Indikation zu ihrer Abtragung.

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5. Dezember.
DEUTSCHE MEDIZiN tSCHE WOCINSCJT
2043
durch das Dritsenparenchym gleichsam eine Filtration der Lymphe
stattfindet, bei welcher fremde Körper abgefangen und zurück-
gehalten und unter gewissen Bedingungen unschädlich gemacht
oder ganz eliminiert werden. Ebenso stellen sie auch Schutzorgane
gegen die schädlichen Stoffe dar, welche beim Verbrauch der verschiedenen Organzellen entstehen. Ob noch eine innere Sekretion
der Lymphdrüsen, der normalen wie der entzilndeten, stattfindet,
ist hypothetisch. Ferner dienen die Lymphdrüsen der Produktion
von farblosen Blutzellen, und zwar der Produktion von Lymphocyten, welche hier ihre Hauptbildungsstatte haben.
Bei der gleichen histologischen Struktur der Tonsillen dürfen
wir ihnen auch dieselbe Bedeutung wie den Lymphdrilsen ruerkennen; wir dürfen annehmen, daß auch die Tonsillen Filterapparate der ihnen zufließenden Lymphe sind, ferner ist sicher, daß sie
ebenso wie die Lymphdrüsen Lymphocyten produzieren.
Außer diesen Funktionen aber haben die Tonsillen Eigentumlichkeiten, welche ihnen eine Sonderstellung gegenüber den Lymphdrüsen geben ihre Lage, und zwar ihre oberflächliche Lage im
ferner ihre Zellenabsonderung nach außen an die freie Oberflache.
Stöhr hat bereits im Jahre 1882i) gezeigt, daß durch das
Epithel der Tonsillen ein beständiger Leukocytenstrom hindurchwandert. Im Verfoig dieser von Stöhr gelehrten Leukocytenemigration wurde angenommen, daß Lücken - physiologische Wunden
- an der Oberfläche der Tonsillen durch die Emigration entstanden,
welche Infektionskeimen den Eintritt in das Gewebe ermöglichten.
Ebenso wurde aber in der Emigration eine Schutzwirkung der Tonpillen angenommen, indem die phagocytären Eigenschaften der
Leukocyten Infektionskeime unschädlich zu machen imstande waren.
Diese Theorie mußte aber Abanderungen erfahren, indem die
Fortschritte der histologischen Forschung zeigten, daß ausschließlich
Lymphocyten emigrieren. Indem anfänglich den Lymphocyten jede
aktive Beweglichkeit abgesprochen wurde, mußte man eine bewegende Kraft annehmen, welche man in einem nach außen gerichteten Lymphetrome sah, welcher die Lymphocyten durch das
Epithel hindurchschwemmte. Neuere Untersuchungen haben aber
festgestellt, daß auch die Lymphocyten aktive Beweglichkeit haben,
Ueber die Physiologie der Tonsillen und die
Indikation zu ihrer Abtragung.')
Von E. Barth in Berlin.
Ueber die physiologische Bedeutung der Tonsillen sind
zurzeit ebenso verschiedene wie unsichere und unklare Vorstellun gen verbreitet; die Einen halten sie für indifferente, die
Andern für schädliche und die Gesundheit bedrohende Gebilde,
andere wiederum sehen in ihnen einen wichtigen Schutzapparat.
Diese Unsicherheit und Unklarheit in den physiologischen
Vorstellungen vermag auch zu einer Unsicherheit in der chirur-
gischen Behandlung der Tonsillen zu führen. Tatsächlich stößt
der Hals- und Ohrenarzt heute gelegentlich auf Widerstand,
wenn er die Abtragung vergrößerter und erkrankter Tonsillen
zur Beseitigung damit in ursächlichem Zusammenhang stehender
Erkrankungen des Gehörorgans und der Luftwege für notwendig erachtet, auf Widerstand nicht nur bei Laien, sondern
auch gelegentlich bei Aerzten, indem diese von der Annahme
ausgehen, daß die Tonsillen Schutzapparate sind und daher
unter allen Umständen geschont werden müssen. Dieser Standpunkt, die Tonsillen seien unersetzliche Schutzvorrichtungen,
wird gelegentlich so hartnäckig festgehalten, daß lieber auf
die Beseitigung der entsprechenden Störungen verzichtet wird,
als daß erkrankte und vergrößerte Tonsillen abgetragen werden.
Die Physiologie der Tonsillen hat also nicht nur wissenschaftliches, sondern auch wichtiges praktisches Interesse.
