DAS VERFAHREN VON HEGELS "PHÄNOMENOLOGIE DES GEISTES" UND DIE FUNKTION DES ABSCHNITTS "DIE OFFENBARE RELIGION" INAUGURAL -DISSERTATION zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophisch-Historischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg vorgelegt von MICHAEL WELKER aus Erlangen 1978 INHALT EINLEITUNG KAPITEL I 1. Darstellung des ersten Schrittes der Phänomenologie 2. Die erste Umkehrung des Bewußtseins 3. Zusammenfassung und Problemstellung: Das negative Sich-Beziehen des Allgemeinen 4. Der dritte Schritt, der zugleich eine Rückkehr ist. Aufweis der die Entwicklung leitenden negativen Beziehung 5. Vorläufige Antwort auf die Frage: Was ist Dialektik? KAPITEL II 1. Äußerliche Vorbemerkung zum Vorhaben des Kapitels 2. "Die Wahrnehmung" 3. Das Allgemeine und das Eins - Dingheit und Ding. Negatives Sich-Beziehen als Selbstbeziehung 4. Das Verhalten des wahrnehmenden Bewußtseins 5. Selbstbeziehung als Beziehung auf anderes und die die Entwicklung leitende Negativität KAPITEL III 1. Der aufgrund der vorangegangenen Kapitel im Verstandeskapitel zu erwartende Verlauf 2. Kraft und Bewußtsein der Kraft. Vergegenständlichung der negativen Selbstbeziehung des unbedingt Allgemeinen 3. Die Entwicklung des Bewußtseins als Verstand und die sogenannte "Bewegung des Schlusses" 4. Was stellt der "absolute Begriff" dar? 5. Der absolute Begriff KAPITEL IV(Auswertung) 1. Das absolute Wissen: erfüllte Selbsterkenntnis im Begriff 2. Warum es möglich ist, vom absoluten Begriff zur Darstellung des absoluten Wissens überzugehen 3. Das Verfahren der Phänomenologie und die zur Darstellung gelangende Negativität des unbedingt Allgemeinen 4. Die Negativität 5. Der Übergang vom Bewußtsein zum Selbstbewußtsein KAPITEL V 1. Das Selbstbewußtsein als unerfüllter Darstellungsbereich 2. Das Sich-Anerkennen und seine Darstellung als "Schluß" 3. Der Kampf auf Leben und Tod a) Vorbemerkung:"Ich" und sich auf sich beziehende Negation b) Illustrierende Bemerkung zur Situation "einander gegenübertretender Selbstbewußtseine" c) Der Verlauf des "Kampfes auf Leben und Tod" 4. Der Verlauf von Herrschaft und Knechtschaft 5. Aufbau und Funktion des Kapitels "Selbstbewußtsein" 6. Erscheinungen der Autosuffizienz des Selbstbewußtseins in Stoizismus und Skeptizismus 7. Selbstaufgabe und Erfüllung des Selbstbewußtseins im unglücklichen Bewußtsein KAPITEL VI 1. Zum weiteren Vorgehen dieser Arbeit."Unglückliches Bewußtsein" und "unglückliches Selbstbewußtsein" 2. Der Abschluß der Phänomenologie ohne das Religionskapitel 3. Schöne Seele, reiner Begriff und Rechtfertigung des Bösen aus Einsicht 4. Religion als Phänomen des Geistes KAPITEL VII 1. Die offenbare Religion für die begreifende Betrachtung. Die Erfahrung des Begriffs 2. Die offenbare Religion für das vorstellende Bewußtsein. Die geistige Gemeinschaft 3. Die offenbare Religion für die selbstbewußte Gemeinschaft 4. Die Funktion des Abschnitts "Die offenbare Religion" KAPITEL VIII Einzelergebnisse der Arbeit in Thesen ANMERKUNGEN LITERATUR EINLEITUNG Entscheidende Fortschritte der Hegel-Forschung erfolgten in den letzten Jahren in Untersuchungen zu Hegels Logik. Damit wurden zugleich Aussichten eröffnet,auch den Text der Phänomenologie des Geistes1 aufzuklären, und zwar ohne dabei die Unterschiede von Phänomenologie und Logik zu verwischen. Die Einleitung dieser Arbeit soll dies dartun.Sie beginnt mit einem Vorschlag zur Beseitigung einer Schwierigkeit in der Diskussion(1.) und entwickelt daraus einen Zugang zur Phänomenologie, der Grundgedanken dieses Werkes erschließt (2.). Sodann sollen der Verlauf und die Vorhaben der vorliegenden Arbeit erläutert werden (3.). 1. Ein Rückfall hinter die Einsicht, daß jeder Gedanke von Gewicht in Hegels reifem Werk mit Rücksicht auf eine Negation formuliert ist2, könnte vor allem mit zwei Argumenten eingeleitet werden: Erstens lasse sich in Hegels Texten keine klare Aufforderung erkennen, eine Negation ausdrücklich zur Voraussetzung eines Gedankenganges zu machen;zweitens widerspricht es jeder Erfahrung, eine Negation unter anderen Umständen einzuführen als im Blick auf eine bereits vorliegende Verbindung. Beide Einwände können zurückgewiesen werden, wenn sich zeigen läßt, daß die Negation Voraussetzung elementarer Bedingungen jeder Erfahrung ist, daß sie sich aber als diese 1 Die Phänomenologie des Geistes wird meistens im Text, und dort nur mit Seitenangabe (in Klammern), zitiert. Es wird die Ausgabe von J. Hoffmeister, PhB 114, 6. Aufl., Hamburg 19 52, zugrundegelegt. Hegels Werke werden nach möglichst leicht zugänglichen Ausgaben zitiert, soweit dies keinen Verzicht auf qualitativ eindeutig höherwertige Textvorlagen erfordert. Die in G.W.F. Hegel, Gesammelte Werke, vorliegenden Jenenser Texte werden nach dieser Ausgabe (GW) zitiert. Nur GW wird den Ausgaben der Philosophischen Bibliothek Meiner (PhB) vorgezogen. Die Texte, die PhB nicht bietet, kommen in der Regel nach der Theorie Werkausgabe Suhrkamp zum Zitat (ThWS). Es werden also diese Ausgaben in der Rangfolge GW-PhB-ThWS benutzt; die Texte, die sie nicht bieten, ferner die Jugendschriften (Nohl) und die Ästhetik werden nach Einzelausgaben zitiert. Die - für den Hegel-Kenner eindeutigen - verwendeten Abkürzungen sind dem Literaturverzeichnis leicht zu entnehmen. 2 Die folgenden Ausführungen verdanken durchgängig ihre Orientierung den Arbeiten von D. Henrich, Hegels Grundoperation, in: Der Idealismus und seine Gegenwart, W.-Marx-Festschrift, Hamburg 1976, 208ff., (zit.: Henrich, Grundoperation); und: Formen der Negation in Hegels Logik, Hegel-Jahrbuch 19 74, Köln 1975, 245ff., (zit.: Henrich, Formen der Negation). Daß der Übergang von relativer Unbestimmtheit zu größerer Bestimmtheit ein wichtiger Schlüssel zur Erhellung der Hegelschen Operation mit der Negation ist, habe ich durch H.F. Fulda, Unzulängliche Bemerkungen zur Dialektik, in: Hegel-Bilanz 1971, Zur Aktualität und Inaktualität der Philosophie Hegels, hg. R. Heede und J. Ritter, Frankfurt 19 73, 231ff., (zit.: Fulda, Unzulängliche Bemerkungen), durch die Diskussion seines Beitrags (ebd. 277) und von R. Wiehl, Platos Ontologie in Hegels Logik des Seins, in: Hegel Stud. II, 1965, 157ff., (zit.: Wiehl, Platos Ontologie), gelernt. Voraussetzung erst erweist. Elementare Bedingung jeglicher Erfahrung ist Bestimmtheitsgewinn, und sei. es nur ein minimaler Bestimmtheitsgewinn dadurch, daß irgend etwas plötzlich auf irgendeine Weise einen umherschweifenden Blick auf sich zieht, daß ein Gespräch mit Einführung eines einfachen Ausdrucks begonnen wird oder, fortgeschrittener, daß ein einfacher Ausdruck charakterisiert wird. Die Realisierung des Bestimmtheitsgewinns hat aber zur Voraussetzung, daß die unbestimmtere Situation und die bestimmtere zugleich präsent gehalten werden.In diesem Moment der Unentschiedenheit und des Vergleichens wird der Bestimmtheitsgewinn noch nicht anerkannt. Indem die unbestimmtere Situation festgehalten wird, wird der Bestimmtheitsgewinn faktisch negiert. Denn Negation ist nicht nur als ein Rückgängigmachen aufzufassen,sondern es tritt mit ihr auch zunächst größere Unbestimmtheit an die Stelle der Bestimmtheit. Erst durch Negation dieser Negation wird die erste, unbestimmtere Situation zugunsten der zweiten aufgehoben. Damit ist erst skizziert, daß die Negation den Obergang von einer unbestimmteren zu einer bestimmteren Situation darstellen könnte. Noch ist die Negation als ein äußerliches Tun zu verstehen. Es läßt sich aber zeigen, daß es sich nicht nur um eine von verschiedenen Möglichkeiten handelt, den Übergang als Negation und Negation der Negation aufzufassen. Die beiden Situationen bringen selbst den Übergang und damit die Negation zur Darstellung. Es wird sogar gesagt werden müssen, daß sie diese Darstellung sind, wenn man von variablen Inhalten absieht. Das Unbestimmtere würde ohne das Bestimmtere, das Bestimmtere ohne das Unbestimmtere gar nicht als solches gedacht werden können. Es ist aber ungenau und die wesentliche Einsicht verstellend,zu sagen,sie müßten in Beziehung gesetzt werden. Die gesetzte Beziehung verstellt den Blick auf den zu betrachtenden3 Übergang. 3 Vgl. Hegels Aufforderung, nur zu betrachten, z.B. Logik II, 491, 496. Die Schwierigkeiten, in die man gerät, wenn man diese Aufforderung nicht wörtlich nimmt, dokumentieren schon Texte des Spätidealismus, an die zunächst A. Hartmann, Der Spätidealismus und die Hegelsche Dialektik, (Berlin 1937), Darmstadt 1968, (zit.: A. Hartmann), neuerlich wieder H.F. Fulda, Das Problem einer Einleitung in Hegels Wissenschaft der Logik, Philos. Abhandlungen XXVII, 2. Aufl., Frankfurt 1975, (zit.: Fulda, Einleitung) erinnert haben. S. z.B. Ch.H. Weiße, Über den gegenwärtigen Standpunkt der philosophischen Wissenschaft, Leipzig 1829, 133ff. und die kritischen Bemerkungen z.B. 204ff.; I.H. Fichte, Über das Prinzip der philosophischen Methode mit Bezug auf die Erkenntnislehre, Zeitschrift für Philosophie und spekulative Theologie IV, 1839, 45 u. 69ff. Trotz ihrer gewichtigen Motive (vgl. E. Hirsch, Geschichte der neueren evangelischen Theologie im Zusammenhang mit den allgemeinen Bewegungen des europäischen Denkens, Bd. V, 5. Aufl., Gütersloh 1975, 274ff.; vor allem D. Henrich, Der ontologische Gottesbeweis, Tübingen 1960, 238ff, [zit.: Henrich, Gottesbeweis]) sind sie durch eine unbefangene Verteidigung des Vorgehens Hegels, wie sie J. Schaller, Die Philosophie unserer Zeit. Zur Apologie und Erläuterung des Hegelschen Systems, Leipzig 1837, vorgetragen hat, verunsichert worden. (Vgl. die von A. Hartmann, aaO. 39 und Anm. 19 zitierten und erwähnten Texte.) Die bestimmtere Situation würde ohne die unbestimmtere, die ihr voranging, gar nicht als solche gedacht werden können. Die unbestimmtere aber ist die Verneinung der bestimmteren. Sie ist deren Rückgängigmachen und das Auftreten der größeren Unbestimmtheit, das die Negation ist. Hegel hat diese erste Negation "abstrakte Negation" genannt.Zugleich mußte sich aber diese Negation negiert haben, damit das Bestimmtere überhaupt auftreten konnte. Diese Selbstaufhebung des Unbestimmteren gelangt im Bestimmteren zur Darstellung, was zunächst nur dadurch angezeigt wird, daß das Bestimmtere an die Stelle des Unbestimmteren tritt. Es läßt sich begreiflich machen, daß das Unbestimmtere im Bestimmteren aufgehoben, d.h. aufbewahrt und verschwunden ist, wenn das Bestimmtere als Negation der Negation aufgefaßt wird: das Unbestimmtere, das seine Negation ist, und deren Selbstaufhebung sind in ihm zu erfassen. Damit erst wird der Bestimmtheitsgewinn gedanklich festgehalten. Das Bestimmtere ist die Einheit der Darstellung des Unbestimmteren und dessen Selbstaufhebung, der Negation und der Negation der Negation.4 Werden das Bestimmtere und das Unbestimmtere zugleich präsent gehalten,so werden sie getrennt fixiert und einander entgegengesetzt:z.B. als Negation und Position(Negation der Negation), Altes und Neues("das Negative des Alten" 5).Sie aufeinander zu beziehen heißt, eine Unterscheidung zu machen,in der ihr Ineinander-Übergehen und ihre Einheit gerade unkenntlich werden. Jedes Beziehen ist Beziehen Unterschiedener und als solches zugleich Unterscheiden. Das Beziehen negiert zugleich die Einheit, die es aufweisen oder herstellen will. Demgegenüber stellt die Negation nicht nur das unterscheidende Beziehen und beziehende Unterscheiden dar,sondern ermöglicht es auch, die bestimmte Einheit der Unterschiedenen und aufeinander Bezogenen auszudrücken. Mit dem Auftreten des Bestimmteren verschwindet das Unbestimmtere(Negation der Negation als Elimination der Negation) in ihm, und zugleich stellt es sich im Bestimmteren dar(Negation der Negation als Position). Verschwundene und zur positiven Darstellung gelangte Negation stehen in negativer Beziehung zueinander, die im gesetzten Positiven,in dem die Negation verschwunden ist,zur Darstellung gelangt.6 Die negative Beziehung der Negation auf sich ist zugleich Selbstbeziehung. Manches spricht dafür, daß erst angesichts dieser Verfassung der Veränderung und des Übergehens Selbstbeziehung verständlich 4 Zur Unterscheidung von einfacher und doppelter Negation s. aber Logik II, 497. 5 Hegel am 20. Mai 1808 an Niethammer, Briefe I, 230. 6 Die Fähigkeit, dies auch zum sprachlichen Ausdruck gelangen zu lassen, unterscheidet das Vernünftige vom Zufälligen. Zur Aufforderung, die Darstellung des Betrachteten hervorzubringen, s. z.B. Phänom. 11, 21, 27, 39, 42, 48, 53 usf.; Gesch. d. Philos. I, ThWS 18, 40ff.; Berliner Sehr., ThWS 11, 248f.; dazu R. Bubner, Strukturprobleme dialektischer Logik, in: W.-Marx-Festschrift, Hamburg 1976, 36ff., bes. 36f. gemacht werden kann. Selbstbeziehung ist nicht nur als Selbstdarstellung, sondern auch als Verzicht auf Selbstdarstellung aufzufassen. Das in der Selbstdarstellung gelegene Entzweien und Anderswerden ist Ausdruck der beiden in der Selbstbeziehung liegenden Momente. Dieser hier nur angedeuteten Perspektive wird in der Darstellung der Entwicklung der Phänomenologie großes Gewicht zukommen. Es ist deutlich geworden, warum Hegel "das Negative" in seiner allgemeinsten Bedeutung als "Veränderung überhaupt"7 aufgefaßt wissen wollte, die näher als Bestimmtheitsverlust oder Bestimmtheitsgewinn charakterisiert werden kann, wobei letzterer die aufgehobene Negation, wie oben im Ansatz entfaltet, zur Voraussetzung und zum Inhalt hat. Die Negation erweist sich als Voraussetzung8 dort, wo ein Übergang, die Kontinuität im Übergang, der Übergang als Entwicklung des Einen, die Differenz der Momente des Übergehens, deren Einheit, der erfahrene Verlust und der erfolgte Fortschritt erkannt werden und zur Darstellung gelangen sollen. Die erforderliche weitere Entfaltung und Bewährung dieses Diskussionsbeitrags soll im Blick auf die Phänomenologie des Geistes erfolgen, das Werk, das "ein Beispiel von ... (Hegels) Methode an einem konkretern Gegenstande, an dem Bewußtsein, aufgestellt" hat.9 2. Die Orientierung am gedanklich erfaßten Übergang vom Unbestimmteren zum Bestimmteren erleichtert den Zugang zur Phänomenologie auch von Standpunkten aus, die Hegel von vornherein gegen bewährte Einsichten verstoßen sehen. So kann derjenige, der geltend macht, das Bewußtsein sei in dem, wovon es Bewußtsein ist, gleichsam versunken und nur das Bewußte könne betrachtet werden, nicht aber das Bewußtsein selbst, auf die von ihm selbst getroffene Unterscheidung des vermeintlich unbestimmten "Bewußtseins selbst" und des bestimmten Bewußten, in dem das Bewußtsein versunken sei, hin angesprochen werden.10 Er unterscheidet nämlich das unbestimmte 7 Religionsphilos. I, 2. Teil, 208. 8 S. aber H. Radermacher, Zum Problem des Begriffs 'Voraussetzung' in Hegels Logik, in: Hegel Stud. Beih. 4, 1969, 115ff., bes. die Erwägungen 121 f. 9 Logik I, 35. Die 2. Aufl. merkt dazu an: "Später an den anderen konkreten Gegenständen und resp. Teilen der Philosophie." (ebd. Anm.; vgl. Logik A, XIX) S. aber auch D. Henrich, Hegel im Kontext, Frankfurt 1971, 101 ff., (zit.: Henrich, Hegel). Der Ausdruck Beispiel ist allerdings mißverständlich. Hegel hat selbst gegen Beispiele polemisiert, die nicht kontinuierlich Thema einer Erörterung sind und die die Bedingungen ihrer Einführung gerade nicht thematisch machen (vgl. Logik II, 491). Dabei ist nicht nur an "den kranken Müller, violette Ameisen, das Verhalten des Hundes Fido etc." zu denken, sondern auch an die seit A. Trendelenburg (Logische Untersuchungen, 2 Bde., Leipzig 1840, 3. Aufl. 1870) geläufig gewordene Widerlegungsstrategie, die Aussagen und Ausführungen Hegels zunächst als Beispiele auffaßt, sodann Vorschläge zur Rekonstruktion ihrer Einführung unterbreitet. 10 Vgl. den zur Interpretation der Einleitung der Phänomenologie sehr hilfreichen Beitrag von K. Cramer, Bemerkungen zu Hegels Begriff vom Bewußtsein in der Einleitung zur Phänomenologie des Geistes, W.-Marx- Bewußtsein, über das sich nichts Positives sagen lasse, von der "bestimmten Seite", in der es verschwunden sei. Zugleich bezieht er beide Seiten aufeinander,indem er das Unbestimmte als Verschwundenes festhält. Das, was dieser Betrachter tut, stellt er zugleich als Bewußtsein dar: "Dieses unterscheidet nämlich etwas von sich, worauf es sich zugleich bezieht; oder wie dies ausgedrückt wird:es ist etwas für dasselbe; und die bestimmte Seite dieses Beziehens oder des Seins von etwas für ein Bewußtsein ist das Wissen." (70) Eines allerdings unterscheidet den Betrachter von dem betrachteten Bewußtsein auch schon bei erster und äußerlicher Betrachtung: er hält ausdrücklich die unbestimmtere Seite, das vermeintlich unerkennbare Bewußtsein selbst,fest - während das betrachtete Bewußtsein diese Seite "sein"soll. Doch das betrachtete Bewußtsein ist nicht nur als diese Seite aufzufassen; es ist zugleich das auf der bestimmten Seite Verschwindende und in seinem Verschwinden auf diese Seite bezogen. Würde dieses Verschwinden nicht festgehalten werden, so wäre in zweierlei Hinsicht nicht einmal ein Ansatz zur Erhellung gegeben: Wie kann je eine Verbindung von Bewußtsein und Gegenstand gedacht werden, nachdem beide voneinander unterschieden wurden und die Unterscheidung nicht rückgängig gemacht werden soll? Wie ist es zu erklären, daß das Bewußtsein im Anspruch auf Wahrheit (vgl.70) von seiner Beziehung auf das Bewußte abstrahieren kann (das Bestimmte ist - unabhängig von meinem Wissen davon) 11, ohne in Bewußtlosigkeit zu versinken oder etwas Unverantwortbares zu behaupten? Doch wie kann jenes Verschwinden festgehalten und damit dem von Hegel häufig gemachten Ansinnen (29f., vgl. 67, 68, 69, 74) nachgekommen werden? Zunächst ist darauf aufmerksam zu machen, daß mit dem Unbestimmteren und Bestimmteren nicht die Voraussetzung vertrauter Korrelationen(Bewußtsein - Gegenstand; Subjekt - Objekt; Denken - Sein etc.)ersetzt werden soll, daß nicht eine durchsichtigere Korrelation an die Stelle der Voraussetzungen treten soll, die nach Hegel als Selbsttäuschung, Täuschung anderer, geradezu als Betrug angesehen werden könnten (65f.; vgl.28, 29, 34, 35, 64). Die Fixierung der unbestimmteren Seite als "Bewußtsein selbst" und der bestimmteren als "Gegenstand,in dem das Bewußtsein versunken sei",ist einseitig und "abstrakt" (vgl.70); ebenso einseitig könnte z.B. vom unbestimmteren "Gegenstand an sich" ausgegangen werden, der auf der bestimmteren Seite im Bewußtsein verschwunden, nur noch als mentales Ereignis vorhanden sei. Was als unbestimmtere Seite fixiert wird, ist in der Tat nur eine andere Konstellation, ein Festschrift, 7.5ff., bes. 85ff., (zit.: Cramer). 11 Vgl. Cramer, aaO. 91 f. anderer Ordnungszustand, als der auf der bestimmteren Seite vorliegende. Das Unbestimmtere ist als das Unmittelbare12, noch nicht Vermittelte13 aufzufassen,in weitester Bedeutung als das "ungebändigte (…) Gären der Substanz" (15), wobei aber "die Substantialität" nicht nur "die Unmittelbarkeit des Wissens selbst", sondern auch die Unmittelbarkeit, "welche Sein oder Unmittelbarkeit für das Wissen ist, in sich schließt" (19). Diese in der Substanz liegende latente Entzweiung wird im Auftreten der bestimmteren Seite aufgehoben:Sie gelangt zur Darstellung, denn es tritt etwas anderes auf als das Unbestimmte, bzw. dieses erweist sich als ein anderes; sie verschwindet, denn das Unbestimmtere verschwindet im Bestimmteren. Indem das Unbestimmtere verschwindet,scheint nur ein neues Unbestimmtes vorhanden zu sein - so wie z.B. mit der Einführung eines bloßen Terms die Unbestimmtheit geradezu offenbar wird. Aber die bestimmtere Seite, die im Gegensatz zur ersten die der Subjektivität genannt wird (vgl.20), stellt das Verschwindende in sich dar, oder es ist nur ein Darstellen seiner in sich14 vorhanden, das ebenso als Substanz wie als Subjekt aufzufassen ist.15 Es tritt, wie oben gezeigt, z.B. als im "Gegenstand verschwundenes Bewußtsein" oder als "im Bewußtsein verschwundener Gegenstand" auf. Dieses EntwederOder ist aber noch Ausdruck einer unvollkommenen Vermittlung, in der einmal die Subjektivität, ein anderes Mal die Substantialität abstrakt negiert wird. Die unvollkommene Vermittlung ist Resultat und Ausdruck des Standpunktes des Bewußtseins, das zunächst die Unterscheidung zweier Seiten voraussetzt und diese Voraussetzung auch noch in der Darstellung ihrer Überwindung fixiert. Dieses Verhalten, das im folgenden ausführlich darzustellen sein wird, ist leicht erkennbar, wenn die vom Bewußtsein ausgesprochenen Negationen betrachtet, nicht vergessen werden. So behauptet es z.B., das Bewußtsein sei im gewußten Gegenstand verschwunden, und sieht nicht, daß das in ihm vorausgesetzte unbestimmte Bewußtsein im Bestimmteren verschwunden ist, daß jenes Negative negiert ist und daß das Bestimmtere das positive Resultat der negierten Negation ist, das zugleich die aufgehobene Negation in sich schließt. Verfassung und Verlauf des Übergehens, das nicht als Übergehen von einem in ein 12 Zum Unmittelbaren als "Unerfahrenem", "Abstraktem" s. Phänom. 32. 13 Vgl. Phänom. 21 und dazu die folgenden Ausführungen. Das Vermittelte ist "das Aufheben des Unmittelbaren, mit sich Einigen als eines an sich selber schon Negativen, Unterschiedenen, ebenso aber auch Vermittlung dieser Vermittlung, d. h. Aufheben derselben Negation des Unterschiedes, dessen Ansichsein die erste Vermittlung setzte". (Religionsphilos. I, 144) 14 Phänomenologie (vgl. z.B. Phänom. 16) und Logik (vgl. Logik II, 499; dazu P. Rohs, Form und Grund. Interpretation eines Kapitels der Hegelschen Wissenschaft der Logik, Hegel Stud. Beih. 6, 1969, 115ff. u. 269) sprechen in der Regel vom "in sich gegangenen und mit sich identischen Ganzen". 15 "'Die Substanz ist als Subjekt zu bestimmen.' Dieser Grundsatz Hegels formuliert sein philosophisches Pro­ gramm vollständig und profiliert es gegen seine wichtigsten Alternativen." Henrich, Hegel, 95, vgl. 95-99. anderes,sondern als Veränderung und Werden des Bleibenden16 aufzufassen ist, sind im ersten Teil dieser Einleitung kurz charakterisiert worden. Die Negation der Negation ist Verschwinden der Negation und hat zugleich ein Resultat. Das Resultat ist ein anderes als die Negation und scheint eine äußere Voraussetzung zu sein. Es ist aber nach Hegel in Wahrheit ein Ausdruck der inneren Differenz der negierten Negation, die als verschwindende und setzende selbst in negativer Beziehung auf sich steht und in dieser Entzweiung zugleich Selbstbeziehung zur Darstellung bringt.17 Dies am konkretem Gegenstand, am Bewußtsein aufzuzeigen ist das Vorhaben der Phänomenologie des Geistes. Im Ausdruck "Geist" artikuliert sich die Vorstellung,"daß die Substanz wesentlich Subjekt ist" (24; vgl. ebd. und 27). Bereits zu Beginn der Phänomenologie ist der unerfahrene, unerkannte, eben der "unmittelbare Geist" gegenwärtig; das heißt nichts anderes als:es ist ein noch unbestimmtes Wissen gegenwärtig.Indem es als Gegenstand aufgefaßt wird,tritt auch ein Bewußtsein auf, und das Bewußtsein wird gefragt, was es eigentlich weiß. Dies aber erfolgt nicht, um es schließlich mit der Vorstellung des Geistes vertraut zu machen,sondern um das "chaotische Bewußtsein ...zur Einfachheit des Begriffes zurückzubringen" (13)."Das Wissen, wie es zuerst ist, oder der unmittelbare Geist ist das Geistlose, das sinnliche Bewußtsein. Um zum eigentlichen Bewußtsein zu werden, oder das Element der Wissenschaft, das ihr reiner Begriff selbst ist,zu erzeugen, hat es durch einen langen Weg sich hindurch zu arbeiten." (26) Nun würde es sich das Bewußtsein gleichsam verbitten,"chaotisch" genannt zu werden. Es verhält sich ja keineswegs völlig orientierungslos und verfügt sogar über verschiedene Weisen gedanklichen Verhaltens, die eine Steigerung gedanklicher Disziplin, kontrollierten Vorgehens und diagnostischer Kraft erlauben. Es würde auch gar nicht einsehen, was jenes "Zurückbringen zur Einfachheit des Begriffes" eigentlich sein soll. Deshalb ist, wie Hegel betont, von der Ankündigung dieses oder ähnlicher Programme zunächst abzusehen. Ebenso ist der Anspruch des Bewußtseins auf ein Wissen, das keiner weiteren Belehrung bedarf,in der vorzunehmenden Prüfung dieses Anspruchs anzuerkennen. Es kann nicht angehen, so etwas wie ein törichtes Bewußtsein erst einmal darzustellen, um sodann zu zeigen,wie töricht es ist; dies wäre selbst ein eitles und törichtes Unterfangen.Im dargestellten Bewußtsein kommt ein ernstzunehmendes, mögliches Verhalten des Betrachters dieses Bewußtseins zur Darstellung.18 16 S. dazu die sehr klaren Ausführungen zum Wahrnehmen, Nürnberger Sehr. (ThWS 4), 115, § 16. 17 Es ist hier noch einmal auf die Anmerkungen 2 und 6 zu verweisen. 18 Auch in dieser Hinsicht ist bereits zu Beginn auf latente Weise das "Geist" Genannte präsent: "Ich, das Wir, und Wir, das Ich ist." (Phänom. 140) Ein mögliches Verhalten des Betrachters ist für ihn gegenständlich gemacht,insofern hat er, wie Hegel bemerkt, nur zuzusehen (72). Das heißt aber nicht einfach, daß er dieses gegenständlich gemachte Bewußtsein stets wie einen lebendigen, fremden Akteur und Gesprächspartner behandeln soll. Es ist zu betrachten,im Blick auf welchen Gegenstand das Bewußtsein vergegenständlicht werden konnte. Indem dieser Gegenstand zur Darstellung gelangt, identifiziert sich der Betrachter mit dem dargestellten Bewußtsein. Zugleich verschwindet es im Gegenstand und im Betrachter selbst. Deshalb scheint in der Phänomenologie häufig eine Entwicklung zu scheitern. Es muß nun gezeigt werden, warum angesichts dieses Gegenstandes, den wir vor uns haben und in dem das Bewußtsein verschwunden ist, dennoch eine Darstellung des Bewußtseins erfolgen konnte. Diese vermeintliche Rekonstruktion ist ein Fortschritt in der Entwicklung. Denn der Gegenstand, in dem das Bewußtsein verschwand,ist nicht unverändert derselbe wie der, angesichts dessen es auftrat. Dies darzustellen ist Aufgabe des Betrachters (vgl. 74). Er muß festhalten, daß nicht das Bewußtsein,sondern nur der alte Gegenstand verschwunden ist. Hegel hat dies eine "Umkehrung des Bewußtseins selbst" (74)genannt. Angesichts des neuen Gegenstandes tritt eine neue Gestalt des Bewußtseins auf, die zugleich die gewonnene Einheit und die alte Differenz von Bewußtsein und Gegenstand zum Ausdruck bringt. Dies ist aber auch ein Fortschritt in der Selbsterkenntnis des Betrachters, der sich in der neuen Gestalt konkreter und differenzierter dargestellt findet. Dieser hier nur kurz und abstrakt vorzustellende Rhythmus von Vergegenständlichung (Negation) des Bewußtseins, Negation der Vergegenständlichung angesichts des ihr entsprechenden Gegenstandes, neuer Darstellung des Gegenstandes und Rekonstruktion des zugleich darstellungsfähigen und verschwindenden Bewußtseins kennzeichnet den Weg der Phänomenologie. Er ist zugleich ein Weg der inhaltlichen Selbsterkenntnis des Betrachters. 