BD Injektionstechnikseminar, 18.05.2012, Stuttgart HEIMLICHE INSULINMANIPULATION BEI JUGENDLICHEN MIT TYP 1 DIABETES – HÄUFIGKEIT, URSACHEN UND MEDIZINISCHE KONSEQUENZEN Gabriele Berger, I. Barrientos, G. Wagner, D. Gerber, B. Rami, M. Fritsch, T. Hörtenhuber, A. Karwautz, E. Schober • Insulinmanipulation bei Jugendlichen ▫ Fallbeispiel ▫ Definition ▫ Was ist bekannt? • Österreichische Studie zu Insulinmanipulation ▫ Prävalenz ▫ Mögliche Ursachen ▫ Medizinische Konsequenzen • Insulinmanipulation – auch bei Erwachsenen? metabolische kontrolle bei jugendlichen >45 000 Patienten aus Ö & D Quelle: DPV-Datenbank 2010 Hamilton 2002 , Deteriorating diabetes control during adolescence: physiological or psychosocial? J Pediatr Endocrinol Metabol 2002 Feb;15(2):115-26 mögliche ursachen für hba1c anstieg • • • • • • • • • • Wachstumsschub mit GH und IGF-I Gewichtszunahme Erhöhter Insulinbedarf Insulinresistenz Weniger Bewegung Peer-Druck Weniger elterliche Unterstützung/Kontrolle Ungenügende Schulung: zB Stichstellen, Essensberechnung Psychiatrische Komorbidität: Essstörung, Depression Insulin Omission… Hamilton 2002 insulinmanipulation Absichtliches Fehldosieren der Insulinmenge • Unterdosierung: ▫ Dosisreduktion ▫ Auslassen von Injektion • Überdosierung: ▫ Dosiserhöhung ▫ Zusätzliche, nicht indizierte Insulingaben • Insulinmanipulation bei Jugendlichen ▫ Fallbeispiel ▫ Definition ▫ Was ist bekannt? • Österreichische Studie zu Insulinmanipulation ▫ Prävalenz ▫ Mögliche Ursachen ▫ Medizinische Konsequenzen • Insulinmanipulation – auch bei Erwachsenen? unterdosierung – was ist bekannt • „Insulin Purging“ Absichtliches Reduzieren / Weglassen von Insulingaben zur Gewichtskontrolle durch Kalorienverlust mittels Glukosurie und Lipolyse in der Ketose unterdosierung – was ist bekannt • „Insulin Purging“ Prävalenz Kinder & Jugendliche • 2% of pre-teen girls, • 11–15% of girls in the mid-teen years, • 30–39% of those in the late teenage and early adult years • Gesamtgruppe ♀ : zur Gewichtskontrolle bei 35.6% 87 • Bei Essstörungen: 61% Insulin Reduktion • Ohne Essstörung: 26% Insulin Reduktion • 26,1% österreichischer Jugendlicher mit DM1 (nur bei Mädchen) 199 Colton (Review) et al. 2009, Peveler et al. 2005, Grylli et al.2004 überdosierung – was ist bekannt • Insulin Überdosierung - Prävalenz • 133 Jugendliche mit rezidiv Hypo-Koma: 16 berichten von heimlicher Überdosierung, Case Serie, Case Report • 4/11 Suizidversuchen bei Jugendlichen mit Insulin • Case Reports von Suizidversuchen mit Insulin bei Jugendlichen und Erwachsenen • Insulin als psychotrope Missbrauchssubstanz, Suizidversuche mit Insulin, Kindesmisshandlung Review von Case Reports Boileau 2006, Scaramuzza 1996, Goldston 1994, Roy 1993, Kaminer 1988 / 1989 insulinmanipulation • Insulinmanipulation: Insulin Purging Absichtliches Reduzieren / Weglassen von Insulingaben zur Gewichtskontrolle durch Kalorienverlust mittels Glukosurie und Lipolyse in der Ketose • Insulin Reduktion auch ohne ED • Insulin Überdosierung • Symptom bei anderen psychiatrischen Krankheiten? • Insulinmanipulation bei Jugendlichen ▫ Fallbeispiel ▫ Definition ▫ Was ist bekannt? • Österreichische Studie zu Insulinmanipulation ▫ Prävalenz ▫ Mögliche Ursachen ▫ Medizinische Konsequenzen • Insulinmanipulation – auch bei Erwachsenen? ziele der studie • • • • Prävalenz der Insulinmanipulation Prävalenz der psychiatrischen Komorbiditäten Zusammenhänge Mögliche Einflussfaktoren und Folgen österreichische studie zur untersuchung der insulinmanipulation bei jugendlichen mit typ 1 diabetes mellitus studiendesign 55 pädiatrische Diabeteszentren in Österreich 22 Zentren randomisiert ausgewählt, 21 teilgenommen 241 Typ 1 Diabetes Patienten 10 bis 22 Jahre DM1 seit >1 Jahr 103 (42.7%) männliche Teilnehmer • Medizinische Daten • Diabetes Self-Management Profile Interview (DSMP) • Kinder-DIPS (Diagnostisches Interview für Psychische Störungen) Statistik: T-Test, U-Test and CHI2-test ergebnisse • Prävalenz der Insulinmanipulation • Prävalenz der psychiatrischen Komorbiditäten • Zusammenhänge ▫ mögliche Einflussfaktoren und Folgen österreichische studie zur untersuchung der insulinmanipulation bei jugendlichen mit typ 1 diabetes mellitus Diabetes Self-Management Profile Interview (DSMP-I) Ianotti 2006, Diabetes Research in Children Network (DirecNet) Study Group 2005 DM Typ1 n=241 (100%) Error n=67 (27,8%) Compliant n=103 (42,7%) Manipulierer n=71 (29,5%) Insulindosierung 18% 59% 23% Insulindosierung nur Überdosierung 18,3% (n=13) nur Unterdosierung 22,5% (n=16) Über- und Unterdosierung 59,2% (n=42) 37% 24% 39% nur Überdosierung 23,9% (n=16) nur Unterdosierung 38,8% (n=26) Über- und Unterdosierung 37,3% (n=25) geschlechtsverteilung Compliant ♀ 46% ♂ p=.375 54% Manipulierer ♀ 69% ♂ p=.001 31% Error ♀ 63% ♂ p=.038 37% Gründe für Unterdosierung Literatur • Essstörungen • “vergessen” Vermutete Ursachen aus der Literatur • Mangelnge Unterstützung durch Eltern • Unzufriedenheit mit Therapie • Hypoangst Grylli 2004, Peveler 2005, Jones 2000, Fairburn 1991, Olinder 2009, Burdick 2004 Anführte Gründe für Unterdosierung Gründe für die absichtliche Insulinunterdosierung (n=58) In den letzten 3 Monaten Verleugnung (Verstecken vor anderen Jugendlichen, Diabetes nervt, Faulheit, keine Lust) 29,58% Selbstschädigendes Verhalten (Belastungssituation, aus Protest) 28,17% Angst vor Hypoglykämien 23,94% Um Gewicht oder Figur zu beeinflussen 15,49% Unkontrollierte Blutzuckerkontrolle 1,41% Angabe nicht möglich 1,41% Gründe für Überdosierung Literatur Case reports / Case series: • Familiäre Probleme • Münchhausen (by proxy) • Angst vor Spätkomplikationen • Reaktion auf vorausgegangene Unterdosierung • Schulversagen • Psychose • Selbstverletzung • High Gefühl • Suizidale Absicht Kaiminer 1988, Boileau 2006, Bougneres 2005, Radobuljac 2009 Anführte Gründe für Überdosierung Gründe für die absichtliche Insulinüberdosierung (n=55) In den letzten 3 Monaten Unkontrolliertes Essen oder Binge Eating 49,02% Selbstschädigendes Verhalten in Belastungssituationen 35,29% (suizidale Absicht, um Aufmerksamkeit zu erregen) Unkontrollierte Blutzuckerkorrektur (auch unkontrollierte Blutzuckerkorrektur um essen zu können , kurzfristig, HbA1c-Kontrollterminkorrektur ) Angst vor Hyperglykämien 13,73% 1,96% manipulation: medizinische parameter & folgen mean (sd) / median* p Manipulation n=71 Compliant n=103 Alter 15,00* (2,55) 14,00* (2,52) ,004 Manifestationsalter 9,448 (3,564) 8,322 (3,808) ,05 Diabetes Dauer 6,179 (3,377) 6,173 (3,899) ,990 BMI (standardisiert) ,176 (,857) -,191 (,849) ,060 HbA1c 8,648 (1,721) 7,811 (1,177) .001 DKA mit Hospitalisation 0.63* (1.344) 0.26* (0,794) .030 Ursachen und Zusammenhänge • Insulin Purging Essstörungen? • Suizidalität Depression? • Vermeidungsverhalten Angststörung? ergebnisse • Prävalenz der Insulinmanipulation • Prävalenz der psychiatrischen Komorbiditäten • Zusammenhänge ▫ mögliche Einflussfaktoren und Folgen österreichische studie zur untersuchung der insulinmanipulation bei jugendlichen mit typ 1 diabetes mellitus diabetes und psychiatrie ? Psychiatrische Komorbidität bei Jugendlichen Erhöhte Prävalenzen bei DM • Blanz et al 1993: 33,3% internalisierende Störungen • Kovacs et al. 1997: 47,6% über 10 Jahre Ihle 2002: (Epidemiolog. Review) • Prävalenz 18% psychiatrische comorbidität: einfluss auf metabolische Kontrolle Bei Jugendlichen: Kontrovers • Dantzer 2003 (Review): eher nein • Anderson 2010, Grey 2002 (Review): eher schon: HbA1c, Komplikationen, QOL Kinder-DIPS (DSM-IV) • • • • • • • • • • • • • • • • • ADHD Attention-deficit/Hyperactivity Disorder Störung des SozialverhaltensConduct disorder Oppositionelle Störung Funktionelle Enuresis / Enkopresis Depression (all subtypes) Dystymia Trennungsangst Agoraphobia Specifische Phobie Sozialphobie Zwangsstörung Essstörungen i. Anorexia ii. Bulimia iii. EDNOS eating disorders not otherwise specified Generalisierte Angststörung Psottraumatische Stress Störung PTSD Anpassungsstörung Alkohol/Drogen Missbrauch klinische und subklinische psychiatrische komorbidität (aktuell und/oder lifetime) 180 70.5% 160 140 84 120 100 80 60 19 86 40 20 Buben Mädchen p=.001 29.5% 52 0 betroffen nicht betroffen klinische und subklinische psychiatrische komorbidität (aktuell und/oder lifetime) EDNOS p=.026 5,6% 0,0% Sozialphobie p=.010 0,0% Spezifische Phobie 7,0% 2,9% 21,1% p<.001 Depression alle Subtypen p=.005 4,9% 0% 18,3% 5% 10% 15% 20% 25% Manipulierer Compliant psychiatrische komorbidität • Kein sig. erhöhter HbA1c durch psychiatrische Komorbidität allein Psych comorbid No Comorbidity Zahl Patienten 51 123 HbA1c 8.28% 8.10% Difference in HbA1c p=.484 ergebnisse • Prävalenz der Insulinmanipulation • Prävalenz der psychiatrischen Komorbiditäten • Zusammenhänge ▫ mögliche Einflussfaktoren und Folgen österreichische studie zur untersuchung der insulinmanipulation bei jugendlichen mit typ 1 diabetes mellitus klinische und subklinische psychiatrische komorbidität (aktuell und/oder lifetime) 100% 90% 82,5% 80% 70,1% 70% 60% 50% 40% 53,5% 46,5% 30% 20% 29,9% p=.058 *p=.045 10% **p=.000 17,5% 0% Keine Diagnose Psychiatrische Diagnose Manipulation Error Compliant psychiatrische komorbidität • Manipulation hat Einfluss auf HbA1c Difference in HbA1c Manipulation Compliant Zahl Patienten mit psychiatrischer Comorbidität 33 18 HbA1c 