http://www.mediaculture-online.de Autoren: Hintzpeter, Reimer / Zeutschel, Ulrich. Titel: Psychologie der Interview-Führung. Quelle: Michael Haller: Das Interview. Ein Handbuch für Journalisten. Konstanz, 2. Auflage, 1997. S. 285-299. Verlag: UVK Medien. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Reimer Hintzpeter / Ulrich Zentschel Psychologie der Interview-Führung 1. Die Interview-Situation: Oberfläche und Untergrund Das Leitinterview mit dem Schriftsteller K. für ein Rundfunk-Feature über »Die Rezeption des deutsch-deutschen Vereinigungsprozesses in der bundesdeutschen Gegenwartsliteratur« wurde für den Journalisten, Herrn J., zunächst zum »Leidens«-Interview: Der Schriftsteller K. war vor kurzem im Zusammenhang mit einigen früher veröffentlichten Werken des Plagiats bezichtigt worden, was ein sehr negatives Presse-Echo hervorgerufen hatte. In dem mitgeschnittenen Interview nahm er gleich zu Beginn mehrere themenbezogene Einleitungsfragen von Herrn J. zum Anlaß, auf die gegen ihn gerichteten Vorwürfe einzugehen und sich bitter über »diese angezettelte Hetzkampagne« zu beklagen. Als Herr J. ihn zunächst durch Überleitungsfragen auf das Interview-Thema zurückführen wollte, ließ Herr K. ihn kaum zu Wort kommen, sondern schimpfte sehr laut und mit erregten Gesten weiter über die »Journaille«. Herr J. sammelt hier eine leidvolle Erfahrung mit dem »Kommunikationseisberg«, an dem sein gut vorbereitetes und präzise gesteuertes Interviewkonzept gleich zu Beginn des Gespräches zu havarieren droht. 1 http://www.mediaculture-online.de Was ist der Kommunikations-Eisberg? Wie bei einem schwimmenden Eisberg die über Wasser sichtbare Spitze, so stellt bei einem Interview das »offizielle« Thema nur die hörbare Oberfläche des Gesagten dar. Darunter - für die Beteiligten meist verborgen - liegt der Beziehungsanteil des Gespräches, der oftmals gefährliche Zacken und Untiefen aufweist. Zur Analyse von Kommunikationsproblemen muß daher ganz wesentlich zwischen der Sachebene und der Beziehungsebene der Interaktion unterschieden werden. Wie in den meisten thematischen Gesprächen, so ist auch im Interview die Sachebene in der Regel gleichzusetzen mit dem »Was«, dem Inhalt der sprachlichen Äußerungen, während die Beziehungsebene eher das »Wie«, die nonverbale Form der Interaktion umfaßt. Im obigen Beispiel wird die Sachebene des offiziellen Interviewthemas »Rezeption des deutsch-deutschen Vereinigungsprozesses in der bundesdeutschen Gegenwartsliteratur« sehr bald durch Herrn K.s »Ausflüge« in die Beziehungsebene gestört. Herr K. macht seinem Ärger über die Journalistenzunft Luft, weil er hier einen ihrer Vertreter vor sich hat und sich vor der zu erwartenden Hörerschaft gegen den erhobenen Plagiatsvorwurf rechtfertigen will. Auch wenn dieser Vorwurf von Herrn J. mit keiner Silbe angesprochen wurde, steht er für Herrn K. bereits durch den Gesprächsrahmen (»Journalistisches Interview«) mit im Raum. Die. Störung der Sachebene durch Beziehungsaspekte ist hier sehr deutlich, weil sie sich auch inhaltlich durch Herrn K.s Abweichen von der eigentlichen Themenstellung äußert. Weitaus schwieriger sind für den Interviewer, der sich als »Anwalt des Themas« versteht, Situationen zu bewältigen, in denen auf der Oberfläche weiterhin über das Thema gesprochen wird und die Beziehungskonflikte sich nur unterschwellig durch die Art und Weise des Gesagten bemerkbar machen. Zurück zum Interview mit dem Schriftsteller, Herrn K.: Herr J. witterte nun seine Chance, ein paar »fetzige« Reaktionen zum Plagiats-Vorwurf aus erster Hand zu bekommen - er schob seinen Sessel näher an den Tisch heran, richtete das Standmikrophon neu aus, blickte Herrn K. fest an und begann, einige direkte Nachfragen zu stellen, wobei er sich mit erhobener Stimme Gehör verschaffte. Herr K. wischte die ersten Fragen mit routinierten Statements, begleitet von abfälligen 2 http://www.mediaculture-online.de Handbewegungen und gelangweilt-nachsichtiger Miene vom Tisch. Als Herr J. jedoch hartnäckig nachsetzte, wobei er seinen Fragen mit ausgestrecktem Zeigefinger und nach oben weisendem Daumen Nachdruck verlieh, bekamen die Antworten des Interviewpartners einen beleidigt-trotzigen Unterton und fielen sehr kurz aus, wobei Herr K. in seinem Sessel zurückwich, seine Arme kreuzte, die Schultern vorschob, sich seitlich abwandte und sein Herrn J. zugewandtes