SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Wissen – Manuskriptdienst Mit dem Forschungsschiff auf dem Atlantik Wie Klimawandel die Ozeane verändert Autor: Gábor Paál Redaktion: Udo Zindel Produktion: Gábor Paál Sendung: Dienstag, 4. August 2015 Produktion 2013 ___________________________________________________________________ Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Wissen/Aula (Montag bis Sonntag 8.30 bis 9.00 Uhr) sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für 12,50 € erhältlich. Bestellmöglichkeiten: 07221/929-26030 SWR2 Wissen können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/wissen.xml Manuskripte für E-Book-Reader E-Books, digitale Bücher, sind derzeit voll im Trend. 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O-Ton – Manuela: Es ist genau das, was ich immer machen wollte und das hat mich auch dazu gebracht, Ozeanographie zu studieren, dass ich halt mal auf einem Forschungsschiff wirklich rausfahren und gucken kann, was ist im Meer wirklich los. Ansage: Mit dem Forschungsschiff im Atlantik – Wie der Klimawandel die Ozeane verändert. Von Gábor Paál. Autor: Seit Monaten kreuzt die Maria S. Merian im Atlantik. Im Sommer war sie noch vor der Ostküste Kanadas, von dort ging es nach Island und Grönland. Jetzt ist sie im tropischen Atlantik angelangt. Die Forschungsteams an Bord wechseln nach drei bis fünf Wochen. Jedes Team geht eigenen Fragen nach: Warum steigt der Meeresspiegel an den europäischen Küsten stärker als anderswo? Wie beeinflusst das Abschmelzen des Polareises die Meeresströme weltweit? Und wie verändert sich durch den Klimawandel die Chemie des Meerwassers? O-Ton – Kirsten Schäfer: Klar, es ist das, wofür wir auch Forscher geworden sind, das heißt wir fahren dafür auch raus, das ist natürlich Hochleistungsphase für unser Arbeiten, und das ist schon eine schöne Zeit. Autor: Kirsten Schäfer und ihre Kollegen gingen gestern an Bord – in Mindelo, der Hauptstadt der kapverdischen Insel Sao Vicente, wo auch viele Yachtsegler starten, um den Atlantik zu überqueren. Die 15 Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, dem GEOMAR in Kiel, werden vier Wochen die Wissenschaftler unterwegs sein, bevor sie in Namibia an Land gehen. Sie interessieren sich vor allem für den Sauerstoffgehalt des Atlantikwassers. Denn aufgrund des Klimawandels scheint dem Ozean an manchen Stellen buchstäblich die Luft auszugehen. 2 O-Ton – Peter Brandt: Der Sauerstoff ist für jedes Lebewesen eine entscheidende Größe und gerade in den Tropen haben wir in den letzten Jahrzehnten festgestellt, dass der Sauerstoff immer weiter abnimmt. Autor: Nach dem Ablegen in Mindelo steuert das Forschungsschiff das so genannte Kapverdische Ozeanobservatorium an, nordöstlich der Inselgruppe – es ist nicht mehr als ein definiertes Untersuchungsgebiet. O-Ton – Peter Brandt: Dort hatten wir in den letzten Jahren einzelne Ereignisse mit sehr sehr niedrigem Sauerstoff. Es wurde also tatsächlich beobachtet, dass dort null Sauerstoff gemessen wurde. Und das ist im offenen Ozean eine besondere Sache, die eigentlich bis jetzt im Atlantik noch nicht so festgestellt wurde. Autor: Meeresforscher wie Peter Brandt und sein schwedischer Kollege Toste Tanhua kommen immer wieder hierher, um den Sauerstoffgehalt zu messen, bis hinunter zum Meeresboden in 3.600 Metern Tiefe. O-Ton – Toste Tanhua, darüber Übersetzung: Wir befinden uns in der Zone der Passatwinde, haben aber heute ungewöhnlich schwachen Wind, normalerweise haben wir hier Windstärke 4 bis 5 mit Gischt und Wellen von mehreren Metern Höhe. Heute haben wir nur Windstärke 3 bis 4. Ideale Bedingungen für das, was wir vorhaben. Atmo: Lautsprecherdurchsage: „Gut, dann können wir jetzt auf 20 Meter gehen.