Histologisch bestehen die Tonsillen aus adenoidem Gewebe,
aus demselben Gewebe wie die Lymphdrusen, und nach unsern allgemeinen biologischen Anschauungen müssen wir daher schließen,
daß sie auch derselben physiologischen Aufgabe dienen wie die
histologisch gleichwertigen Lymphdrtlsen. Dazu haben die Tonsillen
noch gewisse histologische Eigentümlichkeiten, welche bei der Bewertung threr Funktion auch noch zu berücksichtigen sind.
Die physiologische Funktion der Lymphdrdsen erblicken
wir vorzugsweise darin, daß bei der Durchschwemmung der Lymphe
I) Vortrag im Verein für innere Mediste sin 2!. Oktober 1901.
daß sie sogar Gefäßwände zu durchwandern vermögen. Daß mit
ihrer Emigration aus den Tonsillen auch noch ein Austreten von
Flüssigkeit stattfindet, iet zwar wahrscheinlich, aber nicht direkt zu
beweisen. Wenn ein gleichzeitiger Austritt von Flüssigkeit stattfindet, so ist diese Flüssigkeit so eiweißarm, daß ihr mikroskopiseher Nachweis nicht möglich Ist. Die von Stöhr u. a. hehaupteten
physiologischen Epithellücken, welche durch den Zellendurchtritt.
erzeugt würden, haben neueren Untersuchungen auch nicht standhalten können. Mikroskopisch lassen sie sich nicht feststellen, obschon man den Durchtritt der Lymphocyten durch das Epithel
leicht verfolgen kann Man muß danach annehmen, daß die intercellulare Substanz sofort wieder zusammentritt und die Bildung von
Lücken verhindert.
Eine weitere Eigentümlichkeit der Tonsillen gegenüber den
Lymphdrüsen Ist ihr mikroskopiseher Bau. Die Bachenmandel be-
steht aus einer Anzahl mehr oder weniger parallel angeordneter,
durch Furchen voneinander getrennter Leisten. Dasselbe Prinzip
der vergrößerten Oberfläche sehen wir an den Gaumenmandein
durch die zahlreichen, mit Epithel ausgekleideten Einsenkungen Krypten, Lacunen.
Diese morphologische Eigentümlichkeit, zusammengehalten mit
der Tatsache der lymphocytären Durebwanderung, läßt den Schluß
zu, daß hier neben dem Lymphdrüsencharakter die spezifische
Funktion der Tonsillen zu suchen ist, also in einem nach außen gerichteten Lymphocytenstrom. Die vergrößerte Oberfläche befähigt
sie zu einer entsprechend größeren Absonderungsleistung, welche
durch die Hyperplasie der Organe noch gesteigert wird. Es muß
auch besonders betont werden, daß die byperpiastische Vergrößerung
der Tonsilen keine anderen Veränderungen erkennen iaôt als solche,
welche mit einer Vermehrung der Follikel und entsprechend gesteigerter Lymphocytenbildung und Emigration einhergehen.
Die Wirkung dieser Emigration können wir zunächst rein
mechanisch auffassen, sie kann imstande sein, auf die Oberfläche
der Tonsillen gelangte korpuskuläre Elemente, Mikroorganismen
weiter zu befördern, also eine Infektion abzuwehren. Ferner ist es
wahrscheinlich, daß neben der mechanischen Wirkung noch andere
Wirkungen in Kraft treten, resorbierende, fermentative, antiseptische, jedoch nur wahrscheinlich. Unsere Kenntnisse über die Bedeutung der Leukocyten im allgemeinen, wie der Lymphocyten im
speziellen sind noch oder erst in der Entwicklung. Phagocyt.&re
Eigenschaften werden den Lymphocyten abgesprochen. Ob sie die
überschüssige Speichelflüssigkeit im Munde oder das überschüssige
Sekret der Nase und des Nasenrachenraumes resorbieren helfen, ob
1) Stöhr, Zur Physiologie der Tonsillen. .BloIoglscbesZentraThlatt 1882/*
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Niveau der Schleimhaut zu Beginn des Luft- und Speiseweges,
No. 49
DEUTSCHE MEDIZII1SCHE WOCHENSOHRIFT.
sie schon zur Resorption und AsimiIation der Kohlehydrate, deren
Verdauung ja bereits in der Mundhöhle beginnt. beitragen, alle
diese Möglichkeiten können vermutet, zurzeit aber noch nicht bewiesen werden.
Man hat die Tonsillen a1s wichtige Elutbi1dungssttten be-
zeichnet und deswegen auch ihre unbedingte Erhaltung gefordert.
Es spricht jedoch keine histologische Tatsache dafür, dali sie außer
der Lymphocytenproduktion noch einen besonderen Einfluß auf die
Blutbildung Mtten, daß sie also zur Blutbildung andere Beziehungen
httten als die Lymphdriisen. Eine spezifische blutbildende Funktion kann auch nicht daher abgeleitet werden, daß die Lymphocytenproduktion in den Tonsillen gelegentlich sehr lebhaft ist, wie
die Kernteilungsfiguren zeigen, welche in den hypertrophischen
Tonsillen des jugendlichen Alters besonders häufig anzutreffen sind.