Bein überschlug. Durch ein kurzfristiges Eingehen auf das im Raum stehende Plagiat-Thema wird dieses vom Journalist offiziell auf die Sachebene gehoben. Dennoch läuft das Interview nicht flüssig auf dieser neuen Bahn, sondern Herr J. hat mit den zunächst ausweichenden und dann abweisenden Reaktionen seines Interviewpartners zu kämpfen - was angesichts der persönlichen Brisanz des neuen Themas durchaus verständlich ist. Um die hier geschilderte »Wortgefecht«-Sequenz von Durchsetzen, Parieren, Nachsetzen und Zurückziehen näher zu beleuchten, möchten wir kurz auf die wechselnden Rollenverteilungen der Interviewpartner eingehen und dabei den kommunikationspsychologischen Ansatz der Transaktionsanalyse zu Hilfe nehmen, die zwischen der »Erwachsenen«-, der »Eltern«- und der »Kind«-Rolle unterscheidet. Auf der Gesprächsoberfläche bleibt die offizielle Rollenverteilung zwischen »Interviewer« und »Interviewtem« nach wie vor bestehen, während sich auf der Beziehungsebene die Rollen jeweils verändern: Mit seinem interessierten Nachfragen zu Beginn des thematischen Exkurses nimmt der Journalist zunächst eine sachbezogene, inhaltlich strukturierende Erwachsenenrolle ein, auf die Herr K. in eher herablassender Weise mit der Elternrolle reagiert. Dadurch herausgefordert, wechselt auch Herr J., in die Elternrolle über, indem er fragend nachbohrt und mit dem ausgestreckten Finger »Druck macht«. Herr K. zieht sich mit dem Gefühl der Bedrängnis in die trotzig-abweisende Kindrolle zurück, was sich vor allem in seiner defensiven Körperhaltung zeigt. Verhaltensweisen im Sinne der Elternund der Kind-Rolle treten vor allem in Konflikt- und Konfrontationssituationen auf, wobei die Wahl des jeweiligen Rollenmusters sehr stark von dem persönlichen »Stil« der Konfliktbewältigung, von Vorerfahrungen mit ähnlichen Situationen sowie von der 3 http://www.mediaculture-online.de Dynamik der aktuellen Situation abhängig ist. In begrenztem Maße können die Eltern- und Kind-Verhaltensmuster dazu beitragen, ein Interview spannend zu gestalten. Zur Informationsvermittlung und zum offenen Dialog zwischen einander wertschätzenden Gesprächspartnern eignet sich jedoch in erster Linie die Erwachsenenrolle mit ihrer themenorientierten, interessiert und flexibel auf das Gegenüber eingehenden Gesprächshaltung. Allgemein bieten die drei Rollenkonzepte bei vorhandener Sensibilität für die nonverbale Kommunikation ein griffiges Instrumentarium, um problematische Gesprächskonstellationen auf der Beziehungsebene zu erkennen und konstruktiv zu lösen. 2. Der nonverbale Ausdruck 2.1 Die Sprache des Körpers Räumliche Distanz: Es besteht die Möglichkeit, durch betontes Hinüberlehnen dem Gesprächspartner »auf den Pelz zu rücken«, was dieser dann nicht mehr als interessant und zugewandt, sondern als zudringlich oder gar bedrohlich empfindet. Er wird seinerseits durch Zurückweichen mit dem Oberkörper oder durch Zurückschieben der Sitzgelegenheit auf Distanz gehen - was besonders bei Fernsehinterviews fatale kameratechnische Folgen haben kann. Gestik und Körperhaltung: Die Gestik umfaßt alle Audrucksbewegungen der Hände, der Arme und der Schulterpartie. Zu ihrem Verständnis ist die Unterscheidung in »Illustratoren« und »Adaptoren« wesentlich: lllustratoren unterstreichen und verdeutlichen das Gesagte. Gerade bei ungewohnten Gesprächsthemen und bei komplexen Sachverhalten werden illustrative Gesten als wichtige Strukturierungs- und Visualisierungshilfsmittel eingesetzt, z. B. um zeitliche oder logische Abfolgen darzustellen oder um das räumliche Zueinander von Gegenständen zu beschreiben. Die Einschränkung dieser Ausdrucksmöglichkeit, etwa bei Interviews am 4 http://www.mediaculture-online.de Telefon oder mit handgehaltenen Mikrophonen, kann sehr verunsichernd wirken. Illustratoren helfen dem Sprechenden, den eigenen Gedankenfluß zu beschleunigen und über sprachliche Klippen hinwegzusteuern - das »Reden mit Händen und Füßen« zur Unterstützung gebrochener Fremdsprachenkenntnisse ist ein häufig zu beobachtendes Beispiel dafür. Die Adaptoren sind im Gegensatz zu den Illustratoren weitgehend unbewußte, eher zum Körper hin gerichtete Arm- und Handbewegungen, die Rückschlüsse auf die emotionale Gestimmtheit und den Erregungszustand des Betreffenden zulassen. Sie erscheinen als Verlegenheits- und Bewältigungsgesten, die durch Reiben, Tätscheln, Kratzen