JAHR 2014 • Ausgabe Nr. 17 • Dienstag, 4. März 2014 Herausgeber: Dr. Johannes Klotz Internet: www.freies‐wort‐bremervoerde.de Von der Fluthstraße in die Bremer Straße ‐ Die Geschichte des „Alt“‐Gebäudes. Das Gebäude der jetzigen Kultkneipe „Alt Bremervörde“ hat – für Bremervörder Verhältnisse – eine bewegende Geschichte hinter sich. Bereits vor dem Jahr 1847 stand zumindest ein Teil des Ge‐ bäudekomplexes in der damaligen Fluthstraße 30‐32, der heutigen Bremer Straße 14. 1847 nämlich heiratete der Schlachter Barthold („Wilhelm“) von der Lieth die Bremer‐ vörderin Adelheid Wilshusen, erwarb das Gebäude Fluthstra‐ ße 30 und eröffnete hier eine Schlachterei. Jahre später dehnte er sich weiter nach Süden hin aus: 1862 kaufte er bei einer Zwangsversteigerung das Gebäude in der Fluthstraße 31 dazu und 1870 noch ein weiteres Nachbarhaus, Fluthstra‐ ße 32. Er wollte eine Gastwirtschaft eröffnen und bekam nach mehrjähriger Bemühung schließlich 1869 die Konzession dafür. Deshalb errichtete er 1870 einen neuen Anbau, der bis heute steht. Sein Sohn Arend Wilhelm von der Lieth übernahm 1879 den Betrieb. Die Gastwirtschaft wurde zeitweise offenbar ver‐ pachtet. Bevor im Jahre 1904 der nördliche Teil Fluthstraße 30 abbrannte, wohnte der Vater noch selbst in diesem Haus. Dieser Teil wurde anschließend nie wieder aufgebaut. Ebenfalls im Jahr 1904 wurden die Straßennamen und Haus‐ nummern in Bremervörde geändert. Dabei erhielten die be‐ nannten Gebäude die Nummern Fluthstraße 70‐71. 1909 kaufte Joseph („Julius“) Salomon den Gebäudekomplex Fluthstraße 70‐71. Die jüdische Familie Salomon stammte aus Nieder Ochtenhausen und Joseph Salomon erhielt im Jahre 1909 in Bremervörde das Bürgerrecht. Er selbst war als Vieh‐ händler tätig und verpachtete Schlachterei wie Gastwirt‐ schaft. In den nächsten Jahren kultivierte er in Engeo Brach‐ land und betrieb dort eine damals technisch fortschrittliche Landwirtschaft und Viehzucht. Die Familie Salomon selbst wohnte in dem Gebäude in der Fluthstraße 70. Aus der Zeit des Besitzerwechsels Anfang des 20. Jahrhun‐ derts existieren 2 Fotos des Komplexes mit den jeweiligen Eigentümern. Auf dem älteren Foto (um 1905) ist der Teil der ehemaligen Fluthstraße 30 nicht mehr vorhanden, da er 1904 abgebrannt war. Der damalige Besitzer, Schlachter Arend Wilhelm von der Lieth, steht vor seinem Haus. Das spätere Foto von 1910 zeigt u.a. Joseph „Julius“ Salomon und seinen Vater Heinrich vor den beiden übrig gebliebenen Gebäudetei‐ len. Ihre jüdische Religion wurde im Dritten Reich auch der Fami‐ lie Salomon zum Verhängnis. Sie bekam existenzbedrohende Schwierigkeiten im Zuchtbetrieb und beim Viehverkauf. Der Joseph Salomon musste schließlich den Betrieb zu einem Spottpreis verkaufen. Nach und nach zogen Familienmitglie‐ der in die USA nach Philadelphia, die letzten 1939, als dann auch das Haus in der Fluthstraße verkauft werden musste. Das gesamte Vermögen wurde beschlagnahmt. Zwei Schwes‐ tern von Joseph Salomon kamen in Konzentrationslagern um. Seine Nachkommen leben noch heute in den USA. Sein Sohn Hans‐Heinrich und seine Tochter Gertrud waren auf Einla‐ dung der