Grundrechte Gegenseitiger Respekt Religiöse - islamic

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Islamische Botschaft Nr. 5
Grundrechte Gegenseitiger Respekt
Religiöse Annäherung
Islamisches Zentrum Hamburg
Der 30. Mai 2006 war ein wichtiger Tag für die Religionen in Europa.
Führende EU-Politiker diskutierten in einer Sitzung mit 16 hochrangigen Vertretern der Weltreligionen über grundlegende Rechte, gegenseitigen Respekt und religiöse Annäherung. In dieser Sitzung in Brüssel,
die von EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso und dem
EU-Ratsvorsitzenden und österreichischen Bundeskanzler Wolfgang
Schüssel initiiert wurde, war, äußerten die hochrangigen Vertreter verschiedener Religionen in Europa in Vorträgen ihre Ansichten im Hinblick auf das Erreichen eines besseren gegenseitigen Verständnisses.
An dieser Konferenz nahmen folgende religiösen Persönlichkeiten teil:
Richard Chartres, Bischof von London; der Dalai Lama, religiöser Führer der Buddhisten; Jean Arnold de Clermont, Präsident der Konferenz
Europäischer Kirchen; Bischof Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der
EKD; Ayatollah Seyyed Abbas Ghaemmaghami, Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg; Anas Shakfeh, Präsident der islamischen
Glaubensgemeinschaft in Österreich; Imam Abduljalil Sajid, Muslim
Council for Religious and Racial Harmony; René Gutman, Großrabbiner von Strasbourg et du Bas-Rhin; Albert Guigui, Großrabbiner der
Israelitischen Gemeinde Brüssel; Metropolit Emmanuel von Frankreich, Präsident der Orthodoxen Kirche; Bischof Athanasios von Archaia, Orthodoxe Kirche in der Türkei; Hilarion Alfeyev, Bischof von
Wien und Österreich; José Kardinal da Cruz Policarpo, Patriarch von
Lissabon; Christoph Kardinal Schönborn, Erzbischof von Wien; Adrianus van Luyn, Kommissionspräsident der Bischofskonferenz der Europäischen Gemeinschaft; Joseph Sitruk, Großrabbiner von Frankreich.
Zu Beginn der Konferenz sagte Dr. Wolfgang Schüssel den Journalisten: „Unser Ziel ist die Veranstaltung regelmäßiger interreligiösen Dialogsitzungen in Europa, um die Probleme in den europäischen Gesellschaften zu lösen und Brücken zur Verständigung zwischen verschiedenen religiösen Überzeugungen zu schaffen.“ In seinem Vortrag führte
er aus: „Religion ist ein Faktor für Verständigung und Freundschaft.
Eine moderne Gesellschaft braucht Religion, und die heutige Konferenz
ist ein Beispiel für Solidarität. Für Europa sind Themen wie Freiheit,
Menschenwürde und Streben nach Wahrheit wichtig. Wie brauchen
profundere Diskussionen, die über alltägliche Diskussionen hinausgehen“. In Bezug auf kritische Diskussionen sagte er: „Bei solchen Dis-
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kussionen sollte man klar und deutlich die Fehler erwähnen. Im Hinblick auf die Stellung Europas in der Welt können unsere Diskussionen
weltweit gute Resultate haben.“
Der Bischof der Orthodoxen Kirche in der Türkei, Athanasios von Archaia; bedankte sich bei den EU-Politikern für die Idee zum Gespräch
mit religiösen Vertretern, bekräftigte die Notwendigkeit des Dialogs
und sagte: „Die Karikaturen vom Propheten des Islam waren beleidigend und weckten bei vielen Menschen das Gefühl, dass die Grundrechte der Gläubigen nicht respektiert werden. Man darf den Islam nie
mit Terrorismus gleichsetzen. Wir brauchen gegenseitigen Respekt.
