Die Channel-Matrix im Mittelpunkt des MultiChannel-Managements als Seminararbeit an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg eingereicht bei Dr. rer. oec. Konrad Walser Departement für Informatik von Locher Cécile von Domat Ems im 10. Semester Matrikelnummer: 02-206-704 Studienadresse Monbijoustr. 124 3007 Bern (Tel: 031 371 11 68) (e-mail: [email protected]) Freiburg, 15.06.2007 Inhaltsverzeichnis I Inhaltsverzeichnis 1 EINFÜHRUNG 1 1.1 Ausgangslage 1 1.2 Problemstellung 1 1.3 Zielsetzung 2 1.4 Aufbau der Arbeit 3 2 GRUNDLAGEN DES CUSTOMER RELATIONSHIP MANAGEMENT 4 2.1 Definition und Nutzen von CRM 4 2.2 Phasen der Kundenbeziehung 5 2.2.1 Der Kundenlebenszyklus 5 2.2.2 CRM-Prozesse 6 3 KUNDENSCHNITTSTELLEN 9 3.1 Definition und Funktion 9 3.2 Kontaktmedien 9 3.3 Kontaktpunkte 10 3.4 Kontaktkanäle 11 4 MULTI-CHANNEL-MANAGEMENT 13 4.1 Definition und Struktur 13 4.2 Kanal- und Interaktionsmanagement 14 4.3 Multi-Channel-Strategie 16 4.3.1 Einflussfaktoren 16 4.3.2 Vorgehensmodell 17 5 DIE CHANNEL-MATRIX 21 5.1 Definition 21 5.2 Analyse von fünf Channel-Matrizen 6 21 5.2.1 Sequenzielle Fragestellung 21 5.2.2 Kanaleigenschaften 23 5.2.3 Kanalaufgaben im Laufe der Geschäftsbeziehung 24 5.2.4 Kaufkriterien der Kunden im Mittelpunkt 26 5.2.5 Kanallandkarte 27 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 30 6.1 Zusammenfassung 30 6.2 Ausblick 31 Inhaltsverzeichnis II ABBILDUNGSVERZEICHNIS 32 LITERATURVERZEICHNIS 33 SELBSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG 36 Kapitel 1: Einleitung 1 1 Einleitung 1.1 Ausgangslage Die Veränderung von wirtschaftlichen und wettbewerblichen Rahmenbedingungen hat in den letzten Jahrzehnten zu einer Neuausrichtung des Marketings geführt.1 Heutzutage entscheidet nicht mehr das Produkt oder die Leistung über eine erfolgreiche Positionierung des Unternehmens, sondern die Art der Beziehung zum Kunden sowie dessen Zufriedenheit. „Kundenbeziehungen sind heute einer der wertvollsten und gleichzeitig dauerhaftesten Wettbewerbsvorteile eines Anbieters.“2 Um, langfristig profitable Kundenbeziehung aufzubauen, aufrecht zu erhalten und im Zeitablauf zu intensivieren3, bietet sich das Customer Relationship Management (CRM) als kundenorientiertes, technologiegestütztes Managementkonzept an. Customer Relationship Management umfasst dabei jegliche Massnahmen, die zu einer verbesserten Kundenorientierung und Kundenzufriedenheit beitragen.4 1.2 Problemstellung Kundennähe erreicht ein Unternehmen primär durch ein effizient und effektiv geführtes Interaktionsverhalten mit dem Kunden. Die Gestaltung der Schnittstellen, an denen die Kommunikation zwischen Kunde und Unternehmen stattfinden, wird damit zu einem zentralen Aspekt des Customer Relationship Managements. Technologische Entwicklungen haben dazu geführt, dass der Kunde nicht nur über die klassischen Kanäle wie die Filiale, den Aussendienst oder den Brief mit dem Unternehmen in Kontakt treten kann, sondern ebenso über mediengestützte Kanäle wie dem Call-Center oder dem Online-Kanal.5 Werden mehrere Kanäle und Medien für die Kundenkommunikation eingesetzt, können sich die einzelnen Kanäle unter 1 Vgl. Bruhn, Manfred: Relationship Marketing. Das Management von Kundenbeziehungen. München 2001, S.1 2 Tomczak, T./Reinecke, S.: Best Practice in Marketing – Erfolgsbeispiele zu den vier Kernaufgaben im Marketing. St. Gallen 1998. Zit. in: Hippner, Hajo/Wilde, Klaus D. (Hrsg.): Management von CRM-Projekten. Handlungsempfehlungen und Branchenkonzepte. Wiesbaden 2004, S. 107. 3 Vgl. Berry, L. L.: Relationship Marketing. In: Berry, L. L./Shostack, G. L./Upah, G. D. (Hrsg.): Emerging Perspectives on Service Marketing. Chicago1983. Zit. in: Hippner/Wilde, 2004, S. 107. 4 Vgl. Finsterwalder, J./Stadelmann, M./Wolter, S./Reinecke, S./Starkey, M./Woodcock, N.: Customer Relationship Management (CRM) in der Schweiz. Zürich 2001. Zit. in: Hippner/Wilde, 2004, S. 107. 5 Vgl. Gronover, Sandra Christine: Multi-Channel-Management. Konzepte, Techniken und Fallbeispiele aus dem Retailbereich der Finanzdienstleistungsbranche. Dissertation der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG). Bamberg 2003, S. 1. Kapitel 1: Einleitung 2 Umständen gegenseitig konkurrieren oder es kann zu Doppelspurigkeiten in der Bearbeitung von Kundenanliegen kommen. Kanäle müssen daher miteinander integriert, synchronisiert und entsprechend ihren Vorteilen für die Kommunikation eingesetzt werden. Diese Herausforderungen angemessen zu meistern, ist Aufgabe des Multi-Channel-Managements (MCM). Um Mehrkanalsysteme sinnvoll und nutzbringend zu gestalten, bedarf es einer intensiven Auseinandersetzung mit kanalspezifischen Kriterien wie beispielsweise Kanalkosten, das Kanalnutzungsverhalten der Kunden, Kundenbedürfnisse oder die Produktart. Ein hilfreiches Instrument für die Gestaltung einer funktionierenden und zielgerichteten Multi-Channel-Struktur ist die Channel-Matrix. Sie ermöglicht eine genaue Analyse unterschiedlicher Elemente, die bei der Kanalplanung berücksichtigt werden sollten. In der Literatur findet man eine Vielzahl von Channel-Matrizen, die sich alle leicht voneinander unterscheiden. Zu fragen ist welche kanalspezifischen Kriterien besonders relevant sind für die Gestaltung einer Mulit-Channel-Struktur und welche Markt-, Kanal- und Kundendaten für die Ausarbeitung einer fundierten ChannelMatrix eruiert werden sollten. 1.3 Zielsetzung Die hier vorliegende Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt fünf Varianten von ChannelMatrizen aufzuzeigen. Obwohl diese Matrizen aus der Literatur entnommen wurden, handelt es sich nicht um theoretische Konstrukte der Wissenschaft, sondern um real angewandte Fallbeispiele einiger Unternehmen. Ziel ist, anhand der Analyse der fünf Matrizen, dem Leser einen Einblick in die Thematik zu gewähren und ihn zu weiterführenden Forschungsanstrengungen anzuregen. Durch die Untersuchung der Matrizen soll geklärt werden, welche Kriterien sich als besonders relevant für die Gestaltung einer effizienten und effektiven Multi-Channel-Struktur erweisen, sowie welche Markt-, Kanal- und Kundenanalysen im Vorfeld erfasst werden sollten, um eine abgestützte und nutzbringende Channel-Matrix anfertigen zu können. Die einzelnen Channel-Matrizen werden erläutert und kritisch hinterfragt, wobei versucht wird ihre Vor- und Nachteile herauszukristallisieren. Diese Überlegungen sollen dann schlussfolgernde Aussagen zulassen bezüglich der hier formulierten Fragestellungen. Kapitel 1: Einleitung 3 1.4 Aufbau der Arbeit Bevor die einzelnen Channel-Matrizen vorgestellt werden, bedarf es der Erklärung einiger wesentlicher theoretischen Grundlagen. Dadurch soll verständlich werden, welche spezifischen Aufgaben und Herausforderungen das Multi-ChannelManagement zu bewältigen hat und wie man bei der Kanalplanung vorgehen kann. Kapitel 2 wird zunächst die Grundlagen des CRM darlegen und umfasst eine Definition, den Kundenlebenszyklus sowie die Darstellung der drei CRM-Prozesse (Marketing, Verkauf und After-Sale-Service). Anschliessend wird Kapitel 3 die unterschiedlichen Typologien von Kundenschnittstellen (Kontaktmedien, -punkte und –kanäle) aufzeigen, an denen die Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden stattfindet. Diese Ausführungen sollen die Bedeutung und Notwendigkeit des Multi-Channel-Managements ersichtlich machen, welches in Kapitel 4 eingehend erläutert wird. Kapitel 4 widmet sich zusätzlich der Frage, welche strategischen Überlegungen