“ Autor: Die Forscher wollen feststellen, wie sich Temperatur, Salzgehalt, aber auch die Sauerstoffkonzentration und die Menge an Plankton – also die Biomasse – mit der Tiefe verändern. Dazu lassen sie eine so genannte CTD-Rosette hinab. Ein zylinderförmiges Gestell, bestückt mit Sensoren und einer Spezialkamera, die auf dem Weg zum Meeresgrund vier Fotos pro Sekunde schießt, so dass die Forscher ein Bild von den Kleinstlebewesen im in der Tiefsee bekommen. Atmo: Lautsprecherdurchsagen „Hier werden wir 1 Minute und 10 Sekunden warten.“ Autor: Johannes Karstensen sitzt derweil im Bordlabor, überwacht das Zu-Wasser-Lassen der Rosette und gibt Kommandos an die Brücke und an den Bootsmann, der die Winde steuert. Atmo: Lautsprecherdurchsagen: „Brücke an Labor – wir haben ein technisches Problem, müssen die Sonde nochmal an Deck nehmen.“ 3 O-Ton – Martin Visbeck: Die Ozeane haben in der Nähe der Tropen, nicht direkt am Äquator, aber etwas nördlich und südlich davon, eine Zone, die, wie wir sagen, schlecht belüftet ist, schlecht ventiliert. Das ist ungefähr bei 10 Grad Nord und 10 Grad Süd, dicht an den Ostseiten der Meere, also in unserem Fall vor Afrika, vor Angola, Senegal, wo wir hier sind. Autor: Martin Visbeck leitet die Forschungen an Bord. O-Ton – Martin Visbeck: Diese Sauerstoffminimumzonen sind deswegen für uns interessant, weil wir davon ausgehen, dass im Klimawandel sich der Sauerstoff noch mehr verringern wird. Autor: Denn wenn Meeresorganismen an der Oberfläche absterben, sinken sie in Wochen oder Monaten langsam auf den Meeresboden – auf dem Weg nach unten verwesen sie, und ihr Verwesen verbraucht Sauerstoff. Das ist zunächst ein natürliches Phänomen. Bedenklich könnte es aber werden, wenn sich diese Zonen ausdeh nen und der Sauerstoff weiter abnimmt. Und danach sieht es im Moment aus. Atmo: ... Winde Labor, Achtung, Winde noch 40 Meter... Autor: Was Martin Visbeck beschreibt, verfolgt Johannes Karstensen gerade am Computerbildschirm. Dort kann er bereits die Daten ablesen, die die Sensoren gerade messen. O-Ton – Johannes Karstensen: Was man jetzt sieht, sind die vertikalen Verteilungen von der Oberfläche bis in jetzt im Moment 1600 m Tiefe von Sauerstoff, Temperatur und Salzgehalt, und man sieht eben sehr auffällig ist einmal dieses Minimum im Sauerstoff, was ungefähr bei 450, 500 m Tiefe seinen tiefsten Wert erreicht. Autor: Bisher ist nicht ganz klar, in welchem Ausmaß der Sauerstoff abnimmt und warum. Man weiß, dass die Ozeane Sauerstoff an ihrer Oberfläche, aus der Atmosphäre aufnehmen. Doch durch den Klimawandel erwärmt sich das oberflächennahe Wasser – und warmes Wasser kann weniger Sauerstoff aufnehmen als kaltes. Außerdem ist warmes Wasser leichter. Und je wärmer und leichter das Meerwasser wird, umso eher bleibt es nahe der Oberfläche. Es vermischt sich dann seltener mit darunterliegenden Schichten. Das könnte ein Grund sein, weshalb in der Tiefe weniger Sauerstoff ankommt. O-Ton – Johannes Karstensen: Weiterhin ist in der Regel ein warmer Ozean produktiver. Sprich es gibt mehr Lebewesen, Blaualgen oder ähnliches, die dann, wenn sie absterben, runtersinken und auf dem Weg verrotten und Sauerstoff zehren. Atmo: „3.600 Meter, Winde Stop.