Soziale Phobien Seminar: Verhaltenstherapie bei Angststörungen Seminarleitung: Frau Dipl. Psych. Kuhn Referentinnen: Wera Otto und Kathia Korluß Datum: 03.12.2007 Gliederung Klassifikation nach ICD-10 Zentrale Merkmale Sozialer Phobien Symptomatik Fallbeispiel Diagnostische Hilfsmittel Epidemiologie Komorbidität Kognitive Theorien Verhaltensanalyse Die 5 Therapiephasen Klassifikation nach ICD-10 • F40.1 Soziale Phobien Furcht vor prüfender Betrachtung durch andere Menschen, die zu Vermeidung sozialer Situationen führt. Umfassendere soziale Phobien sind in der Regel mit niedrigem Selbstwertgefühl und Furcht vor Kritik verbunden. Sie können sich in Beschwerden wie Erröten, Händezittern, Übelkeit oder Drang zum Wasserlassen äußern. Dabei meint die betreffende Person manchmal, dass eine dieser sekundären Manifestationen der Angst das primäre Problem darstellt. Die Symptome können sich bis zu Panikattacken steigern. Zentrale Merkmale Sozialer Phobien Erwartung, dass das eigene Verhalten oder körperliche Symptome von anderen Menschen als peinlich bewertet werden Gefühle von Angst und Scham, körperliche Anspannung und starke Vermeidung von Situationen, in denen eine Konfrontation mit dieser negativen Bewertung möglich ist Betrifft sowohl Leistungssituationen als auch Interaktionssituationen Fallbeispiel 35-jährige Studentin der Kunstgeschichte mit generalisierter Sozialer Phobie Diagnostische Hilfsmittel 1.)Wichtige Psychometrische Instrumente Soziale Interaktions-Angst-Skala (SIAS) Soziale Phobie-Skala (SPS) Social Phobia and Anxiety Inventory (SPAI) Social Phobia Inventory (SPIN) Liebowitz-Soziale-Angst-Skala (LSAS) 2.) Fragebögen zur Erfassung zentraler Aspekte des kognitiven Modells Fragebogen zu sozialphobischem Verhalten (SPV) Fragebogen sozialphobischer Einstellungen (SPE) Fragebogen zu sozialphobischen Kognitionen (SPK) Epidemiologie Lebenszeitprävalenz: 13,3 % Jahresprävalenzrate: 7,9 % Dritthäufigste psychische Störung nach Alkoholabhängigkeit und Depression 40 % Generalisierter Subtyp, 36 % Redeangst und 24 % andere, nicht generalisierte Soziale Phobie Frauen erkranken 1,4 mal häufiger als Männer Beginn in 75 % der Fälle vor dem 16. Lebensjahr, meist chronischer Verlauf (durchschnittlich 20 Jahre) Ungünstige Faktoren: niedriges Bildungsniveau, früher Beginn und Komorbidität Komorbidität 100 80 60 40 20 0 % Major Depression Panikstörung Spezifische Phobien PTB Alkoholabhängigkeit Drogenabhängigkeit Dysthymie Agoraphobie Generalisierte Angststörung Alkoholabusus Drogenmissbrauch Gesamtkomorbidität Kognitive Theorien Das kognitive Modell von Beck: Grundüberzeugung, z. B. „Ich bin ein Versager!“ Konditionierte Annahme, z. B. „Wenn ich keine perfekte Präsentation zeige, wird dies als Schwäche angesehen!“ (aktuelle) Situation, z. B. Vorbereitung auf öffentliche Rede Negative Gedanken, z. B. „Ich werde stammeln, andere werden mich für einen Trottel halten!“ Emotion, z. B. Angst/Scham Physiologie, z. B. Angstsymptome Verhalten, z. B. Flucht/Vermeidung Kognitive Theorien Das Kognitive Modell nach Clark und Wells Situation Frühe Erfahrung Gedanken Selbstfokussierung der Aufmerksamkeit/kognitive Repräsentation des Selbst Sicherheitsverhalten Angstsymptome Kognitive Theorien Vulnerabilitäts-Stress-Modell Psychologische Vulnerabilitäten: Grundüberzeugung -en, Kompetenzdefizite, Bindungsstil, Perfektionismus Auslösende Faktoren: kritische Lebensereignisse, erhöhte soziale Anforderung, soziale Traumata Soziale Phobie Aufrechterhaltende Faktoren: kognitive Verzerrungen, erhöhte Selbstaufmerksamkeit, Sicherheitsverhalten, Vermeidungsverhalten Biologische Vulnerabilitäten: AmygdalaDysfunktion, Neurotransmitter, behavioral inhibition, preparedness Verhaltensanalyse Analyse der auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen S O E R1 R2 C Essen mit Kollegen in feinem Lokal Evtl. genetische Disposition für Angst Perfektionismus, rigide Erwartungen Emotorisch: Angst, Unsicherheit Physisch: Herzklopfen, Schwitzen, Übelkeit Kognitiv: „ Ich werde unkontrolliert zittern“ Motorisch: Unruhe Vermeidung, Sicherheitsverhalten C-K: Entlastung durch Rückzug C+K: Zuwendung der Ehefrau C-L: Berufliche Schwierigkeiten, Benzodiazepinabhängigkeit... Grundlegende Behandlungsprinzipien Therapiephase Therapieziel Ableitung eines individuellen Erklärungsmodells Motivation zur Behandlung Kognitive Vorbereitung auf Exposition Korrektur fehlerhafter Bearbeitungsprozesse in sozialen Situationen Exposition in vivo/ Verhaltensexperimente Aufsuchen vermiedener Situationen und Herbeiführen korrigierender Erfahrungen Kognitive Umstrukturierung Veränderung dysfunktionaler Gedanken und Grundüberzeugungen Rückfallprävention Zusammenfassung von Erklärungsmodellen und kognitiven Veränderungsstrategien Phase I: Eingangsdiagnostik und Modellableitung 1. 