bei der Gestaltung einer Multi-Channel-Struktur von Bedeutung sind und präsentiert ein konkretes Vorgehensmodell der Kanalplanung (Abschnitt 3). Ausgehend von diesen Grundkenntnissen behandelt Kapitel 5 die Thematik der Channel-Matrix, wobei fünf Varianten vorgestellt werden, die auf ihre Vor- und Nachteile analysiert werden. Die Untersuchungsergebnisse werden in Kapitel 6 zusammengefasst, wodurch die Beantwortung der Fragestellungen ermöglicht werden soll. Abschliessend wird in Abschnitt 2 das Vorgehen und der Output der hier vorliegenden Arbeit kurz reflektiert, sowie auf Verbesserungspotentiale eingegangen. Kapitel 2: Grundlagen des Customer Relationship Managements 4 2 Grundlagen des Customer Relationship Management 2.1 Definition und Nutzen von CRM In Zeiten gesättigter Märkte, angleichender Leistungen und zunehmender Transparenz über bestehende Produkt- und Dienstleistungsangebote, ist es für Anbieter immer schwieriger, sich von ihren Wettbewerbern abzugrenzen.6 Hinzu kommt, dass die Kundenansprüche gewachsen sind, weshalb eine individuelle Leistungserbringung, spezifische Qualitätsleistungen sowie ein „Rund-um-die-UhrService“ zunehmend Kundenzufriedenheit über und die Qualität Kundenzufriedenheit kundenbezogener bestimmen. Prozesse spielen Die eine massgebliche Rolle, um langfristig profitable Kundenbeziehungen aufzubauen, im Zeitablauf zu intensivieren und den Kunden an das Unternehmen zu binden. Customer Relationship Management stellt hierfür ein hilfreiches und unterstützendes Mittel dar. „Customer Relationship Management (CRM) ist ein unternehmensweit integrierendes Führungsund Organisationsprinzip, das alle Aktivitäten, Massnahmen und Instrumente umfasst, die auf eine verbesserte Kundenorientierung und Kundenzufriedenheit gerichtet sind.“7 Zentrales Merkmal des CRM ist die Kundenorientierung bzw. eine kundenzentrierte Ausrichtung des Unternehmens. Damit unterscheidet sich CRM grundlegend von dem Konzept des traditionellen Marketings, welches das Produkt und dessen Leistung ins Zentrum der Unternehmensaktivitäten stellt. Ein effizient geführtes CRM hilft nicht nur die Kundenzufriedenheit zu erhöhen, sondern führt laut Wehrmeister ebenfalls zu einer Imageverbesserung, Effizienzsteigerung, Neukundengewinnung sowie zu Kundenbindung.8 6 Vgl. Gronover, 2003, S. 15. Stadelmann et al., 2003, S. 23. 8 Vgl. Wehrmeister, Dierk: Customer Relationship Management. Kunden gewinnen und an das Unternehmen binden. Köln 2001, S. 17. 7 Kapitel 2: Grundlagen des Customer Relationship Managements 5 2.2 Phasen der Kundenbeziehung 2.2.1 Der Kundenlebenszyklus CRM befasst sich mit jeglichen Prozessen, die sich im Laufe der Geschäftsbeziehung zwischen Unternehmen und Kunden ergeben. Diese Geschäftsbeziehung beginnt nicht erst mit dem Vertragsabschluss, sondern umfasst bereits die Suche nach potentiellen Kunden und Bedarfsensibilisierung.9 Die gesamte Beziehung zwischen einem Kunden und dem Unternehmen wird phasenspezifisch bearbeitet und insgesamt als Kundenlebenszyklus oder „Customer Life Time“ betrachtet.10 Die Phaseneinteilung des Kundenlebenszyklus wird in der Literatur unterschiedlich vorgenommen. Grundlegend kann die Phasengliederung aus der Anbieter(Unternehmen) oder aus der Nachfragerperspektive (Kunde) erfolgen. Aus Kundensicht lassen sich die Phasen in eine Such-, Kauf-, Nutzungs- und Kontaktphase einteilen (Phasen des Customer Buying Cycles).11 Ein Unternehmen hingegen unterscheidet zunächst, ob es sich um einen potenziellen, bestehenden oder um einen ehemaligen Kunden handelt. Je nach Kategorie des Kunden werden unterschiedliche CRM-Aufgaben angewandt. Potenzielle Kunden werden umworben (Kundenakquisition). Bestehende Kunden werden versucht Zufrieden zu stellen, so dass sie sich gegenüber dem Unternehmen loyal verhalten (Kundenbindung). Ehemalige Kunden sollen zurückgewonnen werden, so dass sie wieder zu bestehenden Kunden werden (Kundenrückgewinnung).12 Diesen drei CRMAufgaben können einzelne „Kundenmanagement-Aktivitäten“ hinzugeordnet werden. Die Kundenakquisition umfasst die Aktivitäten der Zielgruppenansprache, Kundenanfragen sowie die Beratung, bzw. das Angebot. Die Kundenbindungsphase besteht aus der Begrüssung/Kundenkontakt, der Kundenentwicklung sowie dem Cross-/Up-Selling. In der Kundenrückgewinnungsphase stellen das Beschwerdemanagement sowie die eigentliche Kundenrückgewinnung die zentralen Aktivitäten dar.13 Eine etwas vereinfachte Fassung dieser Kundenmanagement9 Vgl. Wehrmeister, 2001, S. 25. Vgl. Finsterwalder, Jörg/Reinecke, Sven: CRM= M2? Ist Customer Relationship Management „besseres“ Marketing?. In: Stadelmann et al., 2003, S. 35. 11 Vgl. Hippner/Wilde, 2004, S. 107 12 Vgl. Bruhn, 2001, S. 47. 13 Vgl. Stadelmann, Martin/Wolter, Sven: Kundenorientierte Unternehmensgestaltung. CRM als integrierendes Führungs- und Organisationsprinzip. In: Stadelmann et al., 2003, S. 62. 10 Kapitel 2: Grundlagen des Customer Relationship Managements 6 Aktivitäten liefert Gronover wenn sie von „Kundenprozessen“ spricht. Die Kundenprozesse gliedert Gronover in Information, Beratung, Vertragsabschluss/Initialabwicklung, Transaktionen, Service und Vertragsauflösung gliedert.14 2.2.2 CRM-Prozesse in der Kundenbeziehung Nebst der zuvor erwähnten Möglichkeiten der Phaseneinteilung, lassen sich CRMAufgaben auch funktional gliedern, so dass dem Unternehmen eine organisatorische Strukturierung ermöglicht wird. Dabei wird zwischen den Prozessen Marketing, Verkauf und Service unterscheidet. Diese CRM-Prozesse umfassen wiederum spezifische Aktivitäten, wie beispielsweise die Kundensegmentierung innerhalb des Marketings oder die Beratung innerhalb der Verkaufsaktivitäten. Abbildung 1 stellt einen Teilbereich des Customer Buying Cycles (CBC) dar und verweist auf die jeweiligen Funktionsbereiche der einzelnen CRM-Prozesse (grob strukturiert).15 Zielgruppe Markt Interessent Kontakt vorhanden Operative CRM-Prozesse Marketing Kunde Vertrag abgeschlossen Verkauf After-Sales-Service Kundenprofildefinition Beratung Fulfillment Kundensegmentierung Produktkonfiguration Beschwerdemanagement Kundengruppenbildung Angebote Retouren Konditionsvereinbarungen Tracking & Tracing CRM-Funktionen KampagnenManagement Unterhalt & Reparaturen Vertragserstellung Abbildung 1: Operative CRM-Prozesse.16 14 Vgl. Gronover, 2003, S. 24. Vgl. Walser, Konrad: Auswirkungen des CRM auf die IT-Integration. Inauguraldissertation der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern. In: Wirtschaftsinformatik, Band 52. Köln 2006, S. 44. 16 Walser, 2006, S. 44. 