht das Spielen am Geldspielautomat bei weitem
im Vordergrund: mehr als 90 % der Patienten geben diese Glücksspielart allein
oder in Kombination an. Der Häufigkeit nach folgen Kasino-Spiele (19 %), Karten- und Würfelspiele (12 %), Lotto-Varianten (8 %) und Geldwetten (4 %). Bei
Männern wird die Diagnose häufiger als bei Frauen gestellt. Die Störung beginnt
bei Männern gewöhnlich in der Adoleszenz, bei Frauen später.
Die Zahl der behandlungbedürftigen Glücksspieler dürfte in Deutschland bei
ca. 100 000 liegen; in den USA wird die Häufigkeit der pathologischen Spieler
mit 1–3 % angegeben. Es wird geschätzt, dass in Deutschland jährlich mehr
als 20 Milliarden Euro für Glücksspiel ausgegeben werden.
4 Krankheiten
Die Betroffenen beschreiben gewöhnlich
eine steigende Spannung vor der Handlung
und ein Gefühl der Befriedigung während
und sofort nach der Tat. Dazwischen kann
es zu Angst, Verzagtheit oder Schuldgefühlen kommen (Tab. 4.127).
Die Betroffenen beschreiben gewöhnlich eine steigende Spannung vor der
Handlung und ein Gefühl der Befriedigung während und sofort nach der Tat.
Im Allgemeinen wird versucht, die Tat zu verbergen, dies geschieht aber oft
nicht sehr konsequent. Der Diebstahl wird alleine und ohne Komplizen durchgeführt. Zwischen den einzelnen Diebstahlsdelikten kann es zu Angst, Verzagtheit oder Schuldgefühlen kommen, wodurch jedoch die Wiederholung in der
Regel nicht verhindert wird (Tab. 4.127).
n Klinischer Fall. Ein 44-jähriger verheirateter Bauklempner wurde
wegen eines Diebstahls angezeigt. Er hatte in einem großen Kaufhaus
Bücher gestohlen und gegenüber dem Kaufhausdetektiv behauptet, er
sei „in Gedanken gewesen“ und habe das Bezahlen vergessen. Bei der
polizeilichen Vernehmung überraschte der bis dahin dreimal wegen
Diebstahls geringwertiger Sachen in Erscheinung getretene Patient
die Beamten mit einer Lebensbeichte und berichtete, seit dem 23.
Lebensjahr unter einem unwiderstehlichen Drang zu leiden, der ihn
zum Stehlen veranlasse. Bei der mit seinem Einverständnis durchgeführten Hausdurchsuchung wurden in den Kellerräumen ca. 1100
Bücher sichergestellt, daneben zahlreiche Teile einer Modelleisenbahn, Elektrowerkzeuge und Autozubehör. Alle Gegenstände waren
originalverpackt, offensichtlich unbenutzt und akkurat in Regalen
gelagert. In den meisten Fällen hatte der Patient mehrere identische
Exemplare eines Gegenstandes, beispielsweise sieben Kochbücher
eines Titels. Im Zusammenhang mit seinem Geständnis erklärte er,
nunmehr froh zu sein, dass die Sache ausgestanden sei, er fühle sich
wie neu geboren […]
Für die Waren habe er keine Verwendung, selbst die als Gebrauchsgüter geeigneten Elektrowerkzeuge habe er nicht aus der
Verpackung genommen. Er verfüge über ein Familieneinkommen
(4 200 DM netto), das ausreichend sei, sich alle wesentlichen Wünsche
zu erfüllen. Der Drang sei über die Jahre immer intensiver geworden.
