Mit dem Forschungsschiff im Atlantik

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SWR2 Wissen – Manuskriptdienst
Mit dem Forschungsschiff auf dem Atlantik
Wie Klimawandel die Ozeane verändert
Autor: Gábor Paál
Redaktion: Udo Zindel
Produktion: Gábor Paál
Sendung: Dienstag, 4. August 2015
Produktion 2013
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MANUSKRIPT
Atmo: Schiff – Dialog an Deck:
Bootsmann „Langsamer, Peter beim Eintauchen, wenn es klappert, ist immer
Scheiße.... „Wie weit wollt ihr – so tief wie möglich...“
Autor:
So tief wie möglich – das wären hier im Atlantik, nördlich der Kapverdischen Inseln,
3.600 Meter. Die See ist ruhig, die Sonne scheint. Blauer Himmel, tiefblaues Meer,
ein paar Schönwetterwolken. Nur das grelle Orange von Deutschlands modernstem
Forschungsschiff durchbricht das blau-weiße Farbspektrum. Leuchtend orange der
Schornstein, das Dach des Brückenhauses, orangen das große Rettungsboot und
die zahlreichen Motor-Winden an Bord. Wissenschaftler lassen eine mit
verschiedenen Sensoren bestückte Messsonde zu Wasser. Andere bereiten ein Netz
vor, mit dem Plankton aus der Tiefe gefischt werden soll.
O-Ton – Manuela:
Es ist genau das, was ich immer machen wollte und das hat mich auch dazu
gebracht, Ozeanographie zu studieren, dass ich halt mal auf einem Forschungsschiff
wirklich rausfahren und gucken kann, was ist im Meer wirklich los.
Ansage:
Mit dem Forschungsschiff im Atlantik – Wie der Klimawandel die Ozeane verändert.
Von Gábor Paál.
Autor:
Seit Monaten kreuzt die Maria S. Merian im Atlantik. Im Sommer war sie noch vor der
Ostküste Kanadas, von dort ging es nach Island und Grönland. Jetzt ist sie im
tropischen Atlantik angelangt. Die Forschungsteams an Bord wechseln nach drei bis
fünf Wochen. Jedes Team geht eigenen Fragen nach: Warum steigt der
Meeresspiegel an den europäischen Küsten stärker als anderswo? Wie beeinflusst
das Abschmelzen des Polareises die Meeresströme weltweit? Und wie verändert
sich durch den Klimawandel die Chemie des Meerwassers?
O-Ton – Kirsten Schäfer:
Klar, es ist das, wofür wir auch Forscher geworden sind, das heißt wir fahren dafür
auch raus, das ist natürlich Hochleistungsphase für unser Arbeiten, und das ist schon
eine schöne Zeit.
Autor:
Kirsten Schäfer und ihre Kollegen gingen gestern an Bord – in Mindelo, der
Hauptstadt der kapverdischen Insel Sao Vicente, wo auch viele Yachtsegler starten,
um den Atlantik zu überqueren. Die 15 Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum für
Ozeanforschung, dem GEOMAR in Kiel, werden vier Wochen die Wissenschaftler
unterwegs sein, bevor sie in Namibia an Land gehen. Sie interessieren sich vor allem
für den Sauerstoffgehalt des Atlantikwassers. Denn aufgrund des Klimawandels
scheint dem Ozean an manchen Stellen buchstäblich die Luft auszugehen.
2
O-Ton – Peter Brandt:
Der Sauerstoff ist für jedes Lebewesen eine entscheidende Größe und gerade in den
Tropen haben wir in den letzten Jahrzehnten festgestellt, dass der Sauerstoff immer
weiter abnimmt.
Autor:
Nach dem Ablegen in Mindelo steuert das Forschungsschiff das so genannte
Kapverdische Ozeanobservatorium an, nordöstlich der Inselgruppe – es ist nicht
mehr als ein definiertes Untersuchungsgebiet.
O-Ton – Peter Brandt:
Dort hatten wir in den letzten Jahren einzelne Ereignisse mit sehr sehr niedrigem
Sauerstoff. Es wurde also tatsächlich beobachtet, dass dort null Sauerstoff
gemessen wurde. Und das ist im offenen Ozean eine besondere Sache, die
eigentlich bis jetzt im Atlantik noch nicht so festgestellt wurde.