Die hier entstandenen Lymphocyten werden zum Teil durch Emigration abgesondert, zum andern Teil in den Lymphstrom aufge-
Schutzwirkung gestellten erhöhten Anforderungen entspricht
die gerade in diesem Alter häufig zu beobachtende Hyper.trophie der Tonsillen als Ausdruck gesteigerter Funktion,
während nach erlangter Immunität fur die genannten Krankholten, also gewöhnlich mit
Abschluß
der
körperlichen
Entwicklung des Individuums die Schutzwirkung entbehrlich
geworden und mit dem Aufhören der Funktion auch ihre Atrophie eintritt.1)
nommen.
Diese Auffassung von der Bedeutung der Tonsillen muß
befremden angesichts der l000fach beobachteten Tatsache, daß
gerade an den Tonsillen nicht nur lokal bleibende Infektionen
sich abspielen, sondern gerade durch die Tonsillen die gefähr.
lichsten Allgemeininfektionen erfolgen. Wenn es die Aufgabe
der Tonsillen ist, Infektionen abzuwehren, wie will man die
Infektion bei der Angina mit der Schutzwirkung der Tonsillen
IJeber die klinische Beschaffenheit des Blutes bei Tonsillarhypertrophie liegen zwei Arbeiten mit nahezu ubereinstimmendem
gehenden Erkrankungen an Rheumatismus, Sepsis und Pyämie?
Ergebnis vor. Lichtwitz und Sabrazèst) landen einen leichten
Grad von Anämie und von Leukocytose, Vermehrung der Prozent-
zahl und der absoluten Zahl der großen mononukleären Zellen,
namentlich aber der Lymphocytose und der eosinophilen Zellen,
dagegen eine Verminderung des relativen und absoluten Verhältnisses der neutrophilen polynukleisren Zellen. Nach der Abtragung
der hypertrophischen Tonsillen zeigte die hämatologische Formel
die Neigung, zur normalen Formel überzugehen. Se he i erl) fand
neben geringerem Rämoglobingehalt eine Vermehrung der Leukocyten überhaupt, besonders eine Vermehrung der Lymphocyten.
Er bemerkte ebenfalls eine Verbesserung der Blutzusammensetzung
nach Beseitigung der hypertrophischen Tonsillen.
Diese klinischen Befunde, wie die Erfahrung, sind nicht dazu
angetan, einen spezifischen Einfluß der Tonsillen auf die Blutbildung anzuerkennen, wir können demselben Einfluß in derselben
Weise bei akuten oder chronischen Entzündungen im lymphatischen
Apparat begegnen. Ob die Verringerung des Hämoglobingehalts
eine direkte Folge der Lymphocytose oder aber, was näher liegt,
der bei Mandelhypertrophie behinderten Atmung und der dadurch
verminderten Sauerstoffaufnahmo ist, soll dahingestellt bleiben.
Wenn wir also auch keinen spezifischen Einfluß der Tonsillen
auf die Blutbildung anerkennen, so dürfen wir aber auch nicht die
Auffassung gelten lassen, welche in den Tonsillen nur ein indiffereates Füllgewebe sieht, eine Auffassung, die sogar Kölliker ausgesprochen hat. Lymphdrüsengewebe ist kein indifferentes Gewebe.
Auch die Lymphocytenemigration ist kein indifferenter Vorgang. Wir sehen die Tonsillen, besonders die Rachentonsille, eine
in Einklang bringen, wie ferner die von einer Angina aus-
Primäre Tuberkulose der Tonsillen ist ebenso sicher beobachtet wie ein syphilitischer tonsillarer Primäraffekt. Dasselbe
gilt von der ktinomykose. Ja, von den akuten Exanthemen,
obschon wir ihre Keime nicht kennen, besonders vom Scharlach kann es bei den primären entzündlichen Veränderungen
der Rachenschleimhaut sehr plausibel erscheinen, daß auch
hier die Infektion an den Tonsillen einsetzt. Bei der epidemischen Meningitis wird dieser Infektionsweg allgemein angenommen. Selbst für den Unterleibstyphus hat man die gleiche
Vermutung geäußert.
So wenig wir die Möglichkeit einer primären Infektion der
Tonsillen und eine sekundäre Infektion des Organismus durch
dio Tonsillen bezweifeln können, so wenig brauchen wir die
Annahme einer Schutzwirkung durch die Tonsillen aufzugeben.
Die Lymphdrüsen sind zweiffellos Sehutzapparate, gleichwohl
können wir auch bei den Lymphdrüsen beobachten, daß sie bei
Ueberschwemmung mit lnfektionsstoff im Kampfe mit demselben
unterliegen und aus dem Schutzapparate ein Infektionsherd
werden.
