PHARMAZIE UND MEDIZIN PHARMACIE ET MÉDECINE Wichtige Indikationen der Antidepressiva und ihre Dosierung Antide A K A Forum Täglich werden wir in der Offizin Christina Ruob mit Verordnungen von AntidepresFuchs, Marianne Beutler siva konfrontiert. Sind wir uns dabei bewusst, dass Antidepressiva neben ihrer Wirkung gegen Depressionen auch für eine Reihe weiterer Indikationen nützlich sind? Dieser Artikel gibt eine Übersicht über die aktuellen Einsatzmöglichkeiten der Antidepressiva. Ausser gegen Depressionen dienen Antidepressiva – vorwiegend als adjuvante Therapie – auch zur Behandlung von verschiedenen anderen psychischen Erkrankungen sowie von Krankheiten, an deren Symptomatik Veränderungen im ZNS beteiligt sind oder vermutet werden. Im Folgenden werden solche Erkrankungen und ihre Behandlung kurz dargestellt und die Anwendungsmöglichkeiten der Antidepressiva detailliert beschrieben (vgl. auch Kasten Anwendungsmöglichkeiten von Antidepressiva Angststörungen Panikstörung Soziale Phobie Generalisierte Angststörung Spezifische Phobien Zwangsstörungen Posttraumatische Belastungsstörungen Essstörungen Anorexia nervosa, Bulimie, Binge eating disorder Prämenstruelles dysphorisches Syndrom Chronische Schmerzen Polyneuropathie Postherpetische Neuralgie Migräne Chronische Spannungskopfschmerzen Reizdarmsyndrom Aufmerksamkeitsdefizit–Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Tabelle). Dabei unterscheiden wir zwischen in der Schweiz zugelassenen Indikationen sowie Dosierungen und Verwendungsmöglichkeiten, die zwar in der Literatur beschrieben, aber im Arzneimittelkompendium nicht aufgeführt, also von der Swissmedic nicht zugelassen sind. Wenn immer möglich sollten diejenigen Antidepressiva Verwendung finden, die in der Schweiz für die zu behandelnde Krankheit zugelassen sind. Ein Off–Label–Use (Einsatz eines nicht zugelassenen Arzneimittels oder in einer nicht zugelassenen Indikation) ist vom Gesetz her möglich, aber der verschreibende Arzt trägt dabei die volle Verantwortung für die Therapie. Angststörungen Etwa 15 bis 20 Prozent der Menschen leiden irgendwann unter einer Angststörung. Durch eine fachgerechte Behandlung lassen sich die Ängste in der Regel günstig beeinflussen und komorboide Störungen wie Depressionen und Suchterkrankungen können verhindert werden. Viele Patienten brauchen keine medikamentöse Behandlung. In leich- Journal suisse de pharmacie, 3/2006 60168_SAZ_3_s_076_081 76 ten Fällen kann eine Aufklärung über Ursachen und Wesen der Angst oder die Umstellung der Lebensweise (z. B. Reduktion von Stress) zum Ziel führen. Psychotherapeutische Massnahmen – in erster Linie verhaltenstherapeutische Methoden – können alleine oder in Kombination mit pharmakotherapeutischen Massnahmen mit grossem Erfolg eingesetzt werden. Bei der medikamentösen Therapie sind die Benzodiazepine die bekanntesten und am häufigsten eingesetzten angstlösenden Substanzen. Alle Benzodiazepine sind bereits in niedriger Dosierung anxiolytisch wirksam. Wegen ihrer Nebenwirkungen wie Tagessedation, Gleichgültigkeit, Muskelschwäche und des Risikos einer Abhängigkeit sollten sie nur zur Behandlung der akuten Angst, also kurzfristig, eingesetzt werden. Bevorzugt zur mittel- bis langfristigen Behandlung der Angst werden Antidepressiva eingesetzt, da sich in den letzten Jahren gezeigt hat, dass verschiedene Antidepressiva auch ein gutes anxiolytisches Wirkpotenzial entfalten. Diese angstlösende Eigenschaft lässt sich nicht auf die sedierende Eigenschaft einiger An- 76 27.1.2006 6:25:29 Uhr PHARMAZIE UND MEDIZIN PHARMACIE ET MÉDECINE tidepressiva zurückführen, da auch nicht sedierende Antidepressiva