15 Kapitel 2: Grundlagen des Customer Relationship Managements 7 Aus Abbildung 1 wird ersichtlich, dass die CRM-Prozesse Marketing, Verkauf und After-Sales-Service unterschiedliche Zielgruppen ansprechen und verschiedene Aktivitäten beinhalten. Marketingprozesse beziehen sich auf den Markt als Ganzes, wozu auch Interessenten (nicht Kunden) und bestehende Kunden dazugehören. Um Interessenten überhaupt gewinnen zu können, muss im Rahmen des Marketings ein Segment von potentiellen Kunden definiert werden. Dazu werden unter anderem Kundenprofile und Kundengruppen zielgruppenspezifische (Werbe-) eruiert Kampagne und schliesslich durchgeführt. Die eine mit Marketingaktivitäten gewonnen Interessenten stellen wiederum die Zielgruppe der Verkaufsprozesse dar. Um die Interessenten zum Abschluss eines Vertrages zu bewegen, wird ihnen eine Beratung anerboten sowie gewisse Konditionen vereinbart. Schliesst ein Interessent oder ein bestehender Kunde danach einen Vertrag ab, wird er zum Neukunden oder zum bestehenden Kunden mit einem neuen Vertrag und somit zur Zielgruppe des After-Sales-Service.17 Der Customer Buying Cycle schliesst sich, wenn ein bestehender Kunde zum Interessenten eines anderen Angebots des Unternehmens wird oder mittels Kundenrückgewinnungsmassnahmen wieder (Neu-) Kunde wird. CRM versucht die Geschäftsprozess in Marketing, Vertreib und After-Sales-Service zu verbessern, um die direkte Kundenähe zu fördern und somit den persönlichen und telefonischen Kundenkontakt zu unterstützen.18 CRM-Funktionen sind zu unterscheiden von „Kundengeschäftsvorfällen“. Kundengeschäftsvorfälle sind „[…] generische Geschäftsvorfälle zwischen Kunden und Unternehmen […] [, die] an verschiedenen Kontaktpunkten über unterschiedliche Medien […]“19 zustande kommen können. Ziel des CRM ist es diese Kundengeschäftsvorfälle „ […] so effizient und effektiv wie möglich zu gestalten“20, um ein Maximum aus der Kundenbeziehung herauszuholen. Beispiele für Kundengeschäftsvorfälle in der Pre-Sale-Phase sind Anfragen zu Leistungen oder Produkten, in der Sale-Phase kommt es zu die Vertragsverhandlungen und 17 Vgl. Walser, 2006, S. 44. Vgl. Kahle, Ulrich/Hasler, Werner: Informationsbedarf und Informationsbereitstellung im Rahmen von CRM-Projekten. In: Link, Jörg (Hrsg.): Customer Relationship Management. Erfolgreiche Kundenbeziehungen durch integrierte Informationssysteme. Berlin Heidelberg 2001, S. 214. 19 Walser, 2006, S. 38. 20 Ebenda, S. 46. 18 Kapitel 2: Grundlagen des Customer Relationship Managements 8 Vertragsabschlüssen, während in der After-Sale-Phase Fragen bezüglich der Rechnungsstellung oder die Adressänderung mögliche Kundengeschäftsvorfälle darstellen.21 Diese Geschäftsvorfälle können wie erwähnt an verschiedenen Kundenschnittstellen zustande kommen, die im folgenden Kapitel erläutert werden. 21 Vgl. Wehrmeister, 2001, S. 139. Kapitel 3: Kundenschnittstellen 9 3 Kundenschnittstellen 3.1 Definition und Funktion Kundenschnittstellen sind grundsätzlich alle Schnittstellen im Front-Office, an denen generische Geschäftsvorfälle zwischen Kunden und Unternehmen stattfinden können (Telefon, E-Mail, Brief, etc.).22 Weil der Kunde von der Qualität der Interaktion auf die Qualität der Leistung schliesst,23 ist das reibungslose Funktionieren der Kundenschnittstellen eine wichtige Voraussetzung für die Kundenzufriedenheit. Werden die von den Kunden bevorzugten Interaktionsmöglichkeiten bereitgestellt, kann dies den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens erhöhen. Umgekehrt sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Geschäftsbeziehung um 60 Prozent, wenn ein Kunde nicht die von ihm gewünschten Interaktionsmöglichkeiten erhält.24 Als wichtigste Qualitätskriterien der Kundenschnittstellen nennt Wehrmeister die Kundenorientierung im Sinne von Informationsqualität und Individualisierung der Kundenbedienung, sowie Geschwindigkeit und Einfachheit.25 3.2 Kontaktmedien Grundsätzlich ist ein Medium ein Endgerät, mit dem der Kunde kommuniziert.26 Laut Walser handelt es sich bei Kontaktmedien um (technische) Mittel zur Kommunikation zwischen Kunde und Unternehmen. Dabei unterscheidet Walser zwischen direkten und indirekten Medien. Direkte Medien wie das Telefon, Fax, Brief, E-Mail oder die face-to-face Kommunikation ermöglichen eine direkte, persönliche Ansprache des Kunden. Indirekte Medien hingegen erlauben keine persönliche Ansprache des Kunden. Beispielsweise kann ein Plakat, ein Fernsehgerät, eine Zeitung oder ein Prospekt indirekt mit dem Kunden kommunizieren.27 Im Vergleich zur face-to-face Kommunikation ergibt sich bei der mediengestützten Kommunikation ein reduziertes Wahrnehmungsspektrum zwischen den Kommunizierenden. Gestik und Mimik können über das Medium nicht 22 Vgl. Wehrmeister, 2001, S. 122. Vgl. Gronover, 2003, S. 171. 24 Vgl. Ebenda, S. 40. 25 Vgl. Wehrmeister, 2001, S. 159. 26 Vgl. Gronover, 2003, S. 51. 27 Vgl. Walser, 2006, S. 39. 23 Kapitel 3: Kundenschnittstellen 10 transportiert werden, was leichter zu Missverständnissen führen kann.28 Dennoch nimmt laut Gronover die Bedeutung der mediengestützten Kommunikation für Unternehmen stetig zu,29da ihr Einsatz tendenziell zu einer Senkung der fixen und variablen Transaktions- und Kommunikationskosten führt.30 So kann beispielsweise die Bearbeitung von Kundenanliegen mittels Email-Routing31 oder „Interactive Voice Response“ (IVR)32 vereinfacht und ohne Mitwirkung von Mitarbeitern kostengünstig angeboten werden. 3.3 Kontaktpunkte Kontaktpunkte oder „Customer Touch Points“ sind ortsgebundene oder virtuelle Punkte, an denen das Unternehmen mit dem Kunden in Kontakt tritt. “Touchpoints are viewed as the intersection of a business event that takes place via a [contact] channel using a [contact] medium (e.g., online inquiry from a prospect, telephone follow-up with a purchaser on a service issue, faceto-face encounter with a salesperson). At their essence, touchpoints are where the selling firm touches the customer in some way, thus allowing for information about customers to be collected.”33 Gronover weist darauf hin, dass sich Kontaktpunkte „[…] durch den Ort der Leistungsinanspruchnahme differenzieren“.34 Die Autorin unterscheidet zwischen stationären, mobilen und direkten Kontaktpunkten. Stationäre Punkte sind die klassischen Filialen bzw. Geschäftsstellen, deren räumliche Bindung das zentrale Abgrenzungskriterium darstellen. Hierzu zählen auch Shop-in-the-Shop-Konzepte 28 Vgl. Gronover, 2003, S. 42. Vgl. Ebenda, S. 176. 30 Vgl. Picot, A/Reichwald, R./Wigand, R.: Die grenzenlose Unternehmung. Information, Organisation und Management, 3.Aufl., Wiesbaden 1998. Zit. in: Gronover, 2003, S. 17. 31 Das Email-Routing hingegen ermöglicht eine vordefinierte Weiterleitung der Kundenanfragen zu den entsprechenden Sachbearbeitern, indem das System bestimmte Sachverhalte in der Betreffzeile des Emails vermerkt oder das E-Mail mittels Texterkennungsalgorithmen weiterleitet. Vgl. Walser, 2006, S. 99. 32 Beim IVR handelt es sich um ein Weiterleitungssystem (Routing-System), das mittels vorerfassten Stimm-Aufforderungen oder –Antworten den Kunden dazu bewegt, bestimmte Tasten auf dem Telefon zu drücken, damit er an die entsprechende Abteilung oder den jeweiligen Agenten vermittelt werden kann. Vgl. Walser, 2006, S. 99. 33 Johnston, M.W.//Marshall, G., W.: Linking Strategies and the Sales Role in the Era of Customer Relationship Management. 2002. URL: http://highered.mcgrawhill.com/olc/dl/47458/joh66480_ch03.pdf (21.10.2002). Zit. in: Walser, 2006, S. 40. 34 Gronover, 2003, S. 25. 