3. Aufgrund der vorgetragenen Überlegungen eröffnen sich gute Aussichten, das Verfahren von Hegels Phänomenologie des Geistes zu erhellen. Dies zu zeigen ist eines von zwei Vorhaben der vorliegenden Arbeit. Dabei kann es also nicht nur darum gehen, darauf hinzuweisen, daß die vorgetragenen prinzipiellen und methodischen Überlegungen im Text hier und dort oder auch häufig wiederzuerkennen sind. Es muß sich vielmehr zumindest zeigen, daß und auf welche Weise sie auf weite Strecken die Entwicklung eines Gedankenund Argumentationsganges leiten und fördern sowie den weiteren Verlauf vorauszusehen erlauben. Das zweite Vorhaben dieser Arbeit ist es,zur Beendigung des oft heftig geführten und bis heute anhaltenden Streites für und wider die Theologizität der Philosophie Hegels beizutragen, einer Kontroverse,für die der Abschnitt "Die offenbare Religion" von zentraler Bedeutung ist. Die beiden Vorhaben sind eng miteinander verbunden. Die Einsicht in das Verfahren der Phänomenologie wird sich in der Entschlüsselung des Abschnitts "Die offenbare Religion" bewähren müssen. Andererseits macht dieser Abschnitt ausdrücklich und wiederholt darauf aufmerksam, daß er mit einer in zwei Sätzen und deren "Bewegung" darzustellenden Systematik operiert, die ohne Kenntnis des Verfahrens der Phänomenologie dunkel bleibt. Ein Ergebnis des zweiten Vorhabens soll hier bereits als These angekündigt werden: Nach Hegel kommt der christlichen Überlieferung eine wichtige, aber begrenzte Funktion in der Bildung einer freien Gemeinschaft zu,in der der einzelne sich selbst in der Gemeinschaft und diese sich selbst im einzelnen erkennen kann und erkennt. Die christliche Religion ist der vorletzte Schritt auf dem Wege zur Gewinnung eines "substantialen Selbstbewußtseins" . Obwohl dieser Abschnitt eine imponierende Diagnose von Lehrinhalten der christlichen Überlieferung bietet, dürfte die Entscheidung nicht leichtfallen, Hegels Philosophie weiterhin "theologisch" zu nennen. Es wird sich zeigen, daß die Anforderungen an ein methodengeleitetes Denken, die er stellt, nicht zu verwechseln sind mit der Berufung auf konfessorische Voraussetzungen. Da das Verhältnis von allgemeinem und einzelnem Selbstbewußtsein für den Abschnitt "Die offenbare Religion" bestimmend ist,scheint er zumindest die Klärung des schwierigen Verhältnisses von Allgemeinem und Einzelnem und die Erhellung der Darstellung des Selbstbewußtseins erforderlich zu machen. Weil das Beziehen und Unterscheiden von Allgemeinem und Einzelnem grundlegend in den Kapiteln "Wahrnehmung" und "Verstand"zur Darstellung kommt, lag es nahe, den an das erste Vorhaben zu richtenden Erwartungen und den Erfordernissen des zweiten Vorhabens durch eine Darstellung der Entwicklung der ersten vier Kapitel der Phänomenologie zugleich Rechnung zu tragen. Für dieses Vorgehen, das wohl etwas unelegant ist, spricht vor allem seine leichte Überprüfbarkeit. Könnten ein freieres Verhältnis zum Text gewonnen und eine selbständige Kontrolle der Entwicklung gewahrt und gestärkt werden,so hätte sich dieses Vorgehen bewährt. Daß es in der Tat bei der Lektüre des Textes zu helfen vermag, soll zudem unterstrichen werden durch Hinweise auf die - auch für einen von außen herantretenden Betrachter diskutablen - Absichten Hegels, durch wiederholte Hervorhebung der durchgängig vorhandenen, aber von Kapitel zu Kapitel präziser gefaßten Frage- und Problemstellungen, durch Aufweis der die Entwicklung leitenden Operationen mit der Negation sowie durch Antizipationen der Fortschritte, die im Blick auf Vorangehendes zu erwarten stehen. Zur Durchführung des zweiten Vorhabens der Arbeit ist zunächst zu zeigen, daß Hegel einen direkten Übergang von der "Moralität"zum "absoluten Wissen"ins Auge gefaßt hat, und darzutun, wie sich dieser Übergang gestaltet. Sodann ist zu klären, ob das "Religionskapitel"in diese Entwicklung gleichsam eingeschoben wird und warum Hegel in dieser inkonsequent und zweideutig erscheinenden Weise verfährt. Die Untersuchung des Abschnitts "Die offenbare Religion" wird eine Antwort auf diese Frage geben. Die beiden Aufgabenstellungen, denen sich vorliegende Arbeit zuwendet,sind fast so alt wie die Phänomenologie des Geistes selbst. Am 30.7.1808 schreibt Schelling an Windischmannn, der eine Rezension der Phänomenologie vorbereitet:"Mich verlangt zu sehen, wie Sie den Weichselzopf entwirrt haben". Und Schelling fügt hinzu: "hoffentlich haben Sie diesen nicht von der gottesfürchtigen Seite genommen …" KAPITEL I 1. Darstellung des ersten Schrittes der Phänomenologie Der erste Gegenstand der Phänomenologie ist ein Wissen (79). Man möchte sofort fragen: wovon? und: wessen? Es handelt sich aber um ein Wissen, das im Blick auf beliebige Gegenstände, von welcher Beschaffenheit sie auch seien, von jedem geltend gemacht werden kann: ein Wissen des (zweideutigen) "Diesen" (vgl.79f.). Als ein solches soll es der Betrachtung unterzogen werden. Dieses Wissen tritt als sinnliche Gewißheit auf. Wie kann dieses Wissen Gegenstand und betrachtet werden? Es muß ein diesem Wissen gemäßer Gegenstand ihm vor Augen gebracht und zugesehen werden, was dieses Wissen weiß, wie es sich darstellt. Ein diesem Wissen gemäßer Gegenstand scheint die Zeit- oder Raumstelle zu sein. In ihr können tatsächlich Wissendes und Gewußtes in die einfache Einheit des Wissens treten bzw. in dieser Einheit bleiben.19 19 S. W. Wieland, Hegels Dialektik der sinnlichen Gewißheit, in : Materialien zu Hegels 'Phänomenologie des Geistes', hg. v. H.F. Fulda und D. Henrich, Frankfurt 1973, 67ff., zur Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt, daß dem Bewußtsein "die Unterscheidungsgesichtspunkte der Reflexion noch nicht zur Verfügung stehen" (75). W. Purpus, Die Dialektik der sinnlichen Gewissheit bei Hegel, dargestellt in ihrem Zusammenhang mit der Logik und der antiken Dialektik, Nürnberg 1905, hat einen "Standpunkt ..., auf welchen der Leser der Phänomenologie am Anfang gestellt wird" (5, vgl. 15f.), konstruiert, den Hegel ausdrücklich erst für die Wahrnehmung beansprucht (s. Phänom., 89). In weiten Streifzügen durch das gesamte Werk bekundet, er, daß es die "Dialektik" sei, die "hier in sinnenfälliger Weise vom Bewußtsein gehandhabt wird" (21, Hervorhebung Vf.). Kontinuierlich hält er "das Ich, den Gegenstand und die Beziehung selbst" (55) als in einer fixen Relation stehende Größen fest, um selbst aufwendige Beschreibungen dieser Relation mit Hegels Worten anzustellen. Eine vage Selbstverständigung über die Voraussetzung der "Phänomenologie" (6ff.) hat diesem Verfahren Raum gegeben. - Der Text ist weitgehend identisch mit W. Purpus, Zur Dialektik des Bewußtseins nach Hegel. Ein Beitrag zur Würdigung der Phänomenologie des Geistes, Berlin 1908, 18-64, (zit.: Purpus). J. Hyppolite, Genèse et Structure de la Phénoménologie de l'Esprit de Hegel, Paris 1946, (zit.: Hyppolite), ist der Überzeugung gewesen, es seien zu betrachten und es würden sich als "dialektisch" erweisen: l'objet, d.h. un uni­ versel abstrait (89ff.), le moi ineffable (93ff.) und l'unité concrète de la certitude sensible (96, 96ff.). Er ist auf dieser Basis zu einem Ergebnis gekommen (98), das in der Phänomenologie selbst erstmals am Ende des Kapitels 'Die Wahrnehmung' ins Auge gefaßt wird. Vorsichtiger zunächst hat neuerdings J. Heinrichs, Die Logik der "Phänomenologie des Geistes", Bonn 1974, (zit.: Heinrichs), "drei Seiten der Dialektik" (121) in diesem Kapitel aufgefunden und die "Dialektik der Gegenstandsseite" (118-120, Hervorhebung Vf.), der "Subjektseite" (120f.) und die "der Beziehung als solcher" (121) einer kurzen Musterung unterzogen. Der Entschluß, mit Zitat und Paraphrase konsequenter als seine Vorgänger am Text zu bleiben, hat ihn in die Lage versetzt, zwei wichtige Interpretationsaufgaben zu fixieren (116f. ; 119f.). Die "völlige Gleichartigkeit der drei Seiten der Dialektik" (121), den seines Erachtens "ohne weiteres" erfolgenden Übergang von einem "dialektischen Gang" (ebd., vgl. 120) zum nächsten zu zeigen, hat er nicht vermocht. Der Leser wird an die Jenenser Logik, Metaphysik und Naturphilosophie (JL, GW VII), verwiesen, um den Anspruch, mit dem Heinrichs angetreten ist (vgl. 3ff.; 103ff.), selbst einzulösen (s. 121!). Seiner Überzeugung, daß in der Phänomenologie "die innerspekulative Differenz der Sinnelemente Denken und Sein als Subjekt-Objekt-Differenz für das Bewußtsein durchgespielt wird" (517), folgt nicht die Darstellung (vgl. Phänom. 11) des 'Durchspielens'. Die eigene Strategie, eine fortschreitende Entwicklung vor Einnahme eines neuen "Standpunktes" einfach zu behaupten und die Beweislast an den Leser zurückzugeben oder sich ihrer per Wechsel der Textvorlage zu entledigen, sucht Heinrichs durchaus gegen konkurrierende Verfahren zu verteidigen (vgl. z.B. die merkwürdige Auseinandersetzung mit H.F. Fulda, 89ff., bes. 90f.) oder zu begründen: Er beobachtet im ersten Kapitel der Phänom.: "Es geht also um die Maßstäbe, welche die Sprache zeigt ... Die Entscheidung für die sprachliche Wahrheit ... stellt nun allerdings Die sinnliche Gewißheit wird also gefragt: "Was ist das Jetzt?" Es wird nun eine Bestimmung eingeführt, "zum Beispiel: das Jetzt ist die Nacht" (81). Doch an dieser Bestimmung kann nicht festgehalten werden. Es lassen sich mit gleichem Recht andere, sogar einander widersprechende Bestimmungen einführen (vgl. ebd.). Auch die Behauptung: "Das Jetzt ist der Tag" ist eine Behauptung der sinnlichen Gewißheit. Da nicht zum Ausdruck kommt, daß mit anderen Bestimmungen ein anderes Jetzt und eine andere sinnliche Gewißheit auftreten,ist festzuhalten: Das Jetzt erhält sich bestimmungsfähig durch Negation von Bestimmungen. "Ein solches Einfaches, das durch Negation ist, weder Dieses noch Jenes, ein Nichtdieses, und ebenso gleichgültig, auch Dieses wie Jenes zu sein, nennen wir ein Allgemeines; das Allgemeine ist also in der Tat das Wahre der sinnlichen Gewißheit." (82) Denn auch die sinnliche Gewißheit erhält sich durch Negation von Bestimmungen und erweist damit "an ihr selbst das Allgemeine als die Wahrheit ihres Gegenstandes" (82). Sie stellt sich und ihren Gegenstand nicht durch eine einzelne Bestimmung dar, sondern durch das Verhalten, diese Bestimmung ebenso zu negieren, diese Negation durch Einführung einer anderen Bestimmung darzustellen oder wiederum zu negieren und sich in diesem Verhalten eine weittragende Vorentscheidung dar." (119) Sodann artikuliert er Bedenken: "Wenn es nun aber Wahrheit gibt, die unter- oder auch übersprachlich ist? Hat nicht auch das sinnliche Meinen als solches seine Wahrheit? Nun, auch darüber müßte gesprochen werden." (120) Seine Bedenken und die Probleme dieser weittragenden Vorentscheidung mag er also nicht "voll ausdiskutieren" (vgl. ebd.). Allerdings bleiben die "kategoriologischen" Unternehmungen (vgl. 517, 515ff.) der Meinung fremde Aufforderungen und Versicherungen, eben andere Meinungen, weil sie zumindest eines mit ihr gemeinsam haben: auch sie können die Distanz, die zwischen beiden "Standpunkten" liegt, nicht sprachlich überwinden. Darum aber ist es zu tun. S. dazu die Untersuchung von R. Wiehl, Über den Sinn der sinnlichen Gewißheit in Hegels 'Phänomenologie des Geistes', in: Hegel in der Sicht der neueren Forschung, hg. I. Fetscher, Darmstadt 1973, 35ff., bes. 39ff., (zit.: Wiehl, Sinnl. Gewißheit). Während Heinrichs Hegels "Vorentscheidung" anerkennt, sie zu integrieren bemüht ist und Unsicherheit zeigt (120), hat W. Becker, Hegels "Phänomenologie des Geistes". Eine Interpretation, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1971, (zit.: Becker), versucht zu zeigen, daß Hegel damit eine illegitime Voraussetzung einbringt. Auf keiner Seite mit Unterstellungen aller möglichen Unlauterkeiten an die Adresse Hegels geizend (der unbefangene Leser muß sich fragen: Warum wird ein in Beckers Augen so schlechtes Buch so eingehend behandelt?), meint Becker: "Die Dialektik, in welche die 'sinnliche Gewißheit' geraten soll, kommt in Wirklichkeit dadurch zustande, daß Hegel generell den sprachlichen Ausdruck zum Kriterium des ganzen Sachgehalts der 'sinnlichen Gewißheit' macht." (24) Prüft man seine Einwände, so zeigt sich, daß er bereits Wahrnehmungen vor Augen hat (24f.) und dies offenbar auch berechtigt findet (29). Von Wahrnehmungen ausgehend, beobachtet er: "Was immer ich auch sprachlich als Ausdruck des Gesehenen anführe: es erreicht nie die unmittelbare Gewißheit des Sehakts selber." (25) Einen zweiten wichtigen Einwand gewinnt er aus der Beobachtung des von Hegel zunächst angeführten Beispiels "für ein Fall 'sinnlicher Gewißheit'" (27): "Das Jetzt ist die Nacht." Er kann leicht zeigen, daß die Wahrnehmung diesen Satz ganz anders formulieren lassen würde (28f.), und sieht Hegel "auf diese Weise die Sprache durch eine sinnlose Konstruktion zum Wahrheitskriterium" machen (28). Man ist nun gespannt, wie Becker sich mit Hegels zweitem, sprachlich weniger anstößigen Beispiel und mit Hegels Beobachtung der schweigenden sinnlichen Gewißheit auseinandersetzen wird, was er dort einwenden wird, wo seine Einwände offenbar Berücksichtigung erfuhren. Doch Beckers Interpretation hat nur das erste Drittel des Kapitels "Die sinnliche Gewißheit" in der Perspektive der Wahrnehmung betrachtet. sichselbstgleich zu erhalten.20 Sinnliche Gewißheit und ihr Gegenstand erhalten sich durch Negation von Bestimmungen. Dieses sich durch Negation erhaltende Allgemeine ist die Wahrheit der sinnlichen Gewißheit, denn darin entsprechen Wissen und Gegenstand einander. Abwegig aber erscheint es, das sich durch Negation einfach erhaltende Allgemeine als Gegenstand aufzufassen. Hauptsächlich wohl deshalb ist gegen den ersten Schritt der Phänomenologie protestiert worden.21 In der Tat könnte man nur negative Folgerungen ziehen, wie:es sei der sinnlichen Gewißheit nicht gelungen, "das Jetzt" zu identifizieren, sie selbst sei gar nicht vor Augen getreten, und es sei überhaupt abwegig, "das Jetzt" als den Gegenstand der sinnlichen Gewißheit und diese selbst identifizieren zu wollen. Die vielen Bedenken lassen sich auf zwei Einwände reduzieren. Der erste lautet: die sinnliche Gewißheit kann nicht in dieser Weise zur Sprache kommen. Der zweite Einwand lautet: Die sinnliche Gewißheit kann überhaupt nicht zur Sprache gebracht werden. 22 Man darf sagen: Auf diese beiden Einwände hat die Phänomenologie gerade gewartet. 2. Die erste Umkehrung des Bewußtseins Der zweite Schritt der Phänomenologie kann durchaus als eine Korrektur aufgefaßt werden, und zwar in zweierlei Hinsicht. Ist das sich durch Negation einfach erhaltende Allgemeine nicht als Gegenstand aufzufassen, so muß der Betrachter auch von dem Versuch ablassen, einen der sinnlichen Gewißheit gemäßen Gegenstand vorauszusetzen. Aber auch die sinnliche Gewißheit kann sich nicht auf einen Gegenstand berufen, da kein Gegenstand angebbar ist, der nicht als "Jetzt" und "Hier" aufgefaßt werden könnte. Damit aber wäre eine Rückkehr zum ersten Schritt nicht zu verhindern. Zugleich droht ein frühes Ende des Weges der Phänomenologie. Ist kein dem Betrachter und dem zu betrachtenden Wissen gemeinsamer Gegenstand mehr vorhanden, so scheint das Betrachten beendet. Das Wissen der sinnlichen Gewißheit beruft sich nur auf sich und bleibt unzugänglich. Aber dieses unzugängliche Wissen war im ersten Schritt der Phänomenologie aufgetreten und hatte sich als sich durch Negation von Bestimmungen Erhaltendes bestimmt. Dieses Resultat ist festzuhalten. Das Wissen ist nun als Bestimmungen verneinendes und 20 Wiehl, Sinnl. Gewißheit, bes. 38, vgl. 36. 21 Vgl. noch einmal Becker, aaO. 28f., 25. 22 Es sei darauf hingewiesen, daß Hegel faktisch eine Erklärung der Enzyklopädie (§ 418) "vorwegnimmt", die von der Forschung als kritische Selbstkorrektur angesehen wurde. 0. Pöggeler, Die Komposition der Phänomenologie des Geistes, in: Materialien, 329ff., 330, (zit.: Pöggeler, Materialien); vorsichtiger Heinrichs, aaO. 118. Werden die Darstellungsprobleme dieses Kapitels und die zur Verfügung stehenden Mittel durchschaut (vgl. auch Enzyklopädie § 44 7 Anm. und 448) , so wird man nicht von einer Selbstkritik, sondern von einer Lesehilfe (vgl. Enzyklopädie § 418, Schluß der Anm.) sprechen müssen. unzugängliches anzuerkennen: Ich (vgl. 83). Zugleich ist diese neue Voraussetzung eine nicht einseitig vom Betrachter getroffene, sondern ihm und dem betrachteten Wissen gemeinsam. Der Betrachter muß anerkennen: "das Verschwinden des einzelnen Jetzt und Hier, das wir meinen, wird dadurch abgehalten, daß Ich sie festhalte. Das Jetzt ist Tag, weil ich ihn sehe; das Hier ein Baum, eben darum." (83) Aufgrund dieser neuen Voraussetzung scheint das Resultat des ersten Schrittes (Das Jetzt ist ein Allgemeines) negiert werden zu müssen, und es fragt sich, wie es überhaupt zustande kommen konnte. Es kam zustande, weil von einem anderen Ich oder vom Ich in einer anderen Zeit- und Raumstelle mit demselben Anspruch und derselben Beglaubigung (vgl. 83)andere Behauptungen aufgestellt wurden. Aber auch diesmal ist das Resultat nicht nur die negative Einsicht, daß der Betrachter der wirklichen sinnlichen Gewißheit nicht Gerechtigkeit widerfahren lassen konnte. Die wirkliche sinnliche Gewißheit, die sich auf das Ich berief, war selbst gegenüber dem Betrachter ein anderes Ich. Das, worauf beide sich berufen können und berufen haben, "ist Ich, als allgemeines ,... ich meine wohl einen einzelnen Ich, aber so wenig ich das, was ich bei Jetzt, Hier meine, sagen kann, so wenig bei Ich. Indem ich sage, dieses Hier, Jetzt oder ein Einzelnes, sage ich alle Diese, alle Hier, Jetzt, Einzelne; ebenso,indem ich sage, Ich, dieser einzelne Ich, sage ich überhaupt, alle Ich; jeder ist das, was ich sage: Ich, dieser einzelne,Ich." (83f.) Die Schwierigkeit, in die der erste Schritt der Phänomenologie führt, schien sich noch durch Korrektur und Veränderung der Voraussetzung beheben zu lassen. Doch nun ist eine Situation der Sprachlosigkeit erreicht. Das, worauf man sich zur Beglaubigung des Anspruchs beruft, kann nicht ausgesprochen werden, und das, was zur Beglaubigung ausgesprochen wird, ist nicht das, worauf man sich beruft. Dem Betrachter aber ergeht es in dieser Situation nicht anders als dem betrachteten Wissen. 3. Zusammenfassung und Problemstellung: Das negative Sich-Beziehen des Allgemeinen Die Darstellung sollte so vorgenommen werden, daß die Rolle des Betrachters und die des Betrachteten durchsichtig wurden. Der Betrachter führte der zu betrachtenden sinnlichen Gewißheit einen ihr gemäßen Gegenstand(Jetzt und Hier)vor Augen. Sie sollte ihn identifizieren und damit selbst hervortreten. An der nun eingeführten Bestimmung(das Jetzt ist die Nacht) konnte nicht festgehalten werden, da im Blick auf den vorausgesetzten Gegenstand ebenso andere und der ersten entgegengesetzte Bestimmungen einzuführen waren. Der nach Ansicht des Betrachters der sinnlichen Gewißheit gemäße Gegenstand erhielt sich bestimmungsfähig durch Negation von Bestimmungen. Das im Blick auf ihn hervortretende Wissen erhielt sich ebenso durch Negation von Bestimmungen. Doch es handelte sich nicht um eine abstrakte Negation; das Jetzt war "ebenso gleichgültig, auch Dieses wie Jenes zu sein" (82) , und die sinnliche Gewißheit hielt durchaus eine einzige Bestimmung fest. Das negative Verhalten des Allgemeinen stellte also ein kompliziertes SichBeziehen dar, das bislang nicht aufgeklärt ist. Es ist im Blick auf die folgenden Kapitel wichtig, dies festzuhalten. Ein als ein solches Verhalten Darzustellendes war aber nicht als Gegenstand aufzufassen, sondern als ein Wissen. Dieses Resultat widersprach der Voraussetzung eines Gegenstandes durch den Betrachter. Das nicht mehr an einem gemeinsamen Gegenstand zu messende Wissen aber konnte sich nun durch Negation von Bestimmungen in einer einzigen Beziehung erhalten. Damit schien der Befund des Betrachters negiert zu werden, daß der Gegenstand der sinnlichen Gewißheit ein Allgemeines sei. Doch mit derselben Berufung auf das Wissen ("Ich")konnte eine andere Beziehung durch Negation von Bestimmungen geltend gemacht werden. Das - nun aber nicht mehr einseitig - vorausgesetzte und als Ich ausgedrückte Wissen erhielt sich ebenso durch Negation von Bestimmungen als Allgemeines. Weder die einseitige Voraussetzung eines zu identifizierenden Gegenstandes noch die beidseitige Voraussetzung eines zu rechtfertigenden Wissens führte zur Verständigung des Betrachters über die und mit der sinnlichen Gewißheit. Im dritten und abschließenden Schritt läßt der Betrachter die sinnliche Gewißheit selbst ihren Gegenstand voraussetzen und identifiziert ihn. Er hatte sich bislang durch Negation der von der sinnlichen Gewißheit eingeführten Bestimmungen, also auch als Allgemeines, erhalten. Der scheinbar überlegene, in Wahrheit aber die sinnliche Gewißheit an der Selbstdarstellung hindernde Standpunkt wird aufgegeben. Es wird vom Betrachter die Voraussetzung betrachtet, mit der die ganze Entwicklung begann: die Einführung einer Zeit- und Raumstelle als Gegenstand der sinnlichen Gewißheit. 4. Der dritte Schritt, der zugleich eine Rückkehr ist. Aufweis der die Entwicklung leitenden negativen Beziehung "Da hiemit diese Gewißheit nicht mehr herzutreten will, wenn wir sie auf ein Jetzt, das Nacht ist, oder auf einen Ich, dem es Nacht ist, aufmerksam machen,so treten wir zu ihr hinzu, und lassen uns das Jetzt zeigen, das behauptet wird." (85) Der Unwilligkeit der sinnlichen Gewißheit,sich auf Hinweise des Betrachters einzulassen, entspricht in dieser Situation noch die Unfähigkeit des Betrachters,sich auf diese Gewißheit einzulassen. Der Betrachter muß nun dem zusehen, was am Anfang der Entwicklung sein eigenes Tun war: der Einführung einer Raum- und Zeitstelle. Damit identifiziert er sich selbst mit der sinnlichen Gewißheit."Wir müssen daher in denselben Punkt der Zeit oder des Raums eintreten,sie uns zeigen, d. h. uns zu demselben diesen Ich, welches das gewiß Wissende ist, machen lassen." (85) Bei dem nun erfolgenden Aufzeigen entsteht folgendes Dilemma: Das Aufzeigen kommt immer zu spät, denn das Jetzt, das aufgezeigt werden soll, ist, indem es - Jetzt - aufgezeigt wird, in Wahrheit gar nicht mehr gegenwärtig. Ein vergangenes Jetzt ist aber kein Jetzt (vgl. 85). Indem es aufgezeigt wird, ist es als Vergangenes aufgezeigt. Es ist aber Jetzt als vergangenes Jetzt aufgezeigt, im Jetzt aufbewahrt. Das Aufzeigen des Jetzt negiert das aufzuzeigende Jetzt. Es erhält sich durch Negation des aufzuzeigenden Jetzt. Um sich zu erhalten, muß es sich aber auf das vergangene Jetzt beziehen. Es zeigt also das vergangene Jetzt auf, erhält es, negiert die Negation.Indem es aber das vergangene Jetzt aufbewahrt, ist es selbst vergangen, es hat sich negiert. Es erhält sich und das andere in sich,indem es sich und das andere negiert. Damit aber sind die bisherigen Schritte, ihr Scheitern und die Voraussetzungen des Scheiterns erfaßt und in ihrem Kern zur Darstellung gebracht. Das Aufzeigen des Jetzt durch die sinnliche Gewißheit negierte das vom Betrachter vorausgesetzte (aufzuzeigende) Jetzt und umgekehrt. Beide erhielten sich durch Negation des anderen; darin waren beide Ich einander gleich und aufeinander bezogen. Dies führte zum zweiten Schritt; es schien ein gemeinsames und verbindendes Wissen (Ich) vorausgesetzt werden zu können. Aber durch eben die sie verbindende Negation der Negation durch den anderen erhielten sie zugleich das unterschiedene Jetzt gegeneinander. Der Unterschied von Betrachter und Betrachtetem schien nur aufgehoben: ein "anderer Ich" zeigte ein anderes Jetzt. Beide standen also auch durch die doppelte Negation in negativer Beziehung. Im dritten Schritt scheint der Betrachter seine Position aufzugeben, sich negieren zu lassen. Es wird festgehalten und anerkannt: die sinnliche Gewißheit bezieht sich auf sich selbst, ist autosuffizient und schließt alle Entgegensetzung aus(vgl. 84). Aber die Negation der Negation negiert sich selbst.23 Der Betrachter scheint sich mit der sinnlichen Gewißheit so zu identifizieren, daß er in ihr verschwindet (vgl. 85). Aber die Negation der Negation stellt sich 23 Vgl. hierzu Anm. 2, bes. Henrich, Grundoperation, aaO. 216-219. in ihrem Verschwinden selbst dar. Der Betrachter erhält sich nicht nur im anderen, sondern stellt sich als das andere dar. Damit hebt er die sich gegen den Betrachter erhaltende Gewißheit auf. Die nun im Betrachter vorhandene Negativität ist der ihm und der sinnlichen Gewißheit gemeinsame Gegenstand, das Jetzt. An diesem Gegenstand wird die gemeinsame, unterschiedene und unterscheidende Voraussetzung offenbar: das Jetzt, das sich und das andere in sich erhält24, indem es sich und das andere negiert. Die Entwicklung ist damit soweit durchdrungen und dargestellt, daß die innere Systematik und das Verfahren der Phänomenologie in Grundzügen schon hervorgetreten sind. Dies konnte geschehen, indem das Verhältnis von Betrachter und Betrachtetem ausdrücklicher thematisiert wurde, als Hegel dies tut. Wird nicht die die Entwicklung leitende Negativität festgehalten, sondern nur das augenfällige Resultat, so ist zum Anfang der Phänomenologie zurückzukehren: Das vom Betrachter und von der betrachteten Gewißheit in unterschiedener Weise gemeinte Jetzt erweist sich durch diese Differenz als viele Jetzt, die im allgemeinen Jetzt auf eine noch dunkle Weise "zusammengefaßt" (vgl. 86) sind. Das Kapitel "Die Wahrnehmung" wird dieses Zusammengefaßtsein erhellen. 5. Vorläufige Antwort auf die Frage: Was ist Dialektik? "Es erhellt, daß die Dialektik der sinnlichen Gewißheit nichts anders als die einfache Geschichte ihrer Bewegung oder ihrer Erfahrung, und die sinnliche Gewißheit selbst nichts anders als nur diese Geschichte ist." (86) Auf dem Stande der bisher erworbenen Einsicht können wir zunächst allgemein festhalten: 1) Dialektik ist die Darstellung des Scheiterns einer intendierten Beziehung. Die sinnliche Gewißheit kann das von ihr Gemeinte nicht thematisieren. Es wird ein anderes als das Gemeinte thematisch. Nun könnte man sich damit abfinden, daß die intendierte Beziehung eben nicht hergestellt werden kann. Damit würde das Scheitern aber nicht zur Darstellung gelangen. Es muß festgehalten werden, daß die intendierte Beziehung nicht gelungen ist (erste Negation). Wird dieses Ergebnis festgehalten, so fragt es sich, was eigentlich als ein Festzuhaltendes vorliegt. Warum ist die Einsicht in ein Scheitern nicht die völlige Abwesenheit von Einsicht? Es muß festgehalten werden, daß die Einsicht in ein Scheitern in sich widersprüchlich und nicht gelungen ist (Negation der Negation). Diese doppelte Negation verbindet den Betrachter mit der beobachteten Gewißheit. Doch beide kamen zu einem anderen Resultat. Die sinnliche Gewißheit behauptet ihr Wissen gegenüber 24 Zur "Kategorie des In-Seins als ein wesentlich unbestimmtes Prinzip" s. Wiehl, Sinnl. Gewißheit, aaO. 58f. der Behauptung des Betrachters, sie könne das von ihr Gemeinte nicht thematisieren. 2) Die Dialektik rekonstruiert als Darstellung des Scheiterns einer intendierten Beziehung die zugleich gemeinsamen und doch widersprüchlichen Voraussetzungen, die zur Behauptung des Scheiterns und zur Behauptung des Gelingens führten.25 Der Betrachter macht eine Voraussetzung, die zugleich die Behauptung der vorliegenden Gewißheit einschließt. Deshalb gelingt die Einsicht in das totale Scheitern nicht. Es ist aber von Unvollkommenheit und bloßer Meinung der betrachteten Gewißheit zu sprechen, weil die Behauptung der sinnlichen Gewißheit ihrer Voraussetzung nicht entspricht. Die sinnliche Gewißheit dagegen muß diese Voraussetzung als ihre eigene anerkennen, schließt aber zugleich alle anderen Behauptungen, die sich ebenso auf diese Voraussetzung berufen können, aus und hält nur ihre eigene fest; damit widerspricht sie sich selbst. 3) Die Dialektik zeigt als Darstellung des Scheiterns einer intendierten Beziehung das sich selbst widersprechende Scheitern und das sich selbst widersprechende Gelingen auf. Diese im Blick auf das Kapitel "Die sinnliche Gewißheit" gegebenen Definitionen lassen sich prägnanter, aber auch abstrakter formulieren26: 1. Die Dialektik faßt eine behauptete Beziehung als unterscheidendes Beziehen oder beziehendes Unterscheiden: als negative Beziehung auf. 2. Sie rekonstruiert die den Momenten der Beziehung gemeinsame Negation der Negation und die sie unterscheidenden Resultate dieser doppelten Negation. 