wirksam sind. Ferner ist die Wirkung nicht von einer gleichzeitig vorhandenen Depression abhängig. Die verwendeten Dosierungen bewegen sich bei den Angststörungen in einem ähnlichen Rahmen wie bei der Depression. Die Wirkung setzt mit einer Latenz von 2 bis 4 Wochen ein. Ein Erfolg der Behandlung ist nach 8 Wochen Behandlung erst bei 40 bis 50 Prozent der Patienten erreicht, die Ansprechrate steigt nach längerer Therapie. Nach einer erfolgreichen Akutbehandlung soll eine 12- bis 24-monatige Erhaltungstherapie angeschlossen werden, die über 4 bis 6 Monate ausgeschlichen wird [1,2]. Betroffene der sozialen Phobie fürchten sich vor Situationen, in denen sie im Mittelpunkt stehen. Sie haben Angst, etwas zu sagen oder zu tun, was demütigend oder peinlich sein könnte. In den gefürchteten Situationen können alle psychischen, körperlichen und vegetativen Symptome der Angst einschliesslich Panikattacken auftreten. Die Vermeidung angstauslösender Situationen führt oft zu Behinderungen im Alltag bis hin zur sozialen Isolierung. Die soziale Phobie tritt mit einer Prävalenz von 13 Prozent auf und ist in der Regel mit Schüchternheit, niedrigem Selbstwertgefühl und Furcht vor Kritik verbunden. Als Ursache wird eine Störung der noradrenergen, der serotonergen und eventuell der dopaminergen Aktivität vermutet. Panikstörung Die Wirksamkeit einer Kombinationsbehandlung von Verhaltens- und Psychopharmakotherapie ist am besten belegt. Aufgrund der guten Verträglichkeit sind die SSRI (selective serotonine reuptake inhibitors) Sertralin, Paroxetin, Citalopram, Fluoxetin und Fluvoxamin Substanzen der ersten Wahl [3], wobei für diese Bei der Panikstörung, die mit einer Indikation in der Prävalenz von 2 bis 3 Prozent aufSchweiz nur Sertritt, kommt es zu wiederkehrenden, tralin, Paroxetin unerwarteten und nicht durch äusseund Citalopram re Umstände ausgelösten Panikattazugelassen sind. cken. Meist erreichen sie innerhalb Für den spezifivon 1 bis 3 Minuten ihr Maximum schen Serotoninund klingen in der Regel nach 10 bis und Noradrena30 Minuten ab. Typisch ist der plötzlin-Wiederaufnahliche Beginn von vegetativen Sympto- mehemmer Venlafaxin ist die Zulassung beantragt. Die trizyklischen Antidepressiva Imipramin und Clomipramin sind wirksam, werden aber wegen ihrer Nebenwirkungen seltener verordnet [2,3]. Der Eintritt der Wirksamkeit kann bei dieser Erkrankung länger dauern (typischerweise zwischen 4 und 6 Wochen) [3], und die Bilder: PhotoCase.com men wie Tachykardie, Brustschmerz, Hitzewallungen, Zittern und Hyperventilation. Es gibt Anzeichen dafür, dass bei Patienten mit einer Panikstörung die serotonerge Aktivität verringert ist, während die noradrenerge Aktivität erhöht ist. 77 60168_SAZ_3_s_076_081 77 für die Behandlung der Panikstörung nötigen Dosierungen sind höher als bei der Depression [3]. Soziale Phobie Die Wirkung der SSRI (insbesondere Paroxetin und Sertralin) und des reversiblen MAO-Hemmers Moclobemid sind gut belegt, die Trizyklika sind wenig wirksam [2]. Ferner kann Venlafaxin bei dieser Indikation eingesetzt werden [15]. Wegen des meist nur partiellen Ansprechens wird grundsätzlich versucht, auch den oberen Dosisbereich auszutesten. Neben der Pharmakotherapie wird eine Verhaltenstherapie angewendet. Generalisierte Angststörung Benzodiazepine haben sich als effektiv in der Behandlung der generalisierten Angststörung erwiesen. Wegen ihrer unerwünschten Wirkungen werden sie Die generalisierte Angststörung tritt mit einer Prävalenz von bis zu 8 Prozent auf. Sie besteht aus einer andauernden Angstsymptomatik über mindestens 6 Monate. Den Betroffenen quälen anhaltende, im Ausmass übertriebene