und Handauflegen schutzbietenden Körperkontakt simulieren. Treten sie gehäuft auf, so ist dies ein deutliches Zeichen für Unsicherheit und innere Belastung. Die Stellung von Händen und Armen gibt wichtige Aufschlüsse über Offenheit oder Abwehr des jeweiligen Gesprächspartners: Dem Interviewer zugewandte Handrücken oder angespannte, wegschiebende Handteller, gekreuzte Arme oder »kalte Schultern« bauen Kontaktbarrieren auf. Gesten mit ausgestreckten, einladenden Armen sowie geöffneten und dem Gegenüber zugekehrten Händflächen hingegen signalisieren Kontaktbereitschaft und Offenheit - besonders augenscheinlich in Verbindung mit Blickkontakt, zugewandter Körperhaltung sowie Bein-und Fußstellung. Die Stellung der Beine und Füße ist besonders bei prominenten Interviewpartnern vielsagend, da diese zwar gewohnt sind, ihre Mimik, Gestik und Oberkörperhaltung zu kontrollieren, die Beine und Füße aber häufig nicht in diese Körperbeherrschung einbezogen sind: Quergestellte Füße und übergeschlagene Beine (mit dem obenliegenden Oberschenkel als »Breitseite« gegen den Gesprächspartner) z.B. sind deutliche Hinweise auf Kontaktbarrieren. Das Gesicht ist das vielseitigste aller Ausdrucksmedien, denn die Kommunikation erfolgt nicht nur über die Sprache, sondern auch durch Mimik, Blickkontakt und Blickrichtung, ja sogar durch die Haltung des Kopfes. Interessant sind daher auch die Bemühungen von Gesprächspartnern, ihren Gesichtsausdruck zu steuern, sei es durch Vermeidung von Blickkontakt, durch Abwenden des Kopfes oder durch angedeutetes Verdecken des 5 http://www.mediaculture-online.de Mundes mit der Hand. Die letztgenannte Geste kann auch adaptiv sein - ein Überbleibsel des kindlichen »sich-den-Mund-zuhalten«, nachdem eine Unwahrheit daraus entwichen ist. Fährt sich der Gesprächspartner also wiederholt mit der Hand über den Mund oder (scheinbar) an die Nase, so bedeutet dieses zumindestens eine Unsicherheit gegenüber seinen eigenen Ausführungen. Mimik und Blickrichtung: Das Zusammenwirken von Mimik und Blickrichtung bietet interessante Hinweise auf die Befindlichkeit des Interviewpartners, weil die Mimik vorwiegend den Gefühlsausdruck reflektiert, während die Blickrichtung Rückschlüsse auf die kognitiv-gedankliche Arbeit zuläßt: Neuere, wenn auch nicht ganz unumstrittene Theorien gehen davon aus, daß sich an der Blickrichtung sowohl die Zeitrichtung (Erinnern an Vergangenes bzw. Konstruktion von Zukünftigem) als auch die jeweils aktivierte Sinnesmodalität (Sehen, Hören, Fühlen) der Informationsverarbeitung ablesen läßt. (Wenn Rechtshänder beim Vor-sich-Hinschauen nach links blicken, zeigt dies eine erinnernde Denktätigkeit an, während zukunftsgerichtete, konstruierende Gedankenarbeit mit einer Augenstellung nach rechts verbunden ist). Nach oben gerichtete Augen weisen dabei jeweils auf bildhafte Informationsverarbeitung hin, in der Waagrechten schweifende Augen auf akustische Inhalte, und eine seitlich nach unten gerichtete Augenstellung auf Körper- und Bewegungswahrnehmungen. Blickkontakt: Allgemein bestehen große individuelle Unterschiede in der subjektiven Empfindung von Blickkontakten: Eine Kontaktdauer und -intensität, die von einem Menschen als Mindestsignal für Interesse und Zuwendung betrachtet wird, mag einem anderen bereits als »bohrender Blick« oder als »Niederstarren« erscheinen. Langes und häufiges Wegblicken kann bedeuten, daß der Betreffende sich seiner Sache nicht sicher ist bzw. sich eine offene Auseinandersetzung darüber nicht zutraut. Von anderer Art ist das fixierende Vorbeiblicken am Gesprächspartner, das als Zeichen von konzentriertem Nachdenken oder Erinnern zu werten ist. Kopfbewegungen: Schon sehr geringe Kopfbewegungen im Zusammenhang mit bestimmten Blickrichtungen senden unterschwellige, aber sehr wirkungsvolle Signale aus: Bei leicht abgewandtem Kopf drückt ein Blick aus den Augenwinkeln Mißtrauen und Skepsis aus; ein erhobener Kopf mit nach unten gerichteten Augen wirkt dominant; ein 6 http://www.mediaculture-online.de gesenkter Kopf mit nach oben gerichtetem Blick zeigt Unterwerfung, bei gleichzeitig zusammengezogenen Augenbrauen allerdings eher sture Abwehr - eine typische Haltung bei »mauernden« Äußerungen des Interviewten. Bei Brillenträgern sind überdauernde Kopfhaltungen allerdings nur mit Vorsicht zu interpretieren, denn viele von ihnen halten den Kopf leicht gehoben oder gesenkt, um besser durch die Brille sehen zu können. Ähnliches gilt für Schwerhörige, die durch das Abwenden des Kopfes nicht etwa Mißtrauen und Skepsis ausdrücken, sondern nur ihr besseres Ohr dem Sprecher zuwenden wollen. Fortgesetztes seitliches Nicken wird nicht unbedingt als Zeichen inhaltlicher Zustimmung gewertet, sondern vor allem bei etwas schräg gehaltenem Kopf als Ausdruck von aufmerksamem Interesse und Aufforderung zum Weiterreden. Der Interviewer kann es ganz bewußt einzusetzen, um einen zögernden oder unsicheren Interviewpartner zu ermuntern! 