3. Sie zeigt auf, welches der beiden Momente sich und das andere in sich durch Negation erhält. Die Dialektik entfaltet damit die negative Beziehung und zeigt zugleich das Moment auf, das ihre "Einheit" genannt werden kann. Auf die Beantwortung der Frage, wie Dialektik zu definieren sei, ist am Ende dieser Arbeit noch einmal einzugehen. Die Aussage, daß das Wahre der sinnlichen Gewißheit ein Allgemeines ist - ein sich durch Negation von Bestimmungen bestimmungslos und bestimmungsfähig Erhaltendes -, bringt einen neuen Gegenstand vor Augen, der die Voraussetzungen des Scheiterns der sinnlichen Gewißheit aufhebt. Die Einsicht, daß ein Bereich beliebig vieler Einzelner vorliegt, der sich durch Negation beliebig bestimmt, 25 Sie erlaubt also die Rekonstruktion der Voraussetzungen einer nicht gelungenen Beziehung im Blick auf das, worauf die Beziehung gehen sollte; da dieses die Herstellung einer Beziehung auf es zu ermöglichen immerhin schien, können nicht gegeneinander Gleichgültige vorhanden sein, sondern zwei, deren Verhältnis als "Einheit ihrer Einheit und ihrer Differenz" (Henrich, Hegel, 98) aufzufassen ist. Kann diese Konstellation bestimmt werden, so ist zugleich ein Fortschritt erfolgt und die unbegriffene Ausgangssituation eingeholt. A. Sarlemijn, Hegelsche Dialektik, Berlin 1971, 117f., hat dies als Problem festgehalten. 26 Diese Definition ist bereits in der Einleitung dieser Arbeit angelegt und im vorangehenden Abschnitt expli­ ziert worden; s. auch Anm. 2. verdankt sich der Dialektik. Das sich in diesem unruhigen Bereich festhaltende Denken hat Hegel Spekulation genannt.27 Das neue Feld möglicher Erfahrung heißt: die Wahrnehmung. 27 Vgl. Hegel-Bilanz, aaO. 279; J.N. Findlay, Hegel. A reexamination, London 1958, 66f.; A. Kulenkampff, Antinomie und Dialektik. Zur Funktion des Widerspruchs in der Philosophie, Stuttgart 19 70, 98. KAPITEL II 1. Äußerliche Vorbemerkung zum Vorhaben des Kapitels "Die Wahrnehmung" Einerseits unterscheidet sich das Ding von den Eigenschaften andererseits ist es ein "Ding von vielen Eigenschaften" (90) Die Eigenschaften des Dinges stehen einerseits in einem Zusammenhang, andererseits kommen einem anderen Ding nur einige von ihnen zu, andere aber nicht. Gemeinsame Eigenschaften verbinden zwar die Dinge, aber das Ding unterscheidet sich von anderen Dingen. Die Eigenschaften des Dinges verhalten sich einerseits gleichgültig gegeneinander, andererseits schließt eine Eigenschaft andere aus. Vor allem - einerseits nehmen wir bestimmte Dinge wahr, andererseits scheinen diese Beobachtungen alle Bestimmtheit in Frage zu stellen. So oder ähnlich kann das "Spiel" karikiert werden, dem das Kapitel "Die Wahrnehmung" ein Ende bereiten will. Das Kapitel will die "Mächte, deren Spiel der wahrnehmende, oft sogenannte gesunde Menschenverstand ist" (101), zur Darstellung und unter Kontrolle bringen. Am Anfang dieses Unternehmens steht nur ein Prinzip: das Allgemeine (89). Es ist, wie sich zeigte (bes. Kap. I, 3), von einer nicht ganz einfachen Beschaffenheit. Das Allgemeine erhält sich durch Negation von Bestimmungen, und dieses negative Sich-Beziehen ist zu erhellen. 2. Das Allgemeine und das Eins - Dingheit und Ding. Negatives Sich-Beziehen als Selbstbeziehung Der äußere Verlauf des zweiten Kapitels der Phänomenologie entspricht zunächst dem des ersten: Es wird vom Betrachter ein Gegenstand gesetzt (90), und das wahrnehmende Bewußtsein soll ihn identifizieren (93). Dies gelingt nicht, und das Bewußtsein richtet sich auf sich selbst. Zugleich unterscheidet sich das zweite Kapitel durch die im ersten Kapitel gewonnene und nun festgehaltene Erfahrung, 1) daß der Gegenstand nicht ein einfacher ist,sondern ein durch negatives Sich-Beziehen sich einfach erhaltender; 2) daß, wie der Gegenstand, so auch das Bewußtsein als Verhalten und Verhältnis aufzufassen ist; schließlich 3) daß betrachtendes und betrachtetes Bewußtsein nicht als "ein Ich und ein anderes Ich", sondern als das eine im Aufzeigen begriffene Bewußtsein sich darstellen, daß das Bewußtsein sich also selbst identifiziert hat. Nur die - allerdings noch zu entfaltende - Einsicht in die innere Beschaffenheit des Allgemeinen hat der Betrachter dem betrachteten Bewußtsein voraus. Die die Entwicklung - wie im ersten Kapitel - leitende Negativität (vgl. Kap. I, 4) spielt sich also zwischen dem Bewußtsein, das einerseits auf sich, andererseits auf den Gegenstand bezogen ist, ab, wobei der Gegenstand ebenso sowohl im Bewußtsein auftritt als auch ihm äußerlich bleibt. Und eben diese merkwürdigen Verhältnisse gilt es im Blick auf den wahrzunehmenden Gegenstand, der solcher Uneindeutigkeit gleichsam zu spotten scheint, zu beenden. Die Negativität wird in diesem Kapitel konkreter gefaßt werden (s. Abschnitt 4) . Der vom Betrachter eingeführte Gegenstand wird nicht durch irgendeinen eine konkrete Vorstellung vermittelnden Ausdruck bestimmt.28 Deshalb wohl ist über die Dunkelheit dieses Kapitels geklagt worden.29 Demgegenüber ist nur daran zu erinnern, daß sich jedes Ding auch durch Negation seiner wesentlichen Bestimmung erhält. Es ist unaussprechlich und bewahrt zugleich seine Bestimmung auf: "Das Dieses ist also gesetzt als nicht dieses oder als aufgehoben; und damit nicht Nichts, sondern ein bestimmtes Nichts oder ein Nichts von einem Inhalte, nämlich dem Diesen." (90) Das Aufbewahrte erhält sich ebenso durch Negation von Bestimmungen und ist auch als Allgemeines aufzufassen. Indem es aber nicht gleichgültig gegen seine Bestimmung ist, "ist es eine unterschiedene" Bestimmtheit (90), die sich, näher bestimmt, als Eigenschaft erweisen 28 Neben Platons Theaitetos und den Texten, die Hegel selbst geschrieben hat, gibt es nur wenig Hilfe bei der Interpretation dieses Kapitels. Purpus, aaO., hat einer allgemeinen Charakteristik der Wahrnehmung eine große Zitatkollage folgen lassen. Es zeigt sich, daß er Sätze und Absätze aus diesem Kapitel zu illustrieren sucht, indem er, meist ohne auch nur den Versuch einer Andeutung des inneren Zusammenhanges, umfangreiche Zitate aus Hegels Werk und - im Verlauf des Kapitels zunehmend - aus den Werken anderer philosophischer Klassiker "anhängt" und zu diesen seinen Zusätzen wenige einzelne Beobachtungen mitteilt. Die Zitate aus diesem Kapitel werden zu Überschriften einer Sammlung von Textabschnitten, deren Zusammenhang mit den "Überschriften" vom Leser fast stets erst rekonstruiert werden muß. Das Kapitel "Die Wahrnehmung" hat Purpus den Schauplatz des Versuchs zur Verfügung gestellt, einen Überblick über das ganze Werk (vgl. 172ff.) und seinen "Kontext" in der Philosophiegeschichte zitierend "zusammenzustellen". Hyppolite, aaO. 105, und Heinrichs, aaO. 128, sind mit einer unzureichenden Bestimmung des "Allgemeinen" an den Text herangetreten. Hyppolite hat dazu eine eigene Systematik aufgeboten (110, 114f.), die er in Ausblicken auf die weiteren Kapitel des Werkes und auf ein Gesamtprogramm Hegels erklärt. Heinrichs hat sich mit einer von diversen Hinweisen begleiteten Angabe einer Grobstruktur des Kapitels begnügt und sich in betonter, wiederholter Erklärung, daß er die schwierigen Passagen nicht erklären müsse, auf eben diese Erklärung bezogen (vgl. 128, 129); dabei hat er deutlich zu erkennen gegeben, daß sein Bemühen, kon­ tinuierlich Assoziationszusammenhänge mit Hegels Logik herzustellen, die Phänomenologie in den Dienst genommen hat. Sie soll offenbar die frühe Logik aufschlüsseln (s. 125), denn sie stellt Hilfsbegriffe (vgl. 129) und Bestimmungen, denen "nur operative Bedeutung zukommt" (132, 133), bereit. 29 W. Becker, aaO., hat in diesem Kapitel "jeden sachhaltigen Bezug" vermißt (31) und gegen die s.E. vorliegende "Konstruktion des Verhältnisses der Begriffe" (36) dem gesunden Menschenverstand recht gegeben (3 7). Er ist überzeugt, daß es "nur um den dialektischen = einheitlich-gegensätzlichen Zusammenhang von Beziehung und Beziehungslosigkeit im Verhältnis der Begriffe Ding und Eigenschaft" gehe.(36). Allerdings bietet dieses Kapitel nicht mehr Aussagen, die der natürlichen Vorstellungskraft eine Oase bedeuten können. Orientierung gewährleistet zunächst nur die Verfassung des "Allgemeinen", das die Internbeschaffenheit des Gegenstandes und des Verhaltens aller Wahrnehmung charakterisiert, die nun aber näher zu bestimmen ist. Vgl. dazu: Die Bewußtseinslehre für die Mittelklasse (1808/09), in: Nürnberger Sehr., ThWS 4, 70ff., §§ 8f.; Enzyklopädie, § 420; aber auch die sich in Beziehungen zum Text setzenden Beobachtungen E. Finks, Hegel. Phänomenologische Interpretationen der "Phänomenologie des Geistes", Frankfurt 1977, bes. 93-96. wird. Da es sich von anderen Bestimmungen durch Negation unterscheidet, sind zugleich viele Bestimmtheiten gesetzt.30 Indem viele Bestimmtheiten sich nicht nur negativ aufeinander beziehen,sondern zugleich in der Einfachheit des Allgemeinen ausgedrückt sind", beziehen sie sich "auf sich selbst,sind gleichgültig gegeneinander" (90f.) . Von diesen allgemeinen Bestimmtheiten, die sich a) auf sich beziehen und gleichgültig gegeneinander sind, b) negativ aufeinander beziehen, ist aber c) die "einfache sich selbst gleiche Allgemeinheit" zu unterscheiden, in der diese Bestimmtheiten alle sind. "Dies abstrakte allgemeine Medium, das die Dingheit überhaupt oder das reine Wesen genannt werden kann, ist nichts anderes als das Hier und Jetzt, wie es sich erwiesen hat, nämlich als ein einfaches Zusammen von vielen" (91). Das negative Sich-Beziehen der Bestimmtheiten auf andere ist also nicht nur als Selbstbeziehung und Gleichgültigkeit gegen andere aufzufassen,sondern zugleich als SichBestimmen durch Ausschließen anderer (92). Damit stehen die Bestimmtheiten aber auch in negativer Beziehung zum allgemeinen Medium, der Dingheit, die alle Bestimmtheiten gleichgültig und in Gleichgültigkeit in sich erhält. Das Medium "ist daher nicht nur ein Auch, gleichgültige Einheit, sondern auch Eins, ausschließende Einheit" (92). Dadurch ist "die Dingheit als Ding bestimmt" (ebd.). Das negative Sich-Beziehen des Allgemeinen stellt sich also wie folgt dar: Das Allgemeine erhält sich durch Negation von Bestimmungen - aber es ist nicht nichts. Es erhält zugleich die Bestimmungen, auf die es sich durch Negation bezieht, oder diese erhalten es und dadurch sich selbst: Die "Materien", wie Hegel diese Bestimmtheiten nennt, erhalten sich in der Dingheit, dadurch diese und diese sich selbst. Zugleich wären die Bestimmtheiten gar nicht als Bestimmtheiten aufzufassen, gar nicht von der Dingheit zu unterscheiden, wenn sie sich nicht einander entgegensetzten.In dieser ihrer Bestimmtheit sind sie aber zugleich vom Allgemeinen ausgeschlossene, bestimmte Eigenschaften, und das sie ausschließende,sich selbst erhaltende Allgemeine ist als ausschließende Einheit, als Eins, als Ding bestimmt. Erst indem die Materien als Eigenschaften vom Ding ausgeschlossen werden, erhalten sie ihre Bestimmtheit,in der sie sich wiederum in der Dingheit gleichgültig gegeneinander verhalten und sich auf sich beziehen. Die in der Dingheit als Materie verschwindende Eigenschaft vermittelt Ding und Dingheit. Als ausschließende Einheit erweist das Allgemeine das Ausgeschlossene als Bestimmtheiten, 30 Hegel schreibt: "viele solche Eigenschaften, eine die negative der andern,- gesetzt", fügt dann aber richtig hinzu, daß diese "Bestimmtheiten ... eigentlich erst durch eine ferner hinzukommende Bestimmung Eigenschaf­ ten sind" (Phänom. 90f.). Ich folge dieser Selbstkorrektur Hegels. die es aber zugleich als ebenfalls Allgemeine einschließt und gleichgültig in sich erhält. Die Bestimmtheiten schließen sich als Bestimmtheiten aber selbst aus von ihrem gleichgültigen Bestehen im Allgemeinen, in dem sie sich zugleich als Allgemeine erhalten. Betrachtet man nur die abstrakte Verfassung des Allgemeinen, so zeigt sich: Das Allgemeine erhält sich also sich selbst gleich in seinem negativen Sich-Beziehen. Indem es sich auf anderes bezieht und dieses als anderes ausschließt,schließt es sich selbst aus.31 Die weitere Entwicklung erhellt dieses auf den ersten Blick etwas widerständige Verhältnis. Sie ist "für uns in der soeben gegebenen Entwicklung des Gegenstandes und des Verhaltens des Bewußtseins zu ihm schon enthalten" (93). 3. Das Verhalten des wahrnehmenden Bewußtseins Das wahrnehmende Bewußtsein soll den wirklichen Gegenstand als sichselbstgleichen identifizieren (vgl. 93) und sein eigenes Verhalten als Sichselbstgleichheit erweisen; sollte dies nicht gelingen, so muß es sein eigenes Verhalten korrigieren. Der Gegenstand "bietet sich als rein Einer dar" (93; die folgenden Zitate ebd.);da aber die ebenfalls wahrgenommene Eigenschaft nicht nur diesem Gegenstand zukommt, faßt das Wahrnehmen "das gegenständliche Wesen vielmehr als eine Gemeinschaft überhaupt" auf. Der Unbestimmtheit der Gemeinschaft überhaupt widerspricht die nun wahrgenommene "bestimmte, anderem entgegengesetzte und es ausschließende" Eigenschaft. Also ist auch der Gegenstand "als ausschließendes Eins" zu bestimmen. An diesem Gegenstand findet die Wahrnehmung aber viele Eigenschaften, die "gleichgültig gegeneinander sind" (94). Das Wahrnehmende muß also den Gegenstand als viele gegeneinander gleichgültige - und zugleich als bestimmte andere ausschließende Eigenschaften in sich enthaltenden auffassen. Aber mit dieser Auffassung hat das Bewußtsein das einfache Allgemeine vor Augen, d.h. es meint nur noch, etwas Bestimmtes vor Augen zu haben. Das von ihm Aufgefaßte ist die unbegriffene Dingheit selbst, ein Bereich, in dem beliebig viele Allgemeine sich durch Negation von Bestimmungen bestimmen,in ihrem Verhalten zueinander sich - und 31 Die Bestimmung von "Allgemeinem" und "Einzelnem" stellt eine der größten Schwierigkeiten der Texte Hegels dar. Daß diese "Momente" alles andere als als vertraut vorauszusetzende oder auch nur nachlässig zu bestimmende "Größen" sind, hat Hegel selbst gezeigt. Vgl. Nürnberger Sehr., ThWS 4, 22, 103, 140, 193f. Seine Versuche, hier bündig zu bestimmen, haben die dunkelsten Paragraphen der Nürnberger Schriften hervorgebracht, obwohl kontinuierliche Überarbeitung und das Bemühen, zu vereinfachen, besonders deutlich erkennbar sind. Verzichtet man aber auf die Bestimmung dieser Momente, so kann man auch den Bereichen der Werke Hegels, die 'attraktiver' erscheinen mögen als das vorliegende Kapitel, nicht die Dunkelheit nehmen. Dies zeigt die ansonsten so umsichtig und kleinschrittig vorgehende Arbeit von M. Theunissen, Hegels Lehre vom absoluten Geist als theologisch-politischer Traktat, Berlin 1970, vgl. bes. 254ff., (zit.: Theunissen). Zur "Problematik des Einzelnen" vgl. J. v.d. Meulen, Hegel. Die gebrochene Mitte, Hamburg 1958, 11ff., vor allem 13f. damit auch den Bereich - bestimmungsfähig erhaltend. Diese sich beliebig organisierende Relativität ist nicht mehr im Blick auf Ausschließendes bestimmbar, damit überhaupt nicht mehr bestimmbar. Das Bewußtsein entspricht in seinem bestimmungslosen Sichaufsichselbstbeziehen zwar seinem Gegenstand, ist aber damit auf die Position zurückgeworfen, von der die Phänomenologie ihren Ausgang nahm (vgl.94). Doch zugleich hat das Bewußtsein "die Erfahrung über das Wahrnehmen gemacht, daß das Resultat und das Wahre desselben seine Auflösung oder die Reflexion in sich selbst aus dem Wahren ist" (94). Will das Bewußtsein nicht in das von aller Bestimmtheit abstrahierende Umherschweifen und in die bloße Meinung, dabei das Einzelne fixiert zu haben, zurückfallen, so muß es selbst sein Verhalten unter Kontrolle bringen. Dieses ist ihm im Verschwinden seines Gegenstandes gegenständlich geworden - und diese Rückkehr in sich selbst muß es von seinem Verhalten zum Gegenstand unterscheiden (vgl. 94f.). Die erste Wahrheit des wahrnehmenden (noch nicht bzw. nicht mehr Gedanken fassenden oder beobachtenden!) Bewußtseins ist ein chaotisch zu nennender Bewußtseinszustand und damit zugleich die "Auflösung" des Wahren "oder die Reflexion in sich selbst aus dem Wahren" (94). Dieser Zustand, der Versinken des Bewußtseins in der Substanz (vgl. dazu die Einleitung dieser Arbeit) genannt werden kann, ist für das wahrnehmende Bewußtsein die Negation der Wahrnehmung. Indem es diese Negation negiert,trennt es seine Einheit mit sich selbst und dem Gegenstand: Es unterscheidet von sich nicht nur den Gegenstand, sondern auch sich selbst, und es unterscheidet die Unterschiedenen.32 Das Ding ist einfach und beständig, das Bewußtsein ein unterschiedenes und unbeständiges. Mit Bewußtsein seines eigenen Verhaltens nimmt es erneut das Ding als Sichselbstgleiches wahr: Es ist eins - und die verschiedenen Eigenschaften fallen nur in das Bewußtsein (vgl.95). Es fixiert das Ding als Einzelheit und betrachtet das sich durch negative Beziehung auf Bestimmungen erhaltende Allgemeine als seine Reflexion. Doch das Einzelne und die negierten Bestimmungen kann es nur unterscheiden, wenn es dem Ding selbst das negative Sich-Beziehen zuspricht. Das Ding ist doch als das Allgemeine aufzufassen (vgl. 95f. und die Beispiele ebd.). Das Bewußtsein muß also vielmehr die "Einheit des Dings mit sich selbst, welche den Unterschied aus sich ausschließt", auf sich nehmen (96). Das Ding ist ein Bereich unterschiedener Eigenschaften, aber das "Ineinssetzen dieser Eigenschaften kommt nur dem Bewußtsein zu, welches sie daher an dem Ding nicht in Eins fallen zu lassen hat"(96; vgl. die 32 Heidegger, Holzwege, Frankfurt 1972, 154, hat von einem "Unterscheiden der Unterscheidung, als welche das Bewußtsein selbst ist", gesprochen. Vgl. auch 152f. Beispiele ebd.). Es zeigt sich, daß das Bewußtsein sich und dem Ding "abwechslungsweise" Einzelheit und Allgemeinheit zuschreibt, dem einen das eine, dem anderen das andere (vgl. 97). In diesem Wechsel entgegengesetzter Erscheinungsweisen verliert es die Gewißheit, es selbst sei das Zuschreibende und die Instanz der Wahrheit. Das Ding zeigt "sich auf diese gedoppelte Weise" (97). Und das Bewußtsein ist nur die jeweils andere Weise des Auftretens des Dinges. In dieser Erfahrung gibt das Bewußtsein die Meinung auf, das Ding sei "das wahre Sichselbstgleiche", es selbst aber sei das "Ungleiche, ... das aus der Gleichheit heraus in sich Zurückgehende" (97), denn die betrachtete Beziehung von Bewußtsein und Gegenstand negiert diese Unterscheidung. Das wahrnehmende Bewußtsein beginnt nun, dem Gegenstand Verhaltensweisen zuzuschreiben. Damit geht es über das reflektierte Wahrnehmen hinaus,identifiziert sich mit dem Betrachter, der die Entwicklung einleitete. 4 Selbstbeziehung als Beziehung auf anderes und die die Entwicklung leitende Negativität Für den Betrachter verdinglicht das Bewußtsein nun sein eigenes Verhalten bzw. faßt den Gegenstand als bewußten auf, indem es nun sich unterscheidende Dinge behauptet. Es hält auf der einen Seite das Ding fest, das sich durch eine einfache Bestimmtheit von anderen Dingen auf der anderen Seite unterscheide und sich eben dadurch "für sich" erhalte (vgl. 98). Das Ding schließt aber damit nicht nur die anderen Bestimmungen auf der sogenannten anderen Seite,sondern auch seine eigenen anderen Bestimmungen aus. Genauer gesagt, bezieht es sich durch dieses Ausschließen auf seine eigenen Bestimmungen als andere. Die durch das ausschließende Verhalten des Dinges verbundenen anderen scheinen nur "eine zweite Seite" der negativen Selbstbeziehung des Dinges zu sein: das Ding entzweit sich. Aber die Entzweiung sollte gerade durch die ausschließende Beziehung des Dinges auf sich verhindert werden. Die zweite Seite ist also als die sogenannte "andere Seite" aufzufassen. Doch damit ist der Gegenstand "in einer und derselben Rücksicht das Gegenteil seiner selbst: für sich,insofern er für anderes, und für anderes, insofern er für sich ist" (99). Das, was als zwei Seiten des Dinges bzw. der Dinge erschien, stellt sich als eine Einheit dar, die das Bewußtsein erst im Begriff erfaßt. Die Betrachtung des Gegenstandes durch das wahrnehmende Bewußtsein negierte den vom Betrachter vorausgesetzten Gegenstand (das sich auf sich beziehende Allgemeine) und umgekehrt. Zugleich waren beide nicht nur durch abstrakte Negation aufeinander bezogen und nicht nur darin einander gleich. Das wirklich wahrnehmende Bewußtsein nahm die Negation am Gegenstand wahr (Unterscheidung von Ding und Eigenschaft), und der Betrachter fand das von ihm gesetzte negative Verhalten des Gegenstandes durch das Bewußtsein selbst zur Darstellung gebracht. Durch die gemeinsame Beziehung auf das Negative(Negation der Unterscheidung von Betrachter und wahrnehmendem Bewußtsein)gewannen beide zwei gemeinsame Gegenstände: Sowohl für den Betrachter als auch für das wahrnehmende Bewußtsein wurden Gegenstand und Bewußtsein präsent. Das wahrnehmende Bewußtsein begann zu reflektieren, um den Gegenstand als das Sichselbstgleiche gegenüber der negativen Beziehung von Bewußtsein und Gegenstand zu erweisen. Wäre ihm dies gelungen, so hätte es damit das Verhalten des Betrachters und die Einheit von Bewußtsein und Gegenstand ad absurdum geführt. Für den Betrachter bezog sich der Gegenstand durch negative Beziehung auf sich selbst. Betrachter und wahrnehmendes Bewußtsein verhielten sich also doch in unterschiedener Weise zu je einem anderen Gegenstand, es schien keine Gemeinsamkeit zu bestehen. Aber das Verhalten des Betrachters und der Gegenstand, den das wahrnehmende Bewußtsein vor Augen hatte, waren noch gar nicht deutlich hervorgetreten.Im dritten Schritt verschwand diese scheinbare Unterschiedenheit: das wahrnehmende Bewußtsein fand in der betrachteten negativen Beziehung von Bewußtsein und Gegenstand den einen in sich unterschiedenen Gegenstand. Darin aber war es sich selbst nicht mehr präsent. Für den Betrachter ist das wirkliche Bewußtsein im Gegenstand aufgehoben, und der von ihm zunächst gesetzte Gegenstand und das Bewußtsein sind der eine Begriff. Die gedachte und die wirkliche Unterscheidung von Bewußtsein und Gegenstand sind für den Betrachter negiert, und diese Negation hat ein positives Resultat: die Einheit von Gegenstand und Bewußtsein im gedachten Gegenstand. Zugleich aber erfüllt das wahrnehmende Bewußtsein nicht alle Bestimmungen des vorausgesetzten Gegenstandes. Es ist in diesem Resultat nur als die sich ausschließend verhaltende Einzelheit vorhanden, die als sich selbst ausschließendes Moment (vgl. Abschnitt 2) aufgefaßt werden soll. Für das wahrnehmende Bewußtsein hat deshalb diese Entwicklung ein nur negatives Resultat. Es hat weder sich selbst noch einen Gegenstand vor Augen. Diese Situation ist exakt (vgl. 103) die Ausgangssituation des Verstandeskapitels. KAPITEL III 1. Der aufgrund der vorangegangenen Kapitel im Verstandeskapitel zu erwartende Verlauf Auch dieses Kapitel müßte mit der Voraussetzung eines Gegenstandes durch den Betrachter für das zu betrachtende Bewußtsein beginnen, der die im vorausgehenden Kapitel gemachte Erfahrung aufbewahrt. Dieser Gegenstand müßte, anschaulich formuliert, zugleich als Gegenstand und als "nur Gedachtes", in dem das Bewußtsein aufgehoben ist, aufzufassen ein: die Kraft (105) soll dies gewährleisten. Zugleich muß dieses Gegenständliche das Allgemeine und das Einzelne, aber beide in untrennbarer Einheit, als das "unbedingt Allgemeine" zur Darstellung bringen. Auch dies geschieht: Das als "Kraft" Bestimmte stellt sich sowohl als deren "Äußerung" als auch als "die aus ihrer Äußerung in sich zurückgedrängte, oder die eigentliche Kraft" dar, zugleich ist die Kraft als Einheit dieser ihrer Momente (105) aufzufassen. Soll diese Kraft als wirklicher Gegenstand vom Bewußtsein vorgestellt werden können(vgl. Kap. II, 3), so muß sie als zwei unterschiedene Gegenständliche, die zugleich dieselbe Bewegung ausführen, zur Präsenz kommen. Dies wird in dem "Spiel der Kräfte" (106ff.) dargestellt. Schließlich wird das vorstellende Bewußtsein zur Einsicht kommen, daß die Unterschiedenen in Wahrheit nicht zu unterscheiden sind. Damit müßte, gemäß der vorangehenden Entwicklung, etwas vorhanden sein, in dem das Bewußtsein gar keinen Gegenstand mehr vor Augen hat. Auch dies ist der Fall, denn aus dem Spiel der Kräfte wird "das unbedingt Allgemeine als Ungegenständliches oder als Innres der Dinge hervorgeh(en)" (106; vgl. 110). Die ganze Entwicklung würde aber nicht das Resultat des vorangehenden Kapitels berücksichtigen(vgl. Kap. II, 4), wenn nicht der Betrachter sich dessen bewußt wäre, daß mit der Setzung eines vom Bewußtsein unterschiedenen Gegenstandes und mit den Unterscheidungen innerhalb des Gegenstandes Unterscheidungen des Ununterschiedenen getroffen seien. Auch dies hält Hegel fest: "Für uns ist dieser Gegenstand durch die Bewegung des Bewußtseins so geworden, daß dieses in das Werden desselben verflochten, und die Reflexion auf beiden Seiten dieselbe, oder nur Eine ist. Weil aber das Bewußtsein in dieser Bewegung nur das gegenständliche Wesen, nicht das Bewußtsein als solches zu seinem Inhalte hatte, so ist für es das Resultat in gegenständlicher Bedeutung zu setzen" (103). Der Betrachter ist sich also dessen bewußt, einen Unterschied zu machen, der zugleich kein Unterschied ist (vgl. 125; 125ff.), oder den Schein einer Trennung herbeizuführen, "denn Schein nennen wir das Sein, das unmittelbar an ihm selbst ein Nichtsein ist" (110). Und dieses Bewußtsein soll für das zu Verstand gelangende Bewußtsein werden. "Die Tätigkeit des Scheidens ist die Kraft und Arbeit des Verstandes , der verwundersamsten und größten, oder vielmehr der absoluten Macht." (29) Zuletzt ist festzuhalten, daß diese Entwicklung nicht einfach deshalb erfolgt, weil dem unverständigen, wahrnehmenden Bewußtsein durch die Voraussetzung eines geeigneten Gegenstandes eine Belehrung zu erteilen wäre. Das Bewußtsein, das Einzelnes und Allgemeines als einander entgegengesetzte fixierte, um beide Momente zugleich festhalten zu können, erhielt sich selbst in diesem Verhalten. Indem die Einheit der Getrennten vorhanden ist, ist das Bewußtsein selbst für den Betrachter ein Unverständliches geworden.Indem das Bewußtsein den neuen Gegenstand identifiziert, wird es in neuer Gestalt Gegenstand des Betrachters werden. 