2. 3. 4. Ablauf eines Erstgesprächs: Tagesordnung Exploration Information Zusammenfassung Phase I: Eingangsdiagnostik und Modellableitung 1. 2. 3. 4. Schema für die Ableitung des kognitiven Modells Schritt: Exploration negativer Gedanken Schritt: Exploration der Angstsymptome Schritt: Exploration von Sicherheitsverhalten Schritt: Exploration von erhöhter Selbstaufmerksamkeit und selbstbezogenen Gedanken/Gefühlen/Bildern 5. Schritt: Exploration der Auswirkung von Sicherheitsverhalten/ Veränderung der Selbstaufmerksamkeit 6. Schritt: Exploration des Einflusses von Angstsymptomen auf die Inhalte der Selbstaufmerksamkeit Erklärungsmodell für einen Patienten mit der Angst vor übermäßigem Schwitzen Situation: Arbeitssitzung Gedanken: „Ich könnte anfangen zu schwitzen, ich könnte negativ auffallen“ Selbstaufmerksamkeit/selbstbezogenes Vorstellungsbild: Patient sieht sich schweißüberströmt da stehen, wie alle ihn anstarren und sich zuraunen: „Wie schlecht er aussieht!“ Sicherheitsverhalten: „Unauffällig“ wirken, Jackett ausziehen, auf Toilette gehen („abregen“) Angstsymptome: Schwitzen, körperliche Erregung, Konzentrationsprobleme Phase II: Kognitive Vorbereitung auf Exposition (VETS-Formel) 1.) Verhaltensexperiment zur Selbstaufmerksamkeit und Sicherheitsverhalten Vorbereitung: Operationalisierung der Modellkomponenten und Rationale Auswahl der Situation (Angstreaktion mittlerer Intensität), Dimensionen (Selbstaufmerksamkeit, Sicherheitsverhalten, Angst bzw. Anspannung, Angstsymptome, soziales Erscheinungsbild) 2.) Exposition: Aktivierung der Angstreaktion im Rollenspiel 3.) Test: Erfassung der Modellkomponenten Nach jedem Rollenspiel werden die ausgewählten Dimensionen vom Patienten eingeschätzt (11-stufige Skala) 4.) Schlussfolgerung: Auswertung und Bewertung der Ergebnisse Phase III: Exposition in vivo und Verhaltensexperimente Vorbereitung: Bildung einer Angsthierarchie (etwa LiebowitzSoziale Angst-Skala) und Operationalisierung der Erwartungen (Definition der befürchteten Konsequenzen) Exposition in vivo Erfassung der operationalisierten Erwartungen (Test) Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen im Sinne eines Geleiteten Entdeckens regt der Therapeut den Patienten dazu an, die Diskrepanz zwischen Erwartungen und Ergebnis zu erklären Phase III: Exposition in vivo und Verhaltensexperimente Umfragen: Verbale Rückmeldung über die Bewertung anderer Personen, Durchführung bei 10 bis 15 Personen Beispiel: Umfrage zu Stottern: 1.) Warum stottern Personen? 2.) Was würden Sie über jemanden denken, der stottert? 3.) Würden Sie schlecht von jemandem denken, der stottert? Hausaufgaben Phase IV: Verbale Überprüfung negativer Kognitionen Verbale Strategien um angemessene Sichtweisen zu erarbeiten: Geleitetes Entdecken und Gesprächsführung („Sokratischer Dialog“) Antizipatorische und nachträgliche Verarbeitung: Erwartungsangst, nachträgliche Umberwertung Zentraler Behandlungsfokus: Modifikation antizipatorischer und nachträglicher Verarbeitung Beschäftigung des Patienten mit einer aufmerksamkeitsbindenden, interferierenden Aufgabe und Einsatz von Überprüfungsstrategien Phase IV: Verbale Überprüfung negativer Kognitionen Identifikation und Modifikation negativer automatischer Gedanken Sammeln von Anhaltspunkten für die Gedanken Infragestellung/ Betrachtung ihrer Güte Sammeln von Gegenargumenten, Gedankentagebuch, Kosten-Nutzen-Analyse, Tortendiagramm Beantwortung/ angemessene Formulierung Aktuelle Therapieziele werden gemeinsam erarbeitet unter Bezugnahme auf das kognitive Modell Räumlichkeiten Essen und Trinken Andere Gäste Gastgeber Stimmung des Gastes Phase IV: Verbale Überprüfung negativer Kognitionen Identifikation und Bearbeitung von Grundannahmen und niedrigem Selbstwertgefühl Häufig beruht ein niedriges Selbstwertgefühl auf dysfunktionalen Schemata Identifikation von Grundüberzeugungen mitttels der Pfeilabwärts-Technik: Phase IV: Verbale Überprüfung negativer Kognitionen Zur Modifikation von Grundannahmen eignet sich aufgrund deren Polarisierung die Bildung von Kontinua sowie die Arbeit mit Profilvergleichen Vorurteilsmetapher Positiv-Tagebuch und historische Überprüfung Imaginationstechniken und dyadische Rollenspiele Phase V: Therapieabschluss und Rückfallprophylaxe Ergebnisevaluation Bilanzierung „Blaupause“ Rückfallprophylaxe Vereinbarung von Auffrischungssitzungen Quellenangaben Stangier, Heidenreich und Peitz (2003). Soziale Phobien-Ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsmanual. Beltz Verlag. Bilder: http://www.labbe.de, www.hunde-psyche.de