“ 4 Autor: Die Messreihen während dieser Forschungsfahrt werden bestätigen: Verglichen Eer Trend der Sauerstoffabnahme im tropischen Atlantik hält an. Die Folgen für das Leben im Ozean sind noch weitgehend unerforscht. Klar ist: In sauerstoffarmen Schichten können viele Fische nicht leben. Wenn sich diese Zonen ausweiten, schrumpft der Lebensraum zahlloser Arten. O-Ton – Peter Brandt: Da gibt es auch Untersuchungen zu wie die großen Jäger, wie der Marlin oder die Tunfische, dass die tatsächlich nicht in die Sauerstoffminimumzone hinabtauchen und das bedeutet deswegen eine Einschränkung ihres Habitats. Autor: Im offenen Ozean bilden sich außerdem immer wieder große Verwirbelungen. Wenn ein solcher Wirbel sauerstoffarmes Wasser an die Oberfläche reißt und gar noch auf eine Küste zutreibt, können so genannte Todeszonen entstehen, in denen Fischbestände und Meerestiere wie Langusten und Schnecken zugrunde gehen. O-Ton: Man findet die im Golf von Mexiko auch ein bisschen um Europa rum, diese gab es immer schon, aber vielleicht werden die sich weiter ausbreiten, und das ist nicht so toll, weil in diesen sehr sauerstoffarmen Meeren sich andere Mikroben, andere Bakterien, andere Organismen einstellen, z.T. auch dabei Gase aus dem Meer kommen, die für uns Atemgifte sind und man kennt das manchmal, wenn diese Todeszonen sehr massiv werden, da werden auch schon mal Strände weiträumig abgesperrt und Küstenstreifen von 5 km Breite einfach gesperrt für alte und Kinder, weil das eben ein Atemgift ist. Autor: Vor allem Schwefelwasserstoff kann ganze Küstenregionen verseuchen. In der Bretagne wurden deshalb schon Strände gesperrt, auch an der Ostsee rechnen Behörden mit solchen Maßnahmen, falls es im wärmer werdenden Wasser häufiger zu so genannten Algenblüten kommt. Atmo: Schließen des Tores Autor: Die Maria S. Merian ist bei Meeresforschern begehrt. Seit 2005 im Einsatz ist sie das jüngste und modernste deutsche Forschungsschiff. Fast hundert Meter lang und 20 Meter breit. An Bord acht verschiedene Windenanlagen, mit denen Messgeräte, Fangnetze oder Tauchroboter zu Wasser gelassen werden können. Die Merian ist zwar kein Eisbrecher wie die berühmte „Polarstern“ und nicht ganz so groß, aber immerhin ein Eisrandschiff, das noch mit 80 Zentimeter dickem Packeis zurechtkommt. Und die Maria S. Merian hat noch weitere Stärken, auf die Kapitän Ralf Schmidt stolz ist. O-Ton – Ralf Schmidt: Das Besondere an diesem Schiff ist einerseits die Antriebstechnik und das macht den großen Reiz aus für einen Nautiker der ein Schiff navigiert und steuert: Es kann auf einen Meter genau fahren, bei größten Windstärken, das ist einzigartig. 5 Autor: Andere Motorschiffe haben eine oder mehrere Schiffsschrauben, die fest am Heck montiert sind. Die Merian hat einen „Pod-Antrieb“. Das bedeutet: Ihre Schrauben lassen sich in jede beliebige Richtung drehen, dadurch lässt sich das Schiff sehr genau manövrieren. Es kann sogar schräg oder seitwärts fahren. O-Ton – Ralf Schmidt: Was dazukommt, ist dass das Schiff computergesteuert automatisch eine Position hält, also diese Anlage lässt das Schiff über Wochen auf einen Meter genau auf einer Position stehen, ohne dass wir direkt das Ruder oder die Maschinen betätigen müssen. Autor: Das machen sich die Forscher auch bei ihren Messungen heute zunutze: Stundenlang verharrt das Schiff auf der Stelle, ohne sich durch Wellengang oder Strömung