2.2 Sprachbegleitende Signale Dieser Bereich umfaßt sämtliche nicht-inhaltlichen Aspekte der Sprache, wie Lautstärke, Sprechtempo, Artikulation, Sprachflüssigkeit und Tonfall. Da diese Merkmale sich rein auf das »Wie« des Gesagten beziehen, sind sie ebenfalls Bestandteil der nonverbalen Kommunikation. Lautstärke, Sprechtempo und Artikulation geben Hinweise auf den Energiezustand des Interviewpartners. Lautes und hastiges Sprechen kann aber auch ein Zeichen dafür sein, daß der Interviewte sich seiner Sache nicht sicher ist oder eine sich bei dem Journalisten anbahnende Skepsis abbauen will. Die Intonation ist ein sehr wirksames Ausdrucksmittel, weil ihre Veränderung gleichlautenden Äußerungen eine völlig andere Bedeutung geben kann. Der Satz »Haben Sie meine Frage verstanden?« beispielsweise kann durch unterschiedlichen Tonfall so variieren werden, daß er beim Gesprächspartner als interessante Nachfrage, aggressive Zurechtweisung, flehende Bitte, augenzwinkernde Kommentierung, herablassende Bewertung, oder gar als parodierende Selbstkritik ankommt. 7 http://www.mediaculture-online.de 2.3 Interpretation der Körpersprache Auch wenn wir hier einzelne nonverbale Ausdrucksbereiche und mögliche Bedeutungen isolierter Signale angesprochen haben, so lassen sich nonverbale Mitteilungen nur aus der Komplexität der ausgesandten Signale zuverlässig interpretieren. Dies hat vor allem zwei Gründe: 1.) Bei einem Interviewpartner wird in aller Regel nicht nur eine offene, zugewandte oder entgegengesetzt eine ausschließlich abweisende Haltung durch seinen nonverbalen Ausdruck ableitbar sein: Ein sorgfältiger Beobachter kann auch bei rhetorisch trainierten oder routinierten Gesprächspartnern Unstimmigkeiten feststellen, die auf verborgene Absichten (Abwehr, Mauern) oder Befindlichkeiten (Angst, Erregung) hinweisen. Beim Recherche-Interview mit dem Star-Anwalt D. kam bei Herrn J. ein nonverbales »Verwirr-Paket« an: Einerseits hielt Herr D. ruhigen Augenkontakt mit ihm und begleitete seine Ausführungen mit freundlichem Lächeln und offenen Gesten; gleichzeitig jedoch hatte er das Herrn J. zugewandte linke Bein abweisend übergeschlagen und kehrte ihm die linke Schulter zu. Wie also soll Herr J. den nonverbalen Ausdruck von Herrn D. in seiner Gegensätzlichkeit interpretieren? Bei solchen widersprüchlichen Signalen hilft die »Glaubwürdigkeitshierarchie« der verschiedenen nonverbalen Ausdrucksbereiche weiter: Sprachbegleitende Signale sowie Mimik und illustrative Gestik sind relativ gut kontrollierbar und stehen daher weit unten in der Hierarchie. Auf die Stellung ihrer Beine und Füße als kopfferne Körperteile hingegen achten auch geschulte Rhetoriker weniger (zumal wenn sie gewohnt sind, nur oberhalb der Gürtellinie ins Bild gesetzt zu werden). Adaptive Gesten, die auf Unruhe und Streß 8 http://www.mediaculture-online.de hindeuten, sind noch schwerer in den Griff zu bekommen und stehen daher recht hoch in der »Glaubwürdigkeitshierarchie«. Zuoberst rangieren jedoch körperliche Reaktionen, die überhaupt nicht willentlich beeinflußbar sind, weil sie direkt oder indirekt vom vegetativen Nervensystem gesteuert werden: Erröten oder Erbleichen, Schweißausbruch, Zittern der Hände oder der Unterlippe, Trockenwerden des Mundes (das sich durch undeutlichschwerfällige Artikulation sowie heftige Schluckbewegungen äußert). Entsprechend dieser Hierarchie sollte Herr J. im obigen Beispiel daher eher dem abweisenden Oberschenkel und der kalten Schulter trauen und sich bei Herrn D. auf Abwehr gefaßt machen. 