Es handele sich um Gedanken, stehlen zu müssen, gegen die er sich
nicht wehren könne. Er fühle sich in unregelmäßigen Abständen von
Warenhäusern oder Geschäften, wo Bücher, Werkzeuge oder Eisenbahnteile zu kaufen seien, wie durch einen Magneten angezogen. Es
beherrsche ihn ein eigenartiges Spannungsgefühl, er habe Schweißausbrüche und Unruhezustände. In manchen Fällen habe er die Diebstähle unter Aufbietung aller Kräfte vermeiden können, aber leider nie
mit dauerndem Erfolg. Wenn es zum Diebstahl gekommen sei, habe
die Spannung nachgelassen, er habe sich zufrieden gefühlt, danach
habe er sich geschämt, und er sei sich minderwertig vorgekommen.
Die gestohlenen Gegenstände habe er im Keller seines Hauses eingeschlossen und nie mehr in die Hände genommen.
Zur Biografie konnte fremd- und eigenanamnestisch in Erfahrung
gebracht werden, dass er mit drei älteren Geschwistern aufgewachsen
war. Seinen Vater, der im Krieg fiel, hat er nie kennen gelernt. Die
Mutter soll „nervenleidend“ gewesen sein. Sie war wegen ihrer
Erkrankung offensichtlich nicht in der Lage, die Erziehungsaufgaben
zu bewältigen, und starb in einer Nervenheilanstalt, als der Patient
neun Jahre war. Zuvor hatte ein älterer Bruder die Verantwortung
für die Führung der Familie übernommen. Der Patient sprach von
der schlimmsten Zeit seines Lebens. Er soll ständig geprügelt und
stundenlang im Keller eingeschlossen worden sein. Bei seinen
Angehörigen galt er als faul, verstockt und renitent. Er schwänzte
die Schule und machte keine Hausaufgaben. Um den Misshandlungen
zu entgehen, flüchtete er zu seiner Schwester, die ihn nicht aufnehmen konnte, weil sie berufstätig war. Schließlich veranlasste das
Pathologische Brandstiftung (Pyromanie)
n Definition
Jugendamt seine Heimunterbringung. Er empfand dies als Erlösung
und legte im Heim schnell die zuvor beobachteten Verhaltensauffälligkeiten ab. Im Alter von 11 Jahren kam er zu einer Pflegefamilie
auf einen Bauernhof. Während ihn der Pflegevater besser als jeder
Vater behandelt haben soll, sei die Pflegemutter unbeschreiblich
gewesen. Sie habe seine Bemühungen um Zuneigung und Akzeptanz
beständig abgewiesen und keine Gelegenheit ausgelassen, ihn zu
ducken. In der Schule waren seine Leistungen gut. Nach dem Volksschulabschluss nahm ihn seine inzwischen verheiratete Schwester in
ihre Familie auf. Den Abschied vom außerordentlich verehrten Pflegevater erlebte er höchst leidvoll. Immer wieder hob er hervor, dass dieser ihm die Liebe für die wichtigen Dinge des Lebens (u. a. Bücher und
Werkzeuge) beigebracht habe.
Er absolvierte erfolgreich eine Lehre als Bauschlosser, arbeitete in seinem erlernten Beruf und überließ seiner Schwester sein gesamtes Einkommen. Das anfänglich gute Einvernehmen mit der Schwester fand
ein Ende, als diese das Elternhaus im Zuge der Auflösung der Erbengemeinschaft erhielt und danach versucht haben soll, ihn aus dem
Hause zu drängen. In jener Zeit verspürte er erstmals den Drang,
Bücher und Werkzeuge zu stehlen. Mit 24 Jahren heiratete er. In der
Familie seiner Frau glaubte er zunächst die bisher vermisste Anerkennung und Geborgenheit zu finden. Wenig später überwarf er sich mit
den Schwiegereltern. Er beschuldigte sie, gegen ihn eine Hetzkampagne zu führen und ihn sowie seine Ehefrau auszunutzen.
Nach neun Jahren Ehe wurde ein Sohn geboren, den er manchmal „beneidet“, weil er eine liebevolle Mutter hat, die er selbst nie gehabt
habe. Als er 40 Jahre alt geworden war, kaufte er ein Haus, die Tilgung
belastete den Familienhaushalt nicht wesentlich.