auch nur einen Meter von der Stelle zu bewegen. Die Merian gehört außerdem zu den wenigen Schiffen weltweit, die das Umweltgütesiegel „Blauer Engel“ tragen dürfen. O-Ton – Martin Visbeck: Wir haben eben gesagt: Die Meeresforscher, wenn die selber das Meer verschmutzen, das ist schwer erklärbar. O-Ton – Ralf Schmidt: Also hier geht keinerlei Müll irgendwo von Bord, wir leiten auch keine Abwasser oder andere Sachen ab, und unsere ganzen Betriebsstoffe sind alles biologisch abbaubar, unsere Öle sind alles biologische Stoffe, und das ist natürlich eine schöne Sache, was zukünftig hoffentlich auch in allen anderen Schiffen mal Grundvoraussetzung ist, aber momentan sind wir da Vorreiter. Autor: Auf der Merian wird Müll genauso getrennt wie an Land. Papierreste werden zu Pellets gepresst, Leitungswasser wird mit einer Entsalzungsanlage gewonnen und recycelt. Die Merian fährt im Gegensatz zu vielen Container- und Kreuzfahrtschiffen auch nicht mit stark schwefelhaltigem Schweröl, sondern mit umweltschonenderem Diesel. Atmo: Besprechung Autor: Eine Forschungsfahrt verlangt enorme Vorbereitung. Die Zeit auf dem Schiff ist kostbar. Jeder Tag verschlingt etwa 30.000 Euro – vor allem an Treibstoff und Lohnkosten für die Crew. Drei Jahre zuvor hatte Martin Visbeck den Antrag gestellt, an Bord gehen zu dürfen, hatte beschrieben, was er und seine Kollegen vom GEOMAR vorhaben. Und es gibt dabei alles Mögliche zu bedenken: Wenn sie in fremden Hoheitsgewässern forschen wollen, müssen sie Genehmigungen der jeweiligen Küstenstaaten einholen. Vor einem halben Jahr schon hat Visbeck Untersuchungen in Hoheitsgewässern des Senegal beantragt – doch die westafrikanischen Behörden lassen die Forscher zappeln. 6 O-Ton – Martin Visbeck: Wir haben vor 10 Tagen auch die Rückmeldung bekommen aus Dakar, dass wir forschen dürfen unter der Auflage, dass ein Beobachter an Bord kommt und sicherstellt, dass wir nur die Messungen machen, die wir beantragt haben. Im Moment warten wir noch auf den Beobachter. Er wurde uns noch kein Name gemeldet und es ist auch noch keiner angekommen. Dann muss man noch nachverhandeln, ob man auch forschen darf ohne Beobachter, das wissen wir jetzt nicht, das muss das Auswärtige Amt in Berlin klären mit dem Auswärtigen Amt in Senegal, ob wir ohne Beobachter forschen dürfen oder ob wir nicht forschen dürfen. Atmo: Fahrt Autor: An Deck checkt der schwedische Chemiker Toste Tanhua ein ein mal vier Meter großes Metallgerüst, an dessen Oberseite zehn gelbe Plastikkugeln als Auftriebskörper montiert sind. Tanhua ist für das Experiment zuständig, auf das die Forscher am meisten gespannt sind. Der Schlitten, wie das Gerüst auch genannt wird, soll südlich des Äquators zu Wasser gelassen werden und eine MarkerSubstanz freisetzen. CSFl5 – Eine Fluor-Schwefel-Kohlenstoffverbindung, die 500 Euro pro Kilo kostet. O-Ton – Toste Tanhua, darüber Übersetzer: Das ist ein künstliches Gas, das wir in ungefähr 500 Meter Tiefe ins Meer lassen. Es ist eine sehr stabile Substanz, die keine Reaktionen mit anderen Stoffen eingeht. Deshalb ist sie für Umwelt und die Organismen im Meer unbedenklich, gleichzeitig können wir dieses Gas später in sehr niedriger Konzentration messen. Und weil es weder in der Natur vorkommt noch vom Menschen verwendet wird, wissen wir, wenn wir es in fünf Jahren irgendwo anders im Ozean nachweisen können, es stammt von unserem Experiment. Autor: Damit wird klar, wozu das Experiment dienen soll: Anhand der Markersubstanz wollen die Forscher besser verstehen, wie schnell sich diese Meeresströmungen ausbreiten und damit auch, wie sehr sich die Meeresschichten bei ihrem Zug über den Atlantik durchmischen. O-Ton – Toste Tanhua, darüber Übersetzer: Wir haben etwas Ähnliches vor vier Jahren gemacht um zu bestimmen, wie schnell Oberflächenwasser in die Tiefe gelangt, wie intensiv also der Wasseraustausch zwischen oben und unten ist. Aber uns interessiert auch die Ausbreitung in der Horizontalen. Wir setzen das Gas jetzt frei, und dann sind drei Folgefahrten geplant – in einem halben Jahr, in anderthalb Jahren und in zweieinhalb Jahren. In jedem Jahr werden wir ein immer größeres Meeresgebiet absuchen müssen, weil sich das Gas immer weiter ausbreitet. Wir sind jetzt bei den Kapverdischen Inseln, westlich von Afrika. In drei Jahren erwarten wir, das Gas auch nahe der brasilianischen Küste zu finden. Autor: Toste Tanhua gehört zu den Wissenschaftlern mit der längsten See-Erfahrung an Bord. Als passionierter Hobbysegler hat er auch schon den Atlantik überquert. Seine 7 erste Forschungsfahrt liegt bereits zwanzig Jahre zurück, damals war er noch Student an der Universität Göteborg. O-Ton – Toste Tanhua, darüber Übersetzer: Die Schiffe sind heute viel moderner. Die Labore sind besser, größer, wir können auch sehr große Instrumente mit an Bord nehmen. Der größte Unterschied für uns ist aber die Kommunikation. Als wir vor 20 Jahren unterwegs waren, hatten wir praktisch keinen Kontakt zur Außenwelt, zu irgendwem. Autor: Auch die Biologin Kirsten Schäfer kann sich an ihre ersten Fahrten in den 90-er Jahren noch gut erinnern. O-Ton – Kirsten Schäfer: Also ich war zu Anfang meiner Forschungszeit viel in Sibirien und da war’s dann so: Ein Fax konnte man in der Woche schicken, das hat dann so 10 Dollar gekostet pro Seite. Da ist man schon abgeschnitten, das ist jetzt aber nicht mehr so. Autor: Heute dagegen haben die Forscher zumindest in der Nähe der Küste oft Internetverbindung. Und Emails lassen sich fast von überall schreiben. Mit dem Wetter hat das Team an Bord der Maria S. Merian diesmal Glück. Die See bleibt während der Fahrt nach Namibia weitgehend ruhig, zur Freude auch von Bordarzt Reinhard Müller. O-Ton – Reinhard Müller: Seekrankheit, da sind immer mehr die Wissenschaftler als die Besatzung betroffen. Es gibt fast immer Mitfahrer, die seekrank werden und die muss man dann eben entsprechend behandeln. Autor: Seekranke Mitfahrer gehören zu den kleineren Problemen, mit denen der Bordarzt rechnen muss. Schlimmer ist es, wenn Wissenschaftler sich zum Beispiel an schweren Geräten ernsthaft verletzen. Auch das sei schon vorkommen. Und weil Rettungshubschrauber nur begrenzte Reichweite haben und an Bord weder landen noch auftanken können, droht bei einem schweren Unfall ein Abbruch der gesamten Fahrt. O-Ton – Reinhard Müller: Es ist möglich, wenn wir mitten im Ozean im Forschungsgebiet sind, dass wir 3 bis 4 Tage in Richtung der nächsten Küste fahren müssen bzw. in Richtung des möglichen Meeting Points, wo man einen Patienten oder Verletzten mit dem Hubschrauber abbergen lassen kann. Die Hubschrauber haben eine max. Reichweite von 250 sm, also 430 km hin und zurück, so dass man da im Zweifelsfall schon 3 bis 4 Tage einfach fahren muss, das wäre insgesamt eine Unterbrechung einer Reise um fast eine Woche. Atmo: Schiffsdurchsagen 8 O-Ton – Monika Rhein: Ah, es ist toll. Ja also als ich das erste