Autor:
Meeresforscher wie Peter Brandt und sein schwedischer Kollege Toste Tanhua
kommen immer wieder hierher, um den Sauerstoffgehalt zu messen, bis hinunter
zum Meeresboden in 3.600 Metern Tiefe.
O-Ton – Toste Tanhua, darüber Übersetzung:
Wir befinden uns in der Zone der Passatwinde, haben aber heute ungewöhnlich
schwachen Wind, normalerweise haben wir hier Windstärke 4 bis 5 mit Gischt und
Wellen von mehreren Metern Höhe. Heute haben wir nur Windstärke 3 bis 4. Ideale
Bedingungen für das, was wir vorhaben.
Atmo: Lautsprecherdurchsage: „Gut, dann können wir jetzt auf 20 Meter gehen.“
Autor:
Die Forscher wollen feststellen, wie sich Temperatur, Salzgehalt, aber auch die
Sauerstoffkonzentration und die Menge an Plankton – also die Biomasse – mit der
Tiefe verändern. Dazu lassen sie eine so genannte CTD-Rosette hinab. Ein
zylinderförmiges Gestell, bestückt mit Sensoren und einer Spezialkamera, die auf
dem Weg zum Meeresgrund vier Fotos pro Sekunde schießt, so dass die Forscher
ein Bild von den Kleinstlebewesen im in der Tiefsee bekommen.
Atmo:
Lautsprecherdurchsagen „Hier werden wir 1 Minute und 10 Sekunden warten.“
Autor:
Johannes Karstensen sitzt derweil im Bordlabor, überwacht das Zu-Wasser-Lassen
der Rosette und gibt Kommandos an die Brücke und an den Bootsmann, der die
Winde steuert.
Atmo:
Lautsprecherdurchsagen: „Brücke an Labor – wir haben ein technisches Problem,
müssen die Sonde nochmal an Deck nehmen.“
3
O-Ton – Martin Visbeck:
Die Ozeane haben in der Nähe der Tropen, nicht direkt am Äquator, aber etwas
nördlich und südlich davon, eine Zone, die, wie wir sagen, schlecht belüftet ist,
schlecht ventiliert. Das ist ungefähr bei 10 Grad Nord und 10 Grad Süd, dicht an den
Ostseiten der Meere, also in unserem Fall vor Afrika, vor Angola, Senegal, wo wir
hier sind.
Autor:
Martin Visbeck leitet die Forschungen an Bord.
O-Ton – Martin Visbeck:
Diese Sauerstoffminimumzonen sind deswegen für uns interessant, weil wir davon
ausgehen, dass im Klimawandel sich der Sauerstoff noch mehr verringern wird.
Autor:
Denn wenn Meeresorganismen an der Oberfläche absterben, sinken sie in Wochen
oder Monaten langsam auf den Meeresboden – auf dem Weg nach unten verwesen
sie, und ihr Verwesen verbraucht Sauerstoff. Das ist zunächst ein natürliches
Phänomen. Bedenklich könnte es aber werden, wenn sich diese Zonen ausdeh nen
und der Sauerstoff weiter abnimmt. Und danach sieht es im Moment aus.
Atmo: ... Winde Labor, Achtung, Winde noch 40 Meter...
Autor:
Was Martin Visbeck beschreibt, verfolgt Johannes Karstensen gerade am
Computerbildschirm. Dort kann er bereits die Daten ablesen, die die Sensoren
gerade messen.
O-Ton – Johannes Karstensen:
Was man jetzt sieht, sind die vertikalen Verteilungen von der Oberfläche bis in jetzt
im Moment 1600 m Tiefe von Sauerstoff, Temperatur und Salzgehalt, und man sieht
eben sehr auffällig ist einmal dieses Minimum im Sauerstoff, was ungefähr bei 450,
500 m Tiefe seinen tiefsten Wert erreicht.
Autor:
Bisher ist nicht ganz klar, in welchem Ausmaß der Sauerstoff abnimmt und warum.
Man weiß, dass die Ozeane Sauerstoff an ihrer Oberfläche, aus der Atmosphäre
aufnehmen. Doch durch den Klimawandel erwärmt sich das oberflächennahe Wasser
– und warmes Wasser kann weniger Sauerstoff aufnehmen als kaltes. Außerdem ist
warmes Wasser leichter. Und je wärmer und leichter das Meerwasser wird, umso
eher bleibt es nahe der Oberfläche. Es vermischt sich dann seltener mit
darunterliegenden Schichten. Das könnte ein Grund sein, weshalb in der Tiefe
weniger Sauerstoff ankommt.