Er wiederholte betont, dass er immer nur für seine Familie gelebt und
auf eigenes Glück verzichtet habe. Er vertrat die Meinung, dass es zwischen seinem Hass auf manche Menschen, dem in der Kindheit erlittenen Unrecht und seinen Diebstählen einen inneren Zusammenhang
geben müsse.
Psychopathologisch fielen der übertriebene Gefühlsausdruck und eine
Neigung zu dramatischen Schilderungen auf, die verbunden waren
mit einer oberflächlichen Affektivität. Besonders deutlich wurde dies
bei der Schilderung seiner schwankenden Gefühle gegenüber Personen seiner Umgebung, wobei sich Idealisierungen und schroffe
Ablehnung abwechselten. Es war dem Patienten nicht möglich, die
Dinge mit Abstand unter dem Gesichtspunkt der Bedürfnisse anderer
Menschen zu betrachten. Er war ständig mit sich selbst beschäftigt,
reagierte selbst auf maßvolle Kritik gekränkt und drückte ein lebhaftes Verlangen nach Anerkennung und Aufmerksamkeit aus. Vielfach
überließ er sich sentimentalen, von Selbstmitleid geprägten Gefühlen.
Bei diesem Patienten wurde neben der Diagnose des pathologischen
Stehlens (Kleptomanie) auch die Diagnose einer histrionischen
Persönlichkeitsstörung gestellt (gekürzt zitiert nach Fallbuch Psychiatrie. Kasuistiken zum Kapitel V [F] der ICD-10. Freyberger und Dilling,
1993).
Pathologische Brandstiftung (Pyromanie)
n Definition: Krankhafte Störung, bei der wiederholt vorsätzlich Feuer gelegt
wird. Die Patienten sind in der Regel von Feuer und damit zusammenhängenden Situationen stark fasziniert.
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4.15 Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle
Symptomatik der pathologischen Brandstiftung nach ICD-10
und DSM-IV
ICD-10
wiederholte Brandstiftung ohne
erkennbare Motive wie materieller Gewinn, Rache oder politischer Extremismus
starkes Interesse an der Beobachtung von Feuer
Gefühle wachsender Spannung
vor der Handlung und starker
Erregung sofort nach ihrer Ausführung
4.128
DSM-IV
gewolltes und absichtsvolles Feuerlegen bei
mehr als einer Gelegenheit
Faszination, Interesse, Neugier und Anziehung im Hinblick auf Feuer und damit
zusammenhängende Situationen
Spannungsgefühl oder affektive Erregung
vor der Handlung
Vergnügen, Befriedigung oder Entspannung
beim Feuerlegen, beim Zuschauen oder
beim Beteiligtsein an den Folgen
Die Brandstiftung erfolgt nicht aus Wut, Rache oder um bestimmte Ziele durchzusetzen. Das Legen von Feuer ist mit einer intensiven Spannung oder Erregung,
teilweise mit Vergnügen und Befriedigung verbunden. Obgleich das Feuerlegen
aus der Unfähigkeit resultiert, einem Impuls zu widerstehen, können dem Feuerlegen dennoch eventuell sogar umfangreiche Vorbereitungen vorangehen.
Personen mit dieser Störung werden häufig als regelmäßige „Beobachter“ angetroffen, wenn es in ihrer Nachbarschaft brennt. Oft geben sie falschen Alarm
oder zeigen auffälliges Interesse an der Feuerbekämpfung. Die Faszination an
allem, was mit Feuer zu tun hat, kann einige Betroffene sogar dazu bringen
im Rahmen der Freiwilligen Feuerwehr tätig zu sein. Den Folgen, die aus
ihrer Brandstiftung für das Leben oder den Besitz anderer Menschen resultieren
können, stehen sie oft gleichgültig gegenüber (Tab. 4.128).