Mal, da war ich noch Diplomandin an der Universität Heidelberg als ich zum ersten Mal mit auf See gefahren bin war klar, dass ich meinen Beruf da gerne hätte. Autor: Monika Rhein von der Universität Bremen ist ebenfalls eine langjährige Forschungsreisende. Sie ist mit der Merian eher in kühleren Breiten unterwegs, in der Antarktis oder im Nordatlantik, in den Ausläufern des Golfstroms. Der Nordatlantik spielt für die Weltmeere eine zentrale Rolle. Südöstlich von Grönland wird Meerwasser in einem Maße umgewälzt, das die Meeresströmungen auf dem gesamten Planeten antreibt. Das Oberflächenwasser, das vor allem über den Golf- und Nordatlantikstrom nach Norden gelangt, ist zunächst tropisch warm. Auf seinem Weg verdunstet ein erheblicher Teil, dadurch wird es salziger und gleichzeitig kühlt es ab. Kaltes und zugleich stark salzhaltiges Wasser aber ist schwer, es sinkt deshalb und erneuert so das Wasser im tiefen Ozean. Dieses frische Tiefenwasser strömt im Atlantik zunächst nach Süden, Richtung Antarktis und dringt von dort in die anderen Weltmeere vor, den Pazifik und den Indischen Ozean, wo es schließlich nach und nach – oft erst nach Jahrtausenden – wieder an die Oberfläche gelangt. Der Nordatlantik ist also die große Umwälzpumpe der Tiefsee weltweit. Doch nach den Modellen der Klimaforschung lässt die Leistung dieser Pumpe nach. O-Ton – Monika Rhein: Dies hätte natürlich Konsequenzen für unser Klima, deshalb sind wir jetzt gerade als Europäer da natürlich besonders interessiert da dran. Autor: Wenn es weltweit wärmer wird, kühlt auch das im Atlantik nordwärts strömende Wasser weniger schnell ab. Außerdem vermischt es sich mit Süßwasser des schmelzenden Grönlandeises. Beides sorgt dafür, dass das Nordatlantikwasser leichter wird und weniger stark absinkt. Damit könnte sich auch der Golfstrom abschwächen, er würde dann weniger tropische Wärme aus der Karibik Richtung Europa transportieren. Das Klima in Europa würde sich durch den Treibhauseffekt zwar weiter erwärmen, aber die Temperaturen würden weniger schnell ansteigen als anderswo auf der Erde. O-Ton – Monika Rhein: Der zweite Grund, warum wir uns dafür interessieren, ist der Meeresspiegel. Wir wissen ja, durch die Erwärmung des Meeres erhöht sich der Meeresspiegel, was aber meistens nicht mitgesagt wird, dass lokal natürlich große Unterschiede sein können und durch diese Änderung in der Zirkulation würden wir jetzt noch für Europa zusätzlich etwa zwischen 30 und 40 cm Erhöhung des Meeresspiegels mehr bekommen, als wir sowieso durch die Erwärmung des Ozeans bekommen würden. Und das ist natürlich schon eine Größenordnung, die für den Deichbau interessant ist. Autor: Nicht nur an den europäischen Küsten steigt der Meeresspiegel überdurchschnittlich – auch an der Ostküste der USA zwischen New York und Boston. Das ist vermutlich eine Folge des schwächelnden Golf- bzw. Nordatlantikstroms. Um das genauer zu 9 untersuchen, haben Monika Rhein und ihre Kollegen sechs Bodenecholote am Meeresgrund in dreieinhalbtausend Meter Tiefe verankert. Jedes kostet an die 40.000 Euro. O-Ton – Monika Rhein: Die senden alle 30 Minuten ein Signal zur Meeresoberfläche, das wird dort reflektiert und kommt zurück. Autor: Die Zeit, die das Schallsignal für den Weg an die Oberfläche und wieder zurück braucht, gibt Auskunft über die Höhe des Meeresspiegels. Der Haken an dieser Messmethode: Die Daten werden auf einer Festplatte am Meeresgrund gespeichert. Deshalb muss