Leider wächst in Europa der Rassismus, und Ausländer werden
schlecht behandelt. Wir müssen ein Europa der Menschenrechte aufbauen und nicht nur ein Europa der Wirtschaft.“
Dr. Wolfgang Huber, der Ratsvorsitzende der EKD, behandelte in seinem Vortrag die Frage nach der Grundsubstanz der Europäischen Idee
und meinte, dass man sich bei dieser Idee nicht nur auf die nichtreligiösen Institutionen beschränken könne. Er sagte auch: „Wir brauchen die Religion. Eine Diktatur ohne Glauben ist denkbar, aber eine
Demokratie braucht Glauben. Die Vergangenheit Europas ist mit dem
Judentum und dem Christentum verknüpft, aber heute existiert religiöser Pluralismus. Die christlichen Kirchen können einen wichtigen Beitrag leisten, um die Kultur der Freiheit und eine Kultur des Respekts
vor den Glaubensüberzeugungen anderer in den europäischen Gesellschaften zu verankern. Das Problem der Karikaturen habe gezeigt, dass
man verantwortungsvoller handeln müsse. Die Freiheit darf nicht ausgenützt werden, sondern gegenseitiger Respekt müsse die Grundlage
des Umgangs miteinander sein.“
Metropolit Emmanuel, Präsident der Orthodoxen Kirche, sagte: „Manche versuchen die Religion abzuschaffen. In manchen Fällen hat der
Säkularismus leider sogar Gewalt angewendet. Christentum, Judentum
und Islam haben sich um mehr Dialog bemüht. Durch Dialog kann man
die europäische Kultur fördern. Daher sollte man mit der Einrichtung
einer dauerhaften Kommission für einen fortwährenden Dialog sorgen.
Der Dialog sollte institutionalisiert werden.“
René Gutman, Großrabbiner von Straßburg, sagte in seiner Rede: „Heute ist Gott im Himmel froh darüber, dass wir neben einander sitzen.
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Integration ist sehr wichtig, aber Annäherung unterscheidet sich von
Assimilation. Manche erwarten, dass die Minderheiten sich assimilieren
und ihre Identität aufgeben. Hitler verbot als Erstes die religiöse Tierschlachtung. Heute sind Gewalt und Rassismus in Europa große Probleme. Wir müssen einander besser kennen lernen, denn wenn man einander nicht kennt, kommt es zu Gewalt und Angst. Alle religiösen Führer sollten versuchen, die Menschen einander näher zu bringen.“
Albert Guigui, Großrabbiner der Israilitischen Gemeinde Brüssel, betonte, dass die göttliche Wahrheit vollkommen sei und niemand die
ganze Wahrheit besitze: „Für Gott gibt es keine Grenzen. Er ist Gott
aller Menschen. Wir müssen versuchen, die anderen zu verstehen. Im
Heiligen Buch steht: ‚Du sollst deinen Nachbar wie dich selbst lieben.’
Dialog ist für die gegenseitige Verständigung sehr wichtig. Der religiöse Pluralismus in Europa ist eine Realität.“
Der letzte Vortragende war der Dalai Lama, das spirituelle Oberhaupt
der Buddhisten. Er sagte: „Ich bin ein einfacher Mönch. In der Vergangenheit wollte jedes Land seine Unabhängigkeit erreichen. Heute gibt
es in Europa keine Grenzen mehr, da auf Grund gemeinsamer Nutzen
eine Vereinigung besteht.
Das wichtige Ziel ist die gegenseitige Verständigung, und ich habe in
diesem Zusammenhang einige Ansichten. Um zu einer Verständigung
und Annäherung zu gelangen, sollte man wissenschaftliche und akademische Methoden vorweisen. Da die Substanz aller Religionen die gleiche ist und sie viele Gemeinsamkeiten miteinander haben, gibt es die
Möglichkeit zur gegenseitigen Verständigung. Wir müssen das ganze
Dasein lieben, denn das ist der Hauptweg zur Verständigung.“ In Bezug
auf die wissenschaftliche Erfahrungen über gegenseitige Verständigung
sagte er: „Säkularismus bedeutet nicht, Religionen abzulehnen, sondern
sie alle zu respektieren. Sogar mit Nichtgläubigen sollte ein Dialog
durchgeführt werden. Gegenseitiges menschliches Mitgefühl ist sehr
wichtig.“
Am Ende der Sitzung interviewten die Journalisten die Herren Dr.