Die Störung beginnt gewöhnlich in der Kindheit und verläuft periodisch mit
Exazerbationen meist während Krisensituationen. Prägend für den Verlauf der
Störung sind meist die oft sehr eingreifenden juristischen Folgen mit langjähriger Inhaftierung und eventuell dauerhafter psychiatrischer Unterbringung.
Das Legen von Feuer ist mit einer intensiven Spannung oder Erregung und teilweise
mit Vergnügen und Befriedigung verbunden. Die Betroffenen zeigen eine Faszination an allem, was mit Feuer zu tun hat.
Den Folgen der Brandstiftung stehen sie
oft gleichgültig gegenüber (Tab. 4.128).
Die Störung beginnt gewöhnlich in der
Kindheit und verläuft periodisch mit
Exazerbationen meist während Krisensituationen.
Pathologisches Spielen
Pathologisches Spielen
n Synonym: Spielsucht, pathologisches Glücksspiel
m Synonym
n Definition: Hauptmerkmal ist eine chronische Unfähigkeit, der Versuchung zu
Glücksspiel und anderem Spielverhalten zu widerstehen.
m Definition
Die Triebfeder zum Spielen ist nicht der Wunsch nach Freizeitgestaltung, Kommunikation mit anderen oder die Chance eines finanziellen Gewinns. Im Vordergrund stehen vielmehr die Anspannung und Erregung, die mit dem Spielen
verbunden sind. Es besteht eine Unfähigkeit, der Versuchung zu widerstehen,
auch wenn dadurch persönliche, familiäre und berufliche Verpflichtungen massiv geschädigt werden (Abb. 4.127). Die Beschäftigung mit dem Glücksspiel, der
Drang dazu und das Spielen selbst nehmen bei Stress zu (Tab. 4.129).
Typische Folgen dieses Verhaltens sind totale Verschuldung, gestörte Familienverhältnisse, Vernachlässigung beruflicher Tätigkeit sowie häufig strafbare
Handlungen, um Geld für das Spielen zu beschaffen. Die Störung weist viele
Ähnlichkeiten mit süchtigem Verhalten auf. So kommt es meistens zu einer
Steigerung der Einsätze oder einer Zunahme der Spielhäufigkeit, um weiterhin
die gewünschte Erregung zu erreichen. Ruhelosigkeit oder Reizbarkeit treten
auf, wenn nicht gespielt werden kann. Wiederholte Versuche das Spielen einzuschränken oder zu beenden misslingen in der Regel. Trotz einer oft desolaten
Persönlichkeitssituation zeigen sich die Patienten häufig übertrieben zuversichtlich, wirken energisch, klagen über schnell auftretende Langeweile, zeitweise aber auch über Angst und Depression.
Beim pathologischen Spielen besteht eine
Unfähigkeit, der Versuchung zu Glücksspiel
und anderem Spielverhalten zu widerstehen, auch wenn dadurch persönliche,
familiäre und berufliche Verpflichtungen
massiv geschädigt werden (Abb. 4.127,
Tab. 4.129).
Typische Folgen sind Verschuldung,
gestörte Familienverhältnisse, Vernachlässigung des Berufs sowie strafbare Handlungen. Die Störung weist viele Ähnlichkeiten zum süchtigen Verhalten auf (Zunahme der Spielhäufigkeit; Ruhelosigkeit
und Reizbarkeit, wenn nicht gespielt werden kann; Misslingen von Versuchen, das
Spielen einzuschränken).
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4 Krankheiten
4.129
4.127
Pathologisches Spielen hat viele Ähnlichkeiten mit süchtigem Verhalten
Symptomatik des pathologischen Spielens nach ICD-10 und DSM-IV
ICD-10
DSM-IV
dauerndes, wiederholtes Spielen
anhaltendes und oft noch gesteigertes Spielen trotz
negativer sozialer Konsequenzen, wie Verarmung,
gestörter Familienbeziehungen und Zerrüttung der
persönlichen Verhältnisse.