Monika Rhein jedes Jahr mit der Merian an die Messstellen fahren, um die Daten auszulesen. Und alle vier Jahre werden die Echolote aus ihrer Verankerung gelöst, an Bord geholt und ausgetauscht – was nicht immer reibungslos geht. O-Ton – Monika Rhein: Das netteste was uns passiert ist, war, dass wir ein Gerät da unten hatten, das wollte, als wir es ausgelöst haben, nicht an die Oberfläche gekommen und hat es dann einfach drei Monate später getan, als keiner da war und schwamm dann nach Galway, wo es dann von einer Familie, die am Strand spazieren ging, gefunden wurde, und wir hatten da natürlich unsere Telefonnummer drauf und dass es eine Belohnung gibt und die haben uns angerufen und einer meiner technischen Mitarbeiter ist dann hingefahren und hat das abgeholt. Atmo: Gespräche Autor: Die wissenschaftlichen Mitarbeiter an Bord der Merian haben inzwischen den Tagesablauf und die Regeln an Bord verinnerlicht. Halb acht Frühstück, halb zwölf Mittagessen. Meist gutbürgerliche, norddeutsche Küche. halb sechs Abendessen. Kaffeepausen um 10 und um 14 Uhr. Das Geschirr zügig abtragen, nicht zu lange in der Messe – also dem Speiseraum – verweilen. Nicht mit den Sicherheitsschuhen in die Kammern gehen. Auch die Messungen werden allmählich zur Routine. Denn so ist die Meeresforschung nun mal: Solide Ergebnisse erhält man durch wiederholte, immer gleiche Messungen an verschiedenen Stellen oder zu verschiedenen Zeiten. Kirsten Schäfer etwa ist für die biologische Untersuchungen verantwortlich: Sie fischt Plankton, um mehr über die Organismen in den sauerstoffarmen Zonen zu erfahren. O-Ton – Kirsten Schäfer: Auf der ersten Station ist immer alles aufregend, klappt das alles, ist das Gewicht richtig, hängt das alles gut, und dann ist das irgendwann Routine. Dann machst du das einfach nur noch so und schluppst nur noch hierher, und dann muss schon was Besonderes im Netz sein, dass du richtig aufwachst, wenn es nicht mehr so aufregend ist, wenn du das 50. Netz runtergelassen hast. Autor: Lange glaubten Wissenschaftler, der Klimawandel führe zunächst nur zu einer Erwärmung der Meeresoberfläche. Inzwischen wissen sie mehr. 10 O-Ton – Antje Boetius: Ja, die Erwärmung ist in tiefem Wasser messbar, wir haben vor Spitzbergen Verankerungen bis in 5000 m Wassertiefe hinab und wir konnten messen, dass inzwischen pro Jahrzehnt deutliche Erwärmungen bis hinab in 2500 m stattfinden. Autor: Antje Boetius, Meeresbiologin am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, ist auch gelegentlich mit der Merian unterwegs. Ihre letzte Fahrt fand aber mit der Polarstern statt, dem Eisbrecher unter den deutschen Forschungsschiffen. O-Ton – Antje Boetius: Vor 17 Jahren ist die „Polarstern“ wirklich schwer durchs Eis gekommen, man musste Eis brechen, das Schiff fährt dazu ja auf die Eisschollen drauf, bis es von seinem eigenen Gewicht durchbricht, jetzt sind wir zum Teil durchgefahren als wäre das Eis Butter, so stark ist es abgeschmolzen. Ich hab nochmal nachgeguckt in meinen Aufzeichnungen als Doktorand, da hat das Eis durchschnittlich ungefähr zwei, drei Meter Dicke gehabt, es hat jetzt nur noch 80 cm in den größten Bereichen des europäischen arktischen Raumes und das ist eine unglaublich schnelle Veränderung. Autor: Antje Boetius bleibt bei der Meeresforschung nicht immer an Bord. Sie taucht mit einem U-Boot oft bis zum Meeresgrund hinab. Und weil sich der Rand des arktischen Eis schon um bis zu 500 km nach Norden