Schüssel, den EU-Ratsvorsitzenden, und Dr. Barroso, den EUKommissionspräsidenten. Herr José Manuel Barroso meinte, dass Europa verschiedene religiöse und kulturelle Erbe und Europa islamische
Wurzeln habe. Er sagte auch: „Ich habe heute wichtige Notizen beim
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Zuhören gemacht, aber das ist nicht genug. Wir werden die Vortragstexte noch genauer studieren und Nutzen daraus ziehen.“ Herr Barroso
warnte vor eine Isolierung der Muslime in Europa und sagte: „Wir
müssen über den Islam als einen Teil der europäischen Gesellschaft
reden und nicht über den Islam in Europa.“ Er sagte weiter: „Die Menschen mit islamischem Glauben sollten nicht zwischen ihrem Glauben
und europäischen Werten entscheiden müssen. Europa sollte groß genug sein, um unterschiedliche Überzeugungen zu integrieren.“
Herr Schüssel sagte: „Die Vertreter der Muslime haben uns erklärt, dass
es Unterschiede gibt zwischen einem „europäischen Islam“ und den
islamischen Äußerungen aus anderen Teilen der Welt“; er lobte die
Muslime in Europa, weil sie Verständnis für die Sorgen der Europäer
um ihre Sicherheit zeigten und sich zu den europäischen Grundwerten
bekannt haben. Schüssel sagte zudem, die Repräsentanten des „europäischen Islams“ hätten im Streit um die Prophetenkarikaturen anders
reagiert als die, die einen „Islam in Europa“ wollen. „Wir sollten das
anerkennen“, sagte er. Herr Schüssel sprach auch über die wertvollen
Erfahrungen seines Landes beim interreligiösen Dialogs und dem Dialog zwischen Politikern und Vertretern der Religionen und bezeichnete
diesen Dialog als eine „Exportware“.
Herr Dr. Weninger, der politische Berater des Präsidenten der Europäischen Kommission für den Bereich „Dialog mit den Kirchen, religiösen
Gemeinschaften und Humanismus“, schätzte die Zahl der Muslime in
Europa auf ca. 40 Millionen und sagte: „Ein Drittel der europäischen
Bevölkerung glaubt an ein absolutes Seiendes; und ein anderes Drittel
hat mit Kirchen und Religionen Verbindungen, wenngleich oberflächlich. Das letzte Drittel hat mit seiner religiösen Gesellschaft eine nahe
und regelmäßige Verbindung. Es ist ein großer Fehler, wenn wir diese
Tatsachen und die Interessen der europäischen Bevölkerung nicht
wahrnehmen.“
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Rede von Ayatollah S. A. Hosseini Ghaemmaghami,
dem Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg
Im Namen des erhabenen Gottes
Es ist mir eine große Freude, Zeuge eines ernsthaften Schrittes und
eines Wendepunktes in der Geschichte des Dialogs zwischen Religionen zu sein. Dieser Schritt wird gewiss ein positiver Beitrag für den
gesamtgesellschaftlichen Verständigungsprozess in Europa sein. Dafür
möchte ich allen Initiatoren, insbesondere dem EU-Ratsvorsitzenden,
Herrn Bundeskanzler Schüssel, und dem Kommissionspräsidenten,
Herrn Barroso, ganz herzlich danken.
Ich habe immer betont, dass es keine Alternative zum Dialog gibt, und
dass jede Gelegenheit zum Dialog als eine Chance für Verständigung
genutzt werden muss. Integration ist eine richtige und kluge Idee, deren
Notwendigkeit nicht bestritten werden kann. Es muss aber leider festgestellt werden, dass man die Integration bis heute als „staatliches Projekt“ verstanden hat. Integration ist jedoch ein gesellschaftlicher Prozess, dessen Verwirklichung die Partizipation aller Individuen, Gruppen
und verschiedenen gesellschaftlichen Institutionen voraussetzt. Dabei
spielen natürlich auch staatliche Organe eine sehr wichtige Rolle. Im
gesamtgesellschaftlichen Prozess werden in diesem Fall alle von den
Ergebnissen dieses Prozesses profitieren. Dagegen wird die Behandlung der Integration als ein „Projekt“ die Gesellschaftsmitglieder nicht
zur Übernahme von Verantwortung motivieren; vielmehr wird dies die
Gleichgültigkeit der an diesem „Projekt“ nicht beteiligten Kräfte bewirken. Es kann sogar zu ambivalenten Gefühlen und negativem Widerstand führen. Es ist eine Tatsache, dass die mangelnde Beteiligung
bei Menschen das Gefühl weckt, dass man ihnen von oben etwas aufzwingt. Der Widerstand gegen Zwänge ist in diesem Fall eine natürliche menschliche Reaktion. Der Staat als die wichtigste gesellschaftliche
Institution leistet für die Integration als gesellschaftlichem Prozess einen entscheidenden Beitrag, aber dieser Beitrag soll nicht monopolistisch geleistet werden. Auch andere Elemente dieses Prozesses müssen
beteiligt werden, denn ohne konstruktive Beteiligung dieser Kräfte wird
der Integrationsprozess scheitern.
