Manuskript radioWissen SENDUNG: 25.01.2017 09.05 Uhr/B2 AUFNAHME: STUDIO: PSYCHOLOGIE Ab 9. Schuljahr TITEL: Borderline – Die emotional instabile Persönlichkeitsstörung AUTORIN: Susi Weichselbaumer REDAKTION: Susanne Poelchau REGIE: Susi Weichselbaumer TECHNIK: Cordula Wanschura SPRECHER: ERZÄHLER: Armin Berger ERZÄHLERIN: Julia Fischer ZITATOR: Peter Veit ZITATORIN: Kathrin von Steinburg O-Töne von: Prof. Dr. Martin Bohus, Zentrum für Seelische Gesundheit, Mannheim; Prof. Dr. Peter Kirsch, Zentrum für Seelische Gesundheit, Mannheim; Dr. Richard Musil, Facharzt Psychologie und Psychiatrie an der Psychiatrischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München. Musik, Atmo _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800-5900222 (kostenfrei); Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 2 COLLAGE über MUSIK: C1595030 106 (00‘40‘‘) ZITATORIN „Früher habe ich mich in Situationen, in denen ich mit dieser Leere konfrontiert war, oft geschnitten. Mit der Selbstverletzung konnte ich dann in die Chirurgie gehen. Dort war immer jemand da. Ich wurde von den Ärzten und dem Pflegepersonal meist nicht besonders freundlich behandelt. Sie ärgerten sich oft darüber, dass ich zusätzliche Arbeit verursachte. Aber dieser Kontakt, diese Zuwendung, waren besser, als die Leere daheim aushalten zu müssen.“ ZITATOR „Früher war Borderline für mich vor allem Wut oder etwas, was ich Gefühlsmatsch nenne, weil es zu viel war. Jetzt ist es eher Trauer und Erschöpfung. Am schlimmsten finde ich den Zustand des absoluten Nichts.“ MUSIK ENDE ERZÄHLER Marina 32 und Alex 46 Jahre alt, aus Franken. Die Namen sind geändert. Die beiden wollen anonym bleiben, deshalb werden sie in dieser Sendung nur zitiert. ERZÄHLERIN Borderline bestimmt ihren Alltag – ERZÄHLER Aber das muss nicht gleich jeder wissen. Marina hat Angst vor Stigmatisierung. Sie arbeitet im Büro einer Kanzlei: Ordnen, sortieren, ablegen nach System – die berufliche Routine tut ihr gut. _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Aber schon verliere ich komplett die Kontrolle.“ ERZÄHLERIN Kontrollverlust – _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800-5900222 (kostenfrei); Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 4 MUSIK ENDE ERZÄHLER Von einem Extrem ins nächste geraten – ERZÄHLERIN Das sind nur zwei Herausforderungen, denen sich viele Borderline-Betroffene täglich stellen müssen. Das Krankheitsbild ist vielfältig, erklärt der Leiter des Zentrums für Seelische Gesundheit in Mannheim, Professor Martin Bohus: O-TON Martin Bohus Das Erste ist, die Patienten haben eine Störung der Emotionsregulation, das Zweite, sie haben Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich, und das Dritte ist, sie haben hohe Schwierigkeiten, was ihre Selbstwahrnehmung anbelangt. ERZÄHLERIN Heute nennen Fachleute das eine „emotional instabile Persönlichkeitsstörung“. In der Öffentlichkeit spricht man jedoch nach wie vor von „Borderline“. ERZÄHLER Diese eher metaphorische Beschreibung der Borderline, also Grenzlinie, stammt aus einer Zeit, als in der Psychologie noch darum gerungen wurde, das komplexe Phänomen überhaupt einzuordnen. MUSIK: C1595860 116 (00‘23‘‘) ERZÄHLERIN Bis in die späten 1990er-Jahre fehlten schlichtweg wissenschaftliche Studien. Als zentrale Annahme galt damals: Bei Borderline handele es sich um eine Mischform _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800-5900222 (kostenfrei); Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 5 aus Depressionen, Schizophrenie, bipolarer Störung, Selbstmordneigung. Eine Persönlichkeitsstörung zwischen neurotisch und psychotisch. MUSIK ENDE ERZÄHLER Die verantwortlich gemacht werden kann für Stimmungsschwankungen, impulsives Verhalten, anhaltende Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen, Selbstverletzungen – bis hin zu Selbstmord. MUSIK: C1595860 112 (00‘03‘‘) ERZÄHLERIN Inzwischen ist auf dem Gebiet „Borderline“-Forschung viel passiert. Mehrere Studienreihen und internationale Untersuchungen später haben Psychologen und Therapeuten immerhin Kriterien zur Hand, um emotional instabile Persönlichkeitsstörungen fundierter zu beschreiben und besser zu diagnostizieren. ERZÄHLER Allerdings gibt es zwei zentrale Diagnosekataloge, nach denen sich die Ärzte richten können: ERZÄHLERIN Das sogenannte ICD ist die internationale statistische Klassifikation der Krankheiten. Erarbeitet wurde sie von der Weltgesundheitsorganisation. Den zweiten Diagnosekatalog, das DSM, erstellt die Amerikanische Psychiatrische Gesellschaft. _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Es kann aber auch sein riskantes Verhalten, Suchtverhalten, und dann natürlich auch suizidales Verhalten. MUSIK: C1595860 114 (00‘22‘‘) ERZÄHLERIN All diese Aspekte können einzeln auftreten, in Kombination miteinander oder in Verbindung mit Merkmalen aus weiteren Bereichen. ERZÄHLER So zum Beispiel aus dem Bereich Persönlichkeit und Selbstbild: Wer bin ich? Was sind meine Ziele? Borderliner sind hierin oft höchst unsicher. MUSIK ENDE _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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O-TON Richard Musil Diese Menschen können auch mal Phasen haben, wo sie sich vielleicht verfolgt fühlen, wo sie die Grenze zwischen sich und der Umwelt nicht so genau differenzieren können, vielleicht auch mal sogar Stimmen hören, Geräusche hören, die jetzt keine reale Quelle haben. MUSIK: C1595860 112 (00‘20‘‘) ERZÄHLER Bilanz: In Summe bietet der Borderline-Kriterienkatalog 256 mögliche Kombinationen aus Anzeichen. Einige dieser Kombinationen ähneln anderen Persönlichkeitsstörungen wie Schizophrenie, Depressionen oder Angststörungen. ERZÄHLERIN Eine eindeutige Diagnose vereinfacht das nicht. MUSIK ENDE _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Es gab zu wenig Liebe und Aufmerksamkeit.“ ZITATOR „Ich fühlte mich immer anders als andere – oft so fehl am Platz oder verloren in dieser Welt.“ ERZÄHLERIN Ausgegrenzt sein – zumindest sich so vorkommen, als gehöre man nicht dazu. Niemandem vertrauen können oder wollen. Für die Betroffenen ist das Alltag. ERZÄHLER Unerträglicher Alltag, aus dem viele ausbrechen wollen. _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800-5900222 (kostenfrei); Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 9 MUSIK ENDE ERZÄHLERIN Wie Alex, der sich mit Anfang 30 um einen Therapieplatz bemüht. ZITATOR „Bei meinem ersten Klinikaufenthalt wurden bei mir Angststörungen sowie Kontrollzwang attestiert.“ ERZÄHLERIN Die darauf ausgerichtete Behandlung hilft Alex nicht. Marina macht ähnliche Erfahrungen. Ihre Suche nach Hilfe wird zur Odyssee durch Kliniken und Praxen: MUSIK ZITATORIN „In der Klinik hieß es: Depressionen. Die darauffolgende ambulante Psychotherapie brachte auch nichts Neues zutage.“ MUSIK ENDE ERZÄHLER Während Marina immer wieder gesagt bekommt: „Depressionen“. „Schwere Depressionen“. – ERZÄHLERIN Sammelt Alex geradezu Diagnosen: _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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ERZÄHLERIN Bis zur passenden Diagnose haben Borderline-Patienten laut Erhebungen im Schnitt acht Psychotherapien hinter sich – MUSIK: C1595939 106 (00‘14‘‘) ZITATOR „Nun saß ich da, ich ahnte ja schon, dass ich ein Borderliner bin, aber als ich die Diagnose schriftlich hatte, wusste ich nicht, ob ich heulen oder lachen sollte.