Förderung der psychischen Gesundheit und Prävention depressiver Erkrankungen Warum beschäftigen wir uns (gegenwärtig besonders) mit Prävention ? Vorlesung 26.06.09 Dr. Anke Bramesfeld, MPH 1 Prävention als Antwort auf zentrale Herausforderungen unserer Gesellschaft Prävention 2 Gesundheitsförderung und Primärprävention Schnittmenge Gesundheitsförderung Ku ra tio n Krankheitsunspezifisch Ressourcenförderung Ziel: mehr Gesundheit 3 Primärprävention Krankheitsspezifisch Ressourcenförderung Ziel: senken der Inzidenz 4 Sekundärprävention, Versorgung, Tertiärprävention Prävention psychischer Erkrankungen Awareness, „Wissen in der Bevölkerung“ Sekundärprävention Versorgung Früherkennung Ziel: Senken der Prävalenz und Erkrankungsschwere Tertiärprävention Rehabilitation Ziel: Senken der Prävalenz und Rezidivrate und Folgeerkrankungen 5 6 Ansätze für Präventionsprogramme Wo kann Prävention ansetzen? Gesamte Population vs. Zielgruppe = universelle Prävention ohne Symptome = selektive Prävention erste Symptome = indizierte Prävention Person vs. Umwelt = Verhaltensprävention 7 Räumliche, soziale, gesetzliche, kulturelle Umwelt = Verhältnisprävention 8 Aufbau von Präventionskampagnen Ziele von Präventionsprogrammen Risikofaktoren Unspezifisch: allgemeine Verbesserung der biopsychosozialen Lebensbedingungen indizierte Gesellschaftliche Ebene/System Ebene (Verhältnisprävention) selektive Spezifisch: Verhinderung spezieller psychischer Störungen universelle Individuelle Ebene (Verhaltens -prävention) Individuelle Ebene (Verhaltens -prävention) Individuelle Ebene (Verhaltens -prävention) 9 Prevention wann macht es Sinn? 10 Jahre mit Behinderung gelebt (weltweit, 15-44 Jährige) Problem mit relativ hohen Bevölkerungseinfluss Es existieren Riskofaktoren, die beeinflussbar sind Es gibt effektive Interventionen Gilt das auch für psychische Erkrankungen? 11 1. Depression 16,4% 11. Panik Erkrankungen 2,2% 2. Alkoholerkrankung 5,5 % 12. Schwangerschafts-Kompl. 2,1% Schizophrenie 4,9 % 13. Chlamydien 2,0% 3. Eisenmangel Anämie 4,9% 14. Synkopen 1,9% 4. Bipolare Erkrankung 4,7% 15. Asthma 1,9% 5. Schwerhörigkeit 3,8 % 16. Drogen Missbrauch 1,8% 6. HIV/AIDS 2,8% 17. Schwangersch. Abbruch 1,6% 7. COLD 2,4% 18. Migräne 1,6% 8. Osteoarthritis 2,3% 19. Zwangserkrankung 1,4% 9. Straßenverkehrsunfälle 2,3 % 20. Schwangerschafts- Sepsis 1,2% WHO, 2001 12 12-Monats-Prävalenz (%) depressiver Störungen im Bundesgesundheitssurvey (BGS) 98/99, Erwachsene 18-65 Jahre Psychische Störungen haben Folgen für die Arbeitsfähigkeit Major Depression (MD) MD einzelne Episode rezidivierend MD dysthyme Störung Gesamt 10,9 8,3 4,3 4,0 4,5 Frauen 14,2 11,2 iv id 5,1 z Re 6,1 ch ro n ru ng e % 50 5,5 D ep r. St ö 7,6 = 3,4 5,8 2,0 3,2 40 % Männer D M ni s ch irgendeine depressive Störung Wittchen und Jacobi, Volkskrankheit Depression? Springer 13 2006 DAK Gesundheitsreport 2005 14 Vulnerabilitäts-Stress Modell Stressoren Gibt es Risikofaltoren für Depression, die beeinflussbar sind? Protektive Faktoren Biologische Vorraussetzungen „Vulnerabilität“ Depression 15 16 Ca. 50 % depressiver Patienten leiden an einer