2.) Der zweite Grund, weshalb der Interviewer die nonverbalen Mitteilungen seines Gegenübers stets umfassend beobachten und nur aus dem Zusammenhang interpretieren sollten, liegt in der individuell sehr unterschiedlichen Ausgestaltung der nonverbalen Ausdrucksformen: Jeder Mensch hat seinen eigenen, ganz persönlichen Stil der Körpersprache, der noch dazu von der jeweiligen Befindlichkeit (Stimmung, Aktivierungsniveau, etc.) und den sozialen Rahmenbedingungen (vermeintliche Erwartungen der Gesprächspartner, gesellschaftliches Ranggefälle, usw.) überformt wird. Versuche haben gezeigt, daß die Entschlüsselung nonverbaler Signale am sichersten und zuverlässigsten bei vertrauten Kommunikationspartnern erfolgt. Aus diesem Grund sollte der Interviewer die nonverbalen Mitteilungen seines Interviewpartners zunächst nur registrieren, bevor er sie durch weitere Beobachtungen vor allem in den zuverlässigen, d.h. wenig kontrollierbaren Ausdrucksbereichen schrittweise interpretiert. 9 http://www.mediaculture-online.de 2.4 Selbstbeobachtung Die nonverbale Kommunikation ist natürlich interaktiv: Die vom Interviewer ausgesendeten sprachbegleitenden Signale und der körperliche Ausdruck beeinflussen nicht nur das eigene Denken und Fühlen im Wechselspiel, sie erzielen auch bei dem Gesprächspartner bewußte oder unbewußte Wirkungen und damit einen Einfluß auf den Gesprächsverlauf. Es erscheint also sehr sinnvoll, eine Selbstbeobachtung vorzunehmen, nicht zuletzt, um einen gezielten Einsatz der Körpersignale zu trainieren und damit die Interviewführung auch auf der Ebene der nonverbalen Kommunikation zu steuern. Nur ungern erinnert sich Herr J. an das Fernsehinterview mit dem selbstbewußten Opernsänger H., das dieser weitgehend an sich riß und zu einer reinen Selbstdarstellungs-Show umfunktionierte. Herr J. bekam das Interview nicht in den Griff und konnte mit seinen Fragen nur noch reagieren, wobei er sich zunächst unsicher, dann hilflos und schließlich ziemlich überflüssig vorkam. Als er sich anschließend die Aufzeichnung des Interviews anschaute, bemerkte er, wie zurückgenommen und wenig »raumgreifend« seine Körperhaltung und Gestik gleich als erster Eindruck gewirkt hatten. Er hatte damit nicht nur seinen darstellungsgewohnten Interviewpartner geradezu aufgefordert, sich »breitzumachen«, sondern auch seine eigene Durchsetzungskraft blockiert. Durch Beachtung und gezielte Veränderung des eigenen Körperausdruckes in Form von Haltung, Aktivierungsniveau und Gestik kann die Befindlichkeit kontrolliert werden. Besondere Aufmerksamkeit erfordern dabei alle Körperbereiche, die von »Kopfmenschen« häufig vernachlässigt werden, wie etwa Verspannungen im Schulterund Nackenbereich, Verkrampfungen in der Körperhaltung und die Position der Beine und Füße. Deshalb sollte es zur Gewohnheit werden, in Gesprächspausen regelmäßig und systematisch in den Körper »hineinzuhorchen« und seine Mitteilungen ernst zu nehmen. 10 http://www.mediaculture-online.de Auch die innere Einstellung zum Interviewpartner läßt sich auf diese Weise sehr weitgehend beeinflussen. Zahlreiche Redewendungen wie z. B. »sich aufraffen«, »sich einen Ruck geben«, »über den Dingen stehen« weisen auf solche Rückwirkungen der eigenen Körpersprache hin. Man braucht dazu ja nicht gleich »in die Schuhe« eines konträr denkenden Gegenübers zu steigen - vielleicht reicht es schon, sich so hinzusetzen, daß die Dinge ein wenig »aus dem Blickwinkel des Gegenübers« gesehen werden können? Herr J. hat aus seinen Erfahrungen mit dem Opernsänger jedenfalls nicht etwa die Konsequenz gezogen, bei ähnlichen Anlässen zukünftig »mit der Faust auf den Tisch zu schlagen«, sondern dem Betreffenden »die Stirn zu bieten« und bewußt »raumgreifendere« Gesten einzusetzen. Als Fazit dieser Betrachtungen zur nonverbalen Kommunikation erscheint uns folgende Erkenntnis wesentlich: Im Alltagsverständnis wird unter »Kommunikationsfähigkeit« häufig nur ein geschickter Einsatz der Sprache verstanden. Allein die Vielfalt der hier dargestellten nonverbalen Ausdrucksdimensionen läßt jedoch erkennen, wie wesentlich die Sensibilität für und der Umgang mit sprachbegleitenden und körpersprachlichen Ausdrucksmitteln tatsächlich ist und daher bei der Interview-führung unbedingt ausgeprägt sein sollte. Im folgenden möchten wir daher auf den bewußten Einsatz nonverbaler Kommunikation im Interview eingehen. 3. Konstruktive Gesprächs-Strategien Die Aufgabe, ein Interview durchzuführen, umfaßt eine Reihe von Lenkungsfunktionen, angefangen von der Einführung des Themas über die Strukturierung des Gesprächsverlaufs bis hin zur Überwindung von Widerständen und Blockierungen des Interviewpartners. 