Befürchtungen, die sich auf alles beziehen können. Dabei ist ihnen das übertriebene Ausmass der Ängste und Befürchtungen durchaus bewusst, wodurch die Sorgen selbst zum Gegenstand der Besorgnis werden. Die anhaltende Symptomatik verhindert eine Entspannung, was zu Konzentrationsstörungen, Nervosität, Reizbarkeit, Schlafstörungen, Muskelverspannungen und Kopfschmerzen führt. Die vegetative Übererregbarkeit zeigt sich unter anderem in Schwindel, Schwitzen, Hitzewallungen und Tachykardie. Üblicherweise wird diese Erkrankung von einer Depression begleitet. Es wird vermutet, dass Abnormalitäten im Benzodiazepin–GABA–Rezeptor Komplex zur Störung beitragen. Schweizer Apothekerzeitung, 3/2006 27.1.2006 6:25:40 Uhr PHARMAZIE UND MEDIZIN PHARMACIE ET MÉDECINE aber heute durch Buspiron (15–60mg/ Tag), Paroxetin und Venlafaxin ersetzt [1,2]. Zusätzlich wird die Störung psychotherapeutisch behandelt. Spezifische Phobien Spezifische Phobien sind die Domäne der Verhaltenstherapie. Am wirkungsvollsten ist ein Expositionstraining kombiniert mit Entspannungsverfahren. Es werden allenfalls kurzfristig Betablocker oder Benzodiazepine eingesetzt [2]. Spezifische Phobien gehören mit einer Prävalenz von bis zu 11 Prozent zu den häufigsten Angsterkrankungen. Dabei wird Angst ausschliesslich oder überwiegend durch eindeutig definierte, im Allgemeinen ungefährliche Situationen oder Objekte hervorgerufen. Sie sind durch Erwartungsangst und Vermeidungsverhalten gekennzeichnet. Obwohl den Betroffenen bewusst ist, dass ihre Angst übertrieben ist, können sie diese nicht unterdrücken. Zwangsstörungen Antidepressiva haben nur einen geringen Einfluss auf die Symptome. Verhaltenstherapeutische Methoden zeigen einen besseren Effekt. In der Praxis werden die beiden Methoden häufig kombiniert. Nur die vorwiegend serotonerg wirksamen Antidepressiva, die SSRI (Fluoxetin, Fluvoxamin, Sertralin, Paroxetin, Citalopram) und Clomipramin haben sich bewährt [4], wobei Fluoxetin in der Schweiz für die Therapie der Zwangsstörung nicht zugelassen ist. Die Therapie muss über 10 bis 12 Wochen mit der maximal tolerierten Dosis durchgeführt werden, um einen Effekt zu erzielen [1,4]. Über die Hälfte der Menschen machen im Verlauf des Lebens mindestens einmal eine traumatische Erfahrung durch. Etwa 25 Prozent davon entwickeln eine posttraumatische Belastungsstörung, die Hälfte davon erholt sich ohne spezielle Therapie. Die posttraumatische Belastungsstörung ist eine verzögerte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine aussergewöhnliche Bedrohung. Oft treten die Reaktionen erst Monate bis Jahre nach dem Ereignis auf. Dabei kommt es unter anderem zu Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen, Flashbacks, Depressionen, Angstzuständen, Vermeidungsverhalten oder erhöhter Schreckhaftigkeit. derlich [1]. Dabei kommen in erster Linie die SSRI Sertralin, Paroxetin und Fluoxetin zum Zuge. Erste Hinweise auf eine Wirksamkeit werden nach 4 Wochen Therapie erzielt, der vollständige Effekt kann aber auch erst nach 6 bis 8 Wochen auftreten [5]. Fluoxetin ist in der Schweiz für die Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung nicht zugelassen. Essstörungen Bei Essstörungen ist die Therapie der ersten Wahl die Psychotherapie [6]. Ergänzend haben bei der Bulimia nervosa die Antidepressiva einen festen Platz in der Behandlung. Die Essanfälle nehmen zwischen 40 und 90 Prozent ab. Es wird eine direkte antibulimische Wirkung der antidepressiven Substanz angenommen, da ein Effekt häufig bereits nach einer Woche eintritt. Zudem kommt es auch bei Patienten ohne depressive Symptomatik zu einer signifikanten Reduktion