verlagert hat, konnte sie mit dem Tauchboot sowie mit kamerabestückten Tauchrobotern buchstäblich in unerforschte Gebiete vordringen. O-Ton – Antje Boetius: Wir waren damit in Tiefseeregionen, in die noch nie ein Mensch hat schauen können und wir konnten mit Kamerasystemen vom Schiff sehr schöne Aufzeichnungen machen, zum ersten Mal von diesem Meeresboden. Wir haben völlig neues Leben gesehen; wir haben aber noch andere Zusammenhänge gefunden, zum Beispiel im Eis gibt es besondere Algen, gibt es auch Lebewesen. Ud wenn das Eis im Sommer schmilzt, fallen diese Lebewesen bis in die Tiefsee hinab und dienen dort als Nahrung. Wenn das Eis nun ganz verschwindet, dann gibt es diesen Zusammenhang zwischen Eis und Tiefseeboden nicht mehr, und auch das hat zu einer sofortigen Änderung führt. In den letzten fünf Jahren ist die Tiefsee in der Arktis anders geworden. Autor: In der Tiefsee gibt es praktisch keine Jahreszeiten. Das ganze Jahr ist das Wasser relativ gleichbleibend kalt, zum Teil sogar mit Temperaturen von unter Null Grad – denn wegen des hohen Drucks und des Salzgehalts friert das Tiefseewasser erst bei minus zwei Grad. Doch nun, im Zuge der globalen Erwärmung, stellen sich in manchen Tiefseeregionen Verhältnisse ein, wie es sie sehr lange nicht mehr gab. O-Ton – Antje Boetius: Wir haben neulich Bakterien entdeckt, die sterben, wenn es wärmer als 0 Grad ist und darüber weiß man noch sehr wenig, was ist das überhaupt für eine Art von Leben, wenn man so empfindlich gegenüber Temperatur ist? In den letzten 11 Jahrhunderttausenden war‘s ja nie so warm, so dass es eigentlich durchaus sein kann dass es noch unentdecktes Leben gibt, was sogar auf einen halben Grad Celsius schon mit Aussterben reagieren würde. Atmo: Tiefsee O-Ton – Antje Boetius: Als ich Student war und über Tiefsee gelernt habe, da wurde mir immer vermittelt, das ist unglaublich langsam was da alles stattfindet und das braucht Jahrhunderte, Jahrtausende bis sich etwas ändert, das ist ein stabiler Lebensraum. Aber seit ungefähr 10 Jahren können wir mit Kameras hineingucken, wir können die Tiere lebend in ihrer Umwelt beobachten und stellen fest, sie reagieren genauso geschwind wie an Land, das bedeutet aber auch dass jegliche Störung ihres Lebensraumes auch direkt und sofort zu Veränderungen führt. Autor: Die Ozeane spielt eine Schlüsselrolle für das Weltklima. Ein Drittel des irdischen Wärmetransports läuft über die Meere. Und würde die Ozeane nicht Treibhausgase und überschüssige Wärme speichern, hätte sich das Weltklima schon viel dramatischer erwärmt. Doch die Folgen des Klimawandels sind im Ozean viel schwerer zu erkennen als an Land. Satellitenbilder zeigen meist nur Veränderungen an der Wasseroberfläche – aber die Ozeane sind tief. Und sie sind – anders als das Festland – ständig in dreidimensionaler Bewegung. Es ist leicht dahin gesagt: Die Ozeane werden saurer, der Golfstrom könnte ins Stocken geraten, die Todeszonen im Meer weiten sich aus. Doch erst an Bord eines Forschungsschiffes wird klar, wieviel Aufwand nötig ist, um solche scheinbar lapidaren Aussagen wirklich treffen zu können. Atmo: Lautsprecherdurchsage Merian Autor: Ein Tauchroboter ging kaputt, auf Untersuchungen in den Senegalesischen Hoheitsgewässern mussten die Forscher verzichten, aber sonst lief fast alles reibungslos. Vor vier Wochen auf den Kapverden gestartet, geht die Maria S. Merian kurz vor Weihnachten vor der Küste Namibias vor Anker. **** 12