2. Kraft und Bewußtsein der Kraft. Vergegenständlichung der negativen Selbstbeziehung des unbedingt Allgemeinen Die Darstellung des negativen Sich-Beziehens des Allgemeinen blieb im Kapitel "Die sinnliche Gewißheit" vieldeutig (vgl. Kap. I, 3); aber auch im Kapitel "Die Wahrnehmung" war sie noch zweideutig. Für den Betrachter, der von der Beschaffenheit des Allgemeinen ausging,stellte sie sich als Selbstbeziehung des Allgemeinen dar,in der das Einzelne ein verschwindendes Moment war(vgl. Kap. II, 2). Für das wahrnehmende Bewußtsein, das das einzelne Ding fixieren wollte, stellte sich das negative Sich-Beziehen als "Für sich sein" und als "Für anderes sein" dar(vgl. Kap. II, 4). Soll sich die Situation nicht wiederholen, in der Betrachter und betrachtetes Bewußtsein das Ding in verschiedenen Perspektiven betrachten, so ist für das Bewußtsein das Allgemeine in "gegenständlicher Bedeutung zu setzen" (103). Jenes Allgemeine war das die vielen allgemeinen Materien in sich enthaltende Medium, die Dingheit (vgl. 104f., 91 und Kap. II, 2). Dingheit und Materien erhielten sich wechselseitig, waren aber nicht nur zwei beliebig austauschbare Benennungen für ein und dasselbe.Selbständigkeit, Unterschiedenheit, Bestimmtheit erhielten die Materien durch das Moment ihres Ausgeschlossenseins von dem gleichgültigen und sie gleichgültig in sich erhaltenden Medium. Diese die Materien ausschließende und einschließende Bewegung, die zugleich das Erhalten und das Verhalten der sich gleichgültig und doch bestimmt erhaltenden Materien ist, wird Kraft genannt (105): "das eine Moment derselben, nämlich sie als Ausbreitung der selbständigen Materien in ihrem Sein[,] ist ihre Äußerung; sie aber als das Verschwundensein derselben ist die aus ihrer Äußerung in sich zurückgedrängte, oder die eigentliche Kraft" (105) . Damit ist die vom Betrachter im Wahrnehmungskapitel gemachte Voraussetzung(vgl. Kap.II,2)in "gegenständlicher Weise" wiederholt.Zugleich soll aber festgehalten werden, daß es sich bei den immer noch auftretenden unterschiedenen Momenten um nur gedachte Unterschiede handelt33, die an der Kraft selbst nicht unterschieden seien (vgl. 105). Die Unterschiede ausschließende Kraft tritt zunächst als nur eine Seite jener "Bewegung" auf, als die in sich zurückgedrängte Kraft. Das Auftreten ihrer Äußerung scheint durch ein anderes veranlaßt zu werden, und "so stellt sich ihre Äußerung so vor, daß jenes Andere zu ihr hinzutritt und sie sollizitiert" (106). Aber die Äußerung ist nur die Darstellung der Kraft selbst, und was der in sich zurückgedrängten Kraft äußerlich zu sein scheint, ist selbst die Kraft, der, indem sie sich geäußert hat, nun die in sich zurückgedrängte Kraft äußerlich ist. Auch diese kann wiederum als ein Anderes vorgestellt werden, das die Kraft "zur Rückkehr in sich selbst sollizitiert" (107). Aber das Andere ist selbst als Kraft aufzufassen, und für die Vorstellung der Kraft ist nun ein "Spiel zweier Kräfte" vorhanden, die sich wechselseitig zu Äußerung und Rückkehr in sich sollizitieren. Die vom Gedanken frei gelassene und vorgestellte Kraft tritt also als zwei Kräfte auf, "der Begriff beider (ist) zwar derselbe, aber aus seiner Einheit in die Zweiheit herausgegangen" (107). Die Betrachtung der Kraft scheint die Einheit der Kraft zu verneinen. Man könnte nun versuchen, eine Unterscheidung einzuführen mit dem Hinweis: die eine Kraft sei das, was die andere war oder wird; aber die andere ist ebenso das, was die eine war oder wird. So bleibt diese Unterscheidung eine Unterscheidung, die nichts unterscheidet. Ebenso ist eine Unterscheidung von aktiver und passiver Kraft, Sollizitierendem und Sollizitiertem (vgl. 106), nicht fähig, die Kräfte zu individuieren. Fassen wir die in sich zurückgedrängte Kraft als das "Tätige" auf, so scheinen zwei selbständige Kräfte voneinander unterschieden werden zu können; doch diese Unterscheidung scheint nur zu gelingen, solange von der Tätigkeit des Tätigen abstrahiert wird, die Kraft also 33 Sonst würde das Bewußtsein wieder in die Wahrnehmung zurückfallen. S. dazu H.-G. Gadamer, Hegels Dialektik. Fünf hermeneutische Studien, Tübingen 1971, 33, (zit.: Gadamer, Hegel); E. Cassirer, Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, Bd. III (2. Aufl. 1923), Darmstadt 1971, 319f. nicht als Tätige, sondern als Passive aufgefaßt wird. Damit ist auch das Auffassen in das "Spiel der beiden Kräfte" hineingezogen. "Das Spiel der beiden Kräfte besteht hiemit in diesem entgegengesetzten Bestimmtsein beider, ihrem Füreinandersein in dieser Bestimmung und der absoluten unmittelbaren Verwechslung der Bestimmungen, - einem Übergange, wodurch allein diese Bestimmungen sind,in denen die Kräfte selbständig aufzutreten scheinen." (108) Blickt man nun auf den Übergang, auf die Mitte dieses absoluten Wechsels der Bestimmungen, so zeigt sich, daß die eine Bestimmung verschwindet und als andere auftritt und ebenso die andere verschwindet und als die eine auftritt. Aber beide machen sich wechselseitig zu dem, was sie jeweils waren und werden,indem sie verschwinden. Das Moment ihres Verschwindens ist zugleich das Moment des Auftretens ihrer einfachen Einheit. Diese Einheit ist "nicht die in sich zurückgedrängte Kraft … (denn diese ist selbst nur ein solches Moment)" (110). Diese Einheit ist der in der Mitte des Spiels der Kräfte sich darstellende Begriff der Kraft (vgl. 109f.). Der Begriff der Kraft stellt sich also im Verschwinden des Spiels der Kräfte dar und erweist sich als die Verneinung "der sinnlich gegenständlichen Kraft" (110). Die Mitte des Spiels der Kräfte ist zugleich sein Verschwinden und das Auftreten des Begriffs der Kraft. Der Begriff der Kraft sollte das unbedingt Allgemeine für das Bewußtsein darstellen; das unbedingt Allgemeine sollte "ein wirklicher Gegenstand für das Bewußtsein sein" (110). Es stellte sich im Spiel der Kräfte als Wechselverhältnis ununterscheidbarer Entgegengesetzter dar. Die Entgegengesetzten verschwanden in ihrer Mitte. Und zugleich mit ihrem Verschwinden trat der Begriff der Kraft auf. "Die Wahrheit der Kraft bleibt also nur der Gedanke derselben" (110). Aber der Gedanke der Kraft und das Verschwinden ihrer Realität treten zugleich auf. Diese Einheit von Gedanke und Verlust der Realität der Kraft "ist das Innere der Dinge, als Inneres, welches mit dem Begriffe als Begriff dasselbe ist" (110). Dieser Begriff ist für das vorstellende Bewußtsein leer. Es hat den Anschein, als führe die Entwicklung nur, wie im Kapitel "Die Wahrnehmung", zu dem negativen Resultat, daß eben für das Bewußtsein gar kein Gegenstand mehr vorhanden sei. Aber die "ununterschiedene Einheit" (110) war für das Bewußtsein mit dem Spiel der Kräfte bereits zur unvollkommenen Darstellung gelangt, in dem die eine Kraft sich unterschied, das Unterschiedene aber selbst als Kraft aufzufassen war und von der "ersten" Kraft gar nicht unterschieden werden konnte. Dieser im Spiel der Kräfte sowohl auftretende als auch verschwindende Unterschied ist nun als verschwundener vorhanden. Es ist zu betrachten, wie sich die unterschiedenen Momente im verschwundenen Unterschiedensein darstellen. Im Blick auf das Bewußtsein ist zu betrachten, was es eigentlich festhält in der Behauptung, es sei gar nichts mehr zu erkennen. 3. Die Entwicklung des Bewußtseins als Verstand und die sogenannte "Bewegung des Schlusses" Für das Bewußtsein ist das Spiel der Kräfte vorhanden; die einfache, ununterschiedene Kraft oder die ununterschiedene Einheit der Momente des Spiels der Kräfte ist für es ein leeres Jenseits(vgl. 111). Mit großem Aufwand weist Hegel darauf hin, daß von ihm "allerdings keine Kenntnis vorhanden" ist (112; vgl. 112f.). Dies ist aber nicht deshalb der Fall, weil das Bewußtsein zu beschränkt ist, "sondern um der einfachen Natur der Sache selbst willen, weil nämlich im Leeren nichts erkannt wird" (112). Für den Betrachter aber ist damit bereits das Bewußtsein als unentwickelter Verstand gegenständlich geworden, der das Ununterschiedene unterscheidet und das Ununterschiedene selbst als unerkennbares "Ansich"34 festhält. Die Unterscheidung des Ununterschiedenen, die sich im Spiel der Kräfte darstellt, nennt Hegel Erscheinung (vgl. 110). Das für den Betrachter gegenständlich gemachte Verhältnis soll als "der Schluß" aufgefaßt werden, "welcher zu seinen Extremen, das Innere der Dinge und den Verstand, und zu seiner Mitte die Erscheinung hat" (111).Dieses mittelbare Verhältnis des Verstandes zum Inneren der Dinge(vgl. 110, 113), das Hegel auch "leeres Jenseits" (sofern es vom Verstand als unerkenn­ bar gesetzt wird) oder "unerfülltes Ansich" (sofern es als Voraussetzung dieses Verhältnisses aufgefaßt wird) nennt, ist im folgenden zu betrachten. Die von nun an in der Phänomenologie häufig auftretende, Schluß genannte Konstellation erlaubt es, ein beziehendes Unterscheiden oder unterscheidendes Beziehen(vgl. die Einleitung dieser Arbeit) darzustellen.35 Durch die die Extreme vermittelnde Mitte wird zunächst(in den 34 Vgl. zum "Ansich" die besonders plastischen Ausführungen Gesch. d. Philos. I, ThWS 18, 39f.; ihnen folgend T. Litt, Hegel. Versuch einer kritischen Erneuerung, Heidelberg 1953, 28ff. 35 Es wird also nicht etwa irgendeine dreistellige Relation einfach "Schluß" genannt. Es läßt sich vielmehr zeigen, daß Hegel im Blick auf den Schluß eine Grundoperation Kants (s. Kritik der reinen Vernunft, B 95; vgl. B 95ff.; [Ak. Iii, 86, 86ff.]; aber auch den Brief an Johann Schultz vom 17. 2. 1784, Ak. X, 366ff. S. dazu ferner K. Reich, Die Vollständigkeit der kantischen Urteilstafel, 2. Aufl., Berlin 1948, 8ff., 39ff., bes. 43, 87f.) fortführen will. Daß Hegel schon in der frühen Jenenser Zeit den Schluß als Darstellungsform einführt, wo das Urteil diagno­ stisch kraftlos bleibt, geben beiläufig zu erkennen: R.P. Horstmann, Hegels vorphänomenologische Entwürfe zu einer Philosophie der Subjektivität in Beziehung auf die Kritik an den Prinzipien der Reflexionsphilosophie, Diss., Heidelberg 1968, 113f., und H. Kimmerle, Das Problem der Abgeschlossenheit des Denkens. Hegels "System der Philosophie" in den Jahren 1800-1804, Hegel Stud. Beih. 8, 1970. Prämissen)eine Unterscheidung gemacht, die sodann (im Schlußsatz) aufgehoben wird. 36 Nach Hegels Überzeugung ist der Schluß nur dann wirklich schlüssig, wenn gezeigt wird, daß jedes Extrem das andere mit der Mitte vermittelt. Daraus ergibt sich die Sequenz von drei Schlüssen, in der jedes Glied jede Stellung eingenommen hat. 37 Diese Operation, von Hegel "Bewegung dieses Schlusses" genannt(vgl. 111), hat viel Rätselraten ausgelöst. Der Schluß ist als eine Darstellung der Hegelschen Operation mit der Negation aufzufassen.Die eingeführte Mitte negiert die unmittelbare Einheit der Extreme, zugleich stellt sie diese (zweimal38) auf einfache Weise dar. Durch Negation der einfachen Darstellung der Einheit der Extreme, durch Verschwinden der Mitte, gelangt die vermittelte Einheit der Extreme zur Darstellung. Diese ist zugleich als entfaltete, aber aufgehobene(verschwundene und aufbewahrte) Mitte aufzufassen. Aufgrund dieser Betrachtung wird eine verbesserte und konkretere Fassung der Operation mit der Negation, die in der Einleitung dieser Arbeit vorgestellt und in den vorangehenden Kapiteln aufgewiesen wurde, möglich werden.39 Für das betrachtete Bewußtsein,für den Verstand,ist die einfache Kraft noch ein leeres Jenseits; es kann sich die Kraft nur als Spiel der Kräfte vorstellen - die einfache Kraft ist ein unerkennbares "Ansich". Für den Betrachter ist das Spiel der Kräfte nur die Vorstellung der einfachen Kraft, über die das betrachtete Bewußtsein bereits hinausgegangen ist, indem es jenes unerkennbare Ansich zugesteht. Es ist nun im Blick auf den vorliegenden "Schluß" zu zeigen, was den Betrachter und das betrachtete Bewußtsein verbindet. Das Spiel der Kräfte wird von dem leeren Jenseits oder unerfüllten Ansich als einfaches dargestellt. Es ist also festzuhalten, was das Einfache an diesem Spiel ist: der "Unterschied als allgemeiner". Diesen Unterschied, als ein Einfaches ausgedrückt, nennt Hegel "das Gesetz der Kraft" (114). Der Unterschied ist also "im Gesetze ausgedrückt als dem beständigen Bilde der unsteten Erscheinung“ (114f.). Das Gesetz verneint den Unterschied, den es zugleich zur Darstellung bringt. Diese Darstellung der Erscheinung und die Negation des Unterschiedes sind also unvollkommen. Es ist mithin nicht nur zu zeigen, daß das Extrem die Mitte zur Darstellung bringt, es ist auch das Extrem an der Mitte selbst aufzuweisen. Das Gesetz ist erstens an der Erscheinung selbst aufzuweisen, zweitens ist die bisherige Darstellung des Gesetzes als unvollkommen aufzufassen: Daß das Gesetz an der Erscheinung selbst 36 Vgl. dazu Hegels ironischen Aphorismus "Zur historischen Logik", Rosenkranz, 538. 37 So entsteht die Sequenz: EBA, BEA (oder AEB), EAB (oder BAE). Man müßte also der Auffassung: "Man weiß daß Hegel mit seiner Lehre von den drei Schlüssen die Trinität zu begreifen versucht" (Theunissen, 254) hinzufügen: aber keineswegs nur die Trinität. 38 Auf das Problem der Rechtfertigung der Verdoppelung macht schon die erste Analytik (66 a) aufmerksam. 39 S. dazu vor allem die Zusammenfassung in Kap. IV, 4. aufgewiesen werden kann,ist "in der allgemeinen Attraktion" ausgedrückt, die besagt, "daß alles einen beständigen Unterschied zu anderem hat" (115; im Original Hervorhebung);ferner ist festzuhalten, daß bisher nur "der reine Begriff des Gesetzes" 40 betrachtet wurde (116). Da aber der reine Begriff des Gesetzes wiederum dem nun doch an der Erscheinung aufgewiesenen Gesetz nicht entspricht (vgl. 116), ist das Einfache noch einmal neu zu bestimmen und als die einfache "innre Notwendigkeit des Gesetzes" aufzufassen (116). Die innere Notwendigkeit jedoch, die sich als der Erscheinung äußerlich darstellt, ist entweder nur "ein leeres Wort" (118), und die Entwicklung würde wieder auf das Spiel der Kräfte zurückgeworfen; oder aber es ist damit nur das Setzen und Aufheben der Unterschiede, die das Gesetz ist, auf einfache Weise noch einmal ausgedrückt. Dieses Entweder-Oder verschwindet in der Einsicht, daß die äußerliche Fixierung einer inneren Notwendigkeit des Gesetzes "einen Unterschied" setzt, "welcher nicht nur für uns kein Unterschied ist, sondern welchen sie selbst als Unterschied aufhebt. Es ist dies derselbe Wechsel, der sich als das Spiel der Kräfte darstellte ... Es ist nicht nur die bloße Einheit vorhanden,so daß kein Unterschied gesetzt wäre, sondern es ist diese Bewegung, daß allerdings ein Unterschied gemacht, aber, weil er keiner ist, wieder aufgehoben wird." (120) Diese Vermittlung von Mitte (Erscheinung) und Extrem (Jenseits) vollzieht das andere Extrem (vgl. 119), d.h. erst in dieser Vermittlung kann es identifiziert werden: "unser 40 "In der Tat ist die Struktur, die Hegel hier beschreibt, von einer äußersten begrifflichen Abstraktion, die, wie sich zeigen wird, nicht nur die platonische und die christliche Position, sondern auch die der modernen Na­ turwissenschaft umfaßt." Gadamer, Hegel, 35, vgl. bes. 36ff., 39-41. Es läßt sich in der Tat grundsätzlich, wenn vielleicht auch nicht an dieser Stelle, die Aufnahme von Motiven theologischer Rede vom Gesetz in Hegels Entwicklung nachweisen. Schon in den Jugendschriften (vgl. Nohl, 276ff.) werden die wichtigsten Grundlagen gelegt; allerdings kann Hegel dort den Nachweis, daß damit nicht die "Natur" aus dem Blickfeld geraten sei, erst ankündigen (vgl. 289). Es sei hier darauf hingewiesen, daß die Jugendschriften als eine äußerst konsequente Entwirrung eines vermeint­ lich "hingeworfenen" Bündels von Fragen (s. Nohl, 355ff.) aufzufassen sind; untersucht man die frühen Fragestellungen Hegels genau, so zeigt sich, daß sie anscheinend auf keinen Fall in einem systematischen Zusammenhang gelöst werden können. Gerade das aber will Hegel von nun an zeigen. Mit einer dies berücksichtigenden Intention ist an frühe Fragmente vornehmlich G. Aspelin, Hegels Tübinger Fragment. Eine psychologisch-ideengeschichtliche Untersuchung, Lunds Universitets Arsskrift, N.F. Avd. 1, Bd. 28, Nr. 7, 1933, s. bes. 45ff., herangetreten. Wenig aussichtsreich dagegen ist es, das Verhältnis des Studenten Hegel zu seinen akademischen Lehrern und den großen Autoren seiner Zeit rekonstruieren zu wollen (s. z.B. C. Lacorte, II primo Hegel, Firenze 1959, 127ff., 186ff.; mit stärkeren systematischen Interessen ihm in vielem folgend, H.S. Harris, Hegel's Development. Toward the Sunlight, 1770-1801, Oxford 1972, 75ff.). Erst die späteren Fragmente der Jugendschriften lassen Strukturen von Hegels Denken und anderen Theorieprogrammen sinnvoll aufeinander beziehen (s. dazu Henrich, Hegel, 22ff., 51ff. Vgl. auch L. Lugarini, Hegel a Berna: il metodo di comprensione del mondo umano, in: Incidenza di Hegel, A cura di F. Tessitore, Napoli 1970, 27ff., bes. 45, 4 7ff.; und die erhellende Rezension von R. Racinario, Hegel a Francoforte, in: Rivista di Studi Crociani, Napoli 8, 1971, 199ff., bes. 200 und 202). Auf die Entwicklung der Rezeption der Jugendschriften hinsichtlich der sie leitenden Interessen hat sehr schön aufmerksam gemacht H.-B. Petermann, Der Anspruch der Versöhnung unter den Bedingungen der Geschichte. Überhänge aus der Rezeptionsgeschichte der Hegelschen Jugendfragmente zur Klärung ihrer systematischen Implikationen und ihrer Bedeutung für die Theologie, (Masch.), Tübingen 1974, 13ff. 41) Bewußtsein ist ... aus dem Innern als Gegenstande auf die andere Seite in den Verstand herübergegangen und hat in ihm den Wechsel" (120) . Der Verstand ist also das verdoppelnde Unterscheiden des Ununterschiedenen; indem er aber zugleich festhält, daß diese Unterscheidung eigentlich keine Unterscheidung sei, macht er gerade eine Unterscheidung zwischen zwei Darstellungen des Ununterschiedenen: der "tautologischen" Darstellung (vgl. 119) und der festgehaltenen leeren Einheit. Der Verstand erfährt, daß das Einfache der Erscheinung sich entzweit und daß damit die Erscheinung auftritt,"daß es Gesetz der Erscheinung selbst ist, daß Unterschiede werden, die keine Unterschiede sind, oder daß das Gleichnamige sich von sich selbst abstößt" (120). Da der zur tautologischen Darstellung gelangte Unterschied kein Unterschied ist, kann auch die Unterscheidung dieser Darstellung von der unterschiedslosen Einheit nicht aufrechterhalten werden. Der Verstand erfährt also ferner, "daß das Ungleichnamige sich anzieht" (120). Diese Erfahrung des Verstandes ist aber bislang nur für den Betrachter gegenständlich.Deshalb ist sie zunächst in gegenständlicher Weise auszudrücken. Da das erste Extrem als Gesetz der Erscheinung und als Jenseits aufgefaßt wurde, nennt Hegel das nun betrachtete zweite Extrem ein "zweites Gesetz" (120) und "zweite übersinnliche Welt" (121). Während das erste Extrem das ruhige Einfache, den sich "gleichbleibenden Unterschied!)" (120) am Spiel der Kräfte ausdrückte, bringt das zweite Extrem "das Prinzip des Wechsels und der Veränderung" des Spiels der Kräfte, der Erscheinung, zur Darstellung: "dies Neue drückt ... das Ungleichwerden des Gleichen, und das Gleichwerden des Ungleichen aus“ (120f.). Der Verstand war aber bereits selbst die Darstellung des Ungleichwerdens des Gleichen und des Gleichwerdens des Ungleichen: im erklärenden Vermitteln von Erscheinung und leerem Ansich. Erklärend unterschied er "Sache" und Erklärung. Indem er diesen Unterschied ausdrückte, artikulierte er nur sein eigenes Auftreten. Die Erklärung unterschied sich von sich,ihre Einführung und ihre Ausführung. Mit dieser Unterscheidung erklärte sie nur, nichts anderes darzustellen als die Notwendigkeit ihres Auftretens.Sie könne eben nicht von der Sache unterschieden werden - es habe sich nur "das Gleichnamige ... von sich selbst(abgestoßen), und dies Abgestoßene zieht sich daher wesentlich an, denn es ist dasselbe; der gemachte Unterschied, da er keiner ist, hebt sich also wieder auf. Er stellt sich hiemit als Unterschied der Sache selbst, oder als absoluter Unterschied dar" (121). Damit ist dem Bewußtsein die gegenständliche Verdoppelung im Spiel der Kräfte verschwunden. Es selbst ist im Erklären der unruhige Wechsel der Erscheinung. Es erkennt aber noch nicht, daß es selbst die Mitte der Schlußstruktur ausmacht, sich von der Sache nur unterscheidet,indem es sich von sich unterscheidet und damit die Unterschiedenen vermittelt. Es hält vielmehr die Extreme des Schlusses wieder in der Vorstellung als ein doppeltes Jenseits fest: neben der ersten übersinnlichen Welt, die bereits "vorhanden"ist(vgl. 121), die "zweite übersinnliche Welt" (121). Hegel nennt sie die "verkehrte Welt", denn während in der ersten die Unterschiede im ruhigen Sichgleichbleibenden vorgestellt wurden, tritt hier das Sichgleichbleibende im Sich-von-sichUnterscheiden und das Zurücknehmen der Unterscheidung auf. Die so unterschiedenen "Welten" lassen sich aber nur "oberflächlich angesehen" (122)erneut als einfacher Gegensatz auffassen, denn die zweite schließt die erste in sich. Sie ist die Darstellung des den Unterschied einschließenden Sichgleichbleibenden als seine Genese. Sie stellt das Gesetz dar, das seinen Unterschied in seiner Etablierung, seinem Auftreten ausdrückt: das Einfache des Gesetzes. Indem das Gesetz überhaupt auftritt, unterscheidet es sich. Aber es unterscheidet nur sich von sich und stellt nur sein Bestehen (vgl. 125) dar, indem es den Unterschied in sich darstellt. Es stellt sich in sich dar und unterscheidet sich so von sich, aber dies ist nur sein Auftreten. "Es ist der reine Wechsel, oder die Entgegensetzung in sich selbst, der Widerspruch zu denken." (124) Dieses in sich Entgegengesetzte nennt Hegel den "absoluten Begriff". Ihm widmet er eine geradezu hymnische Beschreibung. 4. Was stellt der "absolute Begriff" dar? Der absolute Begriff stellt zwei Weisen von Einheit und deren Vermittlung dar. Will man sich eine Vorstellung dieser beiden Weisen von Einheit verschaffen und sie getrennt fixieren, so ist einerseits von einer einfachen, leeren, unbestimmten Einheit zu sprechen, von einer Selbstbeziehung, die als Verzicht auf Selbstdarstellung aufzufassen ist. Andererseits ist diese Einheit als tautologische Wendung zu fassen, die geläufigere Auffassung von Selbstbeziehung, die zugleich als Selbstdarstellung angesehen wird (vgl. die Einleitung dieser Arbeit). Plastischer gefaßt, ist die erste Einheit als bloßer Term aufzufassen, der als solcher ja noch nichts besagt, die zweite Einheit als propositionale Explikation, die hier zunächst auch noch nichts besagt und darin der ersten entspricht. Erst die Vermittlung dieser beiden Weisen von Einheit charakterisiert den absoluten Begriff und seine "Bewegung". Zunächst mag es den Anschein haben, als sei der einfache Term als "Einheit", die propositionale Explikation als "Unterscheidung" anzusehen, und nun komme es darauf an, die Einheit in der Unterscheidung und die Unterscheidung in der Einheit aufzuweisen. Viele Hinweise Hegels auf das Vorhaben seiner Philosophie können in dieser Auffassung bestärken. Sie ist auch nicht als falsch, wohl aber als verkürzend und die wesentliche Einsicht verstellend zu bezeichnen. Auch der einfache Term stellt bereits eine Unterscheidung dar, eine Abstraktion, die etwas besagt und doch nichts besagt. Entsprechend macht zwar die propositionale Explikation eine Unterscheidung, die aber zugleich keine Unterscheidung ist. In der tautologischen Wendung wird das anschaulich festgehalten, was sonst zunächst schwer faßbar "Einheit der Aussage" genannt werden kann und mit Ausdrücken wie "Beziehung", "Verbindung" etc. gewöhnlich charakterisiert werden soll. Der absolute Begriff stellt also nicht nur zwei Weisen von Einheit und deren Vermittlung dar, sondern, so ist zu präzisieren, er unterscheidet und vereint zwei Weisen von Einheit und Unterscheidung. Dieser absolute Begriff ist nach Hegel "das einfache Wesen des Lebens, die Seele der Welt, das allgemeine Blut zu nennen, welches allgegenwärtig durch keinen Unterschied getrübt noch unterbrochen wird, das vielmehr selbst alle Unterschiede ist, so wie ihr Aufgehobensein, also in sich pulsiert, ohne sich zu bewegen, in sich erzittert, ohne unruhig zu sein" (125). Seine Beschaffenheit und seine "Bewegung" können nun bündig dargestellt werden. Im nächsten Kapitel ist zu zeigen, daß er "schon die Seele alles bisherigen gewesen" ist (126; Hervorhebung Vf.). 5. Der absolute Begriff Der absolute Begriff ist nicht als irgendein irgendwie einzuführender bestimmter Begriff aufzufassen. Er soll vielmehr die Einführung bzw. das Auftreten des Begriffs überhaupt zur Darstellung bringen. Der absolute Begriff bringt sich selbst zur Darstellung. Damit aber unterscheidet er sich von sich. Soll diese bloße Selbstunterscheidung festgehalten werden, so liegt es nahe, sie als tautologische Wendung zu fixieren. In dieser Wendung, so scheint es, kommt der Begriff zur Darstellung. Zugleich wird aber in dieser Darstellung die Selbstunterscheidung gerade unkenntlich, denn die Differenz von sich darstellendem und zur Darstellung gelangtem Begriff kommt nicht zum Ausdruck. Es ist also festzuhalten, daß die Selbstunterscheidung des Begriffs nicht zur Darstellung gelangt ist. Es ist vielmehr von einer Entzweiung des Begriffs zu sprechen: in einerseits den Begriff in seiner einfachen, aber nicht zur Darstellung gelangten Einheit - andererseits die Darstellung des Begriffs in der tautologischen Wendung. Die einfache Einheit des Begriffs ist also nicht als eines der Relata der Darstellung aufzufassen. Denn erstens ist das andere Relat gerade nicht vom ersten zu unterscheiden, zweitens drückt die Verdoppelung gerade nicht die Einfachheit aus. Indem aber die Selbstunterscheidung in der tautologischen Wendung unkenntlich wird, stellt sich der Begriff zugleich doch in dieser dar: es wird eine Unterscheidung gemacht, die zugleich negiert, daß eine Unterscheidung gemacht wurde. Nicht die irgendwie zu bestimmenden Relata oder eines von ihnen stellt zunächst den Begriff dar, sondern das Unter­ scheiden, welches zugleich kein Unterscheiden ist. Soll anschaulich der Ort des Begriffs in der tautologischen Wendung fixiert werden, so ist vielmehr auf die Mitte 41 zu verweisen, die allerdings durch die Verdoppelung des einen Relats als Unterscheidung und Aufhebung der Unterscheidung identifiziert wird und damit zur Darstellung gelangt. Demgegenüber erweist sich die einfache Einheit des Begriffs als ein Entzweites, als die Abstraktion nicht nur von der Selbstdarstellung,sondern auch vom dargestellten Verzicht auf Selbstdarstellung42: 41 Wiederholt hat Hegel betont, "die erfüllte oder inhaltsvolle Copula des Urteils" sei "die aus dem Urteil, wor­ in sie in die Extreme verloren war, wieder hervorgetretene Einheit des Begriffs". Logik II, 308; (vgl. Enzyklo­ pädie § 180). Doch diese Einheit des Begriffs konnte bisher nicht sichtbar gemacht werden, und Hegels Folgerung: "Durch diese Erfüllung der Copula ist das Urteil zum Schlüsse geworden" (ebd.) blieb unverständlich. Immerhin ist dieser Gedanke Hegels "geistvoll" genannt worden. H. Schmitz, Hegel als Denker der Individualität, Meisenheim 1957, 94. Schmitz hat - selbst geistreich - mit reichen Beobachtungen und einer Fülle von Belegen den Schluß neben dem unendlichen Urteil als Prinzip der Hegelschen Dialektik hervorgehoben, aaO. 90ff. Seine wichtigen Beobachtungen haben nicht zuletzt deshalb wenig Resonanz gefunden, weil es nicht gelungen ist zu zeigen, auf welche Weise jene Prinzipien Erkenntnisprozesse generieren könnten. In dieselbe Schwierigkeit ist die am Urteil orientierte Untersuchung W. Albrechts, Hegels Gottesbeweis. Eine Studie zur "Wissenschaft der Logik", Berlin 1958, 69ff. und 89ff-, geraten. Die Anforderung, der sich diese hilfreichen und wichtigen Untersuchungen stellen müßten, um fruchtbar zu wer­ den, hat G. Günther, Grundzüge einer neuen Theorie des Denkens in Hegels Logik, Leipzig 1933, 82, Z. 9-12, im Blick auf die logischen Axiome formuliert. Seine Antwort (aaO. 208f.), vor allem aber das unbewältigte Problem, die Rolle der Negation aufzuklären (bes. Idee und Grundriß einer nicht-Aristotelischen Logik, 1. Bd.: Die Idee und ihre philosophischen Voraussetzungen, Hamburg 1959, 379ff.), haben sein Denken dann von dem Hegels entfernt (vgl. Das Problem einer Formalisierung der transzendental-dialektischen Logik, in: Hegel Stud. Beih. 1, 1964, 65ff.). Einen eigenständigen Versuch, Hegels Denken in der Orientierung am Schluß gleichsam zu reproduzieren, hat B. Spaventa, Scritti Filosofici, hg. Gentile, Napoli 1900, im letzten Beitrag dieses Bandes unternommen. Demgegenüber kann man sich leicht darüber verständigen, daß die Funktion der Kopula bis heute weithin dunkel geblieben ist. S. z.B. H.