O-Ton – Johannes Karstensen:
Weiterhin ist in der Regel ein warmer Ozean produktiver. Sprich es gibt mehr
Lebewesen, Blaualgen oder ähnliches, die dann, wenn sie absterben, runtersinken
und auf dem Weg verrotten und Sauerstoff zehren.
Atmo: „3.600 Meter, Winde Stop.“
4
Autor:
Die Messreihen während dieser Forschungsfahrt werden bestätigen: Verglichen Eer
Trend der Sauerstoffabnahme im tropischen Atlantik hält an. Die Folgen für das Leben
im Ozean sind noch weitgehend unerforscht. Klar ist: In sauerstoffarmen Schichten
können viele Fische nicht leben. Wenn sich diese Zonen ausweiten, schrumpft der
Lebensraum zahlloser Arten.
O-Ton – Peter Brandt:
Da gibt es auch Untersuchungen zu wie die großen Jäger, wie der Marlin oder die
Tunfische, dass die tatsächlich nicht in die Sauerstoffminimumzone hinabtauchen
und das bedeutet deswegen eine Einschränkung ihres Habitats.
Autor:
Im offenen Ozean bilden sich außerdem immer wieder große Verwirbelungen. Wenn
ein solcher Wirbel sauerstoffarmes Wasser an die Oberfläche reißt und gar noch auf
eine Küste zutreibt, können so genannte Todeszonen entstehen, in denen
Fischbestände und Meerestiere wie Langusten und Schnecken zugrunde gehen.
O-Ton:
Man findet die im Golf von Mexiko auch ein bisschen um Europa rum, diese gab es
immer schon, aber vielleicht werden die sich weiter ausbreiten, und das ist nicht so
toll, weil in diesen sehr sauerstoffarmen Meeren sich andere Mikroben, andere
Bakterien, andere Organismen einstellen, z.T. auch dabei Gase aus dem Meer
kommen, die für uns Atemgifte sind und man kennt das manchmal, wenn diese
Todeszonen sehr massiv werden, da werden auch schon mal Strände weiträumig
abgesperrt und Küstenstreifen von 5 km Breite einfach gesperrt für alte und Kinder,
weil das eben ein Atemgift ist.
Autor:
Vor allem Schwefelwasserstoff kann ganze Küstenregionen verseuchen. In der
Bretagne wurden deshalb schon Strände gesperrt, auch an der Ostsee rechnen
Behörden mit solchen Maßnahmen, falls es im wärmer werdenden Wasser häufiger
zu so genannten Algenblüten kommt.
Atmo: Schließen des Tores
Autor:
Die Maria S. Merian ist bei Meeresforschern begehrt. Seit 2005 im Einsatz ist sie das
jüngste und modernste deutsche Forschungsschiff. Fast hundert Meter lang und 20
Meter breit. An Bord acht verschiedene Windenanlagen, mit denen Messgeräte,
Fangnetze oder Tauchroboter zu Wasser gelassen werden können. Die Merian ist
zwar kein Eisbrecher wie die berühmte „Polarstern“ und nicht ganz so groß, aber
immerhin ein Eisrandschiff, das noch mit 80 Zentimeter dickem Packeis
zurechtkommt. Und die Maria S. Merian hat noch weitere Stärken, auf die Kapitän
Ralf Schmidt stolz ist.
O-Ton – Ralf Schmidt:
Das Besondere an diesem Schiff ist einerseits die Antriebstechnik und das macht
den großen Reiz aus für einen Nautiker der ein Schiff navigiert und steuert: Es kann
auf einen Meter genau fahren, bei größten Windstärken, das ist einzigartig.
5
Autor:
Andere Motorschiffe haben eine oder mehrere Schiffsschrauben, die fest am Heck
montiert sind. Die Merian hat einen „Pod-Antrieb“. Das bedeutet: Ihre Schrauben
lassen sich in jede beliebige Richtung drehen, dadurch lässt sich das Schiff sehr
genau manövrieren. Es kann sogar schräg oder seitwärts fahren.
