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Editorial
„Was man nicht messen kann, kann man
nicht verbessern“
Die Bedeutung der Surveillance zur Qualitätssicherung
Christine Geffers, Elisabeth Meyer, Heinz-Michael Just
Laut Weltgesundheitsorganisation sind
beitern wird ebenso wie dem anderen
Antibiotikaresistenz und nosokomiale
medizinischen Personal damit die Mög-
Die renommierten CDC in den USA bzw.
Infektionen eines der größten Gesund-
lichkeit gegeben, den Erfolg ihrer Präven-
das ECDC in Europa, sowie in Deutschland
heitsprobleme weltweit. In den 27 EU
tionsbemühungen beurteilen zu können
das RKI erachten die Surveillance als all-
Mitglieds-Ländern Europas geht man von
und gegebenenfalls die Bemühungen zu
gemein akzeptierte und unabdingbare
4 Millionen Patienten aus, die jährlich eine
intensivieren oder neue Präventionsstra-
Methode, um nosokomiale Infektionen zu
nosokomiale Infektion erleiden mit etwa
tegien zu etablieren.
reduzieren. Der Gesetzgeber hat dies
bereits vor Jahren erkannt und im Infek-
37 000 dadurch bedingten Todesfällen.
tionsschutzgesetz aus dem Jahr 2001 die
Der britische Physiker Lord Kelvin stellte
Allgemein ist das Problem bei der Präven-
Durchführung einer Surveillance in allen
fest: „Wenn man messen kann, worüber
tion, dass der Erfolg üblicherweise nicht
Krankenhäusern in Deutschland ver-
man spricht und es in Zahlen ausdrücken
direkt sichtbar ist: eine nicht erlittene
pflichtend festgelegt.
kann, dann weiß man etwas darüber. Wenn
Erkrankung zeigt sich nicht unmittelbar.
man es nicht in Zahlen ausdrücken kann,
Dadurch wird der Sinn teilweise aufwen-
dann ist das Wissen dürftig und unzurei-
diger Präventionsmaßnahmen im klini-
Deutschland nimmt dabei europaweit und
chend.“
schen Alltag häufig in Frage gestellt oder
international eine viel beachtete Vor-
auch bewusst oder unbewusst deren
reiterrolle ein. Das vom Nationalen Refe-
Oder einfach ausgedrückt: Wir brauchen
Umsetzungsgrad reduziert. Die Surveil-
renzzentrum für die Surveillance von
Zahlen und Fakten, um vernünftig über
lance spielt gerade hierbei eine entschei-
nosokomialen Infektionen betriebene
eine Sache sprechen zu können. Unser
dende Rolle, da sie nicht nur über die reine
Krankenhaus-Infektions-Surveillance-
gefühltes Wissen über Dinge reicht nicht
Sammlung von Daten funktioniert. Die
System (KISS) ist weltweit das zweitgrößte
aus, um Probleme zu erkennen und nach-
Erhebung auf den Stationen bzw. in den
Surveillance-System nach dem US-ameri-
folgend Lösungsansätze zu finden.
Einrichtungen bringt das Problem noso-
kanischen System.
komialer Infektionen in das Bewusstsein
Auf diesem Grundprinzip der modernen
der Mitarbeiter. Die Kommunikation zwi-
Wissenschaft fußt auch das Prinzip der
schen Hygiene, Pflege und Ärzten wird
Mehr als 1000 Krankenhäuser beteiligen
Surveillance – egal, ob es sich um Surveil-
gefördert und auf eine belastbare Basis
sich freiwillig daran und liefern nach ein-
lance von nosokomialen Infektion, Anti-
gestellt. Aber noch vor allem anderen wird
heitlicher Methodik und individuell in
biotikaeinsatz oder von multiresistenten
durch die Surveillance hygienisches Han-
unterschiedlichem Umfang Daten zur
Erregern handelt. Gerade im Zusammen-
deln mit nosokomialen Infektionen sicht-
Häufigkeit von nosokomialen Infektionen
hang mit Infektionen sind Daten zur Epi-
bar und nachvollziehbar in Verbindung
in Risikobereichen, zu Antibiotikaver-
demiologie ein substantielles Werkzeug
gebracht.
bräuchen, resistenten Erregern und Händedesinfektionsmittelverbräuchen. Damit
zur Prävention. Die Surveillance liefert die
wird es von der Mehrheit der deutschen
dafür unabdingbar benötigten Daten für
einzelne Bereiche, Einrichtungen und
International ist die Surveillance als
Krankenhäuser als wichtiges Instrument
Krankenhäuser. Der Begriff Surveillance
Grundvoraussetzung aller Präventions-
der Qualitätssicherung genutzt und
meint dabei allerdings sehr viel mehr als
strategien längst anerkannt. Am 27. und
geschätzt. Inzwischen beteiligen sich auch
die bloße Registrierung von Ereignissen.