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Religionen und heilige Glaubensvorstellungen stehen in ihrem wesentlichen Kern mit den tiefsten Gefühlen des Individuums in Verbindung.
Diese Gefühle geben dem Einzelnen den Antrieb für Entscheidungen
und Handlungen, und aus diesen Individuen setzt sich die Gesellschaft
zusammen. Hinzu kommt, dass Religionen kraft der ihnen zur Verfügung stehenden Organisationen und Institutionen viel direkter auf die
Gesellschaft einwirken. Folglich können sie einen unverzichtbaren
Beitrag zur vollen und erfolgreichen Verwirklichung der Integration
leisten.
Die Religion hat abgesehen von ihrer historischen Erscheinung als Judentum, Christentum und Islam ein gemeinsames Wesen. Man kann
behaupten, dass Verständigung im Wesen aller Religionen verankert
ist. Man muss das nicht entwerfen, sondern wieder entdecken.
Der Islam sieht Judentum und Christentum als einen wichtigen Teil
seiner eigenen Identität an. Die Leugnung und Missachtung dieser Religionen kommen einer Selbstleugnung gleich. Diese gehört zu den
Grundprinzipen der strategischen Beziehung zwischen Muslimen und
den Anhängern anderer Religionen. Integration ist ein Kampf für die
Beseitigung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten zwischen Minderheit und Mehrheit, zwischen Individuum und Gesellschaft.
Damit die Integration erfolgreich bleibt, müssen bei Minderheiten Partizipationsmotivationen gestärkt werden. Es dürfen keine Bedingungen
entstehen, in denen sich religiöse Minderheiten, insbesondere Muslime,
gezwungen sehen, sich zu entscheiden, ob sie ihrer islamischen Lebensweise nachgehen, oder sich aktiv am gesellschaftlichen Leben
beteiligen und damit die geltenden Traditionen und Werten der europäischen Gesellschaften akzeptieren wollen. Es liegt auf der Hand, dass
die Entstehung solcher ambivalenten Gefühle die Muslime letztlich zur
Flucht aus dem gesellschaftlichen Leben, Missachtung von Gesetzen
und Opposition zur bestehenden Ordnung bringen werden. Es muss
also alles getan werden, um die Entstehung solcher Gefühle zu verhindert und unter Kontrolle zu halten.
Was müssen wir tun? Jeder Lösungsvorschlag kann nur Früchte tragen,
wenn er von Kooperation und Meinungsaustausch der religiösen und
politischen Elite der europäischen Gesellschaften begleitet wird.
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Damit Religionen im Integrationsprozess einen ernsthaften und effektiven Beitrag leisten können, müssen sie entsprechend der Bewahrung
der Grundwerte der gesellschaftlichen Gegebenheiten heimisch werden,
ohne ihre eigene Identität und Wahrheit zu verlieren. Wir verfügen im
Islam über unterschiedliche und wesentliche Instrumente, die den Muslimen erlauben, heimisch zu werden und sich den örtlichen und zeitlichen Bedingungen anzupassen. Im Islam gibt es das Prinzip des
„IºtihÁd“ (d. h. Urteilsbildung über rechtlich-theologische Fragen mittels selbständiger Interpretation der Quellen). Dieses Prinzip macht es
möglich, durch Exegese und legitimierte neue Auslegungen der Vorschriften die islamische Lehre an örtliche und zeitliche Gegebenheiten
anzupassen, ohne dass unsere Religion ihre Identität und grundlegenden
Wertvorstellungen verliert. Ich spreche in diesem Zusammenhang von
„legitimierten Auslegungen“, denn nicht jede beliebige Interpretation
der islamischen Texte kann das Vertrauen und die Kooperation der
Muslime hervorbringen.