O-Ton – Ralf Schmidt:
Was dazukommt, ist dass das Schiff computergesteuert automatisch eine Position
hält, also diese Anlage lässt das Schiff über Wochen auf einen Meter genau auf einer
Position stehen, ohne dass wir direkt das Ruder oder die Maschinen betätigen
müssen.
Autor:
Das machen sich die Forscher auch bei ihren Messungen heute zunutze:
Stundenlang verharrt das Schiff auf der Stelle, ohne sich durch Wellengang oder
Strömung auch nur einen Meter von der Stelle zu bewegen. Die Merian gehört
außerdem zu den wenigen Schiffen weltweit, die das Umweltgütesiegel „Blauer
Engel“ tragen dürfen.
O-Ton – Martin Visbeck:
Wir haben eben gesagt: Die Meeresforscher, wenn die selber das Meer
verschmutzen, das ist schwer erklärbar.
O-Ton – Ralf Schmidt:
Also hier geht keinerlei Müll irgendwo von Bord, wir leiten auch keine Abwasser oder
andere Sachen ab, und unsere ganzen Betriebsstoffe sind alles biologisch abbaubar,
unsere Öle sind alles biologische Stoffe, und das ist natürlich eine schöne Sache,
was zukünftig hoffentlich auch in allen anderen Schiffen mal Grundvoraussetzung ist,
aber momentan sind wir da Vorreiter.
Autor:
Auf der Merian wird Müll genauso getrennt wie an Land. Papierreste werden zu
Pellets gepresst, Leitungswasser wird mit einer Entsalzungsanlage gewonnen und
recycelt. Die Merian fährt im Gegensatz zu vielen Container- und Kreuzfahrtschiffen
auch nicht mit stark schwefelhaltigem Schweröl, sondern mit umweltschonenderem
Diesel.
Atmo: Besprechung
Autor:
Eine Forschungsfahrt verlangt enorme Vorbereitung. Die Zeit auf dem Schiff ist
kostbar. Jeder Tag verschlingt etwa 30.000 Euro – vor allem an Treibstoff und
Lohnkosten für die Crew. Drei Jahre zuvor hatte Martin Visbeck den Antrag gestellt,
an Bord gehen zu dürfen, hatte beschrieben, was er und seine Kollegen vom
GEOMAR vorhaben. Und es gibt dabei alles Mögliche zu bedenken: Wenn sie in fremden
Hoheitsgewässern forschen wollen, müssen sie Genehmigungen der jeweiligen
Küstenstaaten einholen. Vor einem halben Jahr schon hat Visbeck Untersuchungen in
Hoheitsgewässern des Senegal beantragt – doch die westafrikanischen Behörden
lassen die Forscher zappeln.
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O-Ton – Martin Visbeck:
Wir haben vor 10 Tagen auch die Rückmeldung bekommen aus Dakar, dass wir
forschen dürfen unter der Auflage, dass ein Beobachter an Bord kommt und
sicherstellt, dass wir nur die Messungen machen, die wir beantragt haben. Im
Moment warten wir noch auf den Beobachter. Er wurde uns noch kein Name
gemeldet und es ist auch noch keiner angekommen. Dann muss man noch
nachverhandeln, ob man auch forschen darf ohne Beobachter, das wissen wir jetzt
nicht, das muss das Auswärtige Amt in Berlin klären mit dem Auswärtigen Amt in
Senegal, ob wir ohne Beobachter forschen dürfen oder ob wir nicht forschen dürfen.
Atmo: Fahrt
Autor:
An Deck checkt der schwedische Chemiker Toste Tanhua ein ein mal vier Meter
großes Metallgerüst, an dessen Oberseite zehn gelbe Plastikkugeln als
Auftriebskörper montiert sind. Tanhua ist für das Experiment zuständig, auf das die
Forscher am meisten gespannt sind. Der Schlitten, wie das Gerüst auch genannt
wird, soll südlich des Äquators zu Wasser gelassen werden und eine MarkerSubstanz freisetzen. CSFl5 – Eine Fluor-Schwefel-Kohlenstoffverbindung, die 500
Euro pro Kilo kostet.
O-Ton – Toste Tanhua, darüber Übersetzer:
Das ist ein künstliches Gas, das wir in ungefähr 500 Meter Tiefe ins Meer lassen. Es
ist eine sehr stabile Substanz, die keine Reaktionen mit anderen Stoffen eingeht.