Tatsächlich sind die Mandelentzündungen nicht
immer, wie gewöhnlich angenommen wird, im Gegenteil wohl
von dem Alter des Individuums abhängige Entwicklung durch-
nur selten die Folge einer Infektion von der Oberfläche der Mandel aus, sondern entstehen wohl viel
häufiger durch sekundäre, auf dem Lymphwege zugeleitete Infektionen. Wird beispielsweise in der Nase
Entwicklung und damit verbunden die stärkste Emigration, wir
sehen von einem gewissen Alter ab, und zwar in dem Alter, in
nach 24 Stunden, eine typische lakunäre Angina der Gau-
machen, wir sehen ausschließlich im jugendlichen Alter die stärkste
welchem das Wachstum und die körperliche Entwicklung ihren Abschluß erreicht hat, nicht, wie gewöhnlich behauptet wird, mit dem
Beginn der Pubertät, eine besonders charakterisierte Involution der
tonsillaren Gebilde eintreten. Die Involution der Rachenmandel
findet ihren anatomischen Ausdruck in einer Umwandlung des
Zylinderepithels in mehrschichtiges Pflasterepithel, die Follikel
schwinden und verschwinden, das Bindegewebe wird dichter und
engmaschiger, die durch das Verschwinden der Follikel enstandene
Lücke wird stellenweise durch Fettgewebe ausgefüllt, ja sogar dio
drüsigen Elemento der Submucosa fallen einer Atrophie anheim.
Nach der Involution der Rachenmandel sehen wir an ihrer Stelle
das histologische Bild der normalen Rachenschleimhaut.a)
Die physiologische Atrophie eines Organs dürfen wir nach un-
seren biologischen Anschauungen darauf zurückführen, daß für
seine Funktion keine Verwertung mehr vorhanden ist. Denselben
Grund müssen wir auch für die IRachentonsille mit Eintritt der
abgeschlossenen körperlichen Entwicklung annehmen, wie die Thy-
mus in einem früheren, die Geschlechtsdrüsen in einem späteren
Alter atrophisch werden.
Als Funktion der Tonsillen erkennen wir einen emigrierenden Lymphocytenstrom, und es ist sehr wahrscheinlich, daß
an den Muscheln, am Septum ohne Beobachtung der Asepsis
operiert, so tritt nach zwei bis drei Tagen, manchmal schon
menmandeln, gelegentlich auch der Rachenmandel auf. Die
Infektion erfolgt hier nicht von der Oberfläche der Mandel,
sondern von der Nasenwunde aus, durch die Lymphgefäße.
Wie bei den Lymphdriisen, so werden auch hier durch die
Tonsillen die zugeführten Infektionsstoffe zurückgehalten und
unschädlich gemacht, wahrscheinlich auch zum Teil nach außen
eliminiert. Diese Beobachtung schließt natürlich die Möglichkeit nicht aus, daß gelegentlich die Schutzkräfte der Tonsillen
nicht ausreichen, daß hier die Infektionskeime wuchern und
von hier aus in den ganzen Körper ausgestreut werden.
Daß die Tonsillen die Fähigkeit der Exkretion von
Fremdkörpern besitzen, ist nicht nur infolge der Lymphocyteneinigration wahrscheinlich, sondern auch durch exakte
Versuche verschiedentlich gestützt worden.
Hendelsohn1) spritzte mittels einer feinen Injektionsspritzo
Rußemulsion in das Mandelgewebe und konnte an den exzidierten
Mandelstücken nachher mikroskopisch feststellen, daß durch den
breiten Strom der auswandernden Leukocyten Fremdkörper nach
der Oberfläche geschleppt und wahrscheinlich auf diese eliminiert
werden". Federici') sah fein veri-iebene und in physiologischer
er durch seine mechanische und chemische Wirkung eine
Kochsaizldsung suspendierte Karminkörner, welche er in das venöse
Schutzwirkung ausübt und infektionen abwehrt. Eine der- System
von Hunden gespritzt hatte, bereits einen Tag später durch
artige Schutzwirkung kann am Anfang der Luft- und Speise-
Wege besonders notwendig erscheinen, ferner besonders notwendig in dem Alter, welches von gewissen Krankheiten
vorzugsweise, ja ausschließlich bedroht ist. Den an die
1) ArchIv für Laryngologie Bd. 10,
Blutbefund bei adenolden Vegetationen. 2) ZeItschrift fOr klinische Medizin Bd. 58, über den Blutbefund bei Kindern mit
Wuchertingen des Nasenrachenraumes. - 3) Qoerke, Die Involution der Rachen.
mandel. Archly für Laryngologie Bd. 16.
das Epithel der Tonsillen teils frei, teils in Leukocyten eingeschlossen,
zum Vorschein kommen; auch bei Injektionen von Bakterienaufschwemmungen in den Peritoneal- oder Pleuraraum sah er das1) 0. Brleger, Beitroge zur PathologIe der Rachennianclel. Archiv für Laryngo
logie Bd. 12. - 2) lIendelsohn, Verhalten des Mandelgewebes gegen aulgeblaseus
pulverförmige Substanzen. Archiv für Laryngologie Bd. 8.