zusätzlichen somatischen Störung 50 % psychische Komorbidität Depression + Dysthymia (Double Depression) Manie/Hypomanie Angst Störungen ADHS PTBS Zwangserkrankung Sucht (Alkohol) Herzerkrankungen Diabetes Mellitus Neurologische Erkrankungen Tumore Schmerzen Korrelation Einschränkungen in der Mobilität: größter Vorhersagewert für eine Depression im Alter (Prince et al 1998) Gastpar 2006 Lederbogen, Volkskrankheit Depression? Springer 2006 17 18 Risikofaktor für Depression: Arbeitsstatus und Elternschaft 5 Depression: Multikausal viele Risikofaktoren * Odds ratio 4 3 2 * Vollzeit Teilzeit arbeitslos nicht erwerbstätig * 1 18-49 Jährige 0 Eltern kinderlos Daten BGS, Helbig et al192006 Was tun? • Ansatz auf mehreren Ebenen • Fokus auf spezifische Risikogruppen 20 Gibt es effektive Interventionen? 21 Programme zur Reduktion der Neuerkrankungsrate psychischer Störungen 22 Effektivität von Prävention Meta-Analyse (Cuijpers et al. 2005)* RR 10 95%CI All studies: –27% Depression PTBS AN depression: –28% P Alle debriefing: +33% 1 CBT: –31% 0,1 -40 -30 -20 -10 0 10 20 30 40 % Chance of getting a disorder 0,01 13 Studien mit 16 Programmen, n=1570, (1980-2002) Risikoreduktion insgesamt: RR 0.73 (95%CI 0.56-0.95) CBT=cognitive behaviour therapy In: Cuijpers et al., Journal of Nervous and Mental Disease, 2005 23 24 Bedingungen effektiver VerhaltensPrävention Klar definierte Interventionen Kognitiv-verhaltenstherapeutisch Kooperation von Professionellen und Laien Mindestens 8 Sitzungen Sitzungen von 60-90 Minuten Dauer Kampagnen: Größte Effekte bei Kombination aus universellen, selektiven und indizierter Prävention (Kampagnen) Kampagnen: Nicht nur eine Krankheit im Focus, sondern mehrere: Common Mental Disease Jané-Llopis et al 2005, Cuijpers 2003 Modelle Prävention depressiver Erkrankungen 25 Beispiel: Gesundheitsförderung, universelle Stru Prävention, Setting Arbeitsplatz kt u rell e EU-Arbeitsplatzverordnung: Inte rve Prävention psychischer Störungen bei Polizisten ntio n Regelhafte Arbeitsplatzevaluation hinsichtlich psychischer Erkrankung (Verhältnisprävention) Problematische Arbeitsbedingungen u.a.: 26 Lärm, Unter-, Über-, Fehlbeanspruchung, Monotonie, Geringer Kontakt zu Kollegen, Unsichere Verträge, Geringer Einfluss auf Arbeitsablauf, Geringe Anerkennung. „Operationale“ Stressoren: Gewallt, gefährliche Situation Organisationsbezogene Stressoren: Schichtdienst, lange Zeiten der Inaktivität, plötzliche Hyperaktivität, mangelnde Unterstützung, geringe Bezahlung.. Review: 10 Studien Alle reduzierten psychische Symptomatik 27 Keine verhinderte Depression 28 Beispiel Intervention nach ischämischem Sel ekt Hirninfarkt ive Prävention bei Kinder und Jugendlichen Prä Erhöhtes Risiko für Depression nachventio n ischämischen Hirninfarkt Depression: schwache Schulleistung, sozialer Dysfunktionalität, Substanzmissbrauch, Suizid Review: 14 Studien, 1515 Probanden 10 Studien: Antidepressiva 4 Studien: Psychotherapie - + Hackett, ML et al.: Interventions for preventing depression 29 after stroke, The Cochrane Collaboration, 2009 Beispiel universelle Prävention: Mind Matters uni