Das Konzept eines „europäischen Islam“ ist dem Wesen nach wertvoll
und kann im Hinblick auf die vorherigen Ausführungen mit dem Geist
des Islam und islamischen Prinzipien harmonieren. Leider muss aber
festgestellt werden, dass diese Idee bis heute eher in einem unqualifizierten, d. h. unreligiösen gesellschaftlich-politischen Rahmen diskutiert worden ist, und deshalb nicht die positive Aufmerksamkeit aller
Muslime auf sich ziehen konnte. Die religiösen Führungspersönlichkeiten können und müssen ausgehend von ihrer gesellschaftlichen Kompetenz und unter Nutzung ihrer Auslegungslegitimation eine gemeinsame
Definition des “europäischen Islam“ finden, dessen Rahmen und Grenzen bestimmen und seine praktische Legitimation und Durchführung
garantieren. Dieser Schritt ist insbesondere deshalb notwendig, weil
eine kleine aber lautstarke Minderheit in Form von Einzelpersonen oder
Gruppen bemüht ist, aus verschiedenen Motivlagen heraus extremistische Auslegungen des Islam anzubieten, was die Harmonie zwischen
den Muslimen und der europäischen Gesellschaft und damit die Integration stört. Die religiösen islamischen Führungspersönlichkeiten können als Sprecher des Islam mit einer authentischen Konzeption der
islamischen Lehre diese extremistischen Strömungen, die den Islam
missbrauchen und instrumentalisieren, ausschalten.
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Damit der Islam in Europa heimisch wird und eine feste Form annimmt, müssen ernsthafte Schritte seitens der Muslime selbst und der
europäischen Gesellschaft unternommen werden. Europa hat das Recht,
Befürchtungen zu haben. Zu diesen Besorgnissen gehören z. B. der
Verlust von kulturellen Werten, Errungenschaften der Aufklärung und
die gesellschaftliche Integrität, die durch große Anstrengungen erreicht
worden sind.
Minderheiten genießen hier gewisse Chancen und Gelegenheiten, die
ihnen geboten werden. Dies verpflichtet sie zur Übernahme von Verantwortungen in der hiesigen Gesellschaft.
Der Islam erlaubt keinem Muslim, die herrschende Ordnung, gesellschaftliche Integrität und die Interessen der europäischen Gesellschaften zu missachten.
Die Bewahrung der gegebenen Normen und Werte und die Beachtung
der gesellschaftlichen Interessen, sowie die Stärkung des gegenseitigen
gesellschaftlichen Verständnisses sind hochrangige islamische Ziele
und werden von unserer Religion betont. Deshalb müssen provokative
Themen, die keinen konstruktiven Beitrag zur Harmonie und Verständigung zwischen Muslimen und der europäischen Gesellschaft leisten,
ernsthaft überprüft und eventuell revidiert werden. Muslime müssen
unter Zuhilfenahme des zuvor genannten IºtihÁds Flexibilität zeigen.
Man kann die Grundprinzipien und Identitätsstiftenden Grundsätze des
Islam beibehalten, aber dennoch den zeitlichen und örtlichen Gegebenheiten gemäß eine neue Auslegung von bestimmten grundlegenden
Themen anbieten und dabei Positionen klar und deutlich zum Ausdruck
bringen.
Es bietet sich hier eine Palette von Themen an: Frauenrechte, Beziehung zwischen Muslimen und Nichtmuslimen, Ermitteln der genauen
und klaren Sichtweise des Qur’an über Unglauben und Glauben, genaue Bestimmung des Verhältnisses zwischen Religion und Politik in
der säkularen europäischen Gesellschaft, Teilhabe von Muslimen an
Geschehnissen in einer Gesellschaft, deren Mehrheit Nichtmuslime
sind, Gesetzestreue und Verpflichtung zu gesellschaftlichen Prinzipien
und Normen, genaue Standortbestimmung des Verhältnisses zwischen
Scharia und Gesetz und schließlich die Trennung zwischen religiöser
Lehre von ethnisch-nationalen Traditionen.
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In der Tat wird das Verhalten der Muslime oft mit islamischer Lehre
gleichgesetzt. Viele dieser Verhaltensweisen und Vorstellungen haben
mit der islamischen Lehre nichts zu tun. Diese Verhaltensweisen sind
oft das Ergebnis einer Vermischung zwischen Traditionen und Gewohnheiten der Migranten mit ihrem Glauben.