Stadt Bremervörde im Jahre 1980 noch einmal hier und haben die Stätten ihrer Kindheit besucht. Ab 1946 befand sich das Haus Fluthstraße 71 im Besitz des Bäckers Johann Stehr und wurde später an Hermann Pump verkauft. Seit 1981 wird die Gaststätte (nunmehr in der Bre‐ mer Straße 14) als „Alt Bremervörde“ von Helma Breitkreutz geführt und hat sich zu einer echten Kultkneipe für Jung und Alt entwickelt. Heute besitzt die Familie Krause das Gesamt‐ gebäude. Sie betrieb bis zum Frühjahr 2013 auf dem Nach‐ bargelände den Supermarkt Krause und möchte nun für den Bau eines größeren Famila‐Marktes die beiden miteinander verschmolzenen Gebäude in der Bremer Straße 14 abreißen. Die Informationen zur Geschichte des Gebäudekomplexes entstammen überwiegend einem Artikel von Rainer Brandt in der Bremervörder Zeitung (Sonntagsjournal vom 23.3.2008). Brandt verwendet zwei Fotos aus seinem Besitz sowie urkundliche Aufzeichnungen (Heiratsurkunden, Wahllisten etc.) und zieht außerdem einen Aufsatz von Elfriede Bach‐ mann (Zur Geschichte der Juden in der Stadt Bremervörde, Rotenburger Schriften 1991) heran. Petra Fischer Stellungnahme zur Gestaltungsalternative vom 15.01.2014 zum Verbrauchermarkt (Famila) an der Bremer Straße (K. Oesterling, Architektin und Stadtplanerin, cappel + kranzhoff) 1. Die derzeitige Bebauungsstruktur entlang der Bremer Stra‐ ße zeichnet sich durch ein‐ und zweigeschossige Bauten unterschiedlichen Baualters aus. 2. Durch unterschiedliche Bauhöhen, die sowohl trauf‐ als auch giebelständige Anordnung von Gebäuden und die brei‐ ten, raumwirksamen Zwischenräume zwischen den Bau‐ körpern, durch die die rückwärtigen Stellplatzanlagen im Straßenraum deutlich wahrnehmbar sind, ist die Gesamtwir‐ kung der Bebauung in diesem Bereich der Bremer Straße, trotz einer meist straßenbegleitenden Struktur, als sehr in‐ homogen, „lückenhaft“ und unruhig zu beschreiben. 3. Die Einzelgebäude habe keine herausragende städtebauli‐ che Qualität. 4. Dies gilt auch für den Gebäudebestand des „Alt‐ Bremer‐ vördes“. Hierbei handelt es sich um ein klassisches giebel‐ ständiges Ziegelgebäude der Jahrhundertwende, mit Zwerch‐ giebel und ausgeprägten Zierfriesen, wie es in Bremervörde vergleichsweise häufig vorzufinden ist. 5. Im Hinblick auf die eher durchschnittliche Nachbarbebau‐ ung ist das Gebäude sicherlich als ortsbildprägend einzustu‐ fen und ein Erhalt dieser historischen, für Bremervörde typi‐ schen Bebauung ist grundsätzlich durchaus wünschenswert. 6. Das Gebäude Bremer Straße 14 ist allerdings in einem baulich sehr schlechten Unterhaltungszustand. Dach und Fassaden sind erheblich sanierungsbedürftig. Die Fassaden sind insbesondere durch die großformatigen, überdimensio‐ nierten Schaufenster über‐formt, so dass ein Rückbau nur mit einem erheblichen Aufwand zu bewerkstelligen ist. 7. Es ist davon auszugehen, dass eine sachgerechte Sanierung auch unter energetischen Gesichtspunkten die Neuherstel‐ lungskosten eines vergleichbaren Gebäudes deutlich über‐ steigen würden. 