4.15.3 Diagnostik und
Differenzialdiagnose
Diagnose: Diagnostisch ist v. a. auf den
typischen Ablauf zu achten (Gefühl von
Spannung vor der Handlung, Befriedigung
während und Schuldgefühle nach der
Handlung).
Differenzialdiagnose: Störungen der
Impulskontrolle kommen auch vor bei
Persönlichkeitsstörungen (s. S. 349 ff.)
Suchterkrankungen (s. S. 306 ff.)
Ausdauerndes und wiederkehrendes fehlangepasstes Spielverhalten,
was sich in mindestens fünf der folgenden Merkmale ausdrückt:
ist stark eingenommen vom Glücksspiel
muss mit immer höheren Einsätzen spielen, um die gewünschte
Erregung zu erreichen
hat wiederholt erfolglose Versuche unternommen, das Spielen zu
kontrollieren, einzuschränken oder aufzugeben
ist unruhig und gereizt beim Versuch, das Spielen einzuschränken oder
aufzugeben
spielt, um Problemen zu entkommen oder um eine dysphorische
Stimmung zu erleichtern
kehrt, nachdem er beim Glücksspiel Geld verloren hat, oft am
nächsten Tag zurück, um den Verlust auszugleichen
belügt Familienmitglieder, den Therapeuten oder andere, um das
Ausmaß seiner Verstrickung in das Spielen zu vertuschen
hat illegale Handlungen wie Fälschung, Betrug, Diebstahl oder Unterschlagung begangen, um das Spielen zu finanzieren
hat eine wichtige Beziehung, seinen Arbeitsplatz, Ausbildungs- oder
Aufstiegschancen wegen des Spielens gefährdet oder verloren
verlässt sich darauf, dass andere ihm Geld bereitstellen, um die durch
das Spielen verursachte hoffnungslose finanzielle Situation zu überwinden.
4.15.3 Diagnostik und Differenzialdiagnose
Diagnose: Bei der Diagnose ist insbesondere auf den typischen Ablauf der
Handlung zu achten. Dieser umfasst ein zunehmendes Gefühl von Spannung
und Erregung vor der Handlung, Befriedigung oder Erleichterung während
und oft Schuldgefühle und Reue nach der Handlung. Die akuten Auslösebedingungen des pathologischen Verhaltens sowie die Analyse der psychosozialen
Situation des Betroffenen sind Bestandteile der Diagnostik.
Differenzialdiagnose: Störungen der Impulskontrolle können als Symptom bei
einer Vielzahl anderer psychiatrischer Störungen vorkommen, vor allem bei
Persönlichkeitsstörungen (z. B. dissoziale und emotional instabile Persönlichkeitsstörung, s. S. 349 ff.)
Suchterkrankungen (s. S. 306 ff.)
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4.127
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4.15 Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle
Psychosen (s. S. 134 ff.)
organischen Störungen (s. S. 172 ff.)
sexuellen Störungen (s. S. 279 ff.)
Essstörungen (s. S. 268 ff.).
Die Pyromanie ist besonders von wahnhaft
motiviertem Verhalten abzugrenzen.
4.15.4 Therapie
4.15.4 Therapie
Im Vordergrund therapeutischer Maßnahmen des pathologischen Stehlens
steht die Psychotherapie. Über die Erfolgsquote ist allerdings wenig bekannt.
Am ehesten sind verhaltenstherapeutische Maßnahmen angezeigt.
Bei der pathologischen Brandstiftung wird therapeutisch am ehesten ein tiefenpsychologischer Zugang versucht, die Therapieerfolge sind jedoch ungewiss.
Beim pathologischen Spielen werden sowohl verhaltenstherapeutische Therapiestrategien eingesetzt als auch tiefenpsychologische Therapieverfahren. Die
therapeutischen Erfolge einer isolierten Psychotherapie sind jedoch eher mäßig.