29 Kapitel 3: Kundenschnittstellen 11 oder Kiosksysteme (Selbstbedienungssysteme wie z.B. Geldautomaten oder SelfCheck-In-Systeme an Flughäfen). Mobile Punkte umfassen Vertreter, Makler sowie mobile Zweigstellen, die zumindest für eine gewisse Zeitspanne ortsgebunden sind und sich durch ihren persönlichen Kontakt auszeichnen. Direkte Punkte stellen hingegen einen mediengestützten Kontakt her wie dies das Internet, Partner- oder Sprachportale ermöglichen.35 3.4 Kontaktkanäle Im Unterschied zu Kontaktmedien und Kontaktpunkten, bestehen Kontaktkanäle aus der Kopplung von Mitarbeiter- oder Kundenrollen mit möglichen auszuführenden Aktivitäten oder Prozessen im Front-Office sowie mit direkten Kontaktmedien.36 Kontaktkanäle sind demnach aus organisatorischer Sicht als Informations- und Kommunikationssysteme als Ganzes zu betrachten, deren zentrales Merkmal die Integration von Menschen, Aufgaben und Technik ist.37 Ein Kontaktkanal ist beispielsweise das Call Center, das Direct Mail System oder der Aussendienst. Wehrmeister bezeichnet Kontaktkanäle als „Customer-Interaction-Einheit“ und führt weitere Arten wie dem Email-Center oder dem Fax-Center auf.38 Allen Kontaktkanälen ist gemeinsam, dass sie mit unterschiedlichen Kontaktmedien angesprochen werden können. Per Telefon lässt sich beispielsweise ein Call-CenterAgent oder ein Aussendienstmitarbeiter kontaktieren.39 Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird aus Gründen der Übersichtlichkeit auf die Unterscheidung zwischen Kontaktmedien, -punkten-, sowie –kanälen weitgehend verzichtet. Stattdessen wird vorzugsweise der Kanalbegriff verwendet.40 Unternehmen setzten häufig mehrere Kanäle und Medien kombiniert ein, um die geschäftlichen Potenziale des Unternehmens auszuschöpfen. Bei der kombinierten Kanalnutzung müssen die spezifischen Kanaleigenschaften und –beziehungen 35 Gronover spricht in der Literatur von “Kanälen”, doch laut der hier verwendeten Definition nach Walser handelt es sich um eigentliche Kontaktpunkte. Um keine Verwirrung zu stiften, wird daher der Begriff Kontaktpunkt für Gronovers Ausführungen übernommen. 36 Vgl. Walser, 2006, S. 39. 37 Vgl. Ebenda, S. 42. 38 Vgl. Wehrmeister, 2001, S. 269. 39 Vgl. Gronover, 2003, S. 26. 40 Die Verwendung des Kanalbegriffs stiftet weniger Verwirrung, da einige Autoren wie beispielsweise Gronover eine andere Einteilung (Kanäle statt Punkte) der Schnittstellen vornehmen (vgl. Abbildung 2, Seite 15). Kapitel 3: Kundenschnittstellen 12 berücksichtigt werden, damit die einzelnen Kanäle und Medien sinnvoll für die diversen Kundengeschäftsvorfälle und Anwendungsgebiete eingesetzt werden können.41 Zudem bedarf es einer koordinierten Steuerung und Integration der Kanäle um Doppelspurigkeiten oder Medienbrüche zu vermeiden. Diesen Aufgaben und Herausforderung stellt sich das Multi-Channel-Management, welches im nächsten Kapitel eingehend behandelt wird. 41 Vgl. Schulze, J: Prozessorientierte Einführungsmethode für das Customer Relationship Management. Dissertation am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen. Bamberg 2000, S. 46. Kapitel 4: Multi-Channel-Management 13 4 Multi-Channel-Management 4.1 Definition und Struktur Kunden erwarten von einem Unternehmen, dass es verschiedene Kontaktoptionen offeriert. So haben Untersuchungen gezeigt, dass „jeder zweite Kunde bei einem Kauf von Produkten oder Dienstleistungen vier bis fünf Kanäle nutzt“42. Das Anbieten eines einzigen Kanals ist daher laut Furey und Friedman grundsätzlich keine empfehlenswerte Strategie.43 Werden mehrere Kundenschnittstellen angeboten, so kommt das Multi-Channel-Management zur Anwendung. Das Multi-ChannelManagement ist im Bereich des kollaborativen CRM anzusiedeln und wird hier definiert als „die Steuerung, die Koordination und die Integration der Kontaktmedien, Kontaktkanäle und Kontaktpunkte und der darüber ausgetauschten Informationen“44. Ziel des Multi-Channel-Managements ist es, die „direkte Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunde so stark wie möglich zu steuern oder zu den eigenen Gunsten zu entscheiden“45, so Walser. Umgekehrt können die Kunden von einer schnelleren, bequemeren, unterhaltsameren, sichereren, individuelleren, situativ besser angepassten oder günstigeren Kommunikation mit dem Unternehmen profitieren.46 Grundsätzlich lässt sich die Multi-Channel-Struktur auf zweierlei Arten konzipieren: Eine autarke Aufgabenverteilung oder eine interdependente Aufgabenverteilung. Bei der autarken Aufgabenverteilung erfüllt jeder einzelne Kanal seine eigenständigen Funktionen und steht in keiner Abhängigkeit zu anderen Kanälen. Dabei wird jeder Kanal organisatorisch getrennt. Bei der interdependenten Aufgabenverteilung übernehmen unterschiedliche Kanäle die Funktionen als integriertes System, wobei bewusst Querbeziehungen zwischen den Kanälen bestehen. Somit ergänzen sich die 42 Gronover, 2003, S. 37. Vgl. Friedman, Lawrence G./Furey, Timothy R.: The Channel Advantage. Going to market with multiple sales channels to reach more customers, sell more products, make more profit, 6. Aufl., Oxford 2003, S. 7. 44 Walser, 2006, S. 39. 45 Ebenda, S. 59. 46 Vgl. Schögel, Marcus/Schmidt, Inga/Sauer, Achim: Multi-Channel Management im CRMProzessorientierung als zentrale Herausforderung. In. Hippner, Hajo/Wilde, Klaus D. (Hrsg.): Management von CRM-Projekten. Handlungsempfehlungen und Branchenkonzepte. Wiesbaden 2004, S. 118. 43 Kapitel 4: Multi-Channel-Management 14 verschiedenen Kanäle gegenseitig und stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis.47 Die interdependente Kanalstruktur ist dann sinnvoll, wenn die Kunden bewusst einzelne Kanäle kombinieren oder wenn Doppelspurigkeiten der Kanäle vermieden und somit die Transaktionskosten reduziert werden sollen.48 Eine autarke Kanalstruktur ist hingegen eine geeignete Option, wenn die einzelnen Kanäle auf klar abgegrenzte Markt- und Kundensegmente ausgerichtet sind.49 Sowohl die autarke als auch die interdependente Kanalstruktur bedürfen einer sorgfältigen Auswahl und Einsatz der einzelnen Medien und Kanäle sowie deren Synchronisation und Integration. Diese Aufgabenbereiche sind dem Interaktions- und Kanalmanagement zuzuordnen, die im nächsten Abschnitt erläutert werden. 4.2 Interaktions- und Kanalmanagement Führt das Unternehmen mehrere Kontaktkanäle, -medien sowie –punkte, erhöht sich das Konfliktpotenzial und die Kanalsteuerung wird erschwert.50 Wird beispielsweise ein neuer Kanal eingeführt, so potenziert sich die Variantenvielfalt der möglichen Kommunikationsprozesse (aufgrund der Kanal-Medium-Kombinationen).51 Mit der Verdoppelung der Kanäle steigen zusätzlich die Koordinationskosten um 30-40 Prozent.52 Ein sinnvoller Einsatz sowie Koordination der Kanäle sind von entscheidender Bedeutung für das Funktionieren einer Multi-Channel-Struktur.53 Um diese Aufgaben zu bewältigen, werden das Interaktions- und Kanalmanagement im Rahmen des Multi-Channel-Managements eingesetzt. Das Interaktionsmanagement kümmert sich um eine nutzbringende Auswahl und Einsatz der unterschiedlichen Kanäle. Zu fragen gilt hier, welche Kanäle und deren Medien welche Geschäftsvorfälle bestmöglichst unterstützen, bzw. wie die Kanäle entsprechend ihren Leistungen vorteilhaft eingesetzt werden können.54 Zu den Aufgabenbereichen des Interaktionsmanagements gehört auch, dass die Kanäle über verschiedene 47 Vgl. Schögel et al., 2004, S. 118-120. Vgl. Ebenda, 2004, S. 120. 49 Vgl. Ebenda, S. 119. 50 Vgl. Schulze, 2000, S. 47. 51 Vgl. Gronover, 2003, S. 119. 52 Vgl. Ebenda, S.120. 53 Vgl. Schulze, 2000, S. 47. 54 Gronover, 2003, S. 20. 48 Kapitel 4: Multi-Channel-Management 15 Medien zugänglich gemacht werden müssen.55 Beispielsweise muss ein Mitarbeiter in der Filiale per Telefon und E-Mail erreichbar sein. Zusätzlich sollen im Rahmen des Interaktionsmanagements Medien und Interaktionsvarianten ausgebaut, die Interaktionsformen an die Kunden- und Prozessbedürfnisse angepasst sowie das Kundenverhalten gesteuert werden.56 Im Gegensatz zum Interaktionsmanagement geht es beim Kanalmanagement um die Steuerung, Koordination und Integration der Kanäle (analog Multi-ChannelManagement).57 Das Kanalmanagement beschäftigt sich mit der Frage der internen Ausgestaltung der verschiedenen Kanäle,58 um dadurch beispielsweise Doppelspurigkeiten zu verhindern. Die Kanalintegration stellt eine durchgängige Verknüpfung von physischen und mediengestützten Kanälen sicher59, während die Synchronisation und Koordination das Zusammenspiel der Kanäle und Medien gewährleistet.60 Abbildung 2 veranschaulicht mögliche Kanal-Medium- Kombinationen und verdeutlicht welche Komplexität dadurch entstehen kann. Kontaktkanäle Stationäre Kanäle MultiChannelManagement - Geschäftsstelle - Shop-in-the-Shop - Kiosksysteme Kontaktmedien Pers. Kontakt Telefon Mobile Kanäle DirektKanäle - Aussendienst - Mobile Geschäftsstelle - Makler Interaktionsmanagement - Call Center - Online-Kanal - Sprachportale - Partnerportale Kanalmanagement MobilesDevice Vgl. Ebenda, S. 105. Vgl. Gronover, 2003, S. 52. 