28. November 2012 tagte das ECDC (Euro-
aus anderen Ländern Europas Einrichtun-
Unter dem Begriff werden das Erheben,
päisches Center for Disease Control and
gen an KISS und die Methodik des KISS
aber auch die Bewertung und das Über-
Prevention) in Berlin, mit dem Ziel, Sur-
bildete das Vorbild beim Aufbau anderer
mitteln der Erkenntnisse an die Vor-Ort-
veillance europaweit zu standardisieren,
internationaler Systeme. Eine Analyse des
Tätigen verstanden. Den Hygienemitar-
weiter zu optimieren und auszudehnen.
KISS wie auch anderer Surveillance-Syste-
Krankenhaushygiene up2date 7
ê 2012
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224
Editorial
me haben mehrfach den Nachweis
Rationalisierung von personellen Ressour-
(HAI) is an efficient method to decrease
erbracht, dass durch die Surveillance und
cen und einer zunehmenden Verkürzung
healthcare-associated Methicillin-resistant S.
das Lernen aus Surveillance-Daten Infek-
der Aufenthaltsdauer, sowie einer über-
aureus (MRSA) infections Antimicrobial resist-
tionsraten positiv zu beeinflussen sind.
proportionalen Anwesenheit von Risikound nosokomial infizierten Patienten –
was bei Prävalenzerhebungen eher zu
einer Überschätzung führt.
ance data from the German national nosocomial surveillance system KISS. Antimicrob
Resist Infect Control2012; 26: 1 – 3
4 Schwab F, Gastmeier P, Piening B et al. The
step from a voluntary to a mandatory national
lance wie alle medizinischen Maßnahmen
nosocomial infection surveillance system: the
influence on infection rates and surveillance
auch Zeit und erfordert Aufwand. Dass
effect. Antimicrob Resist Infect Control2012;
diese Investitionen in die gesetzlich gefor-
Die neuen Daten der Punktprävalenzstu-
derte Etablierung einer Surveillance – und
die aus 2011 unterstreichen den Erfolg,
KISS hat hierzu maßgeblich beigetragen –
der nur durch die Zusammenarbeit von
in Deutschland sinnvoll investiert ist, lässt
engagierten Klinkern und Hygienefach-
basis for improvement: the example of two
sich nicht nur an den in Peer-review-Jour-
personal möglich war und ist. Surveillance
Methicillin resistant Staphylococcus aureus
nals veröffentlichten Reduktionserfolgen
kostet nicht nur Zeit, sie macht auch Erfolg
cohort studies. Antimicrob Resist Infect Con-
bei Analyse der Infektionsraten während
sichtbar!
vidual units rather than entire hospital as the
trol2012; 1: 8
6 Behnke M, Gastmeier P, Geffers C et al. Estab-
der Beteiligung am KISS erkennen. Der
lishment of a national surveillance system for
Erfolg zeigt sich auch daran, dass die noso-
alcohol-based hand rub consumption and
komialen Infektionen in Deutschland in
den letzten 17 Jahren entgegen anderslau-
1: 24
5 Gastmeier P, Schwab F, Chaberny I et al. Indi-
Literatur
change in consumption over 4 years. Infect
1 Gesetz zur Änderung des
Control Hosp Epidemiol2012; 33: 618 – 620
tender Darstellungen in der Laienpresse
Infektionsschutzgesetzes.
nicht angestiegen sind. Zur Erinnerung: die
Bundesgesetzblatt Teil I Nr.
sentativeness of the surveillance data in the
erste repräsentative Erhebung vor 17 Jah-
412011
intensive care unit component of the German
ren (NIDEP I) zeigte, dass bei 3,5 % aller
Patienten eine Krankenhausinfektion zum
7 Zuschneid I, Rücker G, Schoop R et al. Repre-
nosocomial infections surveillance system.
2 Gastmeier P, Behnke M, Breier AC et al. [Healthcare-associated infection rates: measuring
Infect Control Hosp Epidemiol2010; 31: 934 –
938
Untersuchungszeitraum festzustellen war
and comparing : Experiences from the German
und diese Zahl ist aktuell in der repräsen-
8 Gastmeier P, Sohr D, Schwab F et al. Ten years
national nosocomial infection surveillance sys-
of KISS: the most important requirements for
tativen Punktprävalenzstudie aus 2011
tem (KISS) and from other surveillance sys-
etwa gleich geblieben. Dies trotz der enor-
tems]. Bundesgesundheitsblatt Gesundheits-
men und zunehmend invasiven Fortschrit-
forschung Gesundheitsschutz2012; 55:
veness of a nationwide nosocomial infection
1363 – 1369
surveillance system for reducing nosocomial
te in der Medizin, dem auch im Krankenhaus festzustellenden demografischen
Wandel bei gleichzeitiger Reduktion/
3 Gastmeier P, Schwab F, Behnke M et al.
success. J Hosp Infect2008; 70: 11 – 16
9 Gastmeier P, Geffers C, Brandt C et al. Effecti-
infections. J Hosp Infect2006; 64: 16 – 22
Decreasing healthcare-associated infections
Krankenhaushygiene up2date 7
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Aber natürlich braucht sorgsame Surveil-
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