3) Federicf, lieber den
Mechanismus der Lymphocytenemigration durch das Epithet der Tonsillen und liber die
Bedeutung dieses Vorganges. Referat im Zentzalblatt für Ohrenheilkunde Bd. 3, S. 127.
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2044
DEUTSCHE MEDIZINESCRE WOCHIFNsCKRjL
selbe. G o e rk e ) prüfte die Versuche von F e d e ri ci nach und spritzte
Karminaufschwemmung in das venöse System von Kaninchen; er
fand neben starker Anfullung der Lunge und Nieren auch einige
Köruchen in den Tonsillen. Wenn er die Tonsillen auch nicht als
besondere Exkretionsorgane betrachtet, da, wenn überall hin Karmin-
körner geschwemmt würden. auch in den Tonsillen Karminkóruer
gefunden werden müssen, so spricht auch dieses Ergebnis nicht
gegen die Auscheidungsfähijkeit der Tousillen.
Läßt sieh eine Exkretion durch die Tonsillen nicht in Abrede stellen, dann dürfen auch selbst diejenigen Tonsillen, in
welchen man Mikroorganismen mikroskopisch nachweisen kann,
nicht einseitig als Eintrittspforten der Infektion angesprochen
werden, sondern wir müssen ebenso die Möglichkeit zugeben,
daß vielmehr eine Elimination durch die Tonsillen vorsichgoht.
In einem Falle von Unterleibstyphus konnte ich vor einiger
Zeit in der Rachenmandel Bakterien nachweisen, welche alle
Eigenschaften der Typhusbazillen zeigten. Der Schluß, daß
hier auch die Infektionspforte der Krankheit liege, ist um so
weniger zulässig, als man bei Unterleibstyphus ubes all im Blut
und in don Geweben Typhusbazillen finden kann. Auch die in
den letzten Jahren oft wiederholte Behauptung, daß bei der
epidemischen Meningitis die Infektion durch die Rachenmandel
erfolge, ist bislang nur eine Vermutung, die durch keine positiv
O45
Richtigkeit auch den mit aller Sicherheit beobachteten Tatsachen gegenüber, wonach gerade dio Tonsillen Brutstätten von
Infektionskeimen und Ausgangspunkte schwerster Allgemeininfektionen geworden sind. Wir müssen zwischen gesun-
den und erkrankten Tonsillen unterscheiden. Patholo-
gische Veränderungen der Tonsillen sind imstande, den pitysiologischen Charakter der Tonsillon, welchen wir in einer
Abwehrfunktion voñ Infektionen erblicken können, nicht nur
aufzuheben, sondern bei dem anatomischen Bau der Organe,
sie gerade zu gefährlichen, eine Allgemeininfektion besonders
begünstigenden Organen umzuwandeln. Die Abwehrfunktion
ist nur so lange möglich, als eine ungestörte Zellenemigration
durch das Epithel nach außen erfolgt. Entzündungen können
einmal Verkiebungen der Krypten, bei der Rachenmandel Verkiebungen der Spalten und mit den Verkiebungen eine Retention von Keimen bewirken, unter gewissen Umständen können
die Keime hier die besten Ernährungs- und Vermehrungsbedingungen finden, Solange eine normale Epithelschioht besteht, ist die Gefahr ihrer Invasion in das intratonsillare Gewebe geringer, und es besteht die Möglichkeit, daß sie durch
die physiologische Exkretion eliminiert werden. Anders aber,
wenn Epithelnekrosen zustande kommen. Entstehen solche
sichere Tatsache gestützt ist. Selbst wenn es gelingt oder
gelingen sollte, im Gewebe der Tonsillen Meningococcen nachzuweisen, müßte auch noch der Beweis erbracht werden, daß
sich die Meningococcen auf dem Wege herein und nicht
auf dem Wege hinaus befinden. Dies gilt nicht nur von den
Nekrosen am Eingang oder auch tiefer in einer Erypte, so
kann eine Verklebung oder auch Verwachsung an der Stelle
dicken Schicht staublörmiger Fremdkörper auf die Oberfläche der
Tuberkulose, hereditärer Lues, Leukämie) hypertrophische Ton-
des verlorengegangenen Epithels entstehen, welche rein mechanisch eine Retention von Entzündungs- und Eitererregern
innerhalb der Tonsillen bewirkt. Solche zurückgehaltenen
Meningococcen, sondern auch von allen andern Mikroorganismen, Keime brauchen nicht immer, wie es wohl häufig geschieht,
Abszedierung zu veranlassen, sie können auch je nach ihrer
welche wir innerhalb der Tonsillen antreffen.