57 Vgl. Ebenda, S. 51. 58 Vgl. Ebenda, S. 20. 59 Vgl. Ebenda, S. 29. 60 Vgl. Ebenda, S.53. 61 Ebenda, S. 26. 56 PC Automat Abbildung 2: Kanäle und Medien.61 55 Brief/Fax Kapitel 4: Multi-Channel-Management 16 Anhand der in Abbildung 2 dargestellten Vielfalt der Kanal-Medium-Kombinationen wird ersichtlich, Kanalmanagement welchen für die Nutzen ein gut Mehrkanalstruktur geführtes und Interaktionsletztlich und für die Kundenkommunikation leisten kann. Für das reibungslose Funktionieren und den Erfolg einer Multi-Channel-Struktur, gilt es jedoch auch andere Faktoren wie beispielsweise die unterschiedlichen Kanal-, bzw. Transaktionskosten oder das Kundensegment zu berücksichtigen. Diese und weitere kanalspezifischen Kriterien sollen nun im Rahmen der Multi-Channel-Strategie näher beleuchtet werden. 4.3 Multi-Channel-Strategie 4.3.1 Einflussfaktoren Multi-Channel-Strategien legen fest, welche Leistungen und Prozesse die einzelnen Kanäle erfüllen müssen.62 Dabei gilt es folgende Fragen beantworten zu können:63 • Über welche Kanäle und Medien können die Kundenprozesse der einzelnen Kundensegmente unterstützt werden? • Welche Produkte sollen über welchen Kanal angeboten werden? • Welche strategischen Varianten sind rentabel? Ein zentraler Aspekt bei der strategischen Gestaltung von Multi-Channel-Strukturen ist die Ökonomie, denn jeder Kontaktkanal weist unterschiedliche Kostensätze pro Kontaktart und Kontakt auf.64 So postulieren Friedman und Furey ökonomisch, dass die Transaktionen auf preiswerte Kanäle gelenkt werden sollen.65 Eine Bank erwirtschaftet beispielsweise weitaus mehr, indem sie ihre Kunden dazu bringt das Internet und Geldautomaten für ihre Transaktionen zu verwenden, statt in die Filiale zu gehen. Jede Transaktion über das Internet sowie über den Automaten kostet das Unternehmen weniger als die Hälfte als eine Transaktion, die in einer Filiale 62 Vgl. Gronover, Sandra/Kolbe, Lutz M./Österle, Hubert: Methodisches Vorgehen zur Einführung von CRM. In: Hippner, Hajo/Wilde, Klaus D. (Hrsg.): Management von CRM-Projekten. Handlungsempfehlungen und Branchenkonzepte. Wiesbaden 2004, S. 21. 63 Gronover, 2003, S. 54. 64 Vgl. Walser, 2006, S. 61. 65 Friedman/Furey, 2003, S. 46. Kapitel 4: Multi-Channel-Management 17 durchgeführt wird.66 Preiswerte Kundenschnittstellen definieren Friedman und Furey als „low-touch-channels“, welche sich von „high-touch-channels“ nicht nur durch ihre Kostenstruktur unterscheiden, sondern auch durch ihre geringere Interaktions-, Service- und Supportleistung.67 Low-toch-channels sind eher als nicht-interaktive Kanäle zu verstehen, die den Kunden wenig bis keinen Service- und Support bieten (z.B. direct mail, Call Center, Internet, Kiosksysteme, etc.).68 High-touch-channels wie Vertreter oder Filialenmitarbeiter bieten dem Kunden hingegen einen hohen Service sowie eine persönliche Beratung und werden daher als interaktive Kanäle bezeichnet.69 Die unterschiedliche Supportleistung der Kanäle führt dazu, dass lowtouch-channels primär bei einfachen Produkten angewendet werden sollten, während komplexe Produkte vorzugsweise über high-touch-channels vertrieben bzw. unterstützt werden sollten.70 Nebst der Produktart, den Serviceleistungen eines Kanals sowie den Transaktionskosten gibt es weitere Faktoren, die einen Einfluss auf die Kanalplanung haben können. Diese werden nun anhand eines möglichen Vorgehensmodells näher betrachtet. 4.3.2 Vorgehensmodell Das Vorgehen zur Gestaltung einer Multi-Channel-Struktur kann auf verschiedenste Arten erfolgen. Grundsätzlich ist zu bestimmen, welche Funktionen ein Kanal übernehmen soll, bzw. ob er Marketing-, Verkaufs-, oder After-Sales-Aktivitäten ausführen soll. Des Weiteren muss ein Mehrkanalsystem an die Erfordernisse der entsprechenden Branche sowie an die Produkte und Leistungen des Unternehmens angepasst werden. Im Rahmen einer Absatzkanalplanung für Finanzdienstleistungsunternehmen haben Gronover et al. ein spezifisches Vorgehensmodell in Zusammenarbeit mit der St. Galler Kantonalbank (SGKB) entwickelt. Dabei werden wie in Abbildung 3 66 Vgl. Friedman/Furey, 2003, S. 61. Vgl. Ebenda, S. 45. 68 Vgl. Ebenda, S. 47. 69 Vgl. Ebenda, S. 45. 70 Vgl. Ebenda, S. 44. 67 Kapitel 4: Multi-Channel-Management 18 dargestellt folgende fünf Prozesse nacheinander vollzogen: Absatzplanung, Kundenprozess-Erfassung, Medien- und Kanalanalyse, Kanalplanung und die Kundensteuerung.71 Schritt 1: Absatzplanung Schritt 2: Kundenprozess-Erfassung Schritt 3: Medien- und Kanalanalyse Schritt 4: Kanalplanung Schritt 5: Kundensteuerung Abbildung 3: Vorgehensmodell.72 Als erstes wird die Absatzplanung festgelegt, die bestimmen soll für welche Kundensegmente welche Vertriebsstrategie gilt. Hierzu sind Informationen über Marktsegmente (Grösse, Wachstum, etc.), Wettbewerber (Marktanteil, Produktmerkmale, etc.), Leistungen des Unternehmens sowie das Makro-Umfeld (demographische, technologische, politische Entwicklungstrends) auszuwerten.73 In einem nächsten Schritt werden die Kundenprozesse erfasst, um die von den Kunden benötigten Leistungen zu erkennen.74 Hier werden zunächst die einzelnen Prozessschritte ermittelt, welche ein Kunde vor und während einer Geschäftsbeziehung mit dem Unternehmen durchläuft (vgl. Kundenlebenszyklus, Kundenprozesse, Phasen des Customer Buying Cycles). Anschliessend können sich Kanalnutzungsanalysen als nützlich erweisen, die den Weg durch das (bestehende) Mehrkanalsystem einzelner Kundensegmente erfassen. Ein Beispiel Kanalnutzungsanalyse liefert Schögel et al., die in Abbildung 4 dargestellt ist. 71 Vgl. Gronover et al., 2004, S. 21. Ebenda, S. 21. 73 Vgl. Ebenda, S. 22. 74 Vgl. Ebenda, S. 23. 72 einer Kapitel 4: Multi-Channel-Management Suchphase Kaufphase 19 Nutzungsphase Kontaktphase Ältere Dame, weniger technikaffin Persönlich Student Haushaltsneugründung Internet Telefon Viel beschäftigter Familienvater Brief/Fax Abbildung 4: Kanalnutzungsanalyse.75 Schögel et al. verwenden für die Prozessanalyse die Phasen des Customer Buying Cycles verwendet, welche in eine Such-, Kauf-, Nutzungs- und Kontaktphase gegliedert sind. Abbildung 4 zeigt auf welche Kanäle drei unterschiedliche Kundensegmente (ältere Dame, Student, Familienvater) verwenden, um von einer Hausratsversicherung Gebrauch zu machen. Auffallend ist, wie individuell sich das Kanalnutzungsverhalten der drei Kundensegmente in jeder Phase gestaltet. Die Kanalnutzungsanalyse ermöglicht ein verstärktes Verständnis für die spezifischen Kundenbedürfnisse, bzw. welche Prozessschritte bei welchen Kunden besonders wichtig sind, wodurch Verbesserungspotentiale erkennt werden können. Des Weiteren gestattet die Nutzungsanalyse die Bestimmung und Steuerung des optimalen Wegs durch das Mehrkanalsystem für die jeweiligen Kundensegmente.76 Nach Erfassung der Kundenprozesse werden die bestehenden Kanäle und Medien bezüglich ihrer bisherigen Leistungen analysiert. Gronover et al. schlagen hier eine sogenannte SWOT-Analyse vor, wobei für jeden Kanal die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken erfasst werden. Für die Erarbeitung dieser SWOT-Analyse sind zunächst die Kanal-Kenngrössen (z.B. Anzahl von Zugangspunkten wie Filialen, Nutzungszahlen, Anzahl Mitarbeiter, etc.), sowie die Medien- und Kanalbeziehungen (Kanal-Medium-Kombination) zu bestimmen.77 Der nächste Schritt behandelt die 75 Schögel et al., 2003, S. 117. Vgl. Ebenda, S. 117. 