-J. Heringer, Theorie der deutschen Syntax, Linguistische Reihe, Bd. I, 2. Aufl., Mün­ chen 1973, 163f.; W. Welte, Moderne Linguistik, Bd. II, München 1974, 716ff.; auch: W. Schmidt, Grundfragen der deutschen Grammatik. Eine Einführung in die funktionale Sprachlehre, Berlin 1973, 135. Vgl. aber auch im Bereich der Philosophie die ontologischer Befrachtung wehrende Trennung von Fällen des Auftretens der Kopula bei W. Stegmüller, Der Phänomenalismus und seine Schwierigkeiten. Sprache und Logik, Darmstadt 1974, 67-78, bes. 76; sowie die Schwierigkeiten, die Kopula überzeugend zuzuordnen, bei P.F. Strawson, Einzelding und logisches Subjekt (Individuais). Ein Beitrag zur deskriptiven Metaphysik, Stuttgart 1972, 176-227, vor allem die Abschnitte, in denen Strawson mit F.P. Ramsey in Disput tritt. 42 Dieser käme im Auftreten eines bloßen einfachen Terms bzw. in der Fixierung nur eines der Relata zum Ausdruck. "Die Einheit, von welcher gesagt zu werden pflegt, daß der Unterschied nicht aus ihr herauskommen könne, ist in der Tat selbst nur das Eine Moment der Entzweiung; sie ist die Abstraktion der Einfachheit, welche dem Unterschiede gegenüber ist." (126) Es muß also gesagt werden, daß der Begriff, indem er sich entzweit, sich zur Darstellung bringt, sein Entzweitsein aufhebt. Aber in diesem "Sichselbstgleichwerden" wird sein Entzweitsein unkenntlich. "Das Sichselbstgleichwerden ist ebenso ein Entzweien; was sich selbst gleich wird, tritt damit der Entzweiung gegenüber; d. h. es stellt selbst sich damit auf die Seite, oder es wird vielmehr ein Entzweites." (126) Die einfache Einheit unterscheidet sich von der dargestellten Einheit und ist deshalb als Entzweites aufzufassen. Die Aufhebung dieser Entzweiung, die Darstellung der Einheit, ist aber selbst ein Entzweien. Sie ist gerade deshalb ein Entzweites, weil sie die einfache Einheit in sich schließt, damit aber "der Entzweiung gegenüber" tritt, in der die einfache Einheit des Begriffs sich gegen ihre Darstellung erhält, diese ausschließt. Dieses ausschließende Verhalten ist aber noch näher zu betrachten. Erst damit kann Hegels Lehre vom Begriff vollständig entfaltet werden. 1. Der sich gegen seine Darstellung in einfacher Einheit erhaltende Begriff ist bereits ein entzweiter. Diese absolute Abstraktion ist nicht nur als ein ohne weitere Charakterisierung auftretender einfacher, mithin nichtssagender Ausdruck aufzufassen. Diese absolute Abstraktion ist vielmehr ein "leeres Jenseits", das selbst von seiner Darstellung als irgendein "leeres Wort" abstrahiert. Diese Selbstunterscheidung des leeren Jenseits selbst von seiner nichtssagenden Darstellung macht eine Unterscheidung, drückt ein "Ungleichwerden des Gleichen" aus. Da aber eben durch diese Abstraktion auch die nichtssagende Darstellung unmöglich wird, kommt hiermit ebenso ein "Gleichwerden des Ungleichen" zum Ausdruck. Dieses zweite Jenseits, diese zweite "übersinnliche Welt", ist gerade die Aufhebung der Unterscheidung durch Unterscheidung in sich. Das erste Jenseits war noch als Ununterschiedenheit in oder gegenüber einem vorhandenen Unterschied aufzufassen. Das zweite Jenseits wird gerade dadurch leer, daß es sich von seiner möglichen Darstellung unterscheidet und damit diese Darstellung verunmöglicht. Der Begriff und seine Darstellung sind durch Entzweiung identisch, und dies erst ist die absolute Abstraktion, das Unbestimmte, die einfache Einheit des Begriffs, die sich gegen ihre Darstellung erhält. 2. Diese in sich entzweite und die Entzweiung aufhebende Einheit des Begriffs ist nur ein Moment der Entzweiung. Die Aufhebung dieser Entzweiung, die Darstellung des Begriffs, ist aber wiederum als eine Entzweiung aufzufassen: der durch Abstraktion sichselbstgleiche Begriff bringt diese Sichselbstgleichheit zur Darstellung. Die an sich bereits vorhandene Sichselbstgleichheit soll zum Ausdruck kommen. Die Selbstdarstellung des Begriffs ist also zunächst eine Entzweiung in sich und seine Darstellung. Seine Darstellung ist seine Entzweiung. In dieser aber stellt sich der Begriff selbst dar. Der Begriff selbst aber hatte sich als durch Entzweiung identisch mit seiner Darstellung erwiesen. Er tritt also nun als seine Darstellung und als Moment seiner Darstellung oder als sein eigenes Moment auf. Diese Einheit mit sich in seiner Darstellung, diese entfaltete Einheit tritt aber der oben dargestellten einfachen Einheit gegenüber. Solange nicht die einfache Einheit in ihr aufgewiesen wird, tritt sie wiederum als eine Entzweiung im Gegensatz zur absoluten Abstraktion auf. Indem die autosuffiziente Abstraktion betrachtet wird, der Begriff, der sich von seiner Darstellung unterscheidet und dadurch, ebenso wie diese, völlig leer wird, wird der Ansatz der Entwicklung des "absoluten Wissens" durchsichtig: "Das Entzweien oder Hervortreten hat er (selig, der einfache Begriff) an der Reinheit des Begriffs, denn sie ist die absolute Abstraktion oder Negativität." (554) Der damit erreichte Stand der Einsicht in die Grundverfassung von Hegels Theorie soll im folgenden Kapitel ausgewertet werden. KAPITEL IV (Auswertung) 1. Das absolute Wissen: erfüllte Selbsterkenntnis im Begriff Der reine Begriff ist "die absolute Abstraktion oder Negativität" (554). Diese absolute Abstraktion ist nicht die Abstraktion von irgend etwas bereits Vorliegendem. Sie ist die Abstraktion von einer möglichen Darstellung des Begriffs. Der reine Begriff negiert seine mögliche Darstellung, die ihrerseits seine Negation, Negation des reinen Begriffs, wäre. Damit aber hat er sich bereits entzweit, sich auf die mögliche Negation seiner selbst bezogen,zugleich aber diese Negation aufgehoben. Diese Negation der Negation ist das reine Setzen seiner selbst, in dem die Negation verschwunden ist. Zugleich ist aber dadurch überhaupt keine Darstellung des Begriffs vorhanden. Durch diese Entzweiung und Aufhebung der Entzweiung sind der reine Begriff und seine mögliche Darstellung nur das eine Unbestimmte: "die absolute Abstraktion oder Negativität". Dieser "einfache Begriff, der aber sein ewiges Wesen aufgibt, da ist, oder handelt" (554), ist die Grundlage und der Anfang der eigentlichen Entwicklung des absoluten Wissens (vgl.554f.). Die "absolute Abstraktion oder Negativität" ist wohl als eine überwundene oder verhinderte Entzweiung des Begriffs aufzufassen, hat aber damit das "Entzweien oder Hervortreten" bereits an sich. In diesem Verzicht auf die Darstellung seiner selbst kann sich der Begriff gegen seine Darstellung zu erhalten suchen, obwohl er die Entzweiung in sich und seine Darstellung bereits aufgehoben hat. "Dies Insichgehen macht den Gegensatz des Begriffs aus, und ist damit das Auftreten des nichthandelnden, nichtwirklichen reinen Wissens des Wesens." (555) Dieses rein Positive, das sich durch Negation seiner Darstellung erhält, kann als reines Wissen aufgefaßt werden, das aber durch Entzweiung und Aufhebung der Entzweiung nur sich selbst wissen will: "sofern dies Entzweien das Fürsichwerden ist, ist es das Böse" (555). Dieses reine Wissen tritt durch Aufhebung einer möglichen Entzweiung auf, damit hat es bereits "sich an sich seiner Einfachheit entäußert, denn es ist das Entzweien oder die Negativität, die der Begriff ist" (555). Ist dieses Entzweien nur die Grundlage der möglichen Darstellung des Begriffs, in der dieser hervortritt, so ist dieses "Ansich ... das Gutbleibende" (ebd.). Der Begriff erhält sich der Darstellung fähig. Die Entzweiung des Begriffs erfolgt also einmal um der Selbstbeziehung durch Ausschluß seiner möglichen Darstellung willen, zum anderen um der Selbstbeziehung in der Her­ vorbringung seiner Darstellung willen. Diese beiden möglichen Entwicklungen des Begriffs stellen aber gerade die Momente seiner Entzweiung dar. Das, was mit dem absoluten Begriff "schon an sich gesetzt ist, wiederholt sich also jetzt", im absoluten Wissen, "als Wissen des Bewußtseins von ihm, und bewußtes Tun" (555). Der Verzicht auf die Darstellung des Begriffs, der Ausschluß seiner möglichen Darstellung um der schlechthinnigen Einfachheit der Selbstbeziehung willen, macht das Moment der Einzelheit aus, das konkrete Selbst. Der in der Hervorbringung seiner Darstellung begriffene Begriff, der sich nur darstellungsfähig erhaltende Begriff, macht das Moment der Allgemeinheit aus, das abstrakte Selbst. Das Einzelne erhält sich aber nur durch Negation seiner Darstellungsfähigkeit als solches, und das Allgemeine erhält sich in bloßer Darstellungsfähigkeit durch Negation des Moments der Einzelheit in ihm. Beide Momente erhalten sich aber nicht nur gegeneinander, sondern auch gegen ihre Einheit, den sie verbindenden und unterscheidenden Begriff. Das gedachte Leere und das leere Denken sind zugleich in der "absoluten Abstraktion oder Negativität" aufgehoben. Das gedachte Leere, das sich nicht länger gegen seine Tätigkeit erhält, und das leere Denken, das nicht länger sein Moment der Einzelheit negiert, erhalten sich und einander im tätigen Gedanken. Damit wiederholt sich das Auftreten des Begriffs im Bewußtsein. Diese Selbsterkenntnis im Gedanken, der die Entzweiung des reinen Begriffs überwindet(d.h. die an sich bereits geschehene Überwindung darstellt) und damit als eine "absolute Entgegensetzung" (555) auftritt, ist die Aufhebung der Abstraktion. Dem gleichsam chronisch entgegengesetzten Bewußtsein erscheint gerade das Aufheben der Entgegensetzung als absolute Entgegensetzung. Die Versöhnung und höchste Konkretion erscheinen als Entzweiung und als das Abstrakte. Wird aber die innere Entgegensetzung der leeren Selbsterkenntnis im Begriff erkannt, so ist die diese Entgegensetzung aufhebende Selbsterkenntnis im Begriff nicht länger als Entgegensetzung aufzufassen. Diese erfüllte Selbsterkenntnis ist der realisierte Begriff, "das Wissen von dem reinen Wissen, nicht als abstraktem Wesen, ... sondern von ihm als Wesen, das dieses Wissen ... ist" (554). Die Alternative: entweder ist dieses Wissen leer, oder es ist Wissen eines Fremden, ist verschwunden: "der Begriff verbindet es, daß der Inhalt eignes Tun des Selbsts ist; - denn dieser Begriff ist, wie wir sehen, das Wissen des Tuns des Selbsts in sich als aller Wesenheit und alles Daseins, das Wissen von diesem Subjekte als der Substanz, und von der Substanz als diesem Wissen seines Tuns" (556). 2. Warum es möglich ist, vom absoluten Begriff zur Darstellung des absoluten Wissens überzugehen In der Selbsterkenntnis des eigenen Tuns im Begriff realisiert sich die Einheit von Bewußtsein und Selbstbewußtsein. Indem wir vom absoluten Begriff unmittelbar zum absoluten Wissen übergingen, haben wir mit Hegels Versicherung Ernst gemacht, daß, indem der absolute Begriff Gegenstand wurde, das Bewußtsein Selbstbewußtsein ist (vgl. 128) und daß ferner gilt: "Mit dem Selbstbewußtsein sind wir also nun in das einheimische Reich der Wahrheit eingetreten" (134). Warum aber waren nicht erst geduldig zu betrachten: a) die Entzweiung des Selbstbewußtseins in Selbstbewußtsein und Bewußtsein, die das Kapitel "Selbstbewußtsein" darstellt; b) das sich im Gegenstand suchende und findende und damit zur Verwirklichung des Selbstbewußtseins gelangende Bewußtsein: die Vernunft; c) das wirkliche Selbstbewußtsein und die selbstbewußte Wirklichkeit, der Geist als Bewußtsein seiner selbst und d) der Geist als Selbstbewußtsein in der Religion. Dieser Übergang war aus folgenden Gründen leicht zu vollziehen. Im Gegensatz zur Entwicklung der Phänomenologie des Geistes wurde nicht die im Begriff aufgehobene Unterscheidung als aufgehobene fixiert und das "Bewußtsein des Unterschieds als eines unmittelbar ebenso sehr Aufgehobenen" (128) betrachtet. Sondern es wurde der aufgehobene Unterschied als allerdings aufbewahrter Unterschied festgehalten. Es wurde nicht zunächst mit Hegel betont: das Bewußtsein ist nun "für sich selbst, es ist Unterscheiden des Ununterschiedenen, oder Selbstbewußtsein. Ich unterscheide mich von mir selbst, und es ist darin unmittelbar für mich, daß dies Unterschiedene nicht unterschieden ist" (128). Demgegenüber sollten zunächst die unterschiedenen Momente des Begriffs festgehalten werden, die denn auch, obwohl an sich die Unterschiede aufgehoben sind, sofort wieder eine Entzweiung hervorrufen, wie das Kapitel "Selbstbewußtsein" zeigt. Die Unterscheidung dieser reinen Momente - sie wurden oben als gedachte Leere und als leeres Denken bezeichnet - ist in gegenständlicher Weise nicht aufrechtzuerhalten: "Die bei­ den Extreme, das eine des reinen Innern, das andere des in dies reine Innre schauenden Innern, sind nun zusammengefallen" (128). Indem aber die absolute Abstraktion nicht als nur etwas Gegenständliches aufgefaßt, sondern als absolute Abstraktion, als autosuffiziente Verhinderung jeder Darstellung gedacht wurde, konnte das die gesamte weitere Entwicklung leitende Element herausgearbeitet und festgehalten werden. Dieser absolute Begriff ist nicht nur als das "leere Selbstbewußtsein"43, sondern als das sich leer erhaltende Selbstbewußtsein aufzufassen, eben darum aber auch als das sich darstellen und erfüllen könnende Selbstbewußtsein, das damit zugleich Bewußtsein ist.44 Umgekehrt ist nach Hegels Theorie das "Bewußtsein eines Andern, eines Gegenstandes überhaupt, ... zwar selbst notwendig Selbstbewußtsein, Reflektiertsein in sich, Bewußtsein seiner selbst in seinem Anderssein. Der notwendige Fortgang von den bisherigen Gestalten des Bewußtseins, welchen ihr Wahres ein Ding, ein Anderes war, als sie selbst, drückt eben dies aus, daß nicht allein das Bewußtsein vom Dinge nur für ein Selbstbewußtsein möglich ist, sondern daß dies allein die Wahrheit jener Gestalten ist" (128). Nichts anderes stellt das absolute Wissen in einfacher Weise für den Betrachter - nicht mehr für ein zu betrachtendes Bewußtsein - dar. Die bewußte Selbsterkenntnis im bestimmten Begriff, die einfache Einheit von Bewußtsein und Selbstbewußtsein, die das absolute Wissen dem Betrachter zumutet, wird aber nicht ohne weiteres vollzogen werden. Deshalb sind die Gestalten des Bewußtseins, die sich dieser Selbsterkenntnis widersetzen bzw. sie in einseitiger Weise vollziehen, vor Augen zu bringen. Orientierung bietet auf diesem Weg das unbedingt Allgemeine, das die Momente des Einzelnen und Allgemeinen in sich schließt. Einzelnes und Allgemeines werden in negativer Beziehung aufeinander erhalten. Das unbedingt Allgemeine negiert diese negative Beziehung. Verschwindet sie aber, so wird das unbedingt Allgemeine unbestimmt. 3. Das Verfahren der Phänomenologie und die zur Darstellung gelangende Negativität des unbedingt Allgemeinen Die Phänomenologie will das noch unbestimmte Absolute, "dasjenige, was an sich ist, durch das Erkennen dem Bewußtsein ... erwerben" (63). Wie auch immer man aber nun begönne - jedes Beginnen scheint diesem Vorhaben zu widersprechen. Der ausgewählte und eingeführte Gegenstand wäre, schon weil er ausgewählt und eingeführt würde, nicht das Absolute. Andererseits wäre der uneingeschränkt gelingende 43 Zur Tradition der Rede vom Selbstbewußtsein, in die Hegel hiermit eintritt, s. paradigmatisch: I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 404, 427, (Ak. III, 265f., 278); Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können^ § 46 (Ak. IV); Lose Blätter aus Kants Nachlaß, hg. R. Reicke, E 21, 2. Heft, 1895, 91 (= Reflexion 1531, Ak. XV, 958). Vgl. aber auch: Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik seit Leibnizens und Wolffs Zeiten in Deutschland gemacht hat?, Ak. XX, 268ff. 44 Systematische Anfragen an Hegels Theorie des Selbstbewußtseins sind hier zurückzustellen. S. dazu D. Henrich, Selbstbewußtsein, Kritische Einleitung in eine Theorie, in: Gadamer-Festschrift, Tübingen 1970, 257ff.; bes. 280. Anfang bereits die Durchführung und das Ende des Vorhabens. Statt nun vieles von dem anzuführen, was diesem Unternehmen entgegensteht, und es schließlich zu unterlassen, könnte aber auch der Versuch gemacht werden herauszufinden, was eigentlich und letztlich diesem Unternehmen zu widersprechen scheint, und ferner zu prüfen, ob dieses Widersprechende nicht dem Absoluten intern sei. Zunächst widerspricht diesem Unternehmen, daß das Absolute für das Bewußtsein zur Darstellung gelangen soll, daß es also als ein Externes für ein ihm ebenso Äußerliches erscheint. Der Betrachter führte am Beginn der Entwicklung einen Gegenstand ein, der dieser Trennung zu widersprechen schien; die Zeit- und Raumstelle erschien nicht nur als beliebig bestimm­ bar(und damit als eine mögliche Darstellung des Absoluten), in sie konnte auch das Bewußtsein zugleich mit seinem Gegenstand eintreten. Das betrachtete Bewußtsein meinte aber angesichts der Zeit- und Raumstelle etwas anderes als der Betrachter. Es führte eine Bestimmung der Zeit- und Raumstelle ein und negierte alle anderen. Die Betrachtung des Gegenstandes zeigte aber, daß ebensowohl die eingeführte Bestimmung zu negieren und eine andere einzuführen war. Betrachter und betrachtetes Bewußtsein meinten im Blick auf den einen Gegenstand also jeweils etwas anderes. Aber auch, indem sich das Bewußtsein nun auf sich selbst richtete45 und auf sein einfaches Wissen berief, zeigte sich: Betrachter und betrachtetes Bewußtsein meinten in der Berufung auf das eine einfache Wissen ("Ich") jeweils etwas anderes. Damit war bereits die "Seele der gesamten Entwicklung", der Begriff, wenn auch in noch relativ unbestimmter Weise, vorhanden: das "Gleichnamige", das zwei einander entgegengesetzte Meinungen zuließ, die sich zugleich auf ein "gleichnamiges" Wissen berufen konnten, das von keiner anderen Beschaffenheit als der Gegenstand war. Indem das Wissen nur ein Moment des Gegenstandes festhielt, das andere aber verneinte, verneinte es zugleich das andere Moment seiner selbst, entzweite sich. Diese Entzweiung war aber auch am Gegenstand zu betrachten: er erhielt sich durch Negation seiner eigenen Bestimmungen. Zugleich wurde der Gegenstand nicht völlig unbestimmt. Er schloß durch sein negatives Sich-Beziehen Bestimmungen aus und ein, erhielt sich gleichgültig gegen diese Bestimmungen, relativ unbestimmt, aber bestimmungsfähig. Dieser Gegenstand, das 45 Zur Wendung "Umkehrung des Bewußtseins" s. W. Marx, Hegels Phänomenologie des Geistes. Die Bestimmung ihrer Idee in "Vorrede" und "Einleitung", Frankfurt 1971, 95ff., (zit.: Marx, Phänom.); R. Bubner, Dialektik und Wissenschaft, Frankfurt 1973, 37ff.; J.B. Baillie, The Origin and Significance of Hegel's Logic, London 1901, 261ff. Allgemeine und sein negatives Sich-Beziehen waren im Kapitel "Die Wahrnehmung" zu betrachten. Wiederum stellte sich der Gegenstand in zwei Momenten dar, die hier kurz als Bestimmungen ausschließendes und Bestimmungen einschließendes bezeichnet werden sollen; wiederum ließ er zwei einander widersprechende Weisen des Wissens zu. Die eine ging von seinem Bestimmungen einschließenden Moment aus, vom "Allgemeinen", die andere von seinem Bestimmungen ausschließenden, vom "Einzelnen". Für das erste Wissen, den Betrachter, waren die Bestimmungen zunächst von der Beschaffenheit des Gegenstandes, selbst Allgemeine. Damit aber erwies sich der Gegenstand als die relativ unbestimmte, ihre Bestimmtheiten46 gleichgültig in sich erhaltende Dingheit. Da aber doch die Bestimmtheiten von der Dingheit zu unterscheiden und gegeneinander zu bestimmen waren, war ein zweites, Bestimmtheiten ausschließendes Moment am Gegenstand festzuhalten. Dieses Moment der Einzelheit bestimmte die Dingheit als Ding. Der Gegenstand zeigte sich also als Übergehen zweier Darstellungen seiner selbst jeweils zur anderen. Das andere Wissen, das betrachtete wahrnehmende Bewußtsein, ging vom Bestimmungen ausschließenden Moment, vom Einzelnen aus. Da es aber damit die Bestimmungen nicht als Bestimmungen des Gegenstandes festhalten konnte, unterschied es sich selbst und betrachtete die dem Gegenstand externen Bestimmungen als Moment des Bewußtseins. Zugleich mußte es aber behaupten, daß das zweite festgehaltene Moment des Bewußtseins dem Gegenstand entspreche. Diese Behauptung beglaubigte es, indem es die Momente austauschte: das zweite Moment kam dem Gegenstand, das erste dem Bewußtsein zu. Damit aber kam es nicht zum Resultat des ersten Wissens, daß der Gegenstand als Übergehen seiner Momente, des Einzelnen und Allgemeinen, aufzufassen sei. Es behauptete vielmehr, die unterschiedenen Momente stellten sich als unterschiedene nur für das Bewußtsein dar. Aber das Bewußtsein war von derselben Beschaffenheit wie der Gegenstand. Das, was als Beziehung des Gegen­ standes auf das Bewußtsein behauptet wurde, war ebenso als Beziehung des Gegenstandes auf sich und als Beziehung des Bewußtseins auf sich aufzufassen. In dieser Aufhebung der Un­ terscheidung von Bewußtsein und Gegenstand erblickte das wahrnehmende Bewußtsein aber nur die Aufhebung jeder Bestimmtheit. Die Unterscheidung von Bestimmungen ausschließen­ dem und Bestimmungen einschließendem Moment ist nicht mehr vorstellbar. Verschwindet die vorstellbare negative Beziehung (Beziehung von Bewußtsein und Gegenstand), so verschwindet jede Bestimmtheit. 46 D.h. allgemeine Bestimmungen. Damit waren im Kapitel "Die Wahrnehmung" das Allgemeine und sein negatives SichBeziehen deutlicher hervorgetreten. Für den Betrachter, der oben erstes Wissen genannt wurde, stellte sich das negative Sich-Beziehen und seine Aufhebung im Allgemeinen als die im unbedingt Allgemeinen übergehenden Momente des Allgemeinen und Einzelnen dar. Für das betrachtete Bewußtsein stellte sich die negative Beziehung nur als Verhältnis zweier einander Externer dar. Indem dieses Verhältnis nicht mehr fixiert werden konnte, war für es gar keine Beziehung mehr vorhanden. Das Übergehen der Momente ineinander war für es die Auflösung aller Bestimmtheit. In diesem negativen Resultat wurde das Bewußtsein aber ebenso unbestimmt wie sein verschwundener Gegenstand. An sich hatte es damit schon die Einheit seiner und seines Gegenstandes erfahren, während das erste Wissen erst noch unter Beweis stellen mußte, daß sein gedachter Gegenstand, das Allgemeine, auch für ein Bewußtsein Gegenstand sei. Das sowohl als Gedachtes als auch als Gegenständliches Aufzufassende, das für das Bewußtsein auftritt und ebenso verschwindet, war "Gegenstand" des dritten Kapitels. Wiederum stellte sich das Gegenständliche, die Kraft, auf zweierlei Weise dar:einmal als die übergehenden Momente der Kraft; zum anderen als die eigentliche Kraft, die Einheit der beiden Momente. Wiederum ließ der Gegenstand zwei einander widersprechende Weisen des Wissens zu. Der Betrachter ging davon aus, mit den Momenten der Kraft sei eine Unterscheidung getroffen, die eigentlich keine Unterscheidung sei, denn es sei die eine Kraft, die sich in diesen Momenten darstelle. Für das vorstellende Bewußtsein erschienen die ineinander übergehenden und wechselnden Momente der Kraft als ein Spiel zweier Kräfte, deren einfache Einheit aber als ein leeres Jenseits 47. Der Betrachter ging von der einfachen Kraft aus, die sich in ihren zwei unterschiedenen, aber ineinander übergehenden Momenten darstelle. Das vorstellende Bewußtsein ging von der Darstellung der Kraft aus, die ihm als Spiel zweier Kräfte erschien, deren einfache Einheit nicht zu erfassen sei. Das gemeinsame Gegenständliche ist aber auf zweifache Weise in sich unterschieden: einmal als einfaches von seiner Darstellung in zwei Momenten; zum anderen in seiner Darstellung. Das Einfache ist aber nicht als nur eines der Momente seiner Darstellung aufzufassen. Wie in den vorangehenden Abschnitten dargelegt, stellt das Einfache sich mit seinem Übergang zur Darstellung in seiner unterschiedenen Darstellung dar. 47 Hier enden viele systematische Versuche, die Grundverfassung von Hegels Theorie vorstellig zu machen. Beim Bemühen, die Wechselwirkung darzustellen, ist schon die Arbeit von K.-E. Schorr, Hegels Konzeption der Kraft in seiner Philosophie des absoluten Geistes, Diss., Kiel 1947, in Schwierigkeiten geraten, vgl. 50f. und 65ff. Sie hat aber auf einige Phasen der Entwicklung des Begriffs der Kraft aufmerksam gemacht: Nohl, 345ff.; De orbitis planetarum. Erste Druckschriften, 349ff., bes. 381, 383ff., 389; und GW VII, 12, 26ff. (= JL, 9, 23ff.). Dies ignoriert das vorstellende Bewußtsein, das die beiden Momente der Darstellung als zwei Kräfte auffaßt. Das vorstellende Bewußtsein muß zur Einsicht gelangen, daß es selbst die einfache Kraft darstellt, indem es die Darstellung der Kraft von der Kraft und in sich unterscheidet und damit zugleich die Unterscheidung aufhebt. Dieses Sich-selbstUnterscheidende um der Darstellung der Ununterschiedenheit willen - wobei aber die Darstellung ein Sich-Unterscheidendes und gerade damit der ununterschiedene Ausdruck des nur sich selbst Unterscheidenden ist - nennt Hegel absoluten Begriff.48 Erst mit dem absoluten Begriff kommt die Negativität des - nun unbedingt - Allgemeinen zur uneingeschränkten Darstellung. Der unterscheidende und die Unterschiede zur Darstellung bringende, in dieser Entzweiung aber nur seine Selbstunterscheidung und Ununterschiedenheit erweisende Begriff war die "Seele", die als "Gleichnamiges" am Anfang der Entwicklung zwei unterschiedene Meinungen verband, die sich auf den gleichnamigen Segenstand und zugleich auf ein gleichnamiges Wissen berufen konnten, das aber von keiner anderen Beschaffenheit als der Gegenstand war; es war ebenso der Begriff, der im weiteren sowohl das IneinanderÜbergehen seiner unterschiedenen Momente als auch ihren Gegensatz und schließlich ihre unbestimmte einfache Einheit behaupten ließ, diese Behauptungen vermittelte und unterschied. Das Ziel der Phänomenologie wäre erreicht, ihre Entwicklung wäre beendet, wenn nun - im absoluten Wissen - das Bewußtsein sich im Begriff erkennen würde. Aber selbst indem das Bewußtsein nun die einfache Vorstellung des Begriffs als "Ich" ausspricht, hat es sich noch nicht im Begriff erkannt. Seinen Versuch, sich als einfaches Absolutes gegen die im Begriff gelegene Entzweiung zu erhalten, stellt das Kapitel "Selbstbewußtsein" dar. Im Versuch, sich gegen die Entzweiung zu erhalten, unterscheidet es sich wieder, erweist sich wieder als Bewußtsein. Das einfache Absolute für das Bewußtsein aber ist das Gegenständliche. Diese Entwicklung soll im folgenden Kapitel dargestellt werden. Aber auch die weitere Entwicklung, die hier nicht mehr verfolgt werden soll 49, ist nun bereits 48 Es sei hier darauf hingewiesen, daß in der Auffassung von "Expansion" und "Kontraktion" der Momente der Kraft als Bestimmungen eines Aktivitätsflusses auch Schelling einen "realen und lebendigen Begriff" zu gewinnen suchte. Es konnte gezeigt werden, daß er in seiner wichtigsten Schrift konsequent damit gearbeitet hat: Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände, Ausgabe von K.F.A. Schelling, 1856ff., Bd. VII; vgl. zum Zitat 334, 341ff. Dazu vom Vf., Der Vorgang Autonomie. Philosophische Beiträge zur Einsicht in theologischer Rezeption und Kritik, Neukirchen 1975, 83ff. Hegel hat denn auch dieser Schrift Schellings bescheinigt, sie sei von "tiefer, spekulativer Art". Gesch. d. Philos. III, ThWS 20, 453. Zu Schellings Beitrag s. ferner schon Philosophie und Religion von 1804, Werke VI, 22ff., und die späte, allerdings vereinfachte Darstellung der Philosophie der Offenbarung von 1854, Werke XIII, 346ff. 49 Vgl. den Brief Hegels an Schelling vom 1. 3. 