Deshalb ist sie für Umwelt und die Organismen im Meer unbedenklich, gleichzeitig
können wir dieses Gas später in sehr niedriger Konzentration messen. Und weil es
weder in der Natur vorkommt noch vom Menschen verwendet wird, wissen wir, wenn
wir es in fünf Jahren irgendwo anders im Ozean nachweisen können, es stammt von
unserem Experiment.
Autor:
Damit wird klar, wozu das Experiment dienen soll: Anhand der Markersubstanz
wollen die Forscher besser verstehen, wie schnell sich diese Meeresströmungen
ausbreiten und damit auch, wie sehr sich die Meeresschichten bei ihrem Zug über
den Atlantik durchmischen.
O-Ton – Toste Tanhua, darüber Übersetzer:
Wir haben etwas Ähnliches vor vier Jahren gemacht um zu bestimmen, wie schnell
Oberflächenwasser in die Tiefe gelangt, wie intensiv also der Wasseraustausch
zwischen oben und unten ist. Aber uns interessiert auch die Ausbreitung in der
Horizontalen. Wir setzen das Gas jetzt frei, und dann sind drei Folgefahrten geplant –
in einem halben Jahr, in anderthalb Jahren und in zweieinhalb Jahren. In jedem Jahr
werden wir ein immer größeres Meeresgebiet absuchen müssen, weil sich das Gas
immer weiter ausbreitet. Wir sind jetzt bei den Kapverdischen Inseln, westlich von
Afrika. In drei Jahren erwarten wir, das Gas auch nahe der brasilianischen Küste zu
finden.
Autor:
Toste Tanhua gehört zu den Wissenschaftlern mit der längsten See-Erfahrung an
Bord. Als passionierter Hobbysegler hat er auch schon den Atlantik überquert. Seine
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erste Forschungsfahrt liegt bereits zwanzig Jahre zurück, damals war er noch
Student an der Universität Göteborg.
O-Ton – Toste Tanhua, darüber Übersetzer:
Die Schiffe sind heute viel moderner. Die Labore sind besser, größer, wir können
auch sehr große Instrumente mit an Bord nehmen. Der größte Unterschied für uns ist
aber die Kommunikation. Als wir vor 20 Jahren unterwegs waren, hatten wir praktisch
keinen Kontakt zur Außenwelt, zu irgendwem.
Autor:
Auch die Biologin Kirsten Schäfer kann sich an ihre ersten Fahrten in den 90-er
Jahren noch gut erinnern.
O-Ton – Kirsten Schäfer:
Also ich war zu Anfang meiner Forschungszeit viel in Sibirien und da war’s dann so:
Ein Fax konnte man in der Woche schicken, das hat dann so 10 Dollar gekostet pro
Seite. Da ist man schon abgeschnitten, das ist jetzt aber nicht mehr so.
Autor:
Heute dagegen haben die Forscher zumindest in der Nähe der Küste oft
Internetverbindung. Und Emails lassen sich fast von überall schreiben.
Mit dem Wetter hat das Team an Bord der Maria S. Merian diesmal Glück. Die See
bleibt während der Fahrt nach Namibia weitgehend ruhig, zur Freude auch von
Bordarzt Reinhard Müller.
O-Ton – Reinhard Müller:
Seekrankheit, da sind immer mehr die Wissenschaftler als die Besatzung betroffen.
Es gibt fast immer Mitfahrer, die seekrank werden und die muss man dann eben
entsprechend behandeln.
Autor:
Seekranke Mitfahrer gehören zu den kleineren Problemen, mit denen der Bordarzt
rechnen muss. Schlimmer ist es, wenn Wissenschaftler sich zum Beispiel an
schweren Geräten ernsthaft verletzen. Auch das sei schon vorkommen. Und weil
Rettungshubschrauber nur begrenzte Reichweite haben und an Bord weder landen
noch auftanken können, droht bei einem schweren Unfall ein Abbruch der gesamten
Fahrt.
O-Ton – Reinhard Müller:
Es ist möglich, wenn wir mitten im Ozean im Forschungsgebiet sind, dass wir 3 bis 4
Tage in Richtung der nächsten Küste fahren müssen bzw. in Richtung des möglichen
Meeting Points, wo man einen Patienten oder Verletzten mit dem Hubschrauber
abbergen lassen kann. Die Hubschrauber haben eine max. Reichweite von 250 sm,
also 430 km hin und zurück, so dass man da im Zweifelsfall schon 3 bis 4 Tage
einfach fahren muss, das wäre insgesamt eine Unterbrechung einer Reise um fast
eine Woche.