77 Vgl. Gronover et al., 2004, S. 25/26. 76 Kapitel 4: Multi-Channel-Management 20 eigentliche Kanalplanung, wobei für einzelne Kundenprozesse Zielkanäle definiert werden.78 Der letzte Schritt bezieht sich auf die Kundensteuerung. Hier sollen die ökonomischen Prämissen des Multi-Channel-Managements erfüllt werden, d.h. die Kunden sollen auf kostengünstige Kanäle gelenkt werden. Dies kann laut Gronover et al. entweder durch Marketingmassnahmen, gezielter Preisgestaltung der Kanäle oder mittels fixen Regelungen (verschiedenen Kundensegmente dürfen nur gewisse Kanäle benutzen) erreicht werden.79 Für die Bestimmung der Zielkanäle (Kanalplanung) können Channel-Matrizen eine hilfreiche Unterstützung bieten, worauf im folgenden Kapitel vertieft eingegangen wird. 78 79 Vgl. Ebenda, S. 26. Vgl. Ebenda, S. 29. Kapitel 5: Die Channel-Matrix 21 5 Die Channel-Matrix 5.1 Definition Die Channel-Matrix wird synonym auch als Kreuzungsraster bezeichnet. Kreuzungsraster werden verwendet, um eine geeignete Kanalwahl zu treffen und den einzelnen Kanälen bestimmte Funktionalitäten und Services zuzuordnen. Dabei werden die Kanäle (und ev. Medien) in einer Matrix spezifischen Kriterien gegenübergestellt. Als mögliche Kriterien können beispielsweise die Kanaleigenschaften (z.B. Servicezeit, Überzeugungskraft, etc.), die Kanalkosten oder die Kaufkriterien der Kunden verwendet werden. Ziel ist mittels der Channel-Matrix eine zweckgemässe Aufgabenverteilung im Mehrkanalsystem zu entwickeln und dadurch mögliche Dysfunktionalitäten und Doppelspurigkeiten zu vermeiden.80 In der Praxis sowie in der Literatur stösst man auf unterschiedliche Formen von Matrizen. Differenzen bestehen primär in der Wahl der miteinbezogenen Kriterien. Im Folgenden werden nun fünf Beispiele von Channel-Matrizen betrachtet, die auf ihre Stärken und Schwächen geprüft werden sollen. Diese analysierenden Ausführungen sollen dazu dienen, die wichtigsten Kriterien für die Kanalwahl benennen zu können sowie herauszufinden, welche Markt-, Kunden- und Kanaldaten im Vorfeld eruiert werden sollten, um fundierte Ergebnisse zu erhalten. 5.2 Analyse von fünf Channel-Matrizen 5.2.1 Sequenzielle Fragestellung Das erste der hier vorgestellten Channel-Matrizen stellt ein relativ einfaches Verfahren dar. Furey und Friedman verweisen in der Literatur auf eine Matrix, deren Prinzip auf einer sequenziellen Fragestellung beruht.81 Die Kanäle werden so gewählt, dass sie primär dem Kundenverhalten und den Kundenpräferenzen entsprechen. Abbildung 5 stellt ein Beispiel der Firma „Turbo-R Home Lawn Mower“ dar, welche nach einem geeigneten Absatzkanal für ihre Rasenmäher sucht. 80 Vgl. Yulinski, C.: Multi-Channel Marketing. Making “ Bricks and Clicks” Stick. Arbeitspapier der Reihe „McKinsey Marketing Practice“. O.A. 2000. Zit. in: Schögel et al., 2004, S. 123. 81 Vgl. Friedman/Furey, 2003, S. 63. Kapitel 5: Die Channel-Matrix All Possible Channels 22 1. 2. Will Customers Good Fit With Use This Channel? Product? 3. Evaluate for Economic Performance Field Sales Solution Partners Distributors Mass Retail Outlets Specialty HW Shops Shopping Mall Kiosks Outbound Telemarketing Direct Mail Internet 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 Abbildung 5: Sequenzielle Fragestellung.82 Die möglichen Kanäle, über welche das Unternehmen ihr Produkt vertreiben kann, sind links aufgelistet. Nun sollen für jeden einzelnen Kanal nacheinander drei Aspekte geprüft werden: das Kanalnutzungsverhalten der Kunden („where [Kanal] they [Kunden] are willing to do business?“83), die Übereinstimmung mit dem Produkt, sowie die Rentabilität des Kanals. Um zu bestimmen welche Kanäle für den Verkauf des Rasenmähers am geeignetsten sind, werden die Fragen von links nach rechts entweder mit einem „ja“ (gelbe Felder) oder „nein“ (weisse Felder) beantwortet. Im Fall der „Turbo-R Home Lawn Mower“ ergeben sich aufgrund der gelb markierten Felder vier geeignete Absatzkanäle: Outlets, specialty HW shops, sowie telechannels und das direct mail. Positiv an der Channel-Matrix von Friedman und Furey ist ihre relative einfache Vorgehensweise für die Bestimmung eines Absatzkanals. Indem die Autoren das Kundenverhalten und die Kundenpräferenzen an den Anfang der sequenziellen Fragestellung rücken, weisen sie dem Kunden eine zentrale Rolle zu. Mit dieser Prioritätensetzung tragen die Autoren der Maxime des CRM Rechnung (Im Mittelpunkt steht der Kunde), was als positiv gewertet werden kann. Mangelhaft an der Channel-Matrix von Friedman und Furey ist die Ungewissheit welche 82 83 Vgl. Friedman/Furey, 2003, S. 65. Ebenda, S. 59. Kapitel 5: Die Channel-Matrix 23 Überlegungen zu einem „ja“ oder „nein“ führten. Fraglich ist wie man sicherstellen kann, dass ein Produkt oder eine Leistung zu einem Kanal passt? Da nur die Absatzfunktion des Kanals berücksichtigt wird, weist die Matrix ein etwas einseitigen Charakter auf. Interessant wäre zu erfahren, ob dieselben Fragestellungen auch für die Kanalwahl im Marketing- und Supportbereich verwendet werden können. 5.2.2 Kanaleigenschaften Wehrmeister stellt die unterschiedlichen Kanaleigenschaften in den Mittelpunkt der Betrachtung (siehe Abbildung 6). Hierfür gliedert er die Kanäle in Netz-, Direkt- und persönliche Kommunikation. Als Eigenschaften zählt er Überzeugungskraft, rechtliche Sicherheit, Geschwindigkeit des Service, Servicezeit, Kundenbindung sowie Datenaufnahme auf. Die Stärke der Punktefüllung (schwarz) veranschaulicht, wie gut der jeweilige Kanal die entsprechende Eigenschaft aufweist. Abbildung 6: Kanaleigenschaften.84 Vorteilhaft am Kreuzungsraster ist die Möglichkeit sowohl eine kanal- als auch eine eigenschaftsspezifische Analyse durchzuführen. Betrachtet man die Matrix horizontal, so wird das Leistungsportfolio der einzelnen Kanäle ersichtlich. Gronover 84 Wehrmeister, 2001, S. 123. Kapitel 5: Die Channel-Matrix 24 spricht hier von „Kanalerfolg“.85 Möchte man beispielsweise in Erfahrung bringen, welcher der hier aufgeführten Kanäle die meisten Funktionen erfüllt, so stösst man auf das Internet. Die vertikale Betrachtung gewährt hingegen eine funktionsspezifische Kanalauswahl. Interessiert sich beispielsweise ein Unternehmen für einen Kanal oder ein Medium, mit dem die Kunden am besten überzeugt werden können, so stehen ihm Vertreter, Makler oder Shops zur Auswahl. Eine Schwäche der Channel-Matrix von Wehrmeister ist, die relative Undifferenziertheit der Punktefüllung. Betrachtet man die Punktefüllung bei der Geschwindigkeit des Service für E-Mail und Telefon, so lässt sich nicht eindeutig bestimmen welches Medium sich besser eignet. Zudem müssten branchen- und produktspezifische Anforderungen berücksichtigt werden, um den Kanälen gewisse Eigenschaften zuzuordnen. Beispielsweise können spezifische Buchinformationen auf einer Website (z.B. Amazon) eine relativ hohe Überzeugungskraft leisten, während