“ _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800-5900222 (kostenfrei); Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 11 MUSIK ENDE ERZÄHLERIN Was sich Patienten wie Marina und Alex wünschen? ERZÄHLER Sicherlich griffigere Diagnoseraster. Besser geschulte Therapeutinnen und Therapeuten, die die Störung präziser erkennen und behandeln können. ERZÄHLERIN Doch bis dahin ist es ein weiter Weg, urteilt Martin Bohus, der Leiter des Zentrums für Seelische Gesundheit in Mannheim. So klaffen selbst bei der Ursachenforschung noch erhebliche Lücken. O-TON Martin Bohus Wir wissen über die Genetik der Borderline-Störung fast gar nichts. Wir wissen, dass einige Prozesse wie Emotionsregulation, Sensitivität für Umwelteinflüsse und ähnliches genetisch bestimmt sind, aber es gibt nicht so etwas wie das BorderlineGen. ERZÄHLERIN Zwar zeigt die Statistik, dass mehr Frauen als Männer betroffen sind. Die Quote liegt bei 60 zu 40 Prozent. ERZÄHLER Warum das so ist, können die Forscher jedoch nicht dingfest machen. ERZÄHLERIN Worin sie sich generell einig sind: Mehr Erklärungspotential für eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung als – möglicherweise – die Gene liefern Umwelteinflüsse: _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800-5900222 (kostenfrei); Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 12 O-TON Richard Musil Das können jetzt wiederum verschiedene Sachen sein: einerseits Traumatisierungen und Dinge vielleicht wie emotionale, physische Vernachlässigung auch in eben Kindheit oder früher Jugend. Man spricht auch oft von einem sogenannten „invalidierenden Umfeld“, das heißt, wenn man als Kind groß wird, hat man erst mal irgendwelche gearteten Gefühlszustände, die dann ja auch erklärt werden müssen, benannt werden müssen, was ist das denn eigentlich. MUSIK: C1549590 125 (00‘24‘‘) ERZÄHLERIN Erklärt mir niemand – ERZÄHLER Sagt mir keiner, dass dieses Gefühl Liebe ist und jenes Trauer, dieses Zorn und nämliches Enttäuschung – O-TON Richard Musil Dann entsteht eben Unsicherheit im Umgang mit den eigenen Gefühlen. MUSIK ENDE O-TON Martin Bohus Was wir aber sehr genau wissen ist, dass ein sehr großer Teil unserer Betroffenen sehr schwierige Erfahrungen in der Kindheit gemacht hat. Circa 60 Prozent berichten über sexuellen Missbrauch, weitere 70 Prozent über körperliche Misshandlungen oder emotionale Vernachlässigung. ERZÄHLERIN Resümiert Borderline-Experte Martin Bohus. _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800-5900222 (kostenfrei); Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 13 O-TON Martin Bohus Das soll nicht heißen, dass alle Borderline-Patienten aus derartigen Familienverhältnissen kommen. Circa 30 Prozent berichten selber, dass sie eigentlich ganz unauffällige primäre Familienprozesse hatten. Alle aber berichten über sehr, sehr schwierige Erfahrungen in der Adoleszenz, das heißt über Zurückweisungserfahrungen aus ihren Peergroups. Und nun kann man natürlich sagen, das ist vorgebahnt durch schwierige zwischenmenschliche Erfahrungen in der Familie, aber die ausschließliche Schuld der Familie zu geben, ist sicherlich falsch. ERZÄHLER Für genauso verkehrt hält es der Psychologe, bei der Behandlung von Borderline in der Quellensuche und Ursachenzuschreibung stecken zu bleiben. ERZÄHLERIN Oder lediglich zu versuchen, Wut und Angst mit Medikamenten und Beruhigungsmitteln zu dämpfen – ERZÄHLER Was sich – wie Studien zeigen – selten als wirklich wirksam erweist. ERZÄHLERIN Medikamente allein sind nicht ausreichend für eine Behandlung. Sie können im besten Fall stabilisierend wirken. MUSIK: C1595860 114 (00‘28‘‘) ERZÄHLER Als hilfreich erwiesen haben sich vor allem Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie. Die Gängigste ist die sogenannte dialektisch behaviourale Therapie. Kurz DBT. _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800-5900222 (kostenfrei); Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 14 ERZÄHLERIN In den 1970er-Jahren entwickelte Marsha Linehan das Konzept. Die USamerikanische Psychologin ist selbst Borderlinerin – ERZÄHLER Und hat jahrelang falsche Diagnosen erhalten. MUSIK ENDE ERZÄHLERIN Linehans Therapieansatz fragt zunächst nach persönlichen Veränderungswünschen oder -notwendigkeiten der Klienten. Dann wird trainiert: Selbstwertgefühl, soziale Kompetenz, Achtsamkeit. Standardverhaltensweisen, um Alltagsprobleme leichter zu lösen. MUSIK: C1595860 115 (00‘28‘‘) ERZÄHLER Beispielsweise lernen die Patientinnen und Patienten, dass nichts nur "EntwederOder" ist. Aus: ERZÄHLERIN „Mein Partner ist der großartigste Mensch der Welt!