der bulimischen AtEs werden zwei Formen von Essstörungen unterschieden: Anorexia nervosa, mit beabsichtigtem, selbst herbeigeführtem Gewichtsverlust, und die Bulimia nervosa, bei der exzessive, meist hochkalorische Nahrungsmengen in kurzer Zeit zugeführt (Essanfall) und anschliessend Massnahmen ergriffen werden, um das Körpergewicht in einem (sub)normalen Rahmen zu halten. Die zentralen Symptome bei beiden Störungen sind das abnormale Essverhalten und eine alles beherrschende Angst vor dem Dickwerden. Dabei unterliegen die Patienten meistens einer falschen Wahrnehmung ihres Körpers, dessen Umfang sie in der Regel überschätzen. Sie entwickeln strenge Essensregeln und –rituale. Die Störungen treten vorrangig bei Frauen (90 bis 95 Prozent) in der Adoleszenz und im jungen Erwachsenenalter auf. Die Prävalenz der Anorexia nervosa liegt in dieser Risikogruppe bei 0,5 bis 1 Prozent, die der Bulimie bei 1 bis 3 Prozent. Für das Binge eating disorder typisch sind subjektiv unkontrollierbare Essanfälle, die von Schuld- und Schamgefühlen begleitet sind, ohne dass gegensteuernde gewichtskontrollierende Massnahmen ergriffen werden. Zwangsstörungen haben eine Prävalenz von 1 bis 2 Prozent. Die Erkrankung beginnt meist in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter. Die Betroffenen leiden unter unangenehmen, übertriebenen und sich häufig wiederholenden Handlungen oder Gedanken, gegen die sie erfolglos Widerstand zu leisten versuchen. Die häufigste Form stellen Zwänge dar, alltägliche Abläufe immer wieder zu kontrollieren, sich zu häufig zu waschen, zu oft und intensiv zu putzen oder Dinge zu ordnen. Es wird vermutet, dass Abnormitäten im neurochemischen und neuroanatomischen System (serotonerg und dopaminerg) zu der Störung führen könnten. Posttraumatische Belastungsstörungen Posttraumatische Belastungsstörungen behandelt man primär psychotherapeutisch. Bei schweren Symptomen, die länger als 3 Monate andauern, ist der Einsatz von Psychopharmaka erforJournal suisse de pharmacie, 3/2006 60168_SAZ_3_s_076_081 78 78 27.1.2006 6:25:55 Uhr PHARMAZIE UND MEDIZIN PHARMACIE ET MÉDECINE tacken [6]. Als wirksam haben sich trizyklische Antidepressiva, MAO–Hemmer und SSRI gezeigt [1]. Es gibt keine Hinweise auf die therapeutische Überlegenheit eines bestimmten Antidepressivums. Aufgrund der grossen Erfahrung und der erwiesenen Wirksamkeit wird heute jedoch Fluoxetin als Medikament erster Wahl angesehen [6]. Die zugelassene Dosierung beträgt 60 mg/Tag. Die Dauer der Therapie sollte 6 bis 12 Monate betragen. Bei der Binge–Eating–Störung deuten Studien darauf hin, dass SSRI hilfreich in der Behandlung sind. Der Effekt über längere Zeit ist noch nicht untersucht [1]. Eine medikamentöse Therapie wird bei der Anorexia nervosa nicht empfohlen. Allerdings scheint sich Fluoxetin für den Einsatz als Rückfallprophylaktikum nach erfolgreicher Gewichtsrestitution bewährt zu haben [1,6]. Prämenstruelles dysphorisches Syndrom PMDS SSRI können die physischen und die emotionalen Symptome innerhalb von drei Menstruationszyklen reduzieren. Vom prämenstruellen dysphorischen Syndrom PMDS sind 3 bis 8 Prozent der Frauen betroffen. Es handelt sich um eine Untergruppe und besondere Form des prämenstruellen Syndroms. Es präsentiert sich als massive, dysphorischdepressive Verstimmung, die etwa eine Woche vor Menstruationsbeginn einsetzt und mit einem erheblichen Leidensdruck assoziiert ist. Differenzialdiagnostisch ist eine Angststörung oder eine Depression auszuschliessen. Sowohl die Gabe während der Lutealphase als auch eine kontinuierliche Gabe sind erfolgreich. Am besten sind Fluoxetin und Sertralin untersucht, verabreicht