1807: "Das Hineinarbeiten in das Detail hat, wie ich fühle, dem absehbar. Das Bewußtsein wird sich in dem von ihm unterschiedenen Gegenständlichen dar­ stellen müssen, um die Einheit seiner selbst und dessen, was für es ist, zu erweisen. Dieses positive Verhalten zu seinem unterschiedenen Moment (vgl. 175f.), um die Einheit seiner selbst und dessen, was für es ist, zu erweisen, betrachtet das Kapitel "Vernunft". Das in seiner Gegenständlichkeit,in seiner Welt, zur Darstellung seiner selbst gelangte Bewußtsein nennt Hegel "Geist". Der Geist ist also die substantielle Vorstellung des Begriffs für das Bewußtsein. Der Geist, der aber noch für ein externes Bewußtsein ist (vgl. 313) - obwohl es sich in ihm dargestellt hat, in ihm dargestellt findet -, ist aber noch nicht der absolute Geist, der realisierte Begriff. An diesem Punkt wird die Darstellung des Verlaufs und des Verfahrens im übernächsten Kapitel wiederaufzunehmen sein. 4. Die Negativität Nachdem der Abschluß und das Ziel der Phänomenologie und ihr Verfahren dargestellt wurden, bedarf noch ein systematischer Aspekt weiterer Erörterung. Die in der Einleitung die­ ser Arbeit vorgetragenen Überlegungen zu Hegels Operation mit der Negation und die in den ersten Kapiteln eingebrachten Hinweise zur Konkretion dieser Operation sind im Blick auf den "absoluten Begriff" in einen Zusammenhang zu bringen. Der einfache Begriff ist wohl bestimmungsfähig, aber als einfacher unbestimmt. Dieses Unbestimmte ist die Negation seiner Darstellung. Die Bestimmung des Begriffs - wie auch immer sie je und je erfolgt - negiert diese Negation. Sie ist aber nicht als eine zufällige Handlung aufzufassen, die irgendeine Bestimmung dem Begriff auf unerklärliche Weise hinzufügt. Die Bestimmung des Begriffs ist vielmehr seine eigene Entzweiung: der einfache Begriff gelangt zur Darstellung und verschwindet zugleich.Die Negation der Negation ist als Verschwinden der Negation und als Position aufzufassen. Die Darstellung des Begriffs sind diese beiden Momente. Nur das ist als Bestimmung des Begriffs und als seine Darstellung aufzufassen, was in sich diese beiden Momente aufweisen lassen kann. Zugleich ist diese Darstellung des Begriffs unvollkommen und einseitig, da in ihr die Einfachheit des Begriffs nicht zum Ausdruck kommt. Die Negation der Negation ist jedoch nicht einerseits als das völlig Unbestimmte (eliminierte Negation), zum anderen als eine irgendwie und irgendwoher eingeführte Bestimmung (Position) anzusehen. Die doppelte Negation der Negation steht in negativer Beziehung auf sich, und diese Beziehung ist als Ueberblick des Ganzen geschadet" (Briefe I, 161). Selbstbeziehung auszudrücken. Auf unvollkommene Weise geschieht dies nach Hegels Überzeugung im Urteil, in dem das verschwindende Subjekt im Prädikat zur Darstellung gelangt. Auf vollkommenere Weise zeigt dies der Schluß, in dem der Begriff, die Mitte, die beiden Extreme zunächst unterscheidet, gerade indem er die einfache Einheit beider darstellt,sodann in seinem Verschwinden die Extreme vermittelt und damit seine unterschiedene Beziehung auf sich hervorbringt. Wie aber ist die reine Selbstbeziehung der doppelten Negation der Negation aufzufassen und damit der Schein zu beseitigen, die Position sei ein dem Begriff äußerliches Moment? Es ist zu beachten, daß die doppelte Negation der Negation in negativer Beziehung auf sich steht. Eine äußerlich eingeführte Bestimmung wäre die abstrakte Negation des einfachen, unbestimmten, aber bestimmungsfähigen Begriffs. Mit ihrer Einführung würde er völlig unkenntlich. Die Bestimmung des Begriffs dagegen ist die Einheit der Negation des unbestimmten Begriffs und der Negation der Negation: die Einheit der Aufhebung des Begriffs und dessen Wiederherstellung. Die Wiederherstellung ist aber nicht einfach der wiederauftretende unbestimmte Begriff, sondern die Negation seiner Negation. Die Bestimmung des Begriffs ist also die Selbstaufhebung der negativen Beziehung auf den Begriff, die sie selbst ist. Nur die Bestimmung des Begriffs ist als solche anzuerkennen, die dies zur Darstellung bringt. Mit dieser Bestimmung des Begriffs wird, wie das "absolute Wissen" deutlich macht, die "Bewegung" des einfachen, unbestimmten Begriffs im Blick auf ihn wiederholt. Er ist die Negation seiner Darstellung, mußte aber sich selbst negiert haben, damit er als diese Negation auftreten konnte. Dies kann auch so aufgefaßt werden, daß durch die nicht gelungene Bestimmung des Begriffs die Darstellung seiner relativen Unbestimmtheit hervorgebracht wird. Damit wird die Entwicklung der Philosophie in Gang gehalten. Die gelungene Bestimmung des Begriffs dagegen erscheint als selbstverständlich, denn sie verschwindet als ein dem Begriff äußerliches Tun in ihrem Gelingen. 5. Der Übergang vom Bewußtsein zum Selbstbewußtsein Die erste gelungene Bestimmung des Begriffs für das Bewußtsein in der Phänomenologie lautet "Ich". Sowohl für den Betrachter als auch für das betrachtete Bewußtsein ist diese Bestimmung nichts anderes als das sie Einführende. "Es ist darin zwar auch ein Anderssein; das Bewußtsein unterscheidet nämlich, aber ein solches, das für es zugleich ein nicht Un­ terschiedenes ist. Nennen wir Begriff die Bewegung des Wissens, den Gegenstand aber das Wissen als ruhige Einheit, oder als Ich, so sehen wir, daß nicht nur für uns, sondern für das Wissen selbst der Gegenstand dem Begriffe entspricht." (133) Wird aber, wie am Ende des Verstandeskapitels, festgehalten, daß dieses Gegenständliche kein Gegenständliches sei, daß angesichts seiner das unterscheidende Bewußtsein verschwinde und das Selbstbewußtsein auftrete, so erscheint die Bestimmung des Begriffs als nicht gelungene. Für ein unbestimmtes Wissen ist ein unerfüllter Darstellungsbereich vorhanden: "das Schauen des Innern in das Innere ...; das Schauen des ununterschiedenen Gleichnamigen, welches sich selbst abstößt, als unterschiedenes Innres setzt, aber für welches ebenso unmittelbar die Ununterschiedenheit beider ist, das Selbstbewußtsein" (128f.). Wird nur das Moment der Ununterschiedenheit hervorgehoben, so sind auch Betrachter und betrachtetes Bewußtsein gar nicht mehr zu unterscheiden. Zugleich aber ist das Selbstbewußtsein als sich Unterscheidendes aufzufassen. Mit dem Unterschiedenen hat es aber einen Gegenstand,ist Bewußtsein, und es ist erst aufzuzeigen, daß dieses Unterscheiden nur ein Sich-von-sich-Unterscheiden und damit kein Unterscheiden ist. KAPITEL V 1. Das Selbstbewußtsein als unerfüllter Darstellungsbereich Vom Kapitel "Selbstbewußtsein" an ist die Orientierung über den Verlauf der Entwicklung wesentlich erleichtert. Das Ununterschiedene ist zur Sprache gekommen. Das Bewußtsein thematisiert das Ununterschiedene, indem "Ich" sein Gegenstand ist, und damit ist es, laut Hegel, Selbstbewußtsein. Denn zugleich thematisiert es, daß dieses Thematische nicht von ihm unterschieden werden könne. In der "bewegungslose(n)Tautologie des: Ich bin Ich" (134) verneint es, in der Thematisierung des "Ich" etwas von ihm Unterschiedenes thematisiert zu haben. Es ist nicht in Frage zu stellen, daß der einfache Ausdruck "Ich" und "die bewegungslose Tautologie des: Ich bin Ich" beide das Ununterschiedene darstellen. Es ist aber festzuhalten, daß das Ununterschiedene zweier Darstellungen fähig ist, wobei die zweite eine propositionale Explikation beansprucht, die die erste unerfüllt läßt. Der absolute Begriff, so zeigte sich, war bereits als die "unruhige" Bewegung aufzufassen, die diese beiden Weisen der Darstellung der Unterschiedslosigkeit - im einfachen Ausdruck und in der Tautologie - vermittelte. Eine Vermittlungsbedürftigkeit dieser beiden Weisen der Darstellung des Ununterschiedenen muß aber zugleich geleugnet werden, denn damit würde die Ununterschiedenheit in Frage gestellt. Das Nicht-Ununterschiedene behielte weiterhin den Charakter des Bewußtseins. Tatsächlich läßt Hegel auch für das Selbstbewußtsein "Gegenstände" auftreten, die primär als a) unmittelbar gewiß, b) wahrgenommen, c) gedacht erscheinen. Diese sind a) das Leben, b) ein anderes Selbstbewußtsein, c) die gedachte Freiheit. Von diesen "Gegenständen", die selbst als Weisen der Erscheinung des Selbstbewußtseins aufgefaßt werden können, wird das Selbstbewußtsein nicht ohne weiteres zu abstrahieren in der Lage sein. Eine einfache Orientierung bietet also zunächst in diesem Kapitel die Unterscheidung von erfüllter und unerfüllter Proposition, die jedoch keine Unterscheidung sein soll. Das Selbstbewußtsein stellt nur sich in sich dar. Es ist Darstellung seiner in sich. Soll eine Unterscheidung von erfüllter und unerfüllter Proposition unhaltbar bleiben, so müssen alle irgend denkbaren Bestimmungen, die in die unerfüllte Proposition eingeführt werden könnten, "mit dem Charakter des Negativen bezeichnet" sein (135). Sie müssen sich selbst zurücknehmen. Zugleich ist damit für das Selbstbewußtsein das Moment des (auftretenden und verschwindenden) Scheines eines Externen vorhanden. Den Schein der Trennung, den der Betrachter im vorangegangenen Kapitel für das Bewußtsein erzeugen mußte, hat nun das Selbstbewußtsein in sich. Es muß also das Moment des Bewußtseins, das Moment der Kopräsenz Differenter ein-oder auszuschließen (vgl. 134f.) und seine Einheit mit sich selbst zu erweisen suchen.50 Für das Selbstbewußtsein scheint dieses Moment zunächst nicht ausgeschlossen werden zu können. Denn es müßte damit doch ein ihm Externes anerkennen und damit sich selbst aufheben. Sofern es seine Einheit mit sich im Einschließen des Auftretenden und Verschwindenden darstellt, ist es "Begierde überhaupt" (135). Für den Betrachter aber ist das im Selbstbewußtsein Auftretende und Verschwindende ein Eigenständiges. Hegel nennt dieses Eigenständige "Leben". Es tritt im Selbstbewußtsein auf, erfüllt sich aber nicht in der "bewegungslosen Tautologie", sondern in seiner Einheit von Auftreten und Sich-Zurücknehmen. Verschwinden. Es scheint nur vermittelt durch anderes für anderes auftretend und für anderes verschwindend; aber dieses vermeintlich andere ist nur eines seiner Momente. Es besteht selbst in der Kontinuität des Aufhebens und Bestehens als "unterschiedslose (...) Flüssigkeit" (137, vgl. 136ff.), die im Moment des Bestehens sich schon entzweit und das dargestellt hat, was sie in Beziehung auf anderes sein sollte.51 Hegel nennt dies "das sich entwickelnde und seine Entwicklung auflösende und in dieser Bewegung sich einfach erhaltende Ganze" (138). Indem das Leben dieses sein Bestehen nicht als einfach in sich darstellt, verweist es auf "ein Anderes, als es ist" (138), in welchem und für welches es sich als einfach darstellt.52 Aber nicht nur das sich für uns als ein dem Selbstbewußtsein Externes darstellende Leben hebt die Unterschiede seines Auftretens und Verschwindens auf. Das, was es tut, ohne es für sich darzustellen, sucht auch das Selbstbewußtsein an ihm zu tun. Gelänge ihm diese Aufhebung, so könnte es gleichgültig gegenüber seiner unterschiedenen Darstellung werden, gleichgültig gegenüber der Erfüllung seines Bereiches. Dahin wird das Selbstbewußtsein auch noch gelangen. Zunächst aber ist es als Begierde aufzufassen (vgl. 139). Da ihm der Wechsel seiner beiden Darstellungen wesentlich ist53, hebt es nämlich die Unterschiede des auftretenden und verschwindenden Lebens nicht wahrhaft auf, sondern 50 Der Beginn dieses Kapitels zeigt eine enge Verwandtschaft mit Gedanken und Wendungen der Einleitung der Phänomenologie. 51 S. dazu H.-G. Gadamer, Hegels Dialektik des Selbstbewußtseins, in: Materialien, aaO. 217ff., 225f.; (zit.: Gadamer, Materialien). 52 Zur Entwicklung des von Hegel hier verwendeten Begriffs "Gattung" s.: GW VI, 262ff.; JL 152ff., vor allem 161ff. (= GW VII, 146ff., 154ff.); JR I, 252ff.; JR II, 115ff., 167 (= GW VIII, 119ff., 176, 306ff.). 53 S. aber die Nürnberger Sehr., ThWS 4, z.B. 118f.; Enzyklopädie §§ 426ff. Im Blick auf diese Texte könnten kritische Erwägungen angestellt werden, den Argumentationsgang Hegels durch Einführung minder belasteter Ausdrücke zu verändern. Dies gelingt aber nicht leicht, ohne damit das entscheidende Verhältnis von Selbstbewußtsein und Selbsterhaltung durch Selbstreproduktion in Frage zu stellen. verhält sich zum Leben nur im kontinuierlichen Wechsel des Auftretens und Verschwindens der Begierde sowie ihres Gegenstandes (vgl. 139). Das Selbstbewußtsein als Begierde könnte damit als Wechsel von Bewußtsein und Selbstbewußtsein charakterisiert werden. Es hat den Anschein, als sei die "Befriedigung der Begierde" (140) als Erfüllung des Selbstbewußtseins aufzufassen, aber diese Erfüllung ist ebenso als "reines ununterschiedenes Ich" aufzufassen, damit als unerfülltes Selbstbewußtsein und Genese der Begierde (vgl. 140). Von Befriedigung ist also nur zu sprechen, wenn der Darstellungsbereich des Selbstbewußtseins erfüllt wird durch die "Verdopplung des Selbstbewußtseins" (140)." Das Selbstbewußtsein erreicht seine Befriedigung nur in einem andern Selbstbewußtsein." (139; im Original hervorgehoben) Das Kapitel "Der Geist" wäre nun erreicht - wenn der Bereich, in dem sich die beiden Selbstbewußtseine darstellen,zugleich als Instanz einer Gemeinschaft aufgefaßt werden könnte. Die beiden Selbstbewußtseine würden jeweils im anderen die Instanz ihrer Gemeinschaft erblicken: „Ich, das Wir, und Wir, das Ich ist“ (140). Da der Bereich, in dem sich die beiden Selbstbewußtseine darstellen, noch nicht als Instanz einer Gemeinschaft, sondern als Selbstbewußtsein aufgefaßt werden soll, ist abzusehen, daß die beiden sich in ihm Darstellenden in Konflikt geraten. Es liegen nicht die Darstellungsformen von Gemeinschaft des Geistkapitels vor uns, sondern der Abschnitt "Selbständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewußtseins; Herrschaft und Knechtschaft" (141). 2. Das Sich-Anerkennen und seine Darstellung als "Schluß" Das Selbstbewußtsein war zunächst als Darstellung seiner in sich aufzufassen. Die Verdopplung des Selbstbewußtseins scheint dem nun plastisch Ausdruck zu geben. Verständig aufgefaßt, würde sie als unbeständiger Wechsel von Darstellendem und Dargestelltem erscheinen: das Spiel der Kräfte, nur neu benannt. Doch das Selbstbewußtsein stellt sich nicht als Korrelation dar, sondern als Einheit seines einfachen Ausdrucks und seines partiell leeren, durch die "bewegungslose Tautologie" aber ebenso zu erfüllenden Darstellungsbereichs. Wird dieser Bereich durch ein anderes Selbstbewußtsein erfüllt, so scheinen beide sich selbst nicht mehr wiedererkennen zu können. Nur eines von beiden könnte sich auf Kosten des Verschwindens des andern in der Tautologie darstellen. Aber das andere, das verschwinden müßte, um dieser Darstellung Raum zu geben, ist es selbst. Würde es versuchen, "das andere selbständige Wesen aufzuheben, um dadurch seiner als des Wesens gewiß zu werden" (141f.), so würde es zugleich darauf aus sein, "sich selbst aufzuheben, denn dies andere ist es selbst" (142). Zugleich hebt jedes in dieser Bewegung beider (vgl. 142) nur den Schein seiner Verdoppelung auf und "entläßt ... das andere wieder frei" (142).54 Diese "Bewegung" nennt Hegel wiederum "Schluß". Die Verdopplung des Bereiches des Selbstbewußtseins in einem Bereich kann als Prämissenstruktur entfaltet, als Struktur des Schlußsatzes zusammengefaßt vorgestellt werden. Die Mitte ist als die Tautologie aufzufassen, die sich in den Extremen sowohl für sich als auch für das andere darstellt (vgl.142). Jedes ist für das andere Mitte, ermöglicht jeweils dem anderen, sich mit sich selbst zusammenzuschließen. Zugleich stellen sie sich wechselseitig einander als das andere Extrem dar, das jeweils auch nur durch Teilhabe an der Mitte eine autosuffiziente Struktur hat. Es liegt ein verdoppeltes Wechselverhältnis vor, in dem jedes für sich und für das andere als Mitte und Extrem auftreten kann. Der intrikaten Verfassung dieses Verhältnisses entsprechend, bezeichnet es Hegel nicht einfach als wechselseitige Anerkennung: "Sie anerkennen sich, als gegenseitig sich anerkennend." (143) Dieser Prozeß ist aber nicht als eine mögliche Gestalt des Geistes zu betrachten, sondern wie er "für das Selbstbewußtsein erscheint" (143). Das Selbstbewußtsein, das die beiden Selbstbewußtseine vermittelt, wird sich zunächst entzweien. Es ist "das Heraustreten der Mitte in die Extreme, welche als Extreme sich entgegensetzt", zu betrachten und das Entstehen der Differenz von "nur Anerkannte(m)" und "nur Anerkennende(m)" darzustellen. Die Genese und der Verlauf von "Herrschaft und Knechtschaft" werden also in einer logischen Verfassung zur Darstellung gebracht, die ebenso durchsichtig zu machen ist wie zunächst der "Kampf auf Leben und Tod" und seine Folgen. Da dieser Abschnitt besonderes Interesse auf sich gezogen hat55, soll er mit größerer Abundanz erörtert werden. 54 Man darf nicht davon abstrahieren, daß das Selbstbewußtsein im Blick auf seinen Anderen "nichts für sich vermag, wenn er nicht an sich selbst dies tut, was es an ihm tut. Die Bewegung ist also schlechthin die gedoppelte beider Selbstbewußtsein[e] ... das einseitige Tun wäre unnütz, weil, was geschehen soll, nur durch beide zu Stande kommen kann" (Phänom., 142). Das von Hegel dargestellte zweite Moment der Rückkehr in sich selbst (vgl. Phänom., 141 f.) mußte dies bereits berücksichtigen. 55 S. dazu K. Marx, MEGA, Ergänzungsband, Schriften bis 1844, Erster Teil, Berlin 1973, 574f.; und K. Löwith, Von Hegel zu Nietzsche. Der revolutionäre Bruch im Denken des neunzehnten Jahrhunderts, Frankfurt 1969, 169ff. Gegen eine von der logischen Verfassung der folgenden Entwicklung abstrahierende "Betrachtung" s. die einige Strukturen hervorhebende Arbeit von G.A. Kelly, Bemerkungen zu Hegels "Herrschaft und Knechtschaft", in: Materialien, aaO. 189ff., bes. 190ff. und 199. Die Reichweite der Kraft des Hinweises auf die logische Verfassung dokumentiert G. Lukäcs, Der junge Hegel. Über die Beziehungen von Dialektik und Ökonomie, Frankfurt 1973, vgl. bes. II, 718ff.; dazu N. Merker, Filosofia e realta nel giovane Hegel, Societä 15, 1959, 462ff. Vgl. aber auch zum Folgenden A. Kojeve, Hegel. Eine Vergegenwärtigung seines Denkens. Kommentar zur Phänomenologie des Geistes, hg. I. Fetscher, Frankfurt 1975, 54ff., (zit.: Kojeve, Hegel); Hyppolite, aaO. 155ff.; J.-P. Sartre, Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie, Hamburg 1962, 316ff., (zit.: Sartre); E. Bloch, Subjekt - Objekt. 3. Der Kampf auf Leben und Tod a) Vorbemerkung: "Ich" und sich auf sich beziehende Negation Bisher wurde nur zur Kenntnis genommen, daß das Selbstbewußtsein sich im einfachen Ausdruck "Ich" ebenso darstellt wie in der "bewegungslose(n) Tautologie des: Ich bin Ich" (134). Erst jetzt ist eine Perspektive gewonnen, die zu betrachten erlaubt, was eigentlich die Behauptung besagt, das Selbstbewußtsein stelle sich dar. Es ist erstmals jemand vor Augen, für den eine Darstellung erfolgen kann, nämlich ein anderes Selbstbewußtsein. Zugleich kann noch gar nicht ausgemacht werden, welches von beiden als "das andere" aufzufassen ist. So ist zu erwarten, daß ein Sich-Darstellendes erst hervortreten wird und die bisher betrachtete begriffliche Verfassung des Selbstbewußtseins in eine plastischere Darstellung integriert wird. Das auftretende Selbstbewußtsein stellt sich zunächst nicht anders dar als in seinem bloßen Auftreten, es "ist zunächst einfaches Fürsichsein,sichselbstgleich durch das Ausschließen alles andern aus sich; sein Wesen und absoluter Gegenstand ist ihm Ich" (143). Es wäre aber nicht von Auftreten und Selbstbewußtsein, sondern von sinnlicher Gewißheit zu sprechen, wenn es sich nicht gegen alles andere erhielte. Dieses sich gegen alles andere Erhaltende war als Einzelnes (vgl. 143), als sich auf sich beziehende Negation aufzufassen und auszudrücken. Es hat sich gezeigt, daß zwei Momente diese Selbstbeziehung charakterisieren: einmal die Negation der Negation als Position, was als Selbstdarstellung aufgefaßt werden konnte; zum anderen die Negation der Negation als Elimination der Negation, was als Verzicht auf Selbstdarstellung aufzufassen war. Im Blick auf das erste Moment wird dem fürsichseienden Selbstbewußtsein die Sichselbstgleichheit gegenständlich; im Blick auf das zweite Moment wird es sich anonym. Die Einheit dieser beiden Momente ist im "Ich" für das Selbstbewußtsein auf relativ unbestimmte Weise vorhanden. Sie wird in Frage gestellt, indem ein anderes Ich für es auftritt. Sobald ihm dieses als Ich begegnet, kann es es weder vergegenständlichen noch von ihm abstrahieren, ohne damit sich zu entzweien: eines seiner eigenen Momente wird ihm extern. Es muß also für sich selbst für das auftretende andere Ich die Einheit von Selbstdarstellung und Verzicht auf Selbstdarstellung zur Darstellung bringen. Zugleich wird das andere Ich nichts anderes tun als es selbst. Erläuterungen zu Hegel, Frankfurt 1971, 85f. Daß es sich hierbei nicht um ein Konstrukt handelt,sondern um eine sehr vertraute Begegnung, die allerdings auch konfliktträchtig ist, soll anhand eines Beispiels erhellt wer­ den. b) Illustrierende Bemerkung zur Situation "einander gegenübertretender Selbstbewußtseine" Die beiden Kontrahenten, deren Kontrahage die historische Wirksamkeit der Phänomenologie des Geistes nicht unwesentlich bestimmte, treten auf - und blicken zunächst gleichsam aneinander vorbei. Wohl "tritt ein Individuum einem Individuum gegenüber auf" (143). Aber das Selbstbewußtsein "ist zunächst ...sichselbstgleich durch das Ausschließen alles andern aus sich; sein Wesen und absoluter Gegenstand ist ihm Ich" (143). Der andere scheint also den beiden jeweils das zu sein, was alles andere ihnen ist, oder sie sind in diesem ersten Auftreten "für einander in der Weise gemeiner Gegenstände; selbständige Gestalten, in das Sein des Lebens ... versenkte Bewußtsein[e]" (143). Noch könnten die beiden Kontrahenten völlig in sich versenkt aneinander vorbei- und auseinandergehen - eben als in das Sein des Lebens versenkte Bewußtseine. So scheint es für den Beobachter, der sich mit dem einen oder dem anderen identifiziert, durchaus vielleicht im schnellen Wechsel mit beiden zu identifizieren sucht, dabei aber den, mit dem er sich je im Moment nicht identifiziert, nur als den "Anderen" auffaßt Doch die beiden treten einander nicht verständig denkend, sondern als Selbstbewußtsein gegenüber. Mit der Auffassung des anderen Selbstbewußtseins als Anderes würde das Selbstbewußtsein sich selbst entzweien, denn eines seiner Momente würde ihm fremd. Damit ist eine Situation entstanden, die de abstrahierende, sich 'heraushaltende' Beobachter nicht erfaßt: die beiden haben "sich erkannt", ohne daß dies schon näher zu bestimmen wäre. Man kann diese Situation sich näher bringen im Blick auf die komplexe Bewegung des Anerkennens, die im Sich-Begrüßen einen ersten und damit noch abstrakten Ausdruck findet.56 Was geschähe, wenn nun einer der Kontrahenten - vielleicht gesenkten Kopfes - am anderen vorbeiginge? Man könnte kommentieren: Wenn das Selbstbewußtsein zunächst "sichselbstgleich durch das Ausschließen alles andern aus sich" ist, erwiese sich der, der nun vorbeiginge, als einer, den der andere eben aus sich auszuschließen vermag. Zugleich ist aber zu sehen, daß auch der Vorbeigehende den anderen aus sich ausschließt, und ferner, daß er 56 Ich nehme damit Gedanken Gadamers auf, vgl. Materialien, 229f.; s.a. Sartre, aaO. 338ff. auch sich selbst aus dem anderen ausschließt. Sähe man nun dem Vorbeigehenden nach, so bleibt ungewiß, ob er 'unsicher' oder 'selbstsicher' davongegangen ist; es bleibt ferner ungewiß, ob er den anderen unsicher oder selbstsicher wähnt. Und unbestimmt bleibt, in welcher Verfassung der zurückgelassene andere vor der "verweigerten Anerkennung" war und jetzt, nachdem er sehen mußte, daß der Ihn-erkannt-Habende von ihm abstrahiert hat, ist. Auch wenn wir nun von dieser Situation mit der gleichgültigen Vermutung, daß beide Beteiligten sich selbst und dem anderen gegenüber in dieser Situation gleichgültig seien, abstrahieren, so haben wir doch bemerkt, daß eine diffizile Konstellation vorliegt. In welcher Weise unterscheidet sich davon die Lage der Kontrahenten? Wenn in der Situation, die zu betrachten ist, noch gesagt werden kann, daß die Kontrahenten aneinander vorbeisehen, dann liegt jenes offensive und aggressive Aneinandervorbeisehen vor, das z.B. mit der Wendung: "er ist für mich Luft" charakterisiert wird. Die Situation stellt sich so dar, daß die beiden Individuen "für einander die Bewegung der absoluten Abstraktion, alles unmittelbare Sein zu vertilgen und nur das rein negative Sein des sichselbstgleichen Bewußtseins zu sein, noch nicht vollbracht" haben. Sie haben "sich einander noch nicht ... als Selbstbewußtsein[e] dargestellt" (143); während sie im obigen Falle - aus welchen Motiven auch immer - noch nicht in der Lage gewesen wären, sich einander als Selbstbewußtseine darzustellen. Diese Darstellung erfolgt aber nur in der komplizierten Bewegung des Anerkennens so, daß jeder für den anderen, "jeder an sich selbst durch sein eigenes Tun, und wieder durch das Tun des andern, diese reine Abstraktion des Fürsichseins vollbringt" (144). Wer die Genese des "Kampfes auf Leben und Tod" erhellen will, der muß in diesem Geschehen die reine Abstraktion des Fürsichseins von der in einer Begegnung zweier Individuen unerläßlichen Abstraktion des Fürsichseins unterscheiden. Es ist zu beachten, was nur zu leicht übersehen wird, daß die Abstraktion des Fürsichseins der Bewegung des Anerkennens wesentlich ist. Kommunikation scheitert nur dann nicht, wenn jeder der Beteiligten von sich und seinem Verhalten in gleicher Weise zu abstrahieren vermag wie vom andern und dessen Verhalten.Zugleich stellt die "absolute Abstraktion" das extreme Scheitern der Kommunikation dar: den Kampf. Wenn dies nicht dargestellt wird, bleibt das Verhältnis von Herrschaft und Knechtschaft dunkel. Daß die Bewegung des Anerkennens sich in der Realität sehr einfach darstellen kann, bezeugen die realisierten Höflichkeitsformen, denen die manchmal beklagte Leere wesentlich ist.57 Das triviale Sich-Begrüßen stellt sich aber so dar: Jeder derer, die wir einander grüßend sehen, nimmt sich, sein Verhalten, den anderen und dessen Verhalten zugleich wahr.Zugleich kann dies nur geschehen, indem er von sich, seinem Verhalten, dem anderen und dessen Verhalten gleichermaßen zu abstrahieren weiß. Er weiß sich nicht nur begrüßt, sondern auch vom anderen begrüßt, und dies kann er nur wissen, indem er von sich absieht, den anderen und dessen Verhalten unterscheidet, beides verbindet und im Blick auf sich verbindet, zugleich muß er vom anderen absehen und grüßen, und doch den anderen grüßen und wissen, daß der andere dies weiß, und dies weiß er nur, indem er im Blick auf den anderen sieht, daß es diesem nicht minder kompliziert ergeht als ihm. So kurios dies anmuten mag, es liegt in der Tat eine hier nur andeutend zu illustrierende, sehr komplexe Verhaltensform vor, die denn auch im Verlauf eines Lebens ein beträchtliches Maß gedanklicher Aktivität auf sich ziehen kann - und dies nicht nur bei denen, die sie ausdrücklich als lästig empfinden, oder denen, die ausdrücklich ihren Wert hervorheben. Das Sich-Begrüßen, ein erster und damit äußerst abstrakter Beweis gelungener Kommunikation58, kann nur statthaben, wenn beide Beteiligten weder auf sich und das eigene Verhalten noch auf den anderen und dessen Verhalten fixiert sind, sondern, an alle diese Bedingungen wohl gebunden, zugleich von ihnen zu abstrahieren vermögen (vgl.144). In der Bewegung des Sich-Begrüßens stellen sich die "Selbstbewußtseine" wohl dar, doch sie stellen sich durch äußerliche Bewegung und Ausdruck vermittelt, flüchtig und verschwindend, nicht aber rein einander dar. Sie stellen sich rein einander dar, indem jeder vom anderen überhaupt nicht mehr zu abstrahieren vermag; und das, was der oberflächlichen Beobachtung als das Extrem der völlig realisierten Kommunikation erscheinen mag, erweist sich in Wahrheit als ihr extremes Scheitern. Beiden Beteiligten stellt sich nun die komplizierte Wechselbewegung der Anerkennung als ausschließlich von dem anderen ausgehend dar. Dies ist die Lage der Kontrahenten. Die entscheidende Aussage im Text Hegels: "Insofern es (seil, die reine Darstellung des Selbstbewußtseins) Tun des andern ist, geht also jeder auf den Tod des andern" (144) - kann leicht übersehen werden. Auch ist die vorliegende Situation für das Vorstellungsvermögen kaum angemessen darzustellen. Es würde nicht einmal ausreichen, wenn in dem beobachteten, vielfältig vermittelten Verhältnis das Wort "begrüßen" durch das Wort 57 Sie würden sonst Herrschaftsformen - z.B. der Eloquenteren - werden. 