8. Bei der dargestellten Alternativlösung bleibt lediglich ein Teil des Gebäudes „Alt‐Bremervörde“ erhalten. Es ist dabei davon auszugehen, dass nach dem Rückbau der diversen Anbauten keine historisch intakte Fassade zum Vorschein kommt. Eine Wegeverbindung zwischen dem Alt Bremervör‐ de und dem Famila‐Komplex hätte deshalb ggf. eher einen Hinterhofcharakter. 9. Der Baukörper des „Alt‐Bremervörde“ wird durch den Verlust seiner flankierenden, straßenbegleitenden Bebauung zukünftig als Solitär wirken. Er steht als kleinteiliges, allseits von Wegeverbindungen umgebenes Gebäude ohne Bezug zum deutlich größeren Verbrauchermarkt und verliert da‐ durch seinen städtebaulichen Kontext. Zudem ist eine sinn‐ volle Nachnutzung der nun sehr kleinen Gebäudeeinheit zu finden. 10. Die Bebauung hat nicht die architektonische Bedeutung, die eine solch städtebaulich exponierte Lage auf einem Platz rechtfertigen würde. Auch ist die großzügige Platzausbildung an diesem verkehrsreichen Kreuzungsbereich städtebaulich zumindest fragwürdig und lässt eine besondere Aufenthalts‐ qualität vermissen. 11. Durch den kleinteiligen, vorgelagerten Baukörper wird die städtebaulich wahrnehmbare Raumkante aufgelöst. 12. In der Plangrafik ist eine fußläufige Achse als Verbindung zum Fachmarktzentrum erkennbar. Tatsächlich wird sie in der Realität weit weniger erlebbar werden, weil eine geordnete Führung im Straßenraum fehlt. 13. Das Gebäude des „Alt‐Bremervörde“ springt aus der Flucht der angrenzenden Gebäude hervor und bildet mit dem gegenüberliegenden Gebäude eine Engstelle, die als Einfahrt zur Altstadt fungieren könnte. Dieses Motiv übernimmt des‐ halb auch der geplante Famila‐Neubau mit dem an dieser Stelle hervorspringenden und den Straßenraum gliedernden Kopfgebäude. Die vorhandenen, räumlich wirksamen Struktu‐ ren wurden also berücksichtigt und weiter entwickelt. Der an dieser Stelle bislang besonders schmale und schlecht zu be‐ gehende Fußweg kann zu einer verkehrssicheren, bequem zu begehende fußläufige Verbindung entwickelt werden. 14. Durch den Erhalt des Gebäudebestandes bleibt diese Engstelle auch zukünftig bestehen und die Chance für eine städtebauliche Neuordnung als raumwirksame Blockbe‐ bauung entfällt. 15. Die Erreichbarkeit des nahen Fachmarktzentrums ist bis‐ lang im Planungsprozess zentrales Thema. Das Fachmarktzen‐ trum befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite der Bremer Straße. Für die Wahrnehmung des Fachmarktzen‐ trums sind deshalb in erster Linie die die direkte Einsehbar‐ keit aber auch gute Erreichbarkeit von der Bremer Straße ausschlaggebend. Die Querung des geplanten Familamarktes Richtung Hagenahstraße trägt hingegen nicht unbedingt zu einer Verbesserung der Erreichbarkeit des Fachmarkt‐ zentrums bei. 16. Sinnvoller erscheint es diesbezüglich die gestalterische Qualität des Fachmarktzentrums zu verbessern. Dies gilt für die Gestaltung der Stellplätze, der Fassaden und Schaufenster aber auch eine attraktive Fußwegeverbindung auf dem Ge‐ lände kann die Attraktivität des Standortes erheblich verbes‐ sern und die Anbindung an die Altstadt fördern. Die Attrakti‐ vität und Akzeptanz des Fachmarktzentrums muss aus sich heraus gewährleistet sein und kann nicht primär abhängig von der Famila‐Planung gesehen werden. 