zunächst indifferent bleiben, bis sie durch gewisse
Man hat nicht nur behauptet, sondern auch experimentell Virulenz
Ernährungsbedingungen, z. B. Erkältung, sich in ihrer Virulens
nachweisen wollen, daß die 'fonsillen besonders bequeme und ändern
und nun Veranlassung zu frischen Entzündungen und
immer offene Einfallstore für Infektionen bilden.
Allgeineininfektionen werden. Dali der Gelenkrheumatismus
Goodalea) injizierte mittels stumpfer Spritze Karminassfsehwemmungen in die Krypten, Hendelsohn', blies staubförrnige Sub- auf diese Weise entstehen kann, ist ja kliniach hinreichend
stanzen auf die Oberiläche in dicker Schicht; beide fanden dann in sichergestellt. Manche sogenannte kryptogenetische Pyämie
den exstirpierten Tousillen diese Premiköt per im subepithelialen hat bei der Sektion der Tonsillen ihre Aufklärung gefunden.
und perifollikulären Gewebe. Die Aborptiou gechieht jedoch in Aber man braucht nicht immer erst auf die Sektion zu warten,
diesen Versuchen unter Bedingungen, welche in Wirklichkeit nicht wer am Lebenden regelmäßig die Tonsillen untersucht, mit
vorkommen und daher für eine erhöhte Resorption seitens der Ton- Häkehensonde oder Kompressor, wird erstaunt sein, wie häufig
sillen kaum etwas Beweisendes haben. Durch die Einspritzung selbst bei scheinbar gesunden Tonsillon in denselben Nester
einer Emulsion in eine Krypte werden Druckverhältnisse geschaffen,
von zeiligem Detritus (Plröpfe) oder auch schon von Eiter
welche der Emigrationsstrorn nicht überwinden kann, er muß unter sich finden.
diesen EJmtänden seinen Weg nach Stellen geringeren Druckes
Die Tonsillarhyperthrophien hat man als Teilerscheinungen
nehmen, und es Ist begreiflich, daß er hierbei Partikel der Emulsion,
mit welcher er in Berührung gekommen, von der Oberfläche sub- konstitutioneller Erkrankungen aufgefaßt. Gewiß findet man
epithelial weiterführt. Dasselbe gilt von der Auftragung einer gelegentlich bei konstitutionellen Erkrankungen (Skrofulose,
sillen, aber ebenso häufig fehlen sie auch, und es Ist sicher,
daß man die erheblichsten Tonsillarhyportrophien auch bei
konstitutionell absolut gesunden Individuen findet, wo sie also
pinselte oder einige Tropfen der .Aufschwemmung in die dundhöhle einen rein örtlichen Prozeß darstellen.
einträufelte, beweisen nicht, daß die Keime tatsächlich durch die
Dio genannten physiologischen und klinischen Tatsachen
Tonsillen eingedrungen. Da, wo eine Augemeininfektion erfolgte, regeln unser therapeutisches Verhalten den Tonkönnen sie auch von der Rachenschleimhaut aufgenommen worden
s ilion gegenüber. Es ist selbstverständlich, daß wir gesein. Die beigebrachten Abbildungen zeigen die Coceen nur im
und am Epithet; da, wo sie sich innerhalb der 'lonsillen belinden, sunde, normale Tonsillen erhalten, obschon Fanatiker auch
dafür eingetreten sind, jedes tonsillare Gewebe zu beseitigen.
i8t ihnen der Weg durch eine mechanische Verletzung gebahnt.
Auch Meuzer') sah die Bakterien nur in den Lakunen und im Tonsillen, welche in ihren Krypton und Spalten zellige ZerEpithel der Tonsillen, ferner im peritonsillaren Gewebe, aber nicht fallsprodukte enthalten, in welchen es immer von organischen
Tonsillen.
Auch die Tierversuche von Lox er'), welcher mehr oder weniger virulente Bakterienauischwemmuugen auf die Tonsillen auf-
in den Tonsillen selbst.
Keimen wimmelt, müssen von diesen befreit werden, Abszesse,
Verhältnissen weder Flüssigkeiten noch feste Partikel aus dem
Fall entschieden werden.