11 http://www.mediaculture-online.de Um diesen Funktionen so wenig direktiv wie möglich gerecht zu werden, kommt es für den Interviewer darauf an, in sehr kurzer Zeit eine vertrauensvolle Beziehung zu dem Interviewpartner aufzubauen. Vom Einstimmen über das Angleichen zum Führen: Nach einer »Anwärmphase« stellte sich in dem Interview von Herrn J. mit Frau P., der Sprecherin der Umweltbehörde, eine positive Vertrautheit ein, die ihnen erst allmählich und als ein eher unbestimmtes Gefühl gegenseitigen Verstehens bewußt wurde. Ein außenstehender Beobachter dagegen hätte sehr deutlich registriert, daß die beiden sich in Körperhaltung, Energieniveau und Mimik »spiegelten« und sich auch im Tonfall, im Sprechtempo und in der Lautstärke einander anglichen. Was den Interviewinhalt anging, schien Herr J. mit seinen Fragen genau die richtigen Stichworte zur rechten Zeit zu geben, und Frau P. gab nicht nur bereitwillig Auskunft, sondern ertappte sich sogar dabei, mehr Informationen zu geben, deutlicher Stellung zu nehmen und eigenständigere Gedanken zu äußern als sie ursprünglich vorgehabt hatte. Einen solchen nonverbalen Einklang, den Herr J. hier eher indirekt und durch den produktiven inhaltlichen Verlauf des Interviews bemerkte, kann der Interviewer auch gezielt herbeiführen, indem er sich auf sein Gegenüber bewußt einstimmt und sich an seine sprachbegleitende und körpersprachliche Ausdrucksweise angleicht. Dabei handelt es sich nicht etwa um ein exaktes Nachahmen - was den Interviewpartner eher verunsichern würde -, sondern um ein Senden auf der gleichen Wellenlänge, ein Angleichen in der Geschwindigkeit, Ausrichtung und Intensität von Ausdrucksbewegungen und sprachbegleitenden Merkmalen. Der so entstehende Einklang schafft Vertrauen und bietet dem Journalist die Möglichkeit, die Gesprächsführung zu behalten, ohne auf Konfrontationskurs zu gehen und sich beständig gegen Widerstände durchsetzen zu müssen. Darüber hinaus kann er sich durch die Einstimmung auf sein Gegenüber viel eher in dessen subjektive Wahrnehmungs- und Erlebniswelt 12 http://www.mediaculture-online.de hineinversetzen und seine Äußerungen aus diesem Bezugsrahmen heraus nachvollziehen. Hinweise für die Schritte: • Registrieren des dem Interviewpartner eigenen nonverbalen Stils. • Dabei sollte ein möglichst breites Spektrum an körpersprachlichen und sprachbegleitenden Ausdrucksbereichen beachtet werden, wie • Räumlicher Abstand (Distanz, Variation) • Körperhaltung (Sitzposition, Ausrichtung, Offenheit, Symmetrie) • Gestik (Ausprägung, Geschwindigkeit, Dynamik) • Mimik (Blickkontakt, Ausdrucksstärke, Stimmungslage) • Stimme (Lautstärke, Tonfall, Sprechtempo, Artikulation, Sprachflüssigkeit) • Angleichen an den nonverbalen Stil des Interviewpartners in mehreren dieser Dimensionen: • Überprüfung, inwieweit die eigenen nonverbalen Signale mit denen des Gegenübers verträglich sind. • Angleichen des eigenen Ausdrucksverhaltens in den Bereichen, in denen Abweichungen zum Interviewpartner festzustellen sind, soweit es dem persönlichen Stil und der aktuellen Befindlichkeit nicht widerspricht. Dabei geht es, wie bereits erwähnt, nicht um Nachahmung, sondern um Einstimmung auf das Tempo, die Ausrichtung und die Ausprägung des Verhaltens. • Dem Interviewpartner die gewünschte Ausdrucksbereitschaft vermitteln. Nach einer ersten Vertrautheit mit dem Umgang von abgestimmten Ausdrucksverhalten eine ständige Selbstkontrolle ist nicht mehr erforderlich - können diese weiterhin behutsam in die für den Fortgang des Interviews förderliche Richtung verändert werden: durch einen lebhafteren Tonfall und eine aufrechtere Sitzposition (um den Interviewpartner aus seiner lethargischen Gesprächshaltung herauszuführen). Ist dieser dazu noch nicht bereit, so gleicht der Interviewer sich wieder an und gibt seinem Partner 13 http://www.mediaculture-online.de mehr Zeit, durch fortgesetzten Einklang Vertrauen in seine nonverbale Führung aufzubauen. 