17. In der überschlägigen Betrachtung erscheint zudem das Bauvolumen des Verbrauchermarktes erheblich geringer als in den Ursprungsplanungen, so dass neben den Aspekten der geordneten Zu‐ und Anfahrt (s. ausreichend Platz für eine Linksabbiegerspur) auch die wirtschaftliche Realisierbarkeit in der hinsichtlich der Nutzung bereits erheblich eingeschränk‐ ten Innenstadtlage zu prüfen ist. Fazit: 18. Der Wunsch nach dem Erhalt des Alt‐Bremervörde‐ Ge‐ bäudes ist durchaus nachzuvollziehen. Das Gebäude hat da‐ bei jedoch eher einen historisch gewachsen, geschichtlichen Wert für Bremervörde. Der tatsächliche baukulturelle Wert ist untergeordnet zu sehen. Der Erhalt des Gebäudes ist nur mit einem hohen finanziellen Aufwand zu realisieren. Die städtebauliche Weiterentwicklung und die Gestaltung des Verbrauchermarktes werden erheblich eingeschränkt. 19. Es gilt also abzuwägen, ob es sich an dieser Stelle um einen unverwechselbaren Bestand handelt, der, auch ohne den Kontext seiner historischen gewachsenen, straßenbe‐ gleitenden Nachbarbebauung, geschützt und für nachfolgen‐ de Generationen erhalten werden soll oder ob das Ortsbild an dieser Stelle mit einer zeitgemäßen Architektur‐ und For‐ mensprache als straßenbegleitende Blockbebauung weiter‐ entwickelt werden soll. 20. Unstrittig ist sicherlich, dass die neue Bebauung mit Blick auf die umgebenden Be‐bauungs‐ und Nutzungsstrukturen entwickelt werden muss. Dies scheint durch den bisherigen, durchaus kontrovers diskutierten aber im Ergebnis konstruk‐ tiven Planungsprozess gegeben. Himmelpforten, 03.02.2014/oe Stellungnahme der BI „Rettet das Alt“ vom 20.2.2014 zu dem Text von Kerstin Oesterling vom 3.2.2014 Absatz 3/4: Das Gebäude „Alt Bremervörde“ hat sehr wohl herausragen‐ de städtebauliche Qualität. Diese wurde auch seinerzeit vom niedersächsischen Sozialministerium bestätigt, als die Stadt Bremervörde Vorschläge für Gebäude mit stadtbildprägen‐ dem Charakter vorlegte. Und dies unabhängig vom baulichen Umfeld und ganz gezielt als herausgehobenes Einzelgebäude jenseits eines Ensembles. Absatz 4: Teile des Alt‐Gebäudes stammen bereits aus der Mitte des 19. Jahrhunderts (siehe Artikel von Rainer Brandt, Sonntags‐ journal der BZ vom 23.3.2008, die Quelle für den geschichtli‐ che Rückblick aus den Reihen der BI vom16.4.2013 im An‐ hang): Belegt ist, dass die beiden Gebäudeteile in der Fluths‐ traße 31‐32 1862/70 gekauft wurden, sie haben also bereits existiert und dürften etwa so alt sein wie ihr – leider inzwi‐ schen abgebranntes – Nachbarhaus in der Fluthstraße 30, das bereits 1847 gekauft worden war. Der noch existente Anbau wurde 1870 gebaut. Zwerchgiebel und Zierfriesen repräsen‐ tieren den für Bremervörde typischen Baustil, der noch ver‐ einzelt, aber wahrlich nicht im Übermaß in Bremervörde zu finden ist. Absatz 5: Das Alt ist nicht nur im Hinblick auf die „durchschnittliche“ Nachbarbebauung erhaltenswert, sondern auch im Hinblick auf die Gesamtstadt: Es geht um den Erhalt bzw. die Akzentu‐ ierung der Torsituationen am Eingang zur Bremervörder In‐ nenstadt ‐ im Westen mit dem Tivoli/den