Atmo: Schiffsdurchsagen
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O-Ton – Monika Rhein:
Ah, es ist toll. Ja also als ich das erste Mal, da war ich noch Diplomandin an der
Universität Heidelberg als ich zum ersten Mal mit auf See gefahren bin war klar, dass
ich meinen Beruf da gerne hätte.
Autor:
Monika Rhein von der Universität Bremen ist ebenfalls eine langjährige
Forschungsreisende. Sie ist mit der Merian eher in kühleren Breiten unterwegs, in
der Antarktis oder im Nordatlantik, in den Ausläufern des Golfstroms.
Der Nordatlantik spielt für die Weltmeere eine zentrale Rolle. Südöstlich von
Grönland wird Meerwasser in einem Maße umgewälzt, das die Meeresströmungen
auf dem gesamten Planeten antreibt. Das Oberflächenwasser, das vor allem über
den Golf- und Nordatlantikstrom nach Norden gelangt, ist zunächst tropisch warm. Auf
seinem Weg verdunstet ein erheblicher Teil, dadurch wird es salziger und gleichzeitig
kühlt es ab. Kaltes und zugleich stark salzhaltiges Wasser aber ist schwer, es sinkt
deshalb und erneuert so das Wasser im tiefen Ozean. Dieses frische Tiefenwasser
strömt im Atlantik zunächst nach Süden, Richtung Antarktis und dringt von dort in die
anderen Weltmeere vor, den Pazifik und den Indischen Ozean, wo es schließlich
nach und nach – oft erst nach Jahrtausenden – wieder an die Oberfläche gelangt.
Der Nordatlantik ist also die große Umwälzpumpe der Tiefsee weltweit. Doch nach
den Modellen der Klimaforschung lässt die Leistung dieser Pumpe nach.
O-Ton – Monika Rhein:
Dies hätte natürlich Konsequenzen für unser Klima, deshalb sind wir jetzt gerade als
Europäer da natürlich besonders interessiert da dran.
Autor:
Wenn es weltweit wärmer wird, kühlt auch das im Atlantik nordwärts strömende
Wasser weniger schnell ab. Außerdem vermischt es sich mit Süßwasser des
schmelzenden Grönlandeises. Beides sorgt dafür, dass das Nordatlantikwasser
leichter wird und weniger stark absinkt. Damit könnte sich auch der Golfstrom
abschwächen, er würde dann weniger tropische Wärme aus der Karibik Richtung
Europa transportieren. Das Klima in Europa würde sich durch den Treibhauseffekt
zwar weiter erwärmen, aber die Temperaturen würden weniger schnell ansteigen als
anderswo auf der Erde.
O-Ton – Monika Rhein:
Der zweite Grund, warum wir uns dafür interessieren, ist der Meeresspiegel. Wir
wissen ja, durch die Erwärmung des Meeres erhöht sich der Meeresspiegel, was
aber meistens nicht mitgesagt wird, dass lokal natürlich große Unterschiede sein
können und durch diese Änderung in der Zirkulation würden wir jetzt noch für Europa
zusätzlich etwa zwischen 30 und 40 cm Erhöhung des Meeresspiegels mehr
bekommen, als wir sowieso durch die Erwärmung des Ozeans bekommen würden.
Und das ist natürlich schon eine Größenordnung, die für den Deichbau interessant
ist.
Autor:
Nicht nur an den europäischen Küsten steigt der Meeresspiegel überdurchschnittlich
– auch an der Ostküste der USA zwischen New York und Boston. Das ist vermutlich
eine Folge des schwächelnden Golf- bzw. Nordatlantikstroms. Um das genauer zu
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untersuchen, haben Monika Rhein und ihre Kollegen sechs Bodenecholote am
Meeresgrund in dreieinhalbtausend Meter Tiefe verankert. Jedes kostet an die
40.000 Euro.
O-Ton – Monika Rhein:
Die senden alle 30 Minuten ein Signal zur Meeresoberfläche, das wird dort reflektiert
und kommt zurück.