Damit der Islam in Europa heimisch wird, müssen ernsthafte Schritte
von europäischen Politikern unternommen werden. Auch christliche
Führungspersönlichkeiten, welche die christliche Minderheit führen,
sind gefordert. Bekämpfung des Islam und Islamophobie sind destruktive Methoden, welche extremistische Kräfte auf die Barrikaden bringen, die sich zum Sprecher des Islam erheben, obwohl sie in der Minderheit sind. Leider wird in dieser Gesellschaft die Stimme einer kleinen extremistischen Minderheit als Sprecher und wahres Gesicht des
Islam lauthals dargestellt, während im Gegensatz dazu die Sprecher des
wahren, d. h. rationalen und gemäßigten, Islam, nicht die Möglichkeit
haben, ihre Stimme kundzutun. Ein weiteres Problem der Muslime ist
ihr unterschiedlicher Status im Vergleich zu den anderen Religionen,
der ihnen keine gleichen Möglichkeiten bietet, und folglich können sie
viele Möglichkeiten für die Verbesserung ihres spirituellen und materiellen Zustandes nicht nutzen und werden davon abgehalten. Es wird
erwartet, dass dieser unterschiedliche Umgang im Hinblick auf die
Muslime beseitigt wird, weil ein solches Verhalten letztlich zur außergesellschaftlichen Abhängigkeit der Muslime führt.
Dies waren die wichtigsten Hindernisse für ein Heimischwerden des
Islam, und die europäischen Gesellschaften sollen sich für deren Beseitigung ernsthaft engagieren. Der positive Umgang mit den Muslimen in
Österreich ist ein wertvoller Schatz und Besitz, der in ganz Europa
genutzt werden kann. Ein unterschiedlicher Umgang mit einer religiösen Minderheit und der Mehrheit wird sicherlich nicht zu gesellschaftlichem Verständnis und zu Solidarität beitragen.
Christen, Juden und Muslime, die in dieser Gesellschaft leben, sind alle Teil
dieser Gesellschaft und Mitglieder eines Hauses und einer Familie, und sie
sind gegenüber dem Schicksal dieser Familie und der Gesellschaft verantwortlich. Deshalb sollen alle die gleichen Bedingungen und Möglichkeiten vorfinden. In einem solchen Fall kann man vom europäischen Islam, d. h. einen
Islam, der heimisch geworden ist, reden. Die Muslime sind nicht nur in Euro-
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pa, sondern sie sind ein Teil der europäischen Gesellschaft. Der Islam ist nicht
nur als Gast in Europa, sondern man muss sich um die Schaffung vernünftiger
Voraussetzungen bemühen, damit der Islam in Europa durch einen europäischen Islam ersetzt wird.
Eine wichtige Anmerkung
Die heiligen islamischen Quellen (Qur’an und Sunna) sind interpretierbar; bei vielen qur’anischen Versen kann man die äußere Bedeutung
nicht als Maßstab und Grundlage heranziehen. Der Qur’an selbst betont
diesen klaren Punkt und unterteilt seine Verse in zwei Kategorien: Erstens Verse, deren Bedeutung vollkommen klar und deutlich ist (ÁyÁte
mo½kam - eindeutige Verse), und zweitens Verse, deren Bedeutung
nicht vollkommen klar ist und die interpretiert werden müssen (ÁyÁte
mutaÊÁbih – mehrdeutige Verse). Dem Qur’an zufolge sind die eindeutigen Verse die Wurzel und wesentliche Grundlage des Heiligen Buches, die man für die Interpretation der mehrdeutigen Verse zu Hilfe
nehmen muss. Bei der Interpretation eines jeden Qur’anverses muss der
gesamte Qur’an, und nicht nur ein Teil davon, berücksichtigt werden.
Der Qur’an stellt fest: „Er ist Gott, der das Buch (Qur’an) auf dich
(Mohammad) herabgesandt hat. Ein Teil dieses Buches sind die eindeutigen Verse (mit einer klaren und deutlichen Bedeutung), und diese
Verse sind die Mutter (Wurzel) dieses Buches (Qur’an) dar. Und ein
Teil dieses Buches sind mehrdeutige Verse, (die der Interpretation bedürfen). Diejenigen, in deren Herzen Abweichungen und Krankheiten
vorhanden sind, benutzten die mehrdeutigen Verse, um Zwietracht zu
verursachen, und sie wollen die Verse aus sich selbst heraus interpretieren, obwohl niemand die Interpretation dieses Buches kennt, außer
Gott und denjenigen, die ein tiefes Wissen über alle Qur’anverse haben.
(Qur’an, Sure Ale-þImrÁn, Vers 7).
Wir sind darum bemüht, die Qur’anverse mittels der vom Qur’an selbst
erklärten Methode zu interpretieren, und nicht nach persönlichem Interesse zur Rechtfertigung von Tradition, Kultur oder einer persönlichen
Überzeugung, damit wir wissen, was der Qur’an sagt. Was Sie nun in
Händen haben, ist eine Bemühung in dieser Hinsicht.
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