Bachmann‐ Gebäuden und der Weißen Brücke, im Osten mit den Oste‐ brücken und dem Ostesperrwerk, im Süden mit der Veren‐ gung bei den Gebäuden von Alt Bremervörde und Fortmann. Absatz 6: Das Alt‐Gebäude ist nicht in einem „sehr schlechten Unter‐ haltungszustand“! Allerdings wurde es vom derzeitigen Eigentümer nicht gepflegt, und um nun nach dem Auszug des Pächters nicht durch Witterungseinflüsse einen Ruinenzu‐ stand herbeizuführen, müsste baldmöglichst eine Neunut‐ zung des Gebäudes beschlossen werden. Die großformatigen Schaufenster des Gebäudes müssen keinesfalls zurückgebaut werden, sie gehören vielmehr zu seiner Geschichte (vgl. Fotos von 1905 und 1910). Das Gebäude, das von Anfang an als Schlachterei und Gaststätte genutzt wurde, hatte schon im‐ mer im nördlichen Gebäudeteil große Fenster, insofern sind diese auch erhaltenswert. Absatz 7: Die Sanierungs‐ und Renovierungskosten werden in dem bisherigen Gutachten der Firma Bünting sicher übertrieben hochgerechnet. Dieses Gutachten hat sich mit dem gesamten Gebäudekomplex (einschließlich hinterem Anbau) befasst und die Weiterführung eines Gastronomiebetriebes voraus‐ gesetzt, der erhebliche sanitäre und hygienische Anforderun‐ gen erfüllen muss. Bei einer anderen Nutzung als Einzelhan‐ delsgeschäft o.ä. wären die Forderungen hingegen andere. Es wäre auch zu prüfen, inwiefern in einem Altbau dieser Art eine energetische Sanierung sinnvoll oder eher schädlich sein könnte. Bei einem von der BI vorgeschlagenen Verzicht auf den hinte‐ ren Teil des Gebäudes würden zudem nicht nur Erwerbs‐, sondern auch die Sanierungs‐ und Renovierungskosten redu‐ ziert, vermutlich um die Hälfte. Bei dem Erhalt als „stadtbild‐ prägendes“ Gebäude können außerdem Fördergelder bean‐ tragt werden, weiterhin Sanierungsmittel aus dem Sanie‐ rungsgebiet Süd und je nach Nutzung weitere Fördermittel. Absatz 8: Die angeführte Alternativlösung der BI bewahrt den älteren, ursprünglichen Teil des Gebäudekomplexes. Bei einem Abriss des hinteren Anbaus wird die rückwärtige Fassade noch Spu‐ ren der ehemaligen Schlachterei aufweisen, die z.Z. noch innerhalb des Gebäudes zu erkennen sind. So wird eine Gie‐ belluke für den Einzug von Waren erscheinen, die auch bei anderen Häusern oftmals als Schmuckteil herausgehoben werden (vgl. das Hube‐Haus in der Brunnenstraße). Die zum Teil auch bisher erkennbare wahrscheinliche Rück‐ seite des Alt Gebäudes ist durchaus architektonisch und durch den alten Kletterbaumbewuchs ansehnlich, auch für die Passanten auf einer entlang des Famila‐Gebäudes oder in ihm geführten Spange durch das Famila‐Gebäude. Bei der weiteren Gestaltung dieser rückwärtigen Fassade bietet es sich an, an dieser Stelle – als Gegenüber zum Fami‐ la‐Eingang – den neuen Eingang zu dem Haus zu errichten. Dieser Bereich wäre zudem verkehrsberuhigt (Fußgänger, ggf. Fahrradfahrer, in den Bünting‐Plänen vorgesehener Café‐ Außenbereich von Famila) und bei überlegter Gestaltung mit Charme weit mehr als nur ein „Hinterhof“. Absatz 9: Ein räumlicher Bezug zum Famila‐Markt war Bünting von der BI vorgeschlagen worden, die Einrichtung eines zum Markt gehörenden Cafés