in einer bei Depressionen üblichen Dosis [1]. In der Schweiz sind keine Antidepressiva für diese Indikation zugelassen. Chronische Schmerzen Antidepressiva zeigen hier einen analgetischen Effekt, der unabhängig von einer Depression eintritt. In der Regel werden tiefere Dosen als in der Behandlung der Depression eingesetzt. Die Wirkung tritt innerhalb einer Woche ein. Die trizyklischen Antidepressiva Amitriptylin, Imipramin und Clomipramin sind wirksam bei Polyneuropathie (meist diabetischer Genese). Die postherpetische Neuralgie kann mit Amitriptylin behandelt werden. In der Behandlung der Neuropathien zeigen die Substanzgruppen trizyklische Antidepressiva, Gabapentin, Pregabalin und die Opioide Tramadol und Oxycodon ähnliche Erfolgschancen. Die Wahl des Arzneimittels und die Dosierung richten sich nach Schmerzart und -intensität, Alter, Begleiterkrankungen, schmerzbedingten Schlafstörungen und Tagesaktivitäten. Eine Kombination von Opioiden und trizyklischen Antidepressiva kann sinnvoll sein. Analgetika lassen sich möglicherweise durch den Einsatz der Trizyklika tiefer dosieren. Die Wirkung von Amitriptylin in der prophylaktischen Therapie der Migräne und bei chronischen Spannungskopfschmerzen ist in Dosierungen von 50–100 mg/Tag gut dokumentiert [8]. Im Gegensatz zu den trizyklischen Antidepressiva sind die SSRI in der Tabelle: Antidepressiva – Indikationen und Dosierungen (Reizdarm, Prämenstruelles dysphorisches Syndrom und ADHS: vgl. Text) 1. Zeile Initialdosis 2. Zeile mittlere Erhaltungsdosis (Maximaldosis) In der Schweiz zugelassene Indikationen und Dosierungen (gelb) Indikationen und Dosierungen aus der Literatur (grün) Citalopram Escitalo- Fluoxetin Fluvoxamin Paroxetin Sertralin Mirtazapin Venlafaxin Moclobemid Amitriptylin Seropram® pram Fluctine® Floxyfral® Deroxat® Zoloft® Remeron® Efexor® Aurorix® Saroten® SSRI Cipralex® SSRI SSRI SSRI SSRI NaSSA SNRI RIMA TCA SSRI Depression Panikstörung Soziale Phobie Generalisierte Angststörung Zwangsstörung Posttraumatische Belastungsstörung Bulimie Schmerzen SSRI: NaSSA: SNRI: RIMA: TCA: 20 10 20–60 10(20) 10 20–30 (60) 10 10(20) 10 20 20 20–60 20 20(80) 5–10 20–80 5–10 20–80 5–10 20–80 – 60 50 100–300 25–50 100–300 50 100–300 20 20–40 10 40(60) 20 20(50) 20 20(50) 20 40(60) 20 20(50) 50 15 50(200) 15–45 25 50(200) 25 50(200) 50 50(200) 25 50(200) 300 300–600 – 600 50 50–75 50–100 (150) 75(250) 10 25–100 (150) 50–75 75(250) Imipramin Tofranil® TCA 25–75 50–100 (200) 10 75–150 (200) 50–75 75(250) – 25 – 18,75–37,5 50–75 (100) 10–150 Spezifischer Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, selective serotonine reuptake inhibitor Noradrenerges und spezifisches serotoninerges Antidepressivum Spezifischer Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, selective serotonine and noradrenaline reuptake inhibitor Reversibler MAO-Hemmer, reversible inhibitor of monoamine oxidase type A Tricyclisches Antidepressivum. Clomipramin: Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Amitriptylin, Imipramin: Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Journal suisse de pharmacie, 3/2006 60168_SAZ_3_s_076_081 80 75–150 75–375 37,5 75(225) 75 75–225 – 75 Clomipramin Anafranil® TCA – 25–75 (300) 80 27.1.2006 6:26:32 Uhr PHARMAZIE UND MEDIZIN PHARMACIE ET MÉDECINE Bild: PhotoCase.com Schmerztherapie wenig wirksam [8,9]. Interessante Ergebnisse wurden für Venlafaxin, ein spezifischer Serotoninund Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, gefunden. Es erwies sich unter anderem als wirksam bei neuropathischen Schmerzen und bei Migräne (in der Schweiz nicht zugelassen) [8]. Dies lässt auf eine