4. Kommunikations-Probleme 4.1 Finale statt kausale Betrachtungsweise Im Verlaufe des eingangs geschilderten Interviews mit dem Schriftsteller, der sich mehr und mehr in eine mißtrauisch-defensive Haltung hineinsteigerte, fragte sich der Interviewer, Herr J., zunächst, was er in seiner Gesprächsführung eigentlich falsch gemacht und Herrn K. damit vom Thema abgebracht bzw. seine Ausfälle gegen die ihm feindlich gesonnene Presse ausgelöst hat. Ohne eine klare Antwort auf diese Frage gefunden zu haben, setzte er nun alles daran, beim vorbereiteten Interviewthema zu bleiben. Offenbar bemühte sich Herr J. hier, eine kausale Erklärung für die Kommunikationsstörung zu finden, d. h. einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen seinem eigenen Verhalten und den themenfremden »Exkursen« seines Interviewpartners herzustellen. Er kam damit nicht weiter, weil die Ausfälle des Herrn K. gar nicht durch seine Fragen bedingt waren, sondern dem übergeordneten Zweck dienten, sich vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen. Eine finale, d.h. auf die Folgen und den Zweck des Verhaltens gerichtete Problemdiagnose hätte dies sofort erkannt und auch die nachfolgende Gesprächsdynamik vorausgesehen: Je mehr Herr J. auf der literarischen Themenstellung beharrte, desto deutlicher und lautstärker mußte Herr K. für »sein« Thema, die Abrechnung mit der Presse, sorgen. Erst als Herr J. dann selbst auf das von Herrn K. verfolgte Thema einschwenkte, konnte dieser auf eine neue Rolle als souveräner (wenn auch überheblicher) Partner übergehen. 14 http://www.mediaculture-online.de Die finale Betrachtungsweise bei der Analyse von Kommunikationsproblemen fällt den meisten Menschen schwer, da unsere technologisch orientierte Kultur ein Denken in (kausalen) Ursache-Wirkungs-Mustern nahelegt. Deshalb hier einige praktische Hinweise zur Erleichterung der finalen Sichtweise von Verständigungsproblemen im Interview: ● Der Blick wird nicht in die Vergangenheit gerichtet, sondern auf das zu- künftige Verhalten, ausgehend von den Folgen des gegenwärtigen Verhaltens: Was geschieht, wenn das gegenwärtige Verhalten beibehalten wird? Was würde anders laufen, wenn das gegenwärtige Verhalten unterbleibt oder sich verändert? ● Nicht nach dem Schuldigen sollte gesucht werden, sondern nach dem in der Situation gemeinsam verfolgten Skript: Das Motto »Es gibt keinen Schuldigen, sondern nur Mitspieler« ist eine sehr konstruktive Grundhaltung zur Analyse und Bewältigung von Kommunikationsschwierigkeiten. Diese Haltung lenkt den Blick von einem einzigen »Verursacher« auf das gesamte Interaktionssystem, deckt Wechselwirkungen zwischen den Beteiligten auf, und erleichtert, die jeweiligen (auch die eigenen!) Beiträge zur Problemverursachung und -stabilisierung anzuerkennen. ● Nicht die möglichen Fehler sind hier ausschlaggebend, sondern die möglichen Motive: Eine selbstkritische Haltung des Interviewers in Ehren, aber sie kann dazu führen, in einer selbstquälerischen Nabelschau zu verharren und nicht zu erkennen, welches »Spielchen« der u.U. sehr viel routiniertere Interviewpartner mit ihm treibt. Deshalb hat die Frage Priorität, was der Partner mit seinem Verhalten erreichen möchte, welchen Zweck er verfolgt, und welchen Nutzen er aus dem bestehenden Kommunikationsproblemen zieht. 4.2 Metakommunikation: Gespräche über Gespräche Im weiteren Verlauf seines Interviews mit dem Schriftsteller K. unterbrach Herr J. nach einiger Zeit das immer verbissener geführte Wortgefecht mit der Rückmeldung: »Herr K., ich möchte unser Thema eine Weile zurückstellen, weil ich mit dem Verlauf unseres Gespräches nicht zufrieden bin und einen ziemlich gereizten Unterton darin spüre. Ich habe den Eindruck, daß Sie hinter meinen Fragen böswillige Absichten und Fallstricke vermuten und darauf gereizt reagieren. Dadurch formuliere ich meine Fragen 15 http://www.mediaculture-online.de konfrontativer, als ich es vor hatte, und wir gehen immer stärker in den Clinch. Wie sehen Sie das?« Nach einer überraschten und dann nachdenklichen Pause erwiderte Herr K.: »Ich habe auch bemerkt, daß sich die Atmosphäre hier negativ aufgeladen hat, und das finde ich schade, denn ich hatte in letzter Zeit wirklich genug Ärger mit feindlich gesonnenen Journalisten. Vielleicht habe ich Sie ungewollt mit denen in die gleiche Schublade gepackt... Lassen Sie mich mal überlegen, bei welcher Ihrer Fragen bei mir im Hinterkopf die Klappe gefallen ist 'Aha, der will dich wohl auch wieder nur in die Pfanne hauen'...