Ich habe oben darauf hingewiesen, daß Mandelentzündungen
häufig auf sekundären Infektionen beruhen. Besonders bei
Diese Versuche sprechen also weniger für eine erhöhte seien sie auch noch so klein, müssen entleert werden. Ob
Absorption der Tonsillen, scheinen vielmehr die Ergebnisse wir dies durch Quetschen oder Schlitzen der Tonsillen oder
Hodenpylst) zu bestätigen, daß die Tonsillen unter normalen Abtragung der ganzen Tonsille erreichen, maß von Fall zu
Mundinhalt resorbieren.
Wir haben also eine Reihe von Tatsachen, welche die
Tonsillon als Schutzapparate gelten lassen. Dieso Anschauung
von der physiologischen Bedeutung der Tonsillen behält ihre
Ooerke, Kritisches zur Physiologie der Rachentonsitle, Archiv Oir Laryngologie
Bd. 19. 2i Ooo dale, tJeber dieAbsorplion von Fremdkörpern durch die Gaumenlonsillen
3)
mit Bezug auf die Entatehung infektiöser Prozesse. Aichir flit Laryngologie Rd. 8.
3) Hendelaotsn, Verhalten des Mandelgewebes gegen aulgeblasen, pulverfitrmige
Substanzen. Archiv für Larynologle Bd. 8 - 4) Lexer, Die Schleimhaut des
5) MeaRachens als E ngangspforte pyogener Keime. Archiv flic Chirurgie Bd. 4ö.
ner, Die Aetiologie den akuten Oelenkrheumatismus. Berlin, Verlag A. fiirschwald
1902, S. 52 u. 5.3.-6) ti odenpyl, The anatomy and physiology of the faucial Ion.
sits willi refereisce to the absorplion of infections material. Internat journal of medical science Mhz 1891.
r'tiekfälligen Mandelentzündungen müssen wir nicht nur die
Tonsillen selbst untersuchen. sondera vielmehr, ob die In.
fektionsqaelle außerhalb der Tonsillen gelegen ist, in der Nasenoder Mundschleimhaut, im Zahnileiseh, in schlechten Zähnen,
und zunächst von hieraus erneuten Infektionen durch Beseiti
gung der Infektionsquelle vorbeugen.
Welchen Standpunkt sollen wir aber den hypertrofhi-
schon Tonsillen gegenüber einnehmen, welche aus norntalesn
adenoidern Gewebe bestehen und nur hypertrophiert sind, um den
gesteigerten Anforderungen an ihre Schutzkraft zu genügen.
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& Dezember.
EDIZ1NISO}iE WOCifENSOliTUFT.
Dürfen wir derartige Organe entfernen und den Körper eines
Schutzmittels berauben ? Es bedarf nach dem Gesagten keines
Wortes, daß die Vergrößerung einer Tonsille far sich allein, sei
sie auch noëh so hochgradig, ihre Abtragang nicht rechtfertigt.
Die Praga der Abtragung ist lediglich von den örtlichen
Störungen abbltngig, welche durch die Hypertrophie verursacht
werden.
Diese rein ört1ichn Störungen, welche hypertrophische
onsillen, besonders die hypertrophische Rachentonsille für
das Gehörorgan, für die Respirationsorgarie, für die ganze
körperliche Entwicklung im Gefolge haben können, selbst wenn
die Tonsillen aus normalem adenoidern Gewebe bestehen, diese
Störungen sind so bekannt, daß ich nur auf sie hinzuweisen
brauche. Wir wissen ferner, daß Individuen, besonders Rinder
mit hypertrophischen Tonsillen bei akuten Krankheiten, besonders bei den akuten Infektionskrankheiten, wegen der örtlichen Störungen weitaus mehr gefährdet sind als solche mit
freien oberen Luftwegen. Die schwersten Formen des Scharlachs, bzw. die schwersten Komplikationen desselben, sehen wir
bei Kindern mit hypertrophischen Mandein.
Obschon gewisse Bedenken gerechtfertigt sein können,
durfen wir hypertrophische Tonsillen, welche örtliche Störungen
hervorrufen, doch unbedenklich abtragen, wie auch immer die
Erfahrung zeigt, daß die Abtragung solcher Tonsillen zu den
dankbarsten und segensreichsten therapeutischen Eingriffen
gehört. Die Bedenken lassen sich durch die Tatsache zer-
streuen, daß eine Ausrottung des ganzen adenoidea Gewebes
in den oberen Luft- und Speisewegen überhaupt nicht möglich
ist. Selbst bei gründlicher Abtragung der Tonsillen bleibt
immer noch entweder an ihrem Platze oder wenigstens in ihrer
Nähe adenoides Gewebe zurück, und nicht selten hat man,
selbst nach operativer Beseitigung, hypertrophische Tonsillen
von neuem entstehen sehen.