ein Call-Agent eventuell nur aufdringlich wirkt. Ein Mangel stellt ebenso der fehlende Bezug zu den unterschiedlichen Geschäftsvorfällen bzw. CRMProzessphasen dar. Die aufgeführten Eigenschaften weisen nur indirekt darauf hin, in welcher Phase der Geschäftsbeziehung ein Kanal am sinnvollsten eingesetzt wird. Des Weiteren erklärt das Kreuzungsraster nicht, warum viele Unternehmen ihre Kundenakquisition vor allem über das Telefon abwickeln und nicht über Vertreter oder Makler. Häufig liegt es daran, dass Outbound Telefonmarketing um einiges kostengünstiger ist als der Einsatz von Vertretern. Die Matrix entbehrt sich jeglicher ökonomischer Betrachtung, weshalb sie für die Gestaltung der Multi-ChannelStruktur nur Ansatzpunkte liefern kann. 5.2.3 Kanalaufgaben im Laufe der Geschäftsbeziehung Friedman und Furey führen in ihrem Buch „The Channel Advantage“ eine weitere Channel-Matrix auf, welche den einzelnen Kanälen spezifische CRM-Aufgaben im Laufe einer Geschäftsbeziehung gegenüberstellt. Abbildung 7 zeigt ein Beispiel einer typischen B2B-Beziehung, wobei die einzelnen CRM-Aufgaben in „Lead Generation“, 85 „Qualification“, Vgl. Gronover, 2003, S. 141. „Pre-Sales“, „Close of Sale“ sowie Kapitel 5: Die Channel-Matrix 25 „Fulfillment/Support“ gegliedert sind.86 Die Anzahl der Punkte weist darauf hin, wie gut sich der entsprechende Kanal für die jeweilige Aufgabe eignet (• = beste Leistung oder kostengünstigste Alternative; •• = leistungsfähig; ••• = ungeeignet oder unökonomisch). Task Lead Qualification Channel Generation Direct (field) • • sales Distributors •• •• / Partners Telechannels ••• ••• Pre-Sales ••• Internet •• ••• Close of Sale ••• Fulfillment / Support • ••• ••• ••• • • • • • Abbildung 7: Kanalaufgaben87 Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind die Felder gelb markiert, bei denen die Kanäle die beste Leistung (oder kostengünstigste Alternative) erzielen. Auffallend ist, dass bei keinem Kanal die Felder durchwegs gelb eingefärbt sind, d.h. es gibt kein „Mädchen für alles“. Positiv ist, dass anhand der Punkteverteilung ersichtlich wird, in welcher Phase ein Kanal eine besondere Stellung einnimmt. So erweisen sich beispielsweise Direct (Field) Sales und Distributors aufgrund ihres persönlichen Kundenkontaktes und ihren beratenden Qualitäten als leistungsfähige Kanäle in der Pre-Sales- und Close of Sale-Phase. Für Lead Generation und Qualification eignen sich hingegen eher Telechannels und das Internet. Diese phasenspezifische Zuordnung der Kanäle ergibt sich teilweise aus der Berücksichtigung der Kanalkosten. Nachteilig erweist sich die Matrix jedoch im Bezug auf die Punktedarstellung. Drei Punkte können entweder bedeuten, dass der Kanal die höchste Leistung erzielt oder dass der Kanal die ökonomisch sinnvollste Alternative darstellt. Dieses „EntwederOder-Prinzip“ ist etwas undifferenziert und lässt keine konkreten Schlussfolgerungen zu. Zudem ist auch hier fraglich aufgrund welcher Überlegungen und Daten die Punktezuweisung erfolgte. Für die Bestimmung der Kanaleignung müssten ebenso 86 Entspricht ungefähr den Kundenprozessen. Angefangen bei Interessenten ermitteln, Bedürfnisse bei Interessenten wecken, Vertragsverhandlung, Vertragsabschluss und After-Sale-Service. 87 Friedman/Furey, 2003, S. 187. Kapitel 5: Die Channel-Matrix die Produktart sowie die 26 unterschiedlichen Kundensegmente (vgl. Kanalnutzungsanalyse) berücksichtigt werden. 5.2.4 Kaufkriterien der Kunden im Mittelpunkt Mit der folgenden Matrix beleuchten Friedman und Furey eine etwas andere Sichtweise auf den Kanal. Ihre Botschaft lautet: Der Kanal ist das Produkt! Einige Firmen wie Dell oder Amazon konnten sich mit dieser innovativen Kanalstrategie erfolgreich im Markt positionieren. Was diese Firmen ausmacht, ist nicht das Produkt, sondern die Art wie sie es vertreiben. Ausgegangen wird von den Kaufkriterien der Kunden und nicht von ihrem Kanalnutzungsverhalten. Ein Beispiel einer Softwarefirma ist in Abbildung 8 dargestellt. Channel Direct Sales Force Buying Criteria Distributors / Partners Retail Call Stores Centres Internet Expert Advice ••• •• •• • • Training ••• ••• •• • • Customization to Specs • • • ••• • •• • Delivery Flexibility •• ••• •• ••• ••• On-site Installation •• ••• •• • • Fast/Local Support •• ••• ••• • • Ordering Speed/Ease • •• •• ••• ••• Self-service • • •• ••• ••• Lowest Price • • •• •• ••• 24x7 Support • • • ••• •• Abbildung 8: Kaufkriterien der Kunden.88 Betrachtet man die einzelnen Kanäle (vertikale Perspektive), so erfüllen Distributors/Partners die meisten Kaufkriterien. Die jeweiligen Besonderheiten, bzw. Stärken der einzelnen Kanäle mittels gelb eingefärbten Feldern hervorgehoben. Es zeigt sich, dass kein Kanal alle Kundenbedürfnisse befriedigen kann. Ist ein 88 Friedman/Furey, 2003, S. 36. Kapitel 5: Die Channel-Matrix 27 Unternehmen an einer funktionsspezifischen Kanalwahl interessiert, so bietet sich eine horizontale Betrachtung der Matrix an. Falls sich eine Firma beispielsweise auf den Self-service fokussieren will (analog Dell, Amazon), bieten sich das Internet und das Call Center als geeignete Kanäle an. Vorteilhaft an diesem Verfahren ist die zuvor erwähnte Neuausrichtung an den Kaufkriterien der Kunden, welche eine innovative Kanalstrategie ermöglicht. Zudem gestattet die Matrix eine kanal- wie auch funktionsspezifische Analyse. Eine Schwäche stellt der fehlende Bezug zu den Kundenprozessen dar. Die einzelnen Kaufkriterien weisen nur implizit darauf hin, welcher Kanal sich in welcher CRMPhase am besten eignet. Für eine Phasenspezifische Kanalwahl müsste sich das Unternehmen zunächst überlegen, welche Kaufkriterien den einzelnen Phasen zuzuordnen sind. Auch hier bleibt unklar, welche Daten hinzugezogen wurden, um die Punkte zu verteilen (Kundenbefragung, Brainstormings, etc.). Zudem gewichten verschiedene Kundensegmente die Kaufkriterien unterschiedlich, bzw. sie verfügen über individuelle Vorstellungen welche Kaufkriterien für sie wichtig sind. 5.2.5 Kanallandkarte Gronover, Kolbe und Österle entwickelten in Zusammenarbeit mit der St. Galler Kantonalbank (SGKB) eine sogenannte „Kanallandkarte“, die es dem Finanzdienstleistungsunternehmen erlaubt eine differenzierte und strategische Funktionalitätszuweisung der Kanäle vorzunehmen. Im Unterschied zu den bisher dargestellten Matrizen, konzentriert sich die Kanallandkarte nicht nur auf ein Kriterium, sondern orientiert sich gleich an Mehreren. Sie ermöglicht die Bestimmung von Zielkanälen für einzelne Kundenprozesse in Abhängigkeit von Kundensegment und Produktgruppe.89 Aufgrund ihrer Zusammenführung mehrerer Elemente wird die Kanallandkarte auch als „Kundensegment-Produkt-KanalMatrize“ bezeichnet.90 Ziel der SGKB ist es, die zukünftige Ausrichtung der Kanalfunktionen (Soll) gegenüber der bisherigen Funktionalitäten der Kanäle (Ist) festzulegen. 