Autor:
Die Zeit, die das Schallsignal für den Weg an die Oberfläche und wieder zurück
braucht, gibt Auskunft über die Höhe des Meeresspiegels. Der Haken an dieser
Messmethode: Die Daten werden auf einer Festplatte am Meeresgrund gespeichert.
Deshalb muss Monika Rhein jedes Jahr mit der Merian an die Messstellen fahren,
um die Daten auszulesen. Und alle vier Jahre werden die Echolote aus ihrer
Verankerung gelöst, an Bord geholt und ausgetauscht – was nicht immer reibungslos
geht.
O-Ton – Monika Rhein:
Das netteste was uns passiert ist, war, dass wir ein Gerät da unten hatten, das
wollte, als wir es ausgelöst haben, nicht an die Oberfläche gekommen und hat es
dann einfach drei Monate später getan, als keiner da war und schwamm dann nach
Galway, wo es dann von einer Familie, die am Strand spazieren ging, gefunden
wurde, und wir hatten da natürlich unsere Telefonnummer drauf und dass es eine
Belohnung gibt und die haben uns angerufen und einer meiner technischen
Mitarbeiter ist dann hingefahren und hat das abgeholt.
Atmo: Gespräche
Autor:
Die wissenschaftlichen Mitarbeiter an Bord der Merian haben inzwischen den
Tagesablauf und die Regeln an Bord verinnerlicht. Halb acht Frühstück, halb zwölf
Mittagessen. Meist gutbürgerliche, norddeutsche Küche. halb sechs Abendessen.
Kaffeepausen um 10 und um 14 Uhr. Das Geschirr zügig abtragen, nicht zu lange in
der Messe – also dem Speiseraum – verweilen. Nicht mit den Sicherheitsschuhen in
die Kammern gehen.
Auch die Messungen werden allmählich zur Routine. Denn so ist die
Meeresforschung nun mal: Solide Ergebnisse erhält man durch wiederholte, immer
gleiche Messungen an verschiedenen Stellen oder zu verschiedenen Zeiten. Kirsten
Schäfer etwa ist für die biologische Untersuchungen verantwortlich: Sie fischt
Plankton, um mehr über die Organismen in den sauerstoffarmen Zonen zu erfahren.
O-Ton – Kirsten Schäfer:
Auf der ersten Station ist immer alles aufregend, klappt das alles, ist das Gewicht
richtig, hängt das alles gut, und dann ist das irgendwann Routine. Dann machst du
das einfach nur noch so und schluppst nur noch hierher, und dann muss schon was
Besonderes im Netz sein, dass du richtig aufwachst, wenn es nicht mehr so
aufregend ist, wenn du das 50. Netz runtergelassen hast.
Autor:
Lange glaubten Wissenschaftler, der Klimawandel führe zunächst nur zu einer
Erwärmung der Meeresoberfläche. Inzwischen wissen sie mehr.
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O-Ton – Antje Boetius:
Ja, die Erwärmung ist in tiefem Wasser messbar, wir haben vor Spitzbergen
Verankerungen bis in 5000 m Wassertiefe hinab und wir konnten messen, dass
inzwischen pro Jahrzehnt deutliche Erwärmungen bis hinab in 2500 m stattfinden.
Autor:
Antje Boetius, Meeresbiologin am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, ist auch
gelegentlich mit der Merian unterwegs. Ihre letzte Fahrt fand aber mit der Polarstern
statt, dem Eisbrecher unter den deutschen Forschungsschiffen.
O-Ton – Antje Boetius:
Vor 17 Jahren ist die „Polarstern“ wirklich schwer durchs Eis gekommen, man
musste Eis brechen, das Schiff fährt dazu ja auf die Eisschollen drauf, bis es von
seinem eigenen Gewicht durchbricht, jetzt sind wir zum Teil durchgefahren als wäre
das Eis Butter, so stark ist es abgeschmolzen. Ich hab nochmal nachgeguckt in
meinen Aufzeichnungen als Doktorand, da hat das Eis durchschnittlich ungefähr
zwei, drei Meter Dicke gehabt, es hat jetzt nur noch 80 cm in den größten Bereichen
des europäischen arktischen Raumes und das ist eine unglaublich schnelle
Veränderung.