ver sell e Prä ven 30 Beispiel selektive und indizierte Sel Prävention: e ive Prävention von Depression beiktKindern u Prä nd in depressiver Eltern ven dizie tion tion rte Clarke et al., Arch Gen Psychiatry (2001) Sample: 3-18jährige mit leichter depressiver Symptomatik (subthreshold), deren Eltern im letzten Jahr wegen einer Depression behandelt wurden (HMO) Design: RCT (KG n=49/ IG n=45) Intervention: 15 Stunden kognitiv-behaviorales Gruppenprogramm Outcome: Major Depression nach 15 Monaten Ergebnis: 31 Kontrollgruppe: 28,8 % Interventionsgruppe: 9,3% 32 Indizierte Prävention: Psychoeduktive Inmit d erhöhter Interventionen mit Menschen Prä izierte ven depr. Symptomatik tion “Coping with Depression” Kursus Beispiel Versorgung Evidenz basiert Gruppenintervention Verhaltenstherapeutisch 10 Sitzungen Versorgung effektivste Intervention zur Verringerung des Burden of Disease Modellrechnungen: Effektive Depressionsversorgung kann Burden of Disease um maximal 60 % verringern (Andrews er al 2006) Gute Versorgung ist auch gute Primärprävention: Effektive Behandlung von z.B. Angst, Schmerz, Zwang präveniert Depression Effektive Versorgung von Bewegungseinschränkungen präveniert Depression (Prince et al 200) 33 Prävention psychischer Erkrankungen: Setting Arztzimmer 34 Fazit: Prävention psychischer Störungen ist möglich Information, Psychoedukation Kinder psychisch kranker Eltern Effektive Therapie von Angsterkrankungen und Schmerzerkrankungen Früherkennen von Menschen unter Risiko ........wenig rezipiert ........kaum umgesetzt Selber gesund bleiben! Gesunde Arbeitsbedingungen! 35 36 Ist die Bevölkerung aufgeschlossen? Was kann der Einzelne Tun? Repräsentativerhebung zu Vorstellungen der deutschen Allgemeinbevölkerung zur Prävention von Depressionen (n=1016) Was kann man Ihrer Meinung nach tun, um einer Depression vorzubeugen? (offene Frage, Mehrfachantworten möglich) TOP 4, n=760 Soziale Kontakte Kann man Ihrer Meinung nach etwas gegen das Auftreten einer Depression tun? („sich nicht verkriechen“, feste Freundschaften, gesichertes positives soziales Umfeld, Familie) Gesundes Leben (Sport, frische Luft, gesunde Ernährung) 20% Haltungen & Einstellung verändern nein (Selbstbewusstsein stärken, positiv Denken) 75% Regelmäßige Arztbesuche ja 0 10 20 30 40 37 Was kann die Gesellschaft tun? Empfehlung oder Ablehnung folgender Maßnahmen, n=760 Empfehlung 85,1 (West: 82,9/Ost: 94,1) 84,2 (West: 82,5/Ost: 91,0) 80,2 % 100 80 60 ja Arbeit für jedermann nein 30 Aufklärungskampagnen 20 20 Ganztagsbetreuung von Kindern (West: 52,2 /Ost: 58,2) 40 40 Finanzielle Grundsicherung (West: 55,2 /Ost:71,2) 53,4 Würden Sie etwas tun? 50 Investition in Bildung (West: 66,3/Ost: 61,7) 58,3 38 Würden Sie an einem Programm zur Prävention von Depressionen Teilnehmen, wenn dies z. Bsp. von ihrer Krankenkasse angeboten würde? n=760 60 Ablehnung (West: 77,9/Ost: 89,5) 65,4 50 % Nachbarschaftstreffs 0 0 10 100 % 0 39 40 Würden Sie bezahlen? Wären Sie bereit für dieses Programm Geld zu zahlen? n=410 Wenn ja, wie viel pro Kurs? n=231 % 35 30 nein ja 25 20 15 10 5 0 bis zu 10€ 20€ 50€ 100€ 100+€ 41