89 90 Vgl. Gronover et al., 2004, S. 26. Vgl. Ebenda, S. 27. Kapitel 5: Die Channel-Matrix 28 Abbildung 9 präsentiert die Kanallandkarte für das A-Kundensegment. Die Kundenprozesse werden in Information (I), Beratung (B), Vertragsabschluss (V), Produktnutzung (N), Service (S) und Ende der Vertragsbeziehung (E) eingeteilt. Als Zielkanäle der SGKB werden die Filiale, das Call Center sowie der Online-Kanal aufgeführt. Spar-, Anlage-, Vorsorge-, Finanzierungsprodukte und Zahlungsverkehr stellen die einzelnen Angebote dar. Die Ist- und Soll-Werte beziehen sich auf den Funktionsumfang des entsprechenden Kanals für das jeweilige Produkt (• = voller Funktionsumfang, ∇ = eingeschränkter Funktionsumfang, = kein Ausbau des Funktionsumfangs). Kundensegment Kanal Produkt Retailkunden; A-Kunden Filiale Call Center Online-Kanal Absatz- Kunden- I B V N S E I B V N S E I B V N S E planung prozess P 91 Sparprodukte Anlageprodukte Vorsorgeprodukte Finanzierungsprodukte Zahlungsverkehr A92 A A A A IST SOLL IST SOLL IST SOLL IST • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • ∇ • • • • • • • • • • ∇ • • • • • • • • • • • • • • ∇ ∇ ∇ • ∇ ∇ • • • • • • • • • ∇ ∇ • • • • • • • • • • • SOLL • • • ∇ • • • • IST SOLL • • • • • • • • • • • • • • • ∇ • ∇ • • • • ∇ • • • • • • • • • • • • • • • Abbildung 9: Segmentspezifische Kanallandkare.93 Die in der Kanallandkarte gelb markierten Bereiche, stellen Differenzen zwischen den Ist- und Soll-Funktionsumfängen dar. Für Sparprodukte ergeben sich für die SGKB folgende Massnahmen: • Call Center: Künftig werden vier von fünf Funktionen des Call Centers eingeschränkt (Information, Beratung, Vertragsabschluss und Vertragsende). 91 „P“ bezieht sich hier auf die Absatzstrategie und bedeutet „passiv anbieten“. „A“ bedeutet „aktives anbieten“. 93 Gronover et al., 2004, S. 27. 92 Kapitel 5: Die Channel-Matrix • 29 Online-Kanal: Das Internet wird in Zukunft für alle Kundenprozesse eingesetzt. Dies bedeutet, dass die Funktionen im Bereich Beratung, Vertragsabschluss und Service ausgebaut werden. Die Tatsache, dass sich aus der hier abgebildeten Kanallandkarte relativ spezifische Massnahmen und Erkenntnisse für die einzelnen Kanäle in den verschiedenen Kundenprozessphasen ableiten lassen, deutet auf ihren hohen Nutzen hin. Die Istund Soll-Funktionsumfänge beruhen auf umfänglichen Analysen, die im Vorfeld durchgeführt wurden. Dabei wandte die SGKB das in Kapitel 4 erläuterte Vorgehensmodell zur Kanalplanung an. Eruiert wurden das Makro-Umfeld (technologische und politische Entwicklungstrends), die Marktverhältnisse (Konkurrenten, Marktentwicklung, etc.), die Kundensegmente und deren Bedürfnisse in den spezifischen Kundenprozessphasen sowie die bestehenden Kanal- und Medienstrukturen (Kenngrössen, SWOT-Analyse, Kanal- und Medienbeziehungen). Aufgrund dieser vorgängigen Analysearbeit und dem Umstand, dass die Kanallandkarte mehr als nur ein Kriterium den einzelnen Kanälen gegenüberstellt, handelt es sich um eine im Vergleich sehr umfassende und gut fundierte Matrix. Kapitel 6: Zusammenfassung und Ausblick 30 6 Zusammenfassung und Ausblick 6.1 Zusammenfassung Die Analyse der hier vorgestellten Matrizen hat gezeigt, dass jedes Kreuzungsraster seine spezifischen Vor- und Nachteile aufweist. Die hier vorgestellte Kanallandkarte der SGKB, ist jedoch im Vergleich das ausgereifteste und am besten fundierte Konzept. Empfehlenswert ist eine vorab verfasste Datenanalyse, wobei das präsentierte Vorgehensmodell nützliche Ansatzpunkte liefert Grundsätzlich lässt sich sagen, dass eine vorgängige Untersuchung zentraler Kriterien von Nöten ist, um zu abgestützten Ergebnissen zu kommen. Wesentlich ist die Erfassung der einzelnen Kundensegmente und ihren Bedürfnissen in den jeweiligen Kundenprozessphasen. Innovativ gestaltet sich eine Multi-ChannelStruktur, wenn nicht nur das Kanalnutzungsverhalten eruiert wird, sondern auch die Nutzungskriterien ermittelt werden (z.B. Kaufkriterien). Die Gegenüberstellung von Kanälen und Prozessphasen erlaubt einen zielgerichteten Einsatz der Kanäle für konkrete CRM-Aufgaben. Wichtig ist sich bei der Erstellung einer Matrix immer vor Augen zu halten, um welches Produkt es sich handelt und für welchen CRM-Prozess der Kanal eingesetzt werden soll (Marketing, Vertrieb, After-Sales-Service). Denn die Produktart sowie die verfolgte Strategie haben einen wesentlichen Einfluss auf die Leistung, die ein Kanal aufweisen muss. Um den Kanälen konkrete Funktionalitäten zuzuweisen, empfiehlt sich die Besonderheiten eines Kanals zu berücksichtigen, wobei eine vorab verfasste SWOT-Analyse hilfreich sein kann. Im Bezug auf die Prozessphasen ist auf eine geeignete Kombination der Kanäle zu achten. Dadurch können Kosten eingespart und die Profitabilität des Unternehmens gesteigert werden. Nützliche Ansatzpunkte liefern die Ausführungen von Furey und Friedman zu „low- und high-cost-channels“ (low-cost-channels eher in der Pre-SalePhase, high-cost-channels eher in der „heissen“ Pre-Sale und Close-of-Sale-Phase). Abschliessend lässt sich festhalten, dass der Anbieter gefordert ist nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für den Kunden eine Win-Win-Situation zu erzielen.94 94 Vgl. Schögel et al., 2003, S. 130. Kapitel 6: Zusammenfassung und Ausblick 31 6.2 Ausblick Anhand der Analyse von einigen Channel-Matrizen konnte ein Einblick in das Vorgehen und in die komplexe Planung von Mehrkanalstrukturen gewährt werden. Problematisch erwies sich, dass die Kreuzungsraster alle aus der Literatur entnommen wurden und dadurch häufig keine detaillierten Angaben zum Vorgehen gemacht wurden. Ebenso fehlten oft Hinweise auf das Geschäftsfeld oder auf das spezifische Unternehmen, für welches die Matrix erstellt wurde. Einzig im Fall der Kanallandkarte der SGKB wurde das Zustandekommen der Matrix ausführlich aufgezeigt. Anhand dieser Erklärungen konnte ein Vorgehensmodell der Kanalplanung beleuchtet werden. Die Kanallandkarte lieferte schlussendlich viele – wenn nicht fast alle – Antworten auf die hier aufgestellten Fragestellungen. Beispielsweise konnten konkrete Aussagen formuliert werden, welche Daten im Vorfeld der Erstellung einer Channel-Matrix zu erheben sind. Zudem verbindet die Kanallandkarte der SGKB viele der zentralen Kriterien, die es bei der Kanalplanung zu berücksichtigen gilt. Aufgrund der mangelhaften Informationsleistung der hier ausgewählten Literatur bezüglich der Kreuzungsraster, sind die Ergebnisse und Schlussfolgerungen zu relativieren. Obwohl einige Erkenntnisse gesammelt werden konnten und die Fragestellungen beantwortet Analyseanstrengungen im sind, Bereich sollten der weitere Channel-Matrix Forschungsgeleistet und werden. Empfehlenswert wäre eine Fallstudie von Kreuzungsrastern, die bei bestimmten Unternehmen (vielleicht in der näheren Umgebung) angewendet werden, bzw. aktuell sind. Dabei könnten Interviews mit den Verantwortlichen geführt werden, wodurch viele offene Fragen beantworten würden, was hier leider nicht möglich war. Denkbar wäre ein branchenspezifischer Vergleich. Dies wäre insofern sinnvoll, da ein Mehrkanalsystem und dessen Funktionalitäten wesentlich vom Geschäftsfeld sowie dem Produkt- und Leistungsangebot abhängen. Anhand des Vergleichs könnten Verbesserungs- branchenübergreifende und Ausbaupotentiale Fallstudie hätte hingegen aufgezeigt den werden. Vorteil, dass Eine die unterschiedlichen Anforderungen an eine Multi-Channel-Struktur verschiedener Geschäftszweige ersichtlich würden. Abbildungsverzeichnis 32 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Operative CRM-Prozesse 6 Abbildung 2: Kanäle und Medien 15 Abbildung 3: Vorgehensmodell 18 Abbildung 4: Kanalnutzungsanalyse 19 Abbildung 5: Sequenzielle Fragestellung 22 Abbildung 6: Kanaleigenschaften 23 Abbildung 7: Kanalaufgaben 25 Abbildung 8: Kaufkriterien der Kunden 26 Abbildung 9: Segmentspezifische Kanallandkarte 28 Literaturverzeichnis 33 Literaturverzeichnis Berry, L. L.: Relationship Marketing. In: Berry, L. L./Shostack, G. L./Upah, G. D. (Hrsg.): Emerging Perspectives on Service Marketing. 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