in dem Alt‐Gebäude wurde von Bünting jedoch ‐ obwohl ursprünglich von Bünting selbst ins Gespräch gebracht – aus Brandschutzgründen abgelehnt. Der städtebauliche Kontext ist durchaus gegeben (siehe Aus‐ führungen zu Absatz 5). Die solitäre Stellung des Gebäudes ist bereits jetzt erreicht und machte sogar bei der damaligen Einstufung als „stadtbildprägend“ durch die Behörde einen wesentlichen Faktor aus. Eine Verbindung kann auch durch die Wegeführung zwischen „Alt“ und Famila‐Komplex sowie den rückwärtigen Eingang erfolgen. Ein „Kontrast“ zwischen Alt und Neu könnte zudem eine architektonisch spannende Herausforderung sein, die in anderen Orten bewusst ange‐ nommen wird (z.B. Messebereich und Karolinenviertel Ham‐ burg, Schlosswache Oldenburg, Hafenzeile Glückstadt). Für eine Nachnutzung als Einzelhandel, soziales oder kulturel‐ les Angebot hat das Gebäude eine angemessene Größe. Nachnutzungsinteressenten für das Alt‐Gebäude sind durch‐ aus vorhanden. Absatz 10+11: Das Gebäude bildet zusammen mit dem gegenüberliegenden Haus Fortmann ein Eingangstor zur Innenstadt (siehe Ausfüh‐ rungen zu Absatz 5). Die Aufenthaltsqualität ergibt sich aus der Nutzung des Gebäudes: Zusammen mit den Außenanla‐ gen von Famila (Café) lässt sich ein Verweilen sehr wohl pro‐ vozieren und könnte so der „Biergartennutzung“ des bisheri‐ gen Pächters sehr nahe kommen. Der Kreuzungsbereich liegt dazu weit genug abseits. Im Gegensatz zur „aufgelösten Raumkante“ bleibt so die „wahrnehmbare Raumkante“ der südlichen Torsituation erhalten! Absatz 12: In der Plangrafik der BI ist eine direkte fußläufige Anbindung von der Alten Straße zur Kreuzung des Fachmarktzentrums vorgesehen. Dies entspricht den uns bekannten Forderungen aus der Politik. Die Anbindung verläuft außerhalb des Fach‐ marktzentrums und ist daher auch außerhalb der Öffnungs‐ zeiten begehbar. Parken auf dem großen Parkplatz des Fachmarktzentrums und Gehen ins Zentrum, in die Alte Stra‐ ße oder zur Post werden damit ermöglicht. Warum sollte eine geradlinig von und zum Fachmarktzentrum durchgeführte verkehrsberuhigte Spange nicht ausgiebig von Passanten genutzt werden? Absatz 13+14: Die als aktuell und modern anvisierte „Blockbebauung“ hal‐ ten wir für eine Kleinstadt für fragwürdig. Häuser in Bremer‐ vörde standen und stehen eher isoliert. Auch in Reihe wurden stets Abstände zum Nachbargebäude gehalten (s. Gestal‐ tungsleitfaden). In der Alten Straße wird die Planung im Rah‐ men der Innenstadtsanierung gerade dahin zurückgeführt. Trotz der Forderung nach einer Blockbebauung wird erstaun‐ licherweise doch versucht, die o.g. Torsituation zu simulieren. Den dabei andeutenden Nachbau des Alt‐Gebäudes, etwas nach Westen hin versetzt, empfinden wir allerdings als frag‐ würdig. Absatz 15: Zentrales Thema für uns ist nicht die Zuwegung zum Fach‐ marktzentrum, sondern der Erhalt des Alt‐Gebäudes. Die Zuwegung hinter dem „Alt“ ermöglicht für Fußgänger eine bessere, weil direktere und verkehrsberuhigtere Anbindung an das Fachmarktzentrum als der Weg auf dem weiterhin engen Bürgersteig direkt an der vielbefahrenen Bremer Stra‐ ße. Absatz 16: Den