Wenn sich nach Abtragung der 'ronsillen nachteilige
Folgen bemerkbar machen, welche auf die Abtragung bezogen
werden, so liegen dieselben lediglich auf dem technischen Gebiet der Operation, deren Technik gewöhnlich unterschätzt
wird. Bei scheinbar großer Einfachheit hat die Operation eine
Reihe technischer Schwierigkeiten, und es ist begreiflich, daß
bei mangelhafter Technik auch die günstige Wirkung der
Operation ausbleibt.
Bei Abtragung der Gaumenmandeln wird häufig der
Fehler gemacht, daß nur ein Teil, welcher gerade bequem gefaßt
werden kann, abgetragen wird, während die Hauptmasse stehen
bleibt. Die Störungen einer hypertrophischen Gaumenmandel
sind damit nicht beseitigt. Ein zweiter Fehler ist der, daß
Verwachsungen mit dem vorderen und hinteren Gaumenbogen
bei der Abtragung nicht genügend beachtet werden. Verletzungen der Bögen mit gefährlichen Blutungen können dio
Folge sein.
Bei Abtragung der Rachenmandelgestalten sich infolge
der anatomischen Verhältnisse die technischen Bedingungen
noch schwieriger. Wenn man mit dem Ringmesser nicht am
vorderen oberen Rande einsetzt, sondern nur den unteren Teil
abträgt, so muß ein nachhaltiger Erfolg ausbleiben, selbst
wenn man ganz erhebliche Portionen der Wucherung herausbefördert. Solche unvollständige Operationen können natürlich
dazu beitragen, die Operation überhaupt als nutzlos erscheinen
zu lassen. Ich kann ferner den Zweifel nicht unterdrücken,
ob nicht manche der sogenannten Rezidive auf unvollständigei
Operation beruhen.
Dem Vorwurf der unvollständigen Operation hat man durch
desto gründlicheres Operieren begegnen wollen. So tief nur
das Ringmesser oder der scharfe Löffel dringen kann, wird
vom Rachendach und hjnterer Rachenwand alles hinwegkurettiert, bis in die Rachenschleimhaut hinein unterhalb der
Tonsille. Trotz dieser Gründlichkeit ist das adenoide Gewebe
in den Roseumtillerschen Gräben an den Tubeneingängen
doch nicht zu beseitigen. So tiefes Kurettieren - gewöhnlich
n Chloroformnarkose ausgeführt
führt zu einem vollständigen Verlust der Schleimhaut. Ein so behandelter Nasenpharynx
ist nach der Heilung von einem glänzenden, weißen Narbengewebe ausgekleidet, welches gelegentlich von syphilitisehem
Narbengewebe kaum zu unterscheiden ist. Daß der Verlust
No. 49
der physiologischen Schleimhaut zu Störungen führen mull,
braucht nur angedeutet zu werden.
Wir dürfen die Rachenmandel nur so weit abtragen, daß
sie entfernt wird, daß aber der Charakter der Schleimhaut
nicht verloren geht; wir dürfen sie nicht auskratzen, wir
müssen sie im Niveau der Schleimhaut, im Stratum submucosum abtragen. Technisch erreichen wir das, wenn wir statt
dos Ringmessers uns einer passenden Guillotine bedienen,
deren Rahmen dem Niveau der Schleimhaut aufliegt und dessen
Messer nicht tiefer dringen kann, als der Rahmen aufliegt, in
welchem das Messer gleitet. Bei aller Vollständigkeit und
Gründlichkeit der Operation bleibt hier, ohne Verletzung der
angrenzenden Schleimhaut, auch an der Stelle, wo die Rachentonsille aufgesessen hat, der physiologische Charakter der
Rachenschleimhaut bestehen, indem das Stratum submucosum
bei diesem Operationsmodus erhalten bleibt.
Resümee. Die Tonsillen sind Schutzapparate in demselben Sinne wie die Lymphdrüsen, ihre Zellenemigration be
fühigt sie noch zu besonderen Schutzleistungen. Die Hypertrophie kann als Ausdruck gesteigerter Funktion gelten. Für
die Abtragung hypertrophischer Tonsillen sind die örtlichen
Störungen maßgebend, welche durch sie bedingt werden. Tonsillen, auch wenn sie nicht hypertrophisch, welche aber in-
folge vorausgegangener Entzündung nekrotische Herde oder
Abszesse enthalten, müssen von diesen nach chirurgischen
Grundsätzen befreit werden, da sie neben örtlichen Störungen
die Möglichkeit einer Allgemeininfektion bieten (Sepsis, Pyämie,
Rhoumatismus u. a.). In technischer Beziehung ist die Abtra-
gung der Rachenmandel so zu gestalten, daß an ihre Stelle
später kein Narbengewebe tritt, sondern, daß der Charakter
der Schleimhaut erhalten bleibt.
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