«. Nach der nun anschließenden »Beziehungsklärung« verlief das weitere Interview in sehr gelöster und offener Atmosphäre und förderte auf beiden Seiten eine Reihe überraschender Erkenntnisse zutage. Die eher ungewöhnliche Gesprächswendung, die Herr J. einleitete, ist ein Beispiel für Metakommunikation. Abgeleitet vom griechischen Vorwort meta (= »über« oder »darüber«), geht es dabei um die Verständigung über den Kommunikationsprozeß selbst. Nach dem Motto »Störungen haben Vorrang!« wird das eigentliche Thema eine Zeitlang zurückgestellt und das Gespräch auf die Beziehungsebene verlagert. Dies empfiehlt sich immer dann, wenn • das Interview in eine Sackgasse gerät oder sich im Kreis dreht, wie z.B. bei gegenseitigen Beschuldigungen, • negative Emotionen aufkommen, die den konstruktiven Fortgang des Interviews gefährden, wie in dem obigen Beispiel, • der Interviewer widersprüchliche Eindrücke und Mitteilungen von seinem Interviewpartner empfängt, wie z.B. die freundlich-abweisenden »Verwirr-Pakete«, die Herr J. im Gespräch mit dem Star-Anwalt D. bekam. Um metakommunikative Klärungen so konstruktiv wie möglich zu gestalten, sollte der Interviewer folgende Schritte beachten: • Den Wechsel der Gesprächsebene signalisieren: Auf gar keinen Fall ist die Metakommunikation als eine »Fortsetzung der Konfrontation mit anderen Mitteln« einzusetzen. Daher verdeutlicht der Interviewer seinem Partner, daß er vorübergehend aus dem offiziellen Gesprächsthema aussteigen möchte (»Herr K., ich möchte unser Thema für eine Weile zurückstellen«), um die Situation zu klären, und unterstreicht 16 http://www.mediaculture-online.de dieses nonverbal durch einen Wechsel im Tonfall (ruhig und freundlich) und in der Körperhaltung (zugeneigt und entspannt). • Sprechen für sich selbst: Beobachtungen und Rückmeldungen werden in der Ich-Form formuliert, um sie als persönliche, subjektive Sichtweise des Interviewers zu kennzeichnen und den Gesprächspartner damit nicht zu vereinnahmen. • Wiedergabe der eigenen konkreten Eindrücke: Die problematische Situation sollte möglichst anschaulich aus eigener Sicht beschrieben werden (»Ich spüre einen ziemlich gereizten Unterton in unserem Gespräch«). • Kommentierung des eigenes Verhaltes: Dem Interviewpartner sollte signalisiert werden, daß der Interviewer auch seinen persönlichen Beitrag zur Verursachung des Problems erkennt (»Ich formulierte meine Fragen konfrontativer, als ich es vorhatte.«) • Wunschäußerung an den Gesprächspartner: Die gemeinsame Situationsklärung kann mit einer Ermunterung des Gegenübers eingeleitet werden, seine Sicht der Dinge mitzuteilen (»Wie sehen sie das?«). • Der Problemsicht des Gesprächspartners Verständnis entgegenbringen: Der Interviewer fragt nach, wenn er etwas nicht verstanden hat und bittet gegebenenfalls zur Verdeutlichung (nicht zur Rechtfertigung!), konkrete Beispiele für problemverursachende Gesprächspunkte zu nennen. Abschließend faßt er das Gehörte mit seinen eigenen Worten zusammen, um dadurch zurückzumelden, was bei ihm »angekommen« ist. • Gemeinsam gezielte Schritte zur Problemlösung entwickeln: In vielen Fällen reicht es bereits aus, sich über die Situation und die damit einhergehenden Gefühle auszutauschen, um die Gesprächsatmosphäre zu klären. Sofern das Beziehungsproblem durch bestimmte Verhaltensweisen verursacht oder aufrechterhalten wurde, sollten gemeinsam mit dem Interviewpartner entsprechende Gegenmaßnahmen festgelegt werden. Der Interviewer kann diese Lösungssuche initiieren, indem er zunächst seine beabsichtigten Verhaltensänderungen anspricht. Diese einzelnen Stationen auf dem Weg zur metakommunikativen Klärung mögen in der Aufzählung zunächst recht umständlich erscheinen; sie bilden jedoch eine organische Abfolge von Problemsensibilisierung, -analyse und -lösung. Außerdem stellt eine sorgfältige Beziehungsklärung eine wertvolle Investition für den produktiveren Verlauf des anschließend fortgeführten Interviews dar. Metakommunikation bietet die Chance, potentielle oder tatsächliche Interaktionsstörungen konstruktiv in eine Bereicherung der Beziehung umzuwandeln: Dem Interviewpartner werden damit eine Wertschätzung seiner Person sowie das Interesse des Interviewers an einer tiefergehenden menschlichen Auseinandersetzung mit ihm signalisiert. Das 17 http://www.mediaculture-online.de Interview gewinnt eine Tiefendimension, die in der herkömmlichen Rollenverteilung von »Interviewer« und »Befragten« kaum zu verwirklichen ist. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Rechteinhabers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 18