Ausführungen bezüglich des Fachmarktzentrums ist grundsätzlich zuzustimmen. Auch wenn dieses nicht primäres Thema der BI ist, so ist es doch für die Stadtplanung durchaus sinnvoll, bei der Famila‐Planung diesen Aspekt vor Augen zu haben. Die Akzeptanz des Fachmarktzentrums muss „aus sich heraus“ UND aus der Blickwinkel der Innenstadt angegangen werden. Insofern ist sie zwar „nicht primär“, aber doch AUCH von Entscheidungen bei der Famila‐Planung abhängig: Ein Block mit Ausrichtung auf den nördlichen Parkplatz blockt das Fachmarktzentrum zusätzlich unnötig ab. Absatz 17: Die Maße des Marktes wurden im Alternativvorschlag der Bürgerinitiative 1 zu 1 übernommen (ausgeschnitten, aufge‐ klebt und eingescannt) und um 90° gedreht. Dies ist nun im Januar 2014 noch einmal in einem neuerlichen Alternativ‐ plan, basierend auf den aktuellen Anforderungen, umgesetzt worden: Zufahrt nicht mehr von der Bahnhofstraße aus, ge‐ trennte Anlieferung von Frischfleisch und anderen Waren, Haupteingang zum Parkplatz hin. Fraglich erscheint uns hin‐ gegen die vorgegebene Parkplatzanforderung: Es werden mindestens 150 Stellplätze von Bünting eingefor‐ dert, die nach deren Planung gerade erreicht werden, nach unserer dagegen nicht; verwunderlich jedoch ist, wie Bünting diese 150 Plätze generiert: Nach der Bünting‐Planung können sämtliche Parkplätze Famila zugeordnet werden, keine hin‐ gegen der Commerzbank, den Einzelgeschäften an der Bahn‐ hofstraße, der Post (incl. fehlendem Anlieferweg!), auch der auf der anderen Straßenseite angesiedelte Zusatzparkplatz wurde dem dortigen Möbelmarkt weggenommen und Famila zugeteilt. Nur so lässt sich der als notwendig angegebene Parkraum überhaupt kreieren – auch ohne unsere Alternati‐ ven! Da nun offenbar auch die komplette Anfahrt nur noch über die Bremer Straße ermöglicht werden soll, bedarf es wegen des zu erwartenden Rückstaus nun auch noch einer zusätzli‐ chen Linksabbiegerspur. Wenn auch auf der aktuellen Pla‐ nungsvorlage nicht ersichtlich ist, dass auf der Höhe des „Alts“ die Dreispurigkeit bereits beginnt, möchten wir fest‐ stellen, dass einer solche Linksabbiegespur für aus dem Sü‐ den kommende Famila‐Besucher das Alt nicht zum Opfer fallen darf! Absatz 18: Der historische Wert des Gebäudes liegt nicht nur in seiner Bedeutung als Traditionsgaststätte, sondern auch als Wohn‐ haus einer angesehenen jüdischen Familie, der Familie Salo‐ mon. Dies erwähnt die Autorin mit keinem Wort. Absatz 19: Das Alt‐Gebäude ist stadtbildprägend, auch und gerade als Solitär. Sein Anblick ist den Bremervördern altvertraut, das Gebäude wird geliebt. Sein Abriss wäre ein großer Verlust für Bremervörde. Die „zeitgemäße Architektur‐ und Formenspra‐ che“ eines Verbrauchermarkts, der das Alt „frisst“, werden viele Bürger nicht ertragen oder nur ohnmächtig hinnehmen, berücksichtigt man die vorliegenden Entwürfe. Absatz 20: Mit dem Erhalt des Alt‐Gebäudes und der südlichen Torsitua‐ tion kann ein Stück unverwechselbares Bremervörde bewahrt werden. Wir sind überzeugt davon, dass ein Miteinander von Alt und Neu in Bremervörde förderlich für die Weiterentwick‐ lung unserer Stadt ist.