Autor:
Antje Boetius bleibt bei der Meeresforschung nicht immer an Bord. Sie taucht mit
einem U-Boot oft bis zum Meeresgrund hinab. Und weil sich der Rand des arktischen
Eis schon um bis zu 500 km nach Norden verlagert hat, konnte sie mit dem
Tauchboot sowie mit kamerabestückten Tauchrobotern buchstäblich in unerforschte
Gebiete vordringen.
O-Ton – Antje Boetius:
Wir waren damit in Tiefseeregionen, in die noch nie ein Mensch hat schauen können
und wir konnten mit Kamerasystemen vom Schiff sehr schöne Aufzeichnungen
machen, zum ersten Mal von diesem Meeresboden. Wir haben völlig neues Leben
gesehen; wir haben aber noch andere Zusammenhänge gefunden, zum Beispiel im
Eis gibt es besondere Algen, gibt es auch Lebewesen. Ud wenn das Eis im Sommer
schmilzt, fallen diese Lebewesen bis in die Tiefsee hinab und dienen dort als
Nahrung. Wenn das Eis nun ganz verschwindet, dann gibt es diesen
Zusammenhang zwischen Eis und Tiefseeboden nicht mehr, und auch das hat zu
einer sofortigen Änderung führt. In den letzten fünf Jahren ist die Tiefsee in der Arktis
anders geworden.
Autor:
In der Tiefsee gibt es praktisch keine Jahreszeiten. Das ganze Jahr ist das Wasser
relativ gleichbleibend kalt, zum Teil sogar mit Temperaturen von unter Null Grad –
denn wegen des hohen Drucks und des Salzgehalts friert das Tiefseewasser erst bei
minus zwei Grad. Doch nun, im Zuge der globalen Erwärmung, stellen sich in
manchen Tiefseeregionen Verhältnisse ein, wie es sie sehr lange nicht mehr gab.
O-Ton – Antje Boetius:
Wir haben neulich Bakterien entdeckt, die sterben, wenn es wärmer als 0 Grad ist
und darüber weiß man noch sehr wenig, was ist das überhaupt für eine Art von
Leben, wenn man so empfindlich gegenüber Temperatur ist? In den letzten
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Jahrhunderttausenden war‘s ja nie so warm, so dass es eigentlich durchaus sein
kann dass es noch unentdecktes Leben gibt, was sogar auf einen halben Grad
Celsius schon mit Aussterben reagieren würde.
Atmo: Tiefsee
O-Ton – Antje Boetius:
Als ich Student war und über Tiefsee gelernt habe, da wurde mir immer vermittelt,
das ist unglaublich langsam was da alles stattfindet und das braucht Jahrhunderte,
Jahrtausende bis sich etwas ändert, das ist ein stabiler Lebensraum. Aber seit
ungefähr 10 Jahren können wir mit Kameras hineingucken, wir können die Tiere
lebend in ihrer Umwelt beobachten und stellen fest, sie reagieren genauso
geschwind wie an Land, das bedeutet aber auch dass jegliche Störung ihres
Lebensraumes auch direkt und sofort zu Veränderungen führt.
Autor:
Die Ozeane spielt eine Schlüsselrolle für das Weltklima. Ein Drittel des irdischen
Wärmetransports läuft über die Meere. Und würde die Ozeane nicht Treibhausgase
und überschüssige Wärme speichern, hätte sich das Weltklima schon viel
dramatischer erwärmt. Doch die Folgen des Klimawandels sind im Ozean viel
schwerer zu erkennen als an Land. Satellitenbilder zeigen meist nur Veränderungen
an der Wasseroberfläche – aber die Ozeane sind tief. Und sie sind – anders als das
Festland – ständig in dreidimensionaler Bewegung. Es ist leicht dahin gesagt: Die
Ozeane werden saurer, der Golfstrom könnte ins Stocken geraten, die Todeszonen im
Meer weiten sich aus. Doch erst an Bord eines Forschungsschiffes wird klar, wieviel
Aufwand nötig ist, um solche scheinbar lapidaren Aussagen wirklich treffen zu
können.
Atmo: Lautsprecherdurchsage Merian
Autor:
Ein Tauchroboter ging kaputt, auf Untersuchungen in den Senegalesischen
Hoheitsgewässern mussten die Forscher verzichten, aber sonst lief fast alles
reibungslos. Vor vier Wochen auf den Kapverden gestartet, geht die Maria S. Merian
kurz vor Weihnachten vor der Küste Namibias vor Anker.
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