notwendige Beeinflussung des noradrenergen Systems zur Behandlung der Schmerzsymptomatik schliessen [9,10]. Daher dürfen wir sicher gespannt sein auf die Ergebnisse von Studien mit neueren Substanzen wie Reboxetin (spezifischer Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer sNARI) und Mirtazapin (noradrenerges und spezifisch serotonerges Antidepressivum NaSSA). Aufmerksamkeitsdefizit– Hyperaktivitätsstörung ADHS Neben der bekannten Therapie mit dem Stimulans Ritalin® (Methylphenidat), das bei Kindern und Erwachsenen eingesetzt wird, wurden bisher noradrenerg wirksame trizyklische Antidepressiva als Mittel zweiter Wahl eingesetzt. Jetzt zeichnen sich neue Wege in der Behandlung des ADHS ab. Das Antidepressivum Atomoxetin, das zur Gruppe der spezifischen NoradrenalinWiederaufnahmehemmer gehört, ist in den USA zur Behandlung von ADHS bei Kindern und Erwachsenen bereits zu■ gelassen. Reizdarmsyndrom (Colon irritabile) Zur Behandlung des Reizdarm–Syndroms gibt es keine standardisierte Therapie. Neben stuhlregulierenden Massnahmen und Spasmolytika werden zur Schmerzbehandlung in zunehmendem Masse psychotherapeutische Massnahmen und trizyklische Antidepressiva wie Imipramin, Amitriptylin, Nortriptylin und Trimipramin eingesetzt. Die Antidepressiva verbessern bei einem grossen Teil der behandelten Patienten die Symptomatik [11]. Die verabreichten Dosen zwischen 25 und 125 mg sind zu tief, um einen antidepressiven Effekt zu erreichen, und die Wirkung tritt rasch ein. Die trizyklischen Antidepressiva sollen die Schmerzschwelle für Dehnungsreize der glatten Muskulatur anheben. Die Resultate für die SSRI sind weniger überzeugend. Noradrenalin–Wiederaufnahmehemmer scheinen effektiver zu sein als spezifische Serotonin–Wiederaufnahmehemmer, was wiederum das Interesse auf neuere Wirkstoffe wie Venlafaxin, Reboxetin und Mirtazapin lenkt [11,12]. In der Schweiz sind keine Antidepressiva für die Behandlung des Colon irritabile zugelassen. Für die Durchsicht des Manuskriptes danken wir PD Dr. med. Josef Schöpf, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, Zürich. Dieser Artikel wurde im Auftrag der AKA geschrieben von: Dr. Christina Ruob Fuchs, Apothekerin, Zürich, Dr. Marianne Beutler, Geschäftsführerin AKA Alle Publikationen der AKA sind als pdf-Datei auf der AKA-Homepage (www.aka.ch) unter der Rubrik Publikationen zu finden. Korrespondenzadresse: Arzneimittelkommission der Schweizer Apotheker AKA Postfach 5247 3001 Bern Tel. 044 994 75 63 Fax 044 994 75 64 E-Mail: [email protected] Das Colon irritabile geht meistens mit einem chronisch fluktuierenden Symptomenkomplex von Bauchschmerzen/ Missempfindungen und Stuhlunregelmässigkeiten einher. Die Inzidenz der Erkrankung liegt bei 1 bis 2 Prozent. Es liegt eine grundsätzliche Störung der Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung vor. Literatur auf Anfrage 81 60168_SAZ_3_s_076_081 81 ADHS ist gekennzeichnet durch eine ausgeprägte Störung der Konzentrationsfähigkeit, der Planungs- und Handlungskontrolle und der Impulskontrolle sowie durch motorische Hyperaktivität. Etwa 5 bis 6 Prozent der Kinder und 1 bis 4 Prozent der Erwachsenen sind von ADHS betroffen. Man geht heute davon aus, dass eine gestörte Signalübermittlung in Gehirn die Ursache für die Erkrankung ist, die genetische Grundlagen hat. Eine wichtige Rolle spielen Dopamin und Noradrenalin, deren Stoffwechsel gestört ist. Neben Lern- und Verhaltensstörungen kann ADHS auch Depressionen, Angststörungen und andere psychische Erkrankungen auslösen. La traduction française paraîtra dans un prochain numéro du JPSh. Schweizer Apothekerzeitung, 3/2006 27.1.2006 6:26:34 Uhr