58 Wir könnten von Kommunikation an sich, die noch nicht für sich, wirklich geworden ist, sprechen, bzw. davon, daß im Sich-Begrüßen die bloße Kommunikationsfähigkeit sich darstellt. "bedrohen" ersetzt würde, denn darin fände je der noch sich selbst, wenn auch als gefährdet. Es würde auch die gesteigerte Darstellung, in der jeder den andern "anfangen" sähe, sein Verhalten zu realisieren, nur an die Schwelle des Konflikts führen.59 Indem sich aber das Wechselverhältnis rein als "Tun des andern" darstellt, so daß jeder "sich selbst nicht mehr kennt", erfolgt der "Kampf auf Leben und Tod". Dieser Kampf darf kei­ neswegs ausschließlich und allein als bewaffnete Auseinandersetzung, die auf die physische Auslöschung des Gegners geht, verstanden werden, wenn auch mit Hegel dieses Extrem ins Auge zu fassen ist. Seine Genese ist aber nicht zu illustrieren, sondern zu begreifen. Dies erfordert wieder die Orientierung an der Verfassung des Selbstbewußtseins. c) Der Verlauf des "Kampfes auf Leben und Tod" Die beiden einander gegenübertretenden "Ich" bleiben sich selbst und für den anderen nicht anonym. Jedes ist seiner selbst im anderen gewiß. Aber diese Gewißheit soll sich jedem darstellen, oder, "was dasselbe ist", der andere soll "sich als diese reine Gewißheit seiner selbst" darstellen (144). Jeder müßte also dem anderen a) den Bereich der Selbstdarstellung streitig machen, b) verschwinden, um diesen Bereich zu gewähren, c) vom anderen beides zugleich fordern, um beides zugleich durchsetzen zu können. Jeder bedarf des absoluten Widerspruchs des anderen, um sich und dem anderen zu widersprechen. "Die Darstellung seiner aber als der reinen Abstraktion des Selbstbewußtseins besteht darin,sich als reine Negation seiner gegenständlichen Weise zu zeigen, oder es zu zeigen, an kein bestimmtes Dasein geknüpft, an die. allgemeine Einzelheit des Daseins überhaupt nicht, nicht an das Leben geknüpft zu sein" (144). Jeder findet im anderen nicht mehr das auftre­ tende und verschwindende Moment des Lebens (vgl. o. Abschnitt 1), sondern die Negation seiner als des Lebens. Da er sich im anderen erblickt, sieht er sich als Moment des Lebens verschwinden im sich als Selbstbewußtsein verdoppelnden anderen. Aber damit verschwindet ihm auch der andere in einer ihn gleichsam überkommenden Bewegung. "Insofern es Tun des andern ist, geht also jeder auf den Tod des andern". (144) Indem aber der eine den anderen zurückhält, tut er nichts anderes als der andere. Zugleich ist in beiden auch das "Tun durch sich selbst ... vorhanden". Denn in diesem Sich-Äußern verschwindet nicht nur die Beziehung auf die wechselnde Gestalt des Lebens, sondern die Möglichkeit und Fähigkeit, 59 So wie die Genese von Konflikten nach deren Austrag ohne Sieger in der Regel von den Beteiligten kaum anders als im Blick auf das offensive Verhalten je des anderen dargestellt werden kann. sich auf diese zu beziehen. Orientiert man sich an der abstrakten Darstellung des Selbstbewußtseins, so kann die Situation des Kampfes dergestalt aufgefaßt werden, daß der einfache Ausdruck des Selbstbewußtseins in der Tautologie zum Verschwinden gebracht und damit die absolute Einfachheit des Selbstbewußtseins erwiesen werden soll. Das Selbstbewußtsein stellt sich und dem anderen dar, "daß an ihm nichts vorhanden (ist), was für es nicht verschwindendes Moment wäre, daß es nur reines Fürsichsein ist"(144). Jedes von beiden stellt dar, daß es nicht nur in der Negation alles anderen, sondern auch seiner selbst sich erhält. Deshalb nennt Hegel dieses "reine Fürsichsein" auch "absolute Negation" (vgl. 144). Doch diese Darstellung des Selbstbewußtseins im "Kampf auf Leben und Tod" scheitert in ihrem scheinbaren Gelingen. Durch den Tod gelangt keiner von beiden zur erstrebten Dar­ stellung seiner selbst, denn "die beiden geben und empfangen sich nicht gegenseitig voneinander durch das Bewußtsein zurück, sondern lassen einander nur gleichgültig, als Dinge, frei" (145); auch der Überlebende erfährt vom anderen nicht die gesuchte Anerkennung,sondern die Gleichgültigkeit. Das Selbstbewußtsein macht die Erfahrung, daß die gesuchte Selbstdarstellung der Tod ist, in dem das Selbstbewußtsein sich gleichgültig wird. Es macht aber noch nicht die Erfahrung des Sichgleichgültigwerdens, die das "unglückliche Bewußtsein" kennzeichnen wird. Der Tod bleibt ihm ein anderes, in dem es sein anderes weder erkennen und anerkennen noch negieren kann.Sein Verhalten zu ihm ist ein Sich-Abwenden, "abstrakte Negation" und die "Erfahrung, daß ihm das Leben so wesentlich als das reine Selbstbewußtsein ist" (145). Dieses den Kampf abbrechende Bewußtsein erkennt ein ihm externes Moment an, sucht nicht mehr "rein für sich" zu bleiben und sich darzustellen.Indem es dieses externe Moment kontinuierlich und gleichgültig gegen alle seine Gestaltungen festhält, ist es "als seiendes Bewußtsein oder Bewußtsein in der Gestalt der Dingheit" (145). Dieses "unselbständige" Bewußtsein, "dem das Leben oder das Sein für ein Anderes, das Wesen ist", das sich selbst in einem Andern darstellende Bewußtsein nennt Hegel "knech­ tisch". Seine Gestalt tritt als "der Knecht" auf (146). Das Selbstbewußtsein, das nicht "die Furcht des Todes" empfunden hat (vgl. 148), sich als reines Selbstbewußtsein erhalten hat, tritt als "der Herr" auf. Doch auch dem Herrn ist es im "Kampf auf Leben und Tod" nicht gelungen, sich als reines Selbstbewußtsein darzustellen. Nachdem die Symmetrie des Verhältnisses der beiden Selbstbewußtseine verloren ist, bleibt zu betrachten, wie diese beiden Gestalten im entstandenen Verhältnis auftreten. 4. Der Verlauf von Herrschaft und Knechtschaft Der Herr ist nicht mehr der bloße Begriff des reinen Selbstbewußtseins, sondern das durch den Knecht mit sich vermittelte Selbstbewußtsein. Der Herr wäre nicht Herr ohne den Knecht, und damit hat er den Charakter des reinen Selbstbewußtseins, sich in sich darzustellen, verloren. Er stellt sich in sich nur durch ein anderes dar, durch das Bewußtsein, "zu dessen Wesen es gehört, daß es mit selbständigem Sein oder der Dingheit überhaupt synthesiert ist" (146). Zwischen die beiden Bewußtseine ist also ein Moment getreten, das dem reinen Selbstbewußtsein extern und nur in der Begierde präsent war. 60 Das Selbstbewußtsein, das die beiden Kämpfenden noch vermittelte, ist nun entzweit. Hegel orientiert über die Verfassung der entstandenen Situation, indem er davon spricht, daß die Mitte in die Extreme herausgetreten sei (vgl. 143) und daß der Verlauf von Herrschaft und Knechtschaft im Blick auf ein Schluß genanntes, nicht nur zweistelliges Verhältnis zu betrachten sei. Der Herr hat "in diesem Schlüsse" den Knecht, der vom Leben nicht abstrahieren konnte, "unter sich" (146). Er ist das sich im Prädikat erhaltende Selbstbewußtsein, für welches Ding und Knecht "unterworfene" Subjekte sind; er ist das Anerkannte. Der Knecht ist das Subjekt, das sich im anderen darstellt, das Anerkennende. Zugleich ist der Knecht nicht unmittelbar durch den Herrn unterworfen worden, sondern durch seine Unfähigkeit, vom Leben zu abstrahieren; "das selbständige Sein ... ist seine Kette, von der er im Kampfe nicht abstrahieren konnte, und darum sich als unselbständig, seine Selbständigkeit in der Dingheit zu haben, erwies" (146). Durch dieses Prädikat, auf das der Knecht unmittelbar bezogen ist, bezieht sich der Herr mittelbar auf ihn (vgl.146). Unmittelbar sind Knecht und Ding dem Herrn gleichgültig, beide Unterworfene, die sich in ihm darstellen müssen. Die Mitte tritt also in der Prämisse des Knechtes61 als Prädikat auf, die Dingheit, die die Macht des Herrn repräsentiert (vgl. 146). In der Prämisse des Herrn tritt sie als Subjekt auf, das Ding, das die Ohnmacht des Knechtes darstellt. Das Ding hat also in dieser Schlußstruktur "zwei Seiten" (vgl. 146f.); es ist selbständig in Beziehung auf den Knecht, unselbständig in Beziehung auf den Herrn. Diese Unselbstän­ digkeit des Dinges und sein eigenes Abstraktionsvermögen verdankt aber der Herr dem Knecht, der das Ding zwar nicht vernichten kann, aber ihm die Selbständigkeit nimmt, es be­ arbeitet (vgl. 146). Der Knecht also vermittelt den Herrn mit der Unselbständigkeit des 60 Das knechtische Bewußtsein wäre zunächst als kontinuierliche und einfache Begierde zu leben aufzufassen. 61 Zur Vereinfachung gebrauche ich die Wendung "Prämisse des Herrn" und "Prämisse des Knechts". Dinges. Ohne den Knecht würde das Ding in der Prämisse des Herrn nicht als unselbständiges auftreten. Es zeigt sich, daß Hegel die Schlußstruktur nicht einfach einführt, um eine irgendwie vorgegebene dreistellige Relation zu strukturieren. Das Entstehen dieser Relation und die Interdependenzen ihrer Relata werden im Blick auf den Aufbau einer Schlußstruktur erhellt. Die Relation, die die Begierde darstellt, gewinnt nur in einer tautologischen Struktur den Schein der Stabilität (vgl. Abschnitt 1). Doch die damit etablierte Mitte wird die Struktur der Begierde nicht los. Die Verdoppelung kann ignoriert, aber nicht gerechtfertigt werden. Es muß also die Beziehung von Beziehung auf anderes (Knecht) und Beziehung auf sich (Herr) zur Darstellung kommen. Da aber Herr und Knecht ursprünglich als identische Relata auftreten konnten, muß die gewordene Entzweiung im Blick auf eine Relation zur Darstellung gebracht werden. So tritt der Knecht als das sich im anderen darstellende Subjekt, der Herr als das das andere in sich darstellende Prädikat auf. Da aber der Knecht sich nicht im Herrn wiederfindet und der Herr nicht in sich den Knecht erkennt, erscheinen sie einander in einem anderen, das sie zugleich vermittelt: die als Dingheit (Prädikat) und Ding (Subjekt) auftretende Mitte. Doch dieser Schluß würde weder etabliert werden können noch "funktionieren", wenn nicht beide in dieser Beziehung sich mit sich und mit dem anderen zugleich vermitteln würden. Der Knecht kann sich nur im anderen darstellen, wenn das andere ihn in sich darstellt; und der Herr kann das andere in sich nur darstellen, wenn sich das andere in ihm darstellt. Der Knecht ist also die Mitte der Prämisse des Herrn, er vermittelt den Herrn mit sich selbst. Der Herr ist die Mitte der "Prämisse des Knechts" und vermittelt diesen mit der Dingheit. Mit dieser für Hegel charakteristischen Behandlung des Schlußes wird dem Rechnung getragen, daß die Prämissenbildung (so wie die Identifikation zweier Aussagen als Prämissen)bereit den Schlußsatz antizipieren und die Gründe enthalten muß, die verhindern, ihn ohne weiteres auszusprechen. Damit wird ferner deutlich, warum laut Hegel der Herr sich sowohl auf das Ding wie auf den Knecht in diesem Schluß genannten Verhältnis unmittelbar und mittelbar bezieht (vgl. 146). Der Herr erscheint dem Knecht im selbständigen Ding, auf das er sich in Wahrheit nur durch den Knecht bezieht. In dem er sich durch den Knecht auf das Ding bezieht, tritt der Knecht dem Ding gegenüber auch als Herr auf und gelangt in unmittelbare Beziehung zum Herrn. Doch damit erfährt nur der Herr seine Anerkennung. Der Knecht stellt die Abhängigkeit von dem Ding und deren Negation dar. In diesem Wechsel, der das Ding aber nicht völlig aufhebt62, bringt der Knecht mit dem Ding seine Gleichgültigkeit vor Augen, die der Herr ist. Er stellt sich im anderen dar, um das andere in sich darzustellen. Damit kommt er von dem anderen nicht los. Der Herr vermittelt aber den Knecht mit diesem Anderen. Der Knecht durchschaut jedoch nicht die Abhängigkeit des Herrn vom Ding in dieser Vermittlung. So wie der Herr das unselbständige Ding und den Knecht identifiziert, so erblickt der Knecht im Herrn die selbständige Dingheit und diesen in ihr. Doch der Knecht wird in seinem Tun – a) von der Dingheit nur durch die Vermittlung des Herrn abhängig zu sein; b) diese in sich darzustellen oder das Ding zu bearbeiten (vgl. 146); c) statt das Ding zu genießen, sich in diesem Wechsel gleichgültig zu erhalten und damit den Herrn anzuerkennen - nur durch das Verhalten des Herrn erhalten. Dieses ist a) von der Dingheit nur durch die Vermittlung des Knechtes unabhängig zu sein; b) sich im anderen darzustellen oder dem Knecht als "die Macht über dies Sein" zu erscheinen (vgl. 146); c) diesen Wechsel und den Genuß zu verleugnen und damit dem Knecht die Anerkennung nicht zu erwidern (vgl. 147). Damit stellt der Herr die ihm widerfahrene Anerkennung nicht selbst dar. Er ist nicht nur in jeder Beziehung abhängig von einem anderen, sondern sein Tun ist ihm in jeder Beziehung ein anderes, in dem er sich nicht erkennt. 63 "Die Wahrheit des selbständigen Bewußtseins ist demnach das knechtische Bewußtsein." (147)64 Es kann nun den Anschein haben, als sei Hegel damit nicht über eine geläufige Betrachtung des Verhältnisses von Herr und Knecht hinausgelangt, die sich am Urteil orientiert: Es wird zunächst die Aufhebung der Knechtschaft als Wechsel der vorgestellten 'Korrelats' aufgefaßt, sodann festgestellt, daß eine Aufhebung überhaupt nicht dargestellt werden kann, ohne dabei den Verzicht auf gedanklich noch kontrollierbare Aussagen in Kauf zu nehmen. Doch das vorliegende Verhältnis wird nicht durch diese schlichte Symmetrie gekennzeichnet. Würde nur gezeigt werden können, daß der Knecht vom Herrn ebensowenig zu abstrahieren vermag wie dieser von ihm, so würde die Knechtschaft verewigt. Denn der Herr erscheint für den Knecht als das der Abstraktion fähige Bewußtsein. In Wahrheit aber hat das knechtische Bewußtsein diese Abstraktionsfähigkeit im Kampf selbst an sich erfahren; "es hat die Furcht des Todes, des absoluten Herrn, empfunden. Es ist 62 "... es ist zugleich selbständig für ihn, und er kann darum durch sein Negieren nicht bis zur Vernichtung mit ihm fertig werden, oder er bearbeitet es nur" (Phänom. 146). Es ist im Verhältnis zum Knecht ein Allgemeines. 63 Vgl. dazu Gadamer, Materialien, 233f. 64 Die Betrachtung des Verhältnisses von Herr und Knecht zu ihrer Mitte zeigt: der Herr darf diese nicht zum Verschwinden bringen, wenn er seine Macht erhalten will. Aber er tut es im Genuß, und er muß dies tun, um seine Macht in der Differenz zum Knecht zu erweisen. darin innerlich aufgelöst worden, hat durchaus in sich selbst erzittert, und alles Fixe hat in ihm gebebt" (148). Aber es hat dieses "reine Fürsichsein" nicht für sich und den anderen dargestellt; nur "im Herrn ist es ihm sein Gegenstand" (148). Im Dienen löst sich dieses Bewußtsein zwar von sich und stellt sich für ein anderes dar, erblickt aber sein Fürsichsein nur im anderen, und dieses verschwindet in ihm. Während es hier die Anerkennung durch ein anderes Bewußtsein nur sucht, findet es in der Arbeit die Anerkennung seiner durch ein anderes - allerdings noch nicht durch ein anderes Bewußtsein. Es ist der selbständige Gegenstand, an dem es sich durch sein Tun das die Selbständigkeit des anderen negiert, für sich darstellt (vgl. 149). Damit wendet es sich zugleich gegen seine Furcht vor dem ihm gegenübertretenden selbständigen und es ausschließenden Negativen. Denn es "zerstört ... dies fremde Negative, setzt sich als ein solches (seil. Negatives; Vf.) in das Element des Bleibens, und wird hiedurch für sich selbst, ein Fürsichseiendes. Im Herrn ist ihm das Fürsichsein ein anderes oder nur für es; in der Furcht ist das Fürsichsein an ihm selbst; in dem Bilden wird das Fürsichsein als sein eignes für es, und es kommt zum Bewußtsein, daß es selbst an und für sich ist." (149) Damit schließt sich der Knecht mit sich selbst zusammen und gewinnt die Macht "über die allgemeine Macht und das ganze gegenständliche Wesen" (150). Es gelingt ihm, den Sachzwang, das wichtigste Fundament von Herrschaft, aufzuheben. 65 Die Intensität der Erfahrung der "absolute(n)Furcht" (150; vgl. 148) ist das Maß des Gelingens dieser Aufhebung. Die Furcht löst zwar das Bewußtsein aus seiner Abhängigkeit von anderem und läßt es nur sich auf sich beziehen, aber diese Selbstbeziehung wird noch nicht von ihm selbst zur Darstellung gebracht. Der Verdinglichung des Selbstbewußtseins in der Einheit von Herrschaft und Sachzwang gegenüber bleibt es unselbständig. Im Dienen stellt es die Aufhebung dieses Externen für andere, im Bilden für sich dar (vgl. 149). Damit kehrt es nicht das Verhältnis von Herrschaft und Knechtschaft um, sondern es nimmt ihm seine Grundlage: die Furcht, sich in der Verdinglichung des Selbstbewußtseins nicht finden zu können, und die Anerkennung eines sich darin gleichgültig erhaltenden Anderen. Dieses neue Verhältnis des Bewußtseins zu Ding und Dingheit stellt aber noch nicht die reale Aufhebung der Knechtschaft dar. Das Bewußtsein erfährt noch nicht seine Anerkennung durch ein anderes Bewußtsein. Es erfaßt sich noch nicht selbst als Einheit seiner Darstellung 65 Vgl. Gadamer, Materialien, 240f.; B. Liebrucks, Sprache und Bewußtsein, Bd. 3: Wege zum Bewußtsein, Frankfurt 1969, 99ff. Liebrucks hat in diesem Zusammenhang nicht nur mit Recht Gedanken der Jugendschriften eingeholt, sondern auch gesehen, daß erst "in der Moralität ... die nächsthöhere Stufe über der Knechtschaft" liegt (101). für sich und seiner Darstellung für andere (vgl. 151). Damit können als seine neuen Herren "abstrakte Wesenheiten" auftreten, die die nicht begriffene Vermittlung seiner mit sich darstellen. Was also hat der Knecht gewonnen? 5. Aufbau und Funktion des Kapitels "Selbstbewußtsein" Das Kapitel begann mit einer Auffassung des Selbstbewußtseins, die sich in der Formel "Darstellung seiner in sich" artikulieren ließ. Diese Formel sollte eine Einheit von einfachem Ausdruck und propositionaler Explikation zur Darstellung bringen. Dies gelang nur unvollkommen, wie die "Bewegung des absoluten Begriffs" zeigte, denn es waren zwei Auffassungen von "Einheit" möglich, die jeweils zugleich eine Entzweiung darstellten. Die Einheit konnte als einfacher Ausdruck ("Ich") aufgefaßt werden, der aber seine Explikation nicht erfüllte. Sie konnte ferner als Tautologie("Ich bin Ich") ausgedrückt werden, die Hegel auch "Satz des Selbstbewußtseins" genannt hat. 66 Doch diese Darstellung verneint die Einfachheit der Einheit. Sie setzt ferner die Bedingung der Möglichkeit, einfachen Ausdruck und propositionale Explikation zu unterscheiden. Sobald diese Unterscheidung vorgenommen würde, spräche nichts mehr gegen die Einführung oder das Auftreten eines "anderen" in der Explikation. Damit wäre wieder offen, ob die Einheit sich im "Ich" oder im "anderen" oder in einer wie immer gearteten Beziehung beider darstellt. Wir befänden uns erneut im Bereich des Bewußtseins. Es hatte zunächst den Anschein, als sei das Problem gelöst, indem das "andere" auch als ein Selbstbewußtsein auftrat. Es zeigte sich aber, daß damit die Behauptung der Einheit von Darstellendem und Dargestelltem zuhöchst gefährdet, daß also das Verhältnis der beiden Weisen der Darstellung des Selbstbewußtseins noch gar nicht hinreichend erhellt war. Das Selbstbewußtsein schien genötigt, sich in der Darstellung des anderen in sich zu erkennen. Damit wurde der Schein zerstört, die Einheit seiner Momente sei ihm bereits vertraut. Die Darstellung des anderen in sich erschien für das Selbstbewußtsein als Darstellung des anderen im anderen. Es drohte sein völliger Verlust, dessen Darstellung der "Kampf auf Leben und Tod" war. Vor seinem Sich-anonym-Werden zurückschreckend, nahm das Selbstbewußtsein wieder eine Bewußtseinsgestalt an. Es erkannte in sich das andere an. Es stellte sich nicht mehr in der Tautologie, sondern im anderen dar. Das andere konnte nun als selbständiges Ding, aber auch als anderes Selbstbewußtsein auftreten. Und es trat als solches auf, denn das andere Selbstbewußtsein war durch diese Anerkennung des unselbständigen Bewußtseins ja 66 ThWS 4, 117. nicht eliminiert worden. Das unselbständige Bewußtsein fand sich in ihm dargestellt. Das selbständige Bewußtsein stellte das andere in sich dar. Da das 'andere' für beide nicht mehr nur ein Selbstbewußtsein war, mußte das entstandene Verhältnis zugleich als zwei Verhältnisse aufgefaßt werden. Da jedes von ihnen durch das andere vermittelt war, stellte Hegel dieses verdoppelte Verhältnis als Schluß dar. Es zeigte sich dabei erneut die für Hegel charakteristische Operation mit dem Schluß. Er wurde aus einem disjunktiven Urteil entwickelt67, denn das andere war entweder als ein an­ deres Selbstbewußtsein oder als ein anderes als das Selbstbewußtsein aufzufassen. Da das Auftreten der Mitte zunächst der unmittelbaren Einheit der beiden Selbstbewußtseine wider­ sprach,stellte das Ding - ein anderes als das Selbstbewußtsein - die Mitte dar. Diese Mitte konnte aber nur erhalten bleiben, wenn jedes Extrem jeweils das andere mit der Mitte vermittelte. Der Gedanke, daß die Mitte nicht nur der Vermittlung dient, sondern zunächst eine Unterscheidung anzeigt, die durch das Auftreten der Mitte festgehalten wird und doch zurückgenommen werden soll, erforderte das Aufgebot des ganzen Arsenals der Hegelschen Operation mit dem Schluß: Die Etablierung eines Schlusses macht zwei weitere Schlüsse 68 er­ forderlich, wobei jeder der Termini jede Stellung im Schluß einnimmt. 69 In dieser "Bewegung" waren die beiden Extreme zu betrachten. Zunächst schien das unselbständige Bewußtsein, der Knecht, sich nur im anderen, der Herr dagegen das andere nur in sich darzustellen. Jedoch der Herr bedurfte des vermittelnden Tuns des Knechts und mußte selbst den Knecht mit dem anderen vermitteln. "Die Wahrheit des selbständigen Bewußtseins" zeigte sich als "das knechtische Bewußtsein" (147). Der Knecht aber hatte nicht nur den Herrn zum Herrn, sondern auch das, was wir "Sachzwang" nannten.Indem er den Sachzwang in der Arbeit zwar nicht eliminierte, aber doch negierte, übte er das Verhalten des anderen gegen ihn selbst aus. Während dem Herrn nicht das widerfährt, was er tut, vollbringt der Knecht selbst, was ihm widerfährt. Es kann zwar den Anschein haben, als erkenne er sich im anderen und das andere in sich. Aber das andere ist nur das Ding, und die Vermittlung ist, äußerlich betrachtet, nur der stete Wechsel von Herrschaft und Knechtschaft oder Gleichgültigkeit in Herrschaft und Knechtschaft. Letzteres wird von Hegel in der Erscheinung des Stoizismus, das erste in der des Skeptizismus vor Augen geführt. 67 S. z.B. ThWS 4, 24. 68 Vgl. die offenbar Dok. 3 25 folgende Darstellung von G.R.G. Mure, A Study of Hegel's Logic, Oxford 1950, 206ff. 69 S. Enzyklopädie § 188. Die Einsicht in die Unvollkommenheit der vom knechtischen Bewußtsein gewonnenen Freiheit eröffnet den Blick auf den Übergang zur "neue(n) Gestalt des Selbstbewußtseins"(151). Der Knecht ist sich "nicht als abstraktes Ich" Gegenstand (151). Er hat die Erfahrung gemacht, daß der Gegenstand nicht nur die Negation seiner ist,sondern daß er in der Arbeit diese Negation negiert (nicht eliminiert), damit sich vergegenständlicht, aber zugleich sich gegenständlich wird und sich erhält. Aber dieses Sich-Erhalten erfolgte nicht als ein ruhiges Sich-Zurückempfangen in der Anerkennung durch ein anderes Bewußtsein. Es war von der Tätigkeit des Knechtes überhaupt nicht zu trennen. Das knechtische Bewußtsein hat also nur die Erfahrung gemacht, das Ich im Gegenstand erhalten und zur Darstellung bringen zu können. Das Bewußtsein, sich im anderen erhalten und zur Darstellung bringen zu können, kennzeichnet es als eines, "welches denkt oder freies Selbstbewußtsein ist" (151). Nur in dieser Tätigkeit ist der Knecht bislang von der Macht des Herrn befreit, gleichsam sein eigener Knecht und Herr. Man kann diesen Fortschritt ebenso leicht überschätzen wie verkennen. Nur das Verhalten, das die Bedingungen seines eigenen Auftretens im "Ich" wie im "Gegenstand" erfaßt, "heißt denken" (vgl. 151 f.). Doch die von Hegel nun so plastisch dargestellte Freiheit des Denkens in Begriffen (vgl. 152) wird dem freien Selbstbewußtsein nur als Gedankenfreiheit zuteil."Die Freiheit im Gedanken hat nur den reinen Gedanken zu ihrer Wahrheit, die ohne die Erfüllung des Lebens ist; und ist also auch nur der Begriff der Freiheit, nicht die lebendige Freiheit selbst" (153). Während das betrachtete Bewußtsein am Beginn des Verstandeskapitels den Gegenstand vermißte und zur Wahrnehmung zurückkehren wollte, woraufhin der Betrachter eine Trennung der gewonnenen untrennbaren Einheit für das Bewußtsein vorstellig machen mußte, nahm das Selbstbewußtsein diese vermeintliche Trennung selbst vor. Es behauptete, das "Ich" sei ihm Gegenstand, und zugleich sei dieser Gegenstand nichts anderes als es selbst. Es tat also selbst das, was der Betrachter im vorangehenden Kapitel für das Bewußtsein tun mußte: es negierte die einfache Einheit seiner selbst mit seinem Gegenstand, gerade indem es sie zur Darstellung brachte. Das Auftreten eines anderen Selbstbewußtseins schien die Selbstdarstellung in der Verdoppelung zu verwirklichen; das Selbstbewußtsein schien sich in dieser Darstellung erhalten zu können. Doch auch das andere negierte seine einfache Einheit und nötigte das Selbstbewußtsein anzuerkennen, daß seine Darstellung zu einer Selbstentzweiung führe. Darin seinen Verlust fürchtend, davor zurückschreckend, unterschied sich das Selbstbewußtsein wieder von seiner Darstellung im anderen. Es erhielt seine einfache Einheit in der Differenz seiner selbst und seines Gegenstandes und wurde so abhängiges, unselbständiges Bewußtsein. Es ist leicht zu sehen, daß das Selbstbewußtsein damit die "Bewegung des absoluten Begriffs" durchführt. Es stellt die Darstellung seiner in sich als Beziehung auf sich dar. Diese abstrakte Darstellung in der durch seinen einfachen Ausdruck zu ersetzenden Tautologie wird durch das Auftreten eines anderen Selbstbewußtseins fixiert. Sie kann nicht mehr ohne weiteres zurückgenommen werden. Die konkrete Darstellung des Selbstbewußtseins für das Selbstbewußtsein erscheint aber selbst als das Darstellende und damit als die Negation des Selbstbewußtseins. Es wird dem Selbstbewußtsein zwar nur offenbar, was es selbst vollzog, aber nun erst erscheint dies als die Negation seiner selbst. Es kann diese Negation nicht einfach zurücknehmen. Indem es sie negiert, stellt es auch nicht eine einfache Einheit mit sich wieder her; sondern indem es die erscheinende Negation seiner selbst negiert, negiert es zugleich die Darstellung seiner selbst. Es erkennt an, daß es nicht in sich, sondern in einem anderen zur Darstellung gelangt. Aber damit hat es nicht sich selbst eliminiert. Denn es erkennt im anderen die Negation seiner selbst an. Indem es sich selbst negativ auf das andere bezieht, vollbringt es das, was das andere für es darstellt. In diesem negativen Sich-Beziehen auf die Darstellung der Negation seiner selbst scheinen Bewußtsein und Gegenstand einander zu entsprechen, und das freie Selbstbewußtsein scheint aufgetreten zu sein. Dieses Negieren der Negation stellt sich in Stoizismus,Skeptizismus und im unglücklichen Bewußtsein dar. 6. Erscheinungen der Autosuffizienz des Selbstbewußtseins in Stoizismus und Skeptizismus Das freie Selbstbewußtsein bezieht sich negativ auf ein anderes, das aber nur die Negation des Selbstbewußtseins darstellt. Damit stößt es "sich von sich selbst" ab und "wird sich ansichseiendes Element" (152). Das andere ist jedoch die Darstellung seines negativen Verhaltens und - da es nur selbst nichts anderes als dieses Verhalten ist - die Darstellung seiner selbst. Das Tun des Knechts und auch des Herrn "hat sich nun in die einfache Unterscheidung zusammengezogen, welche in der reinen Bewegung des Denkens ist" (153). Es ist gleichgültig dagegen geworden, ob dieser Unterschied durch es oder durch ein anderes gesetzt ist, und hebt damit das Verhältnis von Herrschaft und Knechtschaft auf(vgl.153). Dieses "denkende Wesen", das in dem den Gegenstand negierenden Ich und in dem das Ich negierenden Gegenstand gleichermaßen die Bedingung seines Auftretens findet,ist das Prinzip des "Stoizismus"70. Dieses Selbstbewußtsein abstrahiert von allen Bestimmungen des Ich und des Gegenstandes, außer der: sich zu unterscheiden und dieses Unterscheiden im anderen darzustellen. Aber damit stellt es nur sich selbst dar. Das sich so in allem Darstellende ist das Bewußtsein, als einfaches "denkendes Wesen", für das "etwas nur Wesenheit ... hat, oder wahr und gut ...ist, als das Bewußtsein sich darin als denkendes Wesen verhält" (152). Im Stoizismus tritt das Allgemeine, das sich durch Negation von Bestimmungen bestimmungslos und bestimmungsfähig Erhaltende, als Bewußtsein auf (vgl. 153). Alle Bestimmungen stellen sich nur als das "Anderssein" des Negierenden dar, in dem es "unmittelbar in sich zurückgekehrt ist" (153). Der Stoizismus bedarf aber der "gegebenen" Bestimmungen, und er muß von ihnen abstrahieren (vgl. 154), um sich als "das inhaltlose Denken" zu erhalten, "ist also nur die unvollendete Negation des Andersseins" (154). "Der Skeptizismus ist die Realisierung desjenigen, wovon der Stoizismus nur der Begriff, und die wirkliche Erfahrung, was die Freiheit des Gedankens ist; sie ist an sich das Negative und muß sich so darstellen." (154f) Auch im Skeptizismus bezieht sich das freie Selbstbewußtsein negativ auf ein anderes, das die Negation seiner ist. Aber es sucht sich nicht in dieser Darstellung seines Verhaltens zu finden und zu erhalten, sondern will diese Negation realisieren, "die gänzliche Unwesentlichkeit und Unselbständigkeit dieses Andern" zur Darstellung bringen(155; vgl. ebd.). Damit aber kehrt es sich gegen sich selbst, denn das andere ist nur die Darstellung seiner selbst. Der Skeptizismus "zeigt die dialektische Bewegung auf" (155), er ist das einfache Darstellen des Scheiterns einer Beziehung (vgl. dazu Kap. I, 5). Als Skeptizismus ist diese Bewegung "Moment des Selbstbewußtseins, welchem es nicht geschieht, daß ihm, ohne zu wissen wie, sein Wahres und Reelles verschwindet,sondern welches in der Gewißheit seiner Freiheit dies andere für reell sich Gebende selbst verschwinden läßt; nicht nur das Gegenständliche als solches, sondern sein eignes Verhalten zu ihm." (156; zweite Hervorhebung Vf.). Im Skeptizismus tritt also zugleich das Einzelne, die sich auf sich beziehende Negation, als Selbstbewußtsein auf, "das negative Wesen als einfaches" (156, vgl. 157). Dieses negative Wesen erhält sich im Verschwinden des Unterschiedes und der Bestimmtheit. Es ist auch als verdoppelte Negation aufzufassen, wie die Gestalt des Stoizismus, aber es ist zugleich die ihre Bestimmtheit durch ein anderes negierende Negation, die sich damit selbst aufhebt. 