Mit soziotherapeutischen Maßnahmen werden die oft gravierenden sozialen
Folgen des pathologischen Spielens angegangen. Der Anschluss an eine Selbsthilfegruppe ist zu empfehlen.
Bei allen Störungen der Impulskontrolle bzw. bei nicht-stoffgebundenen Abhängigkeiten sollte durch den Einsatz von Psychopharmaka (insbesondere antidepressive Substanzen) versucht werden, die Fähigkeit zur Kontrolle von
Impulsivität zu verbessern. In erster Linie werden dazu heute selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer verwendet, aber auch Lithium-Präparate und
Carbamazepin werden in dieser Indikation eingesetzt.
Beim pathologischen Stehlen steht die
Psychotherapie im Vordergrund therapeutischer Maßnahmen.
Bei der pathologischen Brandstiftung wird
meist ein tiefenpsychologischer Zugang
versucht.
Beim pathologischen Spielen werden vorwiegend psychotherapeutische Methoden
eingesetzt. Mit Psychopharmaka kann
evtl. versucht werden, die Fähigkeit zur
Impulskontrolle zu verstärken. Der Anschluss an eine Selbsthilfegruppe ist zu
empfehlen.
4.15.5 Verlauf
4.15.5 Verlauf
Beim pathologischen Stehlen besteht eine Tendenz zur Chronifizierung. Bei der
pathologischen Brandstiftung kommt es häufig zu strafrechtlichen Sanktionen,
dabei ist jeweils die Frage der Schuldfähigkeit im speziellen Fall zu untersuchen.
Beim pathologischen Spielen ist der Verlauf wechselnd, meist aber mit einer
Tendenz zur Chronifizierung. Die Folgen sind meist gravierend. Neben den
bereits beschriebenen sozialen Konsequenzen kommt es häufig zu Abhängigkeit von psychotropen Substanzen, Suizidversuchen und Suiziden sowie zu
strafbaren Handlungen zur Geldbeschaffung.
Pathologisches Stehlen neigt zur Chronifizierung, pathologische Brandstiftung
führt oft zu strafrechtlichen Konsequenzen.
4.15.6 Weitere Formen
4.15.6 Weitere Formen
Bei der Trichotillomanie kommt es zum wiederholten Impuls, sich die Haare an
verschiedenen Körperstellen auszureißen. Personen mit dieser Störung erleben
ein zunehmendes Spannungsgefühl unmittelbar vor Ausführen der Handlung
und erreichen durch das Ausreißen der Haare ein Gefühl der Entspannung
und Befriedigung. Die Störung führt zu ungleichmäßig verteilten Arealen mit
unvollständigem Haarausfall an leicht erreichbaren Stellen, hauptsächlich an
der Kopfhaut, aber auch im Bereich von Augenbrauen, Wimpern und Bart.
Üblicherweise beginnt diese Störung in der Kindheit, es wurde jedoch auch
über Fälle mit späterem Beginn berichtet. In belastenden Situationen nimmt
die Störung zu. Die Häufigkeit ist nicht sicher bekannt.
Im DSM-IV wird außerdem die intermittierende explosible Störung beschrieben. Hierbei kommt es zu umschriebenen Episoden mit Kontrollverlust über
aggressive Impulse, die zu schweren Gewalttätigkeiten oder Zerstörung von
Eigentum führen können. Der Grad der Aggressivität während der Episoden
steht dabei in keinem Verhältnis zu irgendeinem auslösenden psychosozialen
Stressor. Zwischen den Episoden gibt es keine Zeichen allgemeiner Impulsivität
Eine weitere Form der Impulskontrollstörungen ist die Trichotillomanie. Hierbei
kommt es zum wiederholten Impuls, sich
die Haare an verschiedenen Körperstellen
auszureißen. Üblicherweise beginnt diese
Störung in der Kindheit.
Die Folgen des pathologischen Spielens
sind meist gravierend (Abhängigkeit von
psychotropen Substanzen, Suizidversuche,
strafbare Handlungen).