8.53% 7.81% p=.077 Manipulation Compliant Difference in HbA1c Zahl Patienten ohne psychiatrische Comorbidität 38 85 HbA1c 8.75% 7.81% p=.007 manipulieren auch erwachsene ??? metabolische kontrolle dm1 metabolische kontrolle dm2 unterdosierung – was ist bekannt „Insulin Purging“ Prävalenz Erwachsene • 234 FrauenDM1 , 30% Insulin-Omission; jüngere Frauen – Folgen: HbA1c Werte, Nephropathie, diabetischer Fuß und Mortalität im jüngeren Alter. Assoziiert mit Frequenz der Omission • 54 junge Frauen DM1, davon 37% Insulin omission, jedoch „nur“ 14% Essstörungen, 48% microvaskuläre Kompl. nach 8-12 Jahren Goebel Fabri 2008/2011, Peveler et al. 2005, unterdosierung – was ist bekannt Insulin Reduktion Prävalenz Erwachsene • 502 DM1 + DM2: 57% “gelegentliches” Weglassen von Insulin, bei 20% „häufig“ • 1530 (DM1 +) DM2: 43.6% Weglassen >1x/Monat, jungen Patienten, • 6222 Veteranen (♂) DM2: beziehen nur 77.4% des Insulins, von jüngeren Patienten wird weniger bezogen Peyrot 2010, Barnett 2012, Cramer 2005 Gründe für Unterdosierung Literatur • • • • • • • • Essstörungen betrachten Insulin als weniger wichtig mehr Hypos practical barriers Sorgen Angst vor Einfluß auf den Alltag Diabetesstress Hypoangst Goebel-Fabri 2008, Barnett 2012 überdosierung – was ist bekannt Insulin Überdosierung - Prävalenz • Vorwiegend Case Reports und Guidelines zum klinischen Akutmanagement Tofade 2004, Thewjitcharoen 2008, Fuller 2009, Lu 2011, Ashawesh 2009,… Gründe für Überdosierung Literatur • Münchhausen - Syndrom • Suizidale Absicht Kaiminer 1988, Tofade 2004, Thewjitcharoen 2008, Fuller 2009, Lu 2011, Ashawesh 2009,… manipulation: medizinische parameter & folgen • Morris 1997: 89 junge (16±7 Jahre) DM1 Abgegebene Insulinmenge der Apotheken evaluiert: Patienten, die weniger Insulin bezogen haben: HbA1c, Ketoazidose psychiatrische komorbidität Erhöhte Prävalenzen • Depression 2-fach erhöht, ♀ 28%, ♂ 18% • Essstörungen 2-fach erhöht • 42697 Personen DM1 + DM2 weltweit Angst und Depressio Anderson 2001, Rodin 2002, Lin 2008, psychiatrische comorbidität: einfluß auf metabolische kontrolle • Gonzalez 2008 (Meatanalyse 47 Studien) Assoziation zw. Depression und Non-Adherence ▫ ▫ ▫ ▫ ▫ ▫ ↑versäumte Termine ↓ BG Messungen ↓ Diät ↓ Medikations ↓ Sport ↔ Fußpflege • De Groot 2001(Metanalyse 27 Studien): Depression und DM ▫ ↑ Komplikationen (Retinopathie, Nephropathie, Neuropathie, sex. Dysfunktion, makrovask. Kompl.) insulinmanipulation • Insulinmanipulation: Insulin Purging Absichtliches Reduzieren / Weglassen von Insulingaben zur Gewichtskontrolle durch Kalorienverlust mittels Glukosurie und Lipolyse in der Ketose • Insulin Reduktion auch ohne ED • Insulin Überdosierung • Symptom bei anderen psychiatrischen Krankheiten? schlussfolgerungen • Überdosierung ebenso häufig wie Unterdosierung • Mädchen häufiger betroffen • Häufiger bei älteren Jugendlichen (und bei jüngeren Erwachsenen ??) • HbA1c • stationäre Aufnahme mit DKA • bei psychiatrischen Komorbiditäten gehäuftes Auftreten von Insulinmanipulation • Manipulation als Mediator des HbA1c (?) Danke für Ihre Aufmerksamkeit! [email protected]