71 Sie 70 Vgl. dazu die feinsinnige Beobachtung der Intentionen Hegels bei Kojeve, Hegel, aaO. 71ff. 71 Diese Selbstaufhebung ist aber nicht nur als Abwesenheit von Negation aufzufassen, sondern zugleich als Gewinn der Substantialität. negiert die Beziehung, der sie bedarf, um als Negation aufzutreten, und ist damit "die absolute dialektische Unruhe" (156), die nicht nur die Bedingungen ihres Sich-Erhaltens negiert,sondern damit sich selbst auflöst. Doch in diesem Sich-Auflösen ist es nicht nur verschwunden, sondern zugleich die "Ataraxie des sich selbst Denkens, die unwandelbare und wahrhafte Gewißheit seiner selbst" (156). Da sein Sich-Verlieren grenzenlos ist, hat es ebenso den Charakter des Allgemeinen (vgl. 157): es erhält sich bestimmungslos und bestimmungsfähig als sich in sich zurücknehmende, in sich verschwindende Negation. Es ist also sichselbstgleich im Sichungleichwerden, "ein in sich selbst widersprechendes Bewußtsein" (158). "Dies Bewußtsein ist also diese bewußtlose Faselei, von dem einen Extreme des sichselbstgleichen Selbstbewußtseins zum andern des zufälligen, verworrenen und verwirrenden Bewußtseins hinüber und herüberzugehen. Es selbst bringt diese beiden Gedanken seiner selbst nicht zusammen" (157). Dem Unterschiedenen und Bestimmten gegenüber erscheint es als das Sichselbstgleiche; aber dem Sichselbstgleichen gegenüber verliert es sich in sich.72 "Sein Tun und seine Worte widersprechen sich immer" (157), da es sich selbst negiert, auflöst, aber nicht auszulöschen vermag, und damit das festhalten muß, dessen völlige Nichtigkeit es darzustellen sucht. Der Skeptizismus ist die in sich widersprüchliche Intention, im Sichungleichwerden die Sichselbstgleichheit und in dieser das Sichungleichwerden zu erhalten. 73 Dieses Selbstbewußtsein realisiert in sich die wechselseitige Abhängigkeit von Herr und Knecht (vgl. 155), ist in sich das zur Unabhängigkeit gelangende knechtische Bewußtsein und das dieses Bewußtsein in sich erhaltende selbständige Bewußtsein zugleich (vgl. 158). Das Bewußtsein, das sich in sich als gedoppeltes und sich widersprechendes erfaßt, seiner selbst als in sich das Verhältnis von Herr und Knecht darstellendes bewußt ist, wird von Hegel "das unglückliche,in sich entzweite Bewußtsein"(158) genannt. Wiederum versichert Hegel, daß damit schon "die Verdoppelung des Selbstbewußtseins in 72 Es muß ihm deshalb an ihm selbst gezeigt werden, daß weder der Verzicht auf seine Selbstdarstellung (s. dazu auch R. Bittner, Ober die Bedeutung der Dialektik Immanuel Kants, Diss., Heidelberg 1970, 56ff.) noch deren Verlust gelingt. 73 Dies aber bringt der absolute Begriff vor Augen: "Gegen den Begriff als Begriff, absoluten Begriff, geht der Skeptizismus nicht; der absolute Begriff ist vielmehr seine Waffe, nur daß er kein Bewußtsein darüber hat." Gesch. d. Philos. II, 372; vgl. 358ff., bes. 363, 372ff.; vgl. auch die umsichtigen Überlegungen, die Fulda, Einleitung, 25-54, vorgetragen hat; vor allem die treffenden 27f., 36, 38 und 49f.; R. Kakuschke, Geschichtlich­ keit und Christentum in Hegels Phänomenologie, Diss., Bonn 1955, bes. 19ff.; ferner Skeptizismus, GW IV, bes. 208f.; dazu H. Buchner, Zur Bedeutung des Skeptizismus beim jungen Hegel, Hegel Stud. Beih. 4, 1969, 49ff., 54ff.. sich selbst, welche im Begriffe des Geistes wesentlich ist, ... vorhanden" sei (158, vgl. o. Abschnitt 1), "aber noch nicht ihre Einheit" (ebd.). Die in ihm und als es sich darstellenden Entzweiten widersprechen nicht nur einander. Einander widersprechend, widersprechen sie zugleich ihrer Einheit, die das unglückliche Bewußtsein ist. 74 Dieses wird mit der Versöhnung der Widersprechenden sich mit sich selbst versöhnen (vgl. 159). 7. Selbstaufgabe und Erfüllung des Selbstbewußtseins im unglücklichen Bewußtsein Das denkende Selbstbewußtsein negiert die Selbständigkeit eines für es auftretenden anderen. Es erblickt im anderen nur die Negation seiner selbst, die aber nur sein eigenes Verhalten zur Darstellung bringt, denn es ist selbst die Negation des anderen. Das stoische Bewußtsein abstrahiert von der Bestimmtheit und vom Gesetztsein des anderen und erhält sich so als sich unterscheidendes Sich-Beziehen, das sich aber ebenso im anderen findet und sich gleichgültig in dieser Beziehung erhält. Das Allgemeine, das in den ersten Kapiteln der Phänomenologie zu betrachten war, ist nun als Beschaffenheit des Selbstbewußtseins aufgetreten. Das skepti­ sche Bewußtsein vernichtet das im stoischen Bewußtsein bleibende und gleichgültig erhaltene Moment des anderen. Aber diese Vernichtung ist nicht nur die Elimination der Negation und das vollkommene Verschwinden von Bewußtsein, die reine Beziehung auf sich. Das skeptische Bewußtsein hält zugleich dieses Verschwinden fest (vgl. 157). Damit wird die realisierte Negation der Negation zweideutig. Ist sie das Wesentliche, das sie festhaltende Bewußtsein aber das Unwesentliche, so stellt sich in ihr das reine unwandelbare Wesen für das Bewußtsein dar. Ist das sie festhaltende Bewußtsein aber das Wesentliche, so ist diese inhaltlose Negation der Negation das verschwindende Nichtige. Im unglücklichen Bewußtsein verständigt sich das skeptische Bewußtsein gleichsam über sich selbst. Das Selbstbewußtsein als das reine unwandelbare Wesen und als das verschwindende Nichtige konstituiert das "unglückliche, in sich entzweite Bewußtsein" (158, vgl. 159). Das unglückliche Bewußtsein findet sich in einem seiner beiden Momente dargestellt, indem es sich selbst "auf die Seite" des anderen Momentes stellt (vgl. 159).Ist ihm das Sichselbstgleiche, Unwandelbare das Wesentliche, so tritt es auf die Seite des 74 Diese Konstellation bieten schon recht präzis Hegels Jugendschriften, Nohl, 282f.; spätestens vom Systemfragment von 1800 an operiert Hegel konsequent mit dem Gedanken, Widerspruch nicht nur als Verhältnis von miteinander Unverträglichen, sondern zugleich als Widerspruch gegen ihre 'Verträglichkeit' aufzufassen (vgl. vor allem Nohl, 347). Zur Trennung dieser Momente s. A. Phalen, Das Erkenntnisproblem in Hegels Philosophie. Die Erkenntniskritik als Metaphysik, Diss., Uppsala 1912, 166ff. Von den Beschreibungen des "unglücklichen Bewußtseins" sind hervorzuheben die Hyppolites, aaO. 187ff., und die von H. Deuser gegebene: Sören Kierkegaard. Die paradoxe Dialektik des politischen Christen. Voraussetzungen bei Hegel München 1974, 123ff. Sichungleichwerdenden, Wandelbaren. Da es, anders als der Skeptizismus, den Widerspruch zwischen seiner Darstellung und seinem Verhalten nicht erträgt, "muß es zugleich darauf gehen, sich von dem Unwesentlichen, d.h. Sich von sich selbst zu befreien" (159, vgl. ebd.). Es ist seiner im Unwandelbaren bewußt, nur indem es selbst das Wandelbare ist. Gelänge es ihm, sich von sich selbst als dem Wandelbaren zu befreien, unwandelbares Bewußtsein zu werden, so würde in diesem übergehen vielmehr das Wandelbare und Verschwindende das Wesentliche. "Es ist damit ein Kampf gegen einen Feind vorhanden, gegen welchen der Sieg vielmehr ein Unterliegen, das eine erreicht zu haben vielmehr der Verlust desselben in seinem Gegenteile ist." (159f.) Die Vereinigung von Einzelnem und Allgemeinem, die ihm in der Wahrnehmung ein externes Geschehen blieb, soll nun im Bewußtsein als Versöhnung seiner selbst als "Einzelheit mit dem Allgemeinen" (160) stattfinden. Hegel beschreibt zunächst ganz abstrakt, daß sich diese Versöhnung a) als ein verschwindendes Moment des Übergehens darstellen wird; b) als Vereinigung der Gegensätze für das Bewußtsein, indem das Unwandelbare "eine Gestalt der Einzelheit wie es selbst ist"; c) als Sichselbstfinden des Bewußtseins "als dieses Einzelne im Unwandelbaren" (160). In diesen drei Schritten erfolgt die Versöhnung des Bewußtseins mit sich selbst, denn das unglückliche Bewußtsein ist selbst nicht nur einzelnes, sondern auch "selbst unwandelbares Bewußtsein" (161). Das Unwandelbare ist also zunächst nur als "Unwandelbarkeit des Bewußtseins" und damit als "noch mit einem Gegensatze behaftete" (161) vorhanden. Die Versöhnung des Einzelnen mit dem Unwandelbaren, das nicht nur die Unwandelbarkeit des Bewußtseins ist, wird in diesen Schritten erst von den Kapiteln "Vernunft" (vgl. 175ff.) und "Geist" (vgl. 160) zur Darstellung gebracht. Seinem Begriff nach hebt das unglückliche Bewußtsein sich als Einzelnes auf und wird zum unwandelbaren Bewußtsein. Aber dies suchten unmittelbar auch Stoizismus und Skeptizismus zu tun (vgl. 163). Das unglückliche Bewußtsein muß demgegenüber im Unwandelbaren ein Bewußtsein erkennen, "sein Verhältnis zu dem reinen ungestalteten Unwandelbaren aufhebe(n) und sich nur die Beziehung auf den (!; Vf.) gestalteten Unwandelbaren gebe(n)" (162). In diesem "fremden Wirklichen" wird dem Bewußtsein "das Einssein des Einzelnen mit dem Unwandelbaren" gegenständlich (162). Das unglückliche Bewußtsein erkennt aber noch nicht, daß es damit sein eigenes Verhalten vergegenständlicht hat (vgl. 161 u. 163). Würde es dies erkennen, so wäre ihm dieses andere "eine allgemeine, gedachte Einzelheit, ... Begriff" (164), in der es seine Entzweiung als Moment erfassen könnte (vgl. Kap. III, 5 und IV). So aber widerspricht es sich selbst, indem es eine Entzweiung in sich und einen anderen, fremden Einzelnen fixiert, um in dieser Entzweiung seine Versöhnung mit dem anderen zu suchen und zu finden. Es ist gewiß, von diesem anderen "erkannt und anerkannt" zu werden (164), und fühlt zugleich "sich selbst ...als die Entzweiung" (163). Als ein Wirkliches - seine eigene Wirklichkeit, die es von sich getrennt und vergegenständlicht hat75 - erscheint ihm das Unwandelbare nur. So scheint es zwar das zu erlangen, was dem arbeitenden knechtischen Bewußtsein, das nicht zur Anerkennung durch ein anderes Bewußtsein gelangte (vgl. Abschnitt 5), fehlte; aber dieser Einzelne verschwindet, wie das vermeinte Einzelne der sinnlichen Gewißheit (vgl. 164) dem Bewußtsein verschwunden ist. Hier jedoch verschwindet der Einzelne nicht in einem für die sinnliche Gewißheit unbegreiflichen Allgemeinen, sondern im Bewußtsein selbst. D.h. dieses fühlt in diesem Verschwinden sich selbst und ist "für sich seiendes Wirkliches" (165). Allerdings hat es noch nicht selbst das fremde Wirkliche aufgehoben, sondern dieses ist in ihm verschwunden. Es müßte also, um das Selbstgefühl selbst zu erhalten, das Verschwinden des Wirklichen im Bewußtsein in "Begierde und Arbeit" reproduzieren. Aber damit würde es wiederum nur seine Entzweiung reproduzieren, um durch Aufhebung dieser Entzweiung seine Versöhnung mit sich zu suchen und zu finden (vgl. 165). Das Wirkliche, zu dem sich das unglückliche Bewußtsein nun begehrend und arbeitend verhält, hat aber auch selbst eine neue Gestalt. Das Bewußtsein hat das wirkliche Einzelne nicht nur als verschwindendes, sondern als im anderen, in sich verschwindendes erfahren.Dieses In-sich-Verschwinden erfaßt es noch nicht als Frucht seines eigenen Tuns und gelangt deshalb auch nicht "zum Gefühle seiner Selbständigkeit" (165, vgl. ebd.). So wie es seine eigene Entzweiung reproduziert, um in deren Aufhebung die Versöhnung seiner mit sich zu suchen, so erblickt es auch eine entzweite Wirklichkeit, die einerseits verschwindende, "an sich nichtig" ist, andererseits aber auch sich in sich erhält, "eine geheiligte Welt ist" (165). Die beiden Momente des skeptischen Bewußtseins sind ihm nun gegenständlich geworden, und in diesen Momenten kann es sich selbst und seine eigene Entzweiung ausgedrückt finden. Das Bewußtsein erfährt sich einerseits als das mit seiner Wirklichkeit Versöhnte, andererseits 75 Daß Hegel nicht aus theologischen Motiven auf die Entwicklung einer Projektionstheorie verzichtet, werden die folgenden Kapitel deutlich machen. An dieser Stelle des Werkes können in der Tat noch die Erwägungen angestellt werden, wie sie Ch. Link, Hegels Wort "Gott selbst ist tot", ThST(B) 114, 1974, 85ff., wieder vorgetragen hat. "Natur und Welt" kommen für das unglückliche Bewußtsein noch nicht in den Blick; die Vorbehalte K. Löwiths, Hegels Aufhebung der christlichen Religion, Hegel Stud. Beih. 1, 1964, 232, auf die Link sich beruft, wären unter Berücksichtigung der Ausführungen Hegels über das Verhältnis der Gemeinde zur Natur auf die Probe zu stellen als Tätiges, in Arbeit und Genuß die Wirklichkeit aufhebend. Die Wirklichkeit ist ihm einerseits das im Unwandelbaren Erhaltene, andererseits das Verschwindende. Bewußtsein und Wirklichkeit sind einerseits "beide in das Unwandelbare zurückgegangen", sind beide als "Mitte" dieses Verhältnisses aufzufassen. Andererseits treten sie als Extreme auf: das Bewußtsein "als das tätige Diesseits auf einer Seite und ihm gegenüber die passive Wirklichkeit" (166). Doch die unmittelbare Einheit des Bewußtseins mit dem unwandelbaren Wesen ist gefährdet: "Die tätige Kraft erscheint als die Macht, worin die Wirklichkeit sich auflöst" (166). Das Bewußtsein muß also, um seine Einheit mit dem Unwandelbaren nicht aufzulösen, a) seine Selbständigkeit leugnen und dem anderen zusprechen (vgl. 166); b) die aufgehobene Wirklichkeit als vom Unwandelbaren preisgegebene und überlassene (s. 166)diesem verdanken(167). Damit aber erzeugt es nur den Schein, es sei die Einheit im Wechsel erhalten. Denn es stellt einerseits das andere "als die absolute Macht dar, von der die Bewegung nach allen Seiten ausgegangen" ist, andererseits hat es "gewollt, getan und genossen" und nicht nur die Wirklichkeit, sondern im Danken auch sich selbst aufgehoben (167). Das Bewußtsein hebt also selbst die Einheit mit dem Unwandel baren auf und ist in dieser zweiten Rückkehr in sich "ein solches, welches sich als wirkliches und wirkendes Bewußtsein erfahren, oder dem es wahr ist, an und für sich zu sein" (168). Das unglückliche Bewußtsein scheint nun die Spaltung in sich und eine fremde Wirklichkeit aufgehoben zu haben,indem es "in sich als die ihm wahrhafte Wirklichkeit" (168) zurückgekehrt ist. Es hat das durch ein anderes vermittelte Verhältnis zur Wirklichkeit negiert und sich als die Vermittlung seiner mit der Wirklichkeit erwiesen. So erstaunt es zunächst, daß Hegel diese zweite Rückkehr mit dem Kommentar versieht: "Darin ist aber nun der Feind in seiner eigensten Gestalt aufgefunden." (168) Dem unglücklichen Bewußtsein ist also nicht nur das Einzelne in ihm und für es im Unwandelbaren verschwunden (erste Rückkehr in sich), es hat auch das Unwandelbare in sich aufgehoben. Dies gelang aber nur, indem es seine Beziehung auf es verleugnete, für nichtig erklärte. Auch das Unwandelbare ist ihm nun, im Einzelnen aufgehoben, eine nichtige Realität, mit der es sich unter Verleugnung seines Tuns versöhnt hat. Die Unvollkommenheit dieser Versöhnung ist in einer Betrachtung der "Beziehung" dieses Bewußtseins "auf das allgemeine Wesen, als der Nichtigkeit" (168) zu erhellen. In dieser Gestalt hat das Selbstbewußtsein gleichsam den es umgebenden Schein der Unschuld verloren, in dem es zunächst als "unerfüllter Darstellungsbereich" (vgl. Abschnitt 1) auftreten konnte. Unerfüllt - das kann, wie sich nun zeigt, besagen: bezogen auf das Nichtige. Das einzelne Bewußtsein, das das Allgemeine nur noch im Einzelnen sucht und findet und nur das Einzelne im Allgemeinen hervorhebt, beschreibt Hegel als "eine auf sich und ihr kleines Tun beschränkte, und sich bebrütende, ebenso unglückliche als ärmliche Persönlichkeit" (168f.; vgl. 168). Der Versuch, durch Verleugnung seiner Wirklichkeit und seines Tuns sich nicht nur selbst zu verleugnen, sondern in Wahrheit sich mit sich zu versöhnen, ist aber bedingt durch das unmittelbare Bedürfnis, die Einheit mit dem Unwandelbaren zu erhalten. An "das Gefühl seines Unglücks und die Ärmlichkeit seines Tuns knüpft sich ebenso das Bewußtsein seiner Einheit mit dem Unwandelbaren"(169). Das unglückliche Bewußtsein muß sich also "gegen seine Einzelheit" wenden, sich in anderer Weise gegen sich selbst verhalten als in dem Versuch, durch Verleugnung seines Tuns das Unwandelbare mit der Wirklichkeit zu vermitteln. Kennt man Hegels Operation mit der Struktur des Schlusses, so gelingt es, dem nun anstehenden Schritt die Dunkelheit zu nehmen, die ihn im Text der Phänomenologie umgibt (vgl. 169). Die erste Prämisse, in der das Extrem der Einzelheit auftritt, kann Prämisse des Bewußtseins, die zweite, in der das Allgemeine auftritt, Prämisse des Unwandelbaren genannt werden. Das Bewußtsein steht in unmittelbarer Beziehung zur Einzelheit als seiner Wirklichkeit. Das Unwandelbare steht in unmittelbarer Beziehung zum Allgemeinen, zu der Wirklichkeit, zu der sich das Bewußtsein nur mittelbar verhält. Zugleich machen Bewußtsein und Unwandelbares als Einheit die Mitte aus, nur ihre jeweilige Wirklichkeit ist der des anderen entgegengesetzt. Diese Schlußstruktur kann laut Hegel nur etabliert bleiben, wenn jedes Extrem das andere mit der Mitte vermittelt. Damit treten zwei weitere Schlußstrukturen auf: das Einzelne muß die Elemente der zweiten Prämisse, das Allgemeine die der ersten Prämisse vermitteln. Die erste Vermittlung hat das Bewußtsein vorgenommen. Es hat die unmittelbare Beziehung auf seine einzelne Wirklichkeit aufgegeben und die Mitte mit der Wirklichkeit, der Gestalt des Unwandelbaren, vermittelt, damit aber seine Einheit mit dem Unwandelbaren zur Einzelheit gemacht. Die Aufhebung seiner Einzelheit gelingt also nicht. Die nun anstehende Vermittlung wird sich dagegen in der Prämisse des Bewußtseins abspielen. Das "Extrem des unwandelbaren Bewußtseins" tritt als Mitte "für das unwesentliche Bewußtsein" auf(169). "Diese Mitte ist selbst ein bewußtes Wesen, denn sie ist ein das Bewußtsein als solches vermittelndes Tun; der Inhalt dieses Tuns ist die Vertilgung, welche das Bewußtsein mit seiner Einzelheit vornimmt." (169) Das Bewußtsein entzweit sich also, trennt sich von seiner einzelnen Wirklichkeit und läßt "den Mittler" zwischen sich und seine Wirklichkeit treten. "Dieser Vermittler, als mit dem unwandelbaren Wesen in unmittelbarer Beziehung", scheint aus der unmittelbaren Beziehung mit dem Unwandelbaren heraus und in das Bewußtsein einzutreten. Aber in Wahrheit bleibt dieser "Diener" in unmittelbarer Beziehung mit dem "unwandelbaren Wesen". Denn das Bewußtsein löst sich von seiner unmittelbaren Beziehung auf das Einzelne "und wirft auf die Mitte oder den Diener ... die Schuld seines Tuns" (169). Bewußtsein und Unwandelbares werden also in dieser Beziehung zur Einheit des Allgemeinen, unwandelbares Wesen. Aber noch bleibt dem Bewußtsein eine vermittelte Wirklichkeit (vgl. 169). Denn es nimmt nicht das selbständige Bewußtsein des Herrn gegenüber diesem Diener an, sondern spricht die Wirklichkeit dem anderen zu, "indem es etwas ganz Fremdes, ihm Sinnloses vorstellend und sprechend sich bewegt ..." (170), sich von aller äußeren Wirklichkeit abtrennt und sich so nur auf sich bezieht. Als sich nur auf sich beziehendes unwesentliches Bewußtsein hat es "die Gewißheit!,] in Wahrheit seines Ich sich entäußert, und sein unmittelbares Selbstbewußtsein zu einem Dinge,zu einem gegenständlichen Sein gemacht zu haben" (170).76 Dem Bewußtsein ist damit sein Wille und sein Tun, seine einzelne Wirklichkeit fremd geworden. Ein "Tun des andern Extrems des Schlusses" (170), das für das Bewußtsein als Vermittler auftritt, scheint es von seinem einzelnen Willen getrennt zu haben. Das Bewußtsein erkennt nicht, daß es seinen Willen nicht nur aufgeopfert hat (vgl. 170), sondern damit "das Setzen des Willens als eines Andern, und bestimmt des Willens als eines nicht einzelnen, sondern allgemeinen" vorgenommen hat (170f.). Es hat sein Verhalten, das ein Sich-Entzweien war, als das seine negiert und dem gegenständlichen Anderen zugeschrieben. Das am Entzweiten betrachtete Sich-Entzweien ist aber als Aufhebung des Entzweitseins aufzufassen. Würde das unglückliche Bewußtsein sich im Begriff erkennen und nicht die Vorstellung eines fremden Mittlers fixieren, so würde sein Unglück nicht nur "an sich ... von ihm ablassen" (170). Das Bewußtsein erkennt sich aber noch nicht selbst als dieses fremde Allgemeine und dieses als sein eigenes Tun (vgl. 171). In der Erscheinung des Allgemeinen (als Mittler) findet es seine Einzelheit aufgehoben: es findet die Darstellung seiner in diesem fremden Allgemeinen als Ding. Man könnte von einer Erscheinung des Selbstbewußtseins im Selbstbewußtsein 76 Es verhält sich zu sich wie das Ding im Allgemeinen - das nun aber als die Allgemeinheit seiner selbst begriffen werden kann. Zu Hegels Verwendung des Terminus Entschluß (Phänom. 169) vgl. Rechtsphilos. § 12; dazu § 7 und die letzte Randbemerkung zu § 12 in Hegels Handexemplar. sprechen, die dieses nun erfüllt. Die Darstellung seiner in sich wird sich in sich gegenständlich als Darstellung seiner im anderen. Abstrakt, aber einfach ausgedruckt: das "Ich" beginnt, sich und die Bedingung seines Auftretens in seinen Prädikaten zu erkennen. KAPITEL VI 1. Zum weiteren Vorgehen dieser Arbeit. "Unglückliches Bewußtsein" und "unglückliches Selbstbewußtsein" Der Abschluß des zweiten und der Ansatz zum dritten, letzten und umfangreichsten Teil (C.)der Phänomenologie erinnert an die wichtigsten Ausführungen ihrer Vorrede (vgl. bes. 48ff.).Sie ist von Hegel bekanntlich am Schluß erst geschrieben worden 77 und hat in der Tat vor allem die Konstellation des sich und die Bedingung seines Auftretens in seinem Prädikat erkennenden Subjekts vor Augen, eine Konstellation, die im dritten Teil der Phänomenologie erste Orientierung bietet. Die Einleitung der Phänomenologie dagegen, die wohl nach Abschluß der ersten Hälfte des Manuskripts, vor deren Absendung an den Verleger, geschrieben wurde 78, gibt einen Ausblick auf das Werk primär in der Perspektive des zweiten Teils (B.), des Kapitels "Selbstbewußtsein". In der Einleitung dieser Arbeit konnte bereits gezeigt werden, daß diese Perspektive den Übergang von relativer Unbestimmtheit zu relativer Bestimmtheit ins Auge faßt. Obwohl beide Perspektiven eng verwandt und auch im ersten Teil des Werkes präsent sind, wird man gut daran tun zu beachten, daß weder die Vorrede noch die Einleitung einen direkten Zugang zu ihm erschließen. Wie auch Hegel betont, leitet sich der erste Teil gleichsam selbst ein. Der erste und der zweite Teil wurden Schritt für Schritt betrachtet und dargestellt. Bei der Untersuchung des ersten Teils war das Interesse an der Freilegung des Verfahrens der Phänomenologie vorherrschend. Im Kapitel IV konnten die gewonnenen Einsichten ausgewertet und im Blick auf den Abschluß des Werkes, das absolute Wissen, bestätigt und vertieft werden; im vorangehenden Kapitel, das den zweiten Teil untersuchte, sollten sie sich weiterhin bewähren. Dabei waren aber nicht nur die die Entwicklung bestimmenden systematischen Zusammenhänge und die leitenden konstruktiven Schritte hervorzuheben. So könnte z.B. ein Vergleich mit bisherigen Ausdeutungen des Abschnitts "Herrschaft und Knechtschaft" zeigen, daß erst die Beachtung der logischen Verfassung, in der die Phänomene zur Darstellung gelangen, den Text zum deutlichen Sprechen bringt. So könnte auch gezeigt 77 S. Pöggeler, Materialien, 348f. Zur Schwierigkeit, über das Verfahren der Phänomenologie im Blick auf ihre Vorrede zu orientieren, s.a. W. Marx, Absolute Reflexion und Sprache, Frankfurt 1967. 78 Eine ganze Reihe von Wendungen der ersten Absätze des Kapitels "Selbstbewußtsein" finden sich fast wörtlich in der Einleitung wieder. werden, daß sich eine ganze Reihe allgemeiner und oft wiederholter Fragen der Literatur an Hegel nun präzisieren ließe. Es wurde z.B., auch ohne starke Unterstreichung, sichtbar, daß Hegel in der Betrachtung des unglücklichen Bewußtseins eine sehr differenzierte 'Projektionstheorie' des religiösen Bewußtseins bereits entwickelt hat. Aufgrund dieses Befundes