“ ERZÄHLER Und gleich darauf: ERZÄHLERIN „Mein Partner hat null Verständnis. Ich muss mich sofort trennen!“ _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Ein wesentlicher Aspekt ist dabei, mit den Patienten daran zu arbeiten, anderen Menschen zu vertrauen. O-TON Martin Bohus Wir haben inzwischen mitgekriegt, dass einmal drüber nachdenken, oder einmal erleben noch lange nichts ändert, damit Prozesse im Gehirn sich automatisieren sind Wiederholungen angesagt. Und da das oft langweilig ist und mühsam ist, haben wir ein Programm entwickelt, das den Patienten Spaß macht. MUSIK: C1570550 117 (00‘21‘‘) _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800-5900222 (kostenfrei); Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 16 ERZÄHLERIN Es ist ein buntes Spieleprogramm. Beim Memory auf dem Computer heißt es zum Beispiel: Finde die passende Emotion zum abgebildeten Gesichtsausdruck. ERZÄHLER Rätselfans bilden Teams mit anderen Borderline-Patienten und knacken Kniffliges – gemeinsam. ERZÄHLERIN Tierfreunde kümmern sich um Elefant, Erdmännchen und Nasenbär – MUSIK ENDE O-TON Martin Bohus Das heißt, das ist eine sogenannte gamyfizierte oder eine verspielerischte Oberfläche, in der Patienten einen Zoo aufbauen können, der zunächst mal relativ einsam auf verschiedenen Inseln sich dargestellt kriegt, und je mehr Übungen ich veranstalte und mache, täglich durchführe, umso mehr Tiere bekomme ich, umso lustiger ist die Umgebung. Ich kann Veranstaltungen durchführen, ich krieg Punkte, ich kann mit der Zeit einen liebenswerten, amüsanten und freundlichen Gesamtzoo aufbauen. ERZÄHLERIN Zusammenarbeiten und sich zugehörig fühlen. Das Mannheimer Experiment geht in der therapeutischen Spieleentwicklung neue Wege. Ebenfalls neu im Fokus der Forscher: AKZENT (00‘03‘‘) _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800-5900222 (kostenfrei); Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 17 O-TON Peter Kirsch Ein Bereich, in dem es bei Patienten mit der Borderline-Persönlichkeits-Störung im Alltag immer wieder zu Schwierigkeiten kommt, sind die sozialen Interaktionen. ERZÄHLER Erklärt Professor Peter Kirsch. O-TON Peter Kirsch In unserem Teilprojekt möchten wir uns diese genauer anschauen, dazu verwenden wir eine ganz neue und innovative Methode, das sogenannte Hyperscanning. MUSIK: C1570550 139 (00‘49‘‘) ERZÄHLERIN Beim Hyperscanning verbinden die Forscher zwei Kernspintomografen. In jedem liegt eine Versuchsperson. Kameras nehmen die jeweiligen Gesichtsregungen auf und zeigen sie dem Partner. ERZÄHLER Die Probanden haben einen Monitor im Gerät und eine Fernsteuerung in der Hand. Jetzt wird per Computer losgespielt: Karten, Kegel, Kugeln. Beide Teilnehmer miteinander oder einer gegen den anderen. O-TON Peter Kirsch Wie Sie hier exemplarisch sehen können, gibt es während eines solchen Spieles immer wieder Phasen, in denen die beiden Gehirne miteinander verschränkt sind, also die Information zwischen den beiden Gehirnen übertragen wird. Wir hoffen, mit dieser Methode nun besser zu verstehen, was im Gehirn während sozialer Interaktion passiert und was möglicherweise bei Patienten dabei schief läuft. _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800-5900222 (kostenfrei); Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 18 MUSIK ENDE ERZÄHLERIN Darüber können die Wissenschaftler nämlich noch wenig sagen: Wo liegt der Fehler in der Verarbeitung? Was verhindert, dass Signale des Gegenübers richtig interpretiert