Bei der intermittierenden explosiblen
Störung kommt es zu umschriebenen
Episoden mit Verlust der Kontrolle über
aggressive Impulse, die zu schweren
Gewalttätigkeiten führen können. Der Grad
der Aggressivität während der Episoden
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Psychosen (z. B. manisches Syndrom, s. S. 87 ff.)
organische Syndrome (z. B. Frontallappensyndrom, Epilepsie, s. S. 172 ff.)
sexuelle Störungen (s. S. 279 ff.)
Essstörungen (s. S. 268 ff.).
Die Pyromanie muss besonders von wahnhaft motiviertem Verhalten abgegrenzt werden. Bei organisch bedingten psychischen Störungen kann das Feuerlegen evtl. aus dem krankhaften Mangel an Einsicht für die Gefährlichkeit und
die Konsequenzen erfolgen.
4 Krankheiten
steht in keinem Verhältnis zu einem
auslösenden psychosozialen Stressor. Die
Symptome treten innerhalb von Minuten
oder Stunden auf und bilden sich nahezu
ebenso schnell zurück.
oder Aggressivität. Die Symptome treten nach Angaben der Betroffenen innerhalb von Minuten oder Stunden auf und bilden sich unabhängig von der
Dauer der Störung nahezu ebenso schnell zurück. Echte Reue oder Selbstvorwürfe über die Konsequenzen der Handlung und die Unfähigkeit, die aggressiven Impulse zu kontrollieren, können einer Episode folgen. Bevor die Diagnose
gestellt werden kann, müssen andere Störungen mit ähnlicher Symptomatik
ausgeschlossen werden. Es ist umstritten, ob diese Störung ein eigenständiges
Krankheitsbild darstellt.
Als Poriomanie wird eine Impulsstörung bezeichnet, bei der es zu einem offensichtlich unbegründeten, ziellosen und dranghaften Weglaufen kommt. Diese
Störung kommt gehäuft im Jugendalter vor.
Parallelen zum pathologischen Spielen weist die Internet-Sucht (Online-Sucht)
auf (Abb. 4.128). Wie bei anderen Impulskontrollstörungen und bei Suchterkrankungen kann es dabei zu Symptomen wie Kontrollverlust, Entzugserscheinungen, sozialer Isolation bis hin zu großer finanzieller Verschuldung
und Verlust des Arbeitsplatzes kommen. Es werden zunehmend mehr Fälle
beschrieben, bei denen der gesamte Alltag durch den Computer bzw. das Surfen
im Internet geprägt wird. Zuverlässige Angaben zur Häufigkeit dieses Phänomens liegen bis jetzt noch nicht vor. In einer größeren Studie waren allerdings
bei fast 5 % der Befragten Internet-User Sucht-Kriterien erfüllt.
Störungen der Impulskontrolle können als wesentliche Symptome auch bei den
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) beobachtet werden.
Diese Störungen, die zu den häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und
Jugendalter gehören, können unter einem Symptomwandel bis in das Erwachsenenalter persistieren und werden inzwischen als klinisch eigenständiges
Krankheitsbild betrachtet.
Die Poriomanie ist durch impulshaftes
Weglaufen gekennzeichnet.
Auch bei der Internet-Sucht (Online-Sucht)
kommt es zu Kontrollverlust, Entzugserscheinungen, sozialer Isolierung und
finanzieller Verschuldung (Abb. 4.128). Die
Häufigkeit dieser Problematik ist nicht
sicher bekannt.
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) gehen oft ebenfalls
mit Störungen der Impulskontrolle einher.
Sie stellen aber ein eigenständiges Krankheitsbild dar.
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Internetsurfen kann wie eine Droge wirken
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Aus H.-J. Möller, G. Laux, A. Deister: Duale Reihe Psychiatrie u. Psychotherapie (ISBN 3-13-128543-5) © Georg Thieme Verlag Stuttgart 2005
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