werden? ERZÄHLER Weiter offen ist: Warum lässt bei Borderlinern Stress nach, wenn sie sich selbst verletzen? Nicht aber, wenn sie von anderen verletzt werden? Und muss für weniger Stress wirklich viel Blut fließen? Hirnscans sollen auch hier Klärung bringen. ERZÄHLERIN Erste Antworten erwarten die Mannheimer Psychologen und Psychiater in den kommenden Jahren. Mit ihren Erkenntnissen wollen sie dann irgendwann die Therapie noch zielgenauer gestalten. O-TON Martin Bohus Pi mal Daumen ausgedrückt kann man sagen, dass circa die Hälfte aller Patienten nach geraumer Zeit keine Probleme mit Borderline-Störungen mehr haben. Es bleibt eine Gruppe von etwa der Hälfte, von denen wiederum die Hälfte leichte Probleme hat und dann ungefähr 25 Prozent tatsächlich anhaltende schwere Probleme. ERZÄHLERIN Wer zu welcher Gruppe gehört, und warum und was die Einzelnen auf dem Weg der Besserung beeinflusst, das muss man erst noch herausfinden. _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Das ist natürlich eine Herausforderung, der man sich nicht nur stellen kann, sondern der man sich stellen muss. ERZÄHLERIN Beim Gros der Betroffenen beginnt Borderline bereits im Alter von 15 oder 16 Jahren. ERZÄHLER Und wird oft fälschlich etikettiert als „heftige Pubertät“. Wenige niedergelassene Psychotherapeuten haben ausreichend Erfahrung im Umgang mit Borderline. AKZENT: C1549590 131 (00‘03‘‘) _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Und wenn sie Drogen nehmen oder in eine Essstörung gehen, um ihren Emotionszustand zu dämpfen, dann haben sie ein Problem. MUSIK: C1549590 128 (00‘24‘‘) ERZÄHLERIN Und ein Problem haben natürlich meist auch die Menschen um die Betroffenen herum: Mütter, Väter, Geschwister. Partner. ERZÄHLER Je enger die Beziehungen, desto brutaler wird oft der Umgang. Borderliner sind häufig sehr unsicher und haben große Trennungsangst, die sie aber nicht offen zeigen. Stattdessen reagieren sie abwertend und aggressiv. MUSIK ENDE _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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MUSIK: C1595030 106 (00‘21‘‘) ZITATOR „Meine allergrößte Angst ist es, alles, was ich mir so mühsam aufgebaut habe, wieder zu verlieren. ZITATORIN „Wenn wieder eine Krise kommt.“ ERZÄHLERIN Marina, Alex und ihre Familien haben über den Nürnberger Borderline-Trialog einiges von einander und miteinander gelernt. Vor allem auf das Gegenüber einzugehen. Auch wenn es schwer fällt, solange wie möglich Ruhe bewahren, lieber ein weiteres Mal nachhaken, ehe man etwas falsch interpretiert. MUSIK ENDE _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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ZITATORIN „Dass ich einzigartig bin, habe ich darüber erlebt, dass es jemanden gab, der sagte: Ich stehe für Dich ein.“ ZITATOR „Dann lernte ich, dass mein Glück darin besteht, einen ganz normalen Alltag leben zu können.“ _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800-5900222 (kostenfrei); Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 23 ZITATORIN „Da hatte ich endlich das Gefühl, etwas Besonderes und Wertvolles zu sein.“ MUSIK HOCH UND ZU ENDE _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800-5900222 (kostenfrei); Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 24 Literatur Armbruster, Michael und Anja Link (2015): Borderline im Trialog. Miteinander reden – voneinander lernen. Paderborn: Junfermann. Kreismann, Jerold J. und Hal Straus (2003): Ich hasse dich – verlass mich nicht. Die schwarz-weiße Welt der Borderline-Persönlichkeit. München: Kösel. Rösel, Manuel (2012): Borderline verstehen. Ursachen und Verhaltensmuster erkennen – richtig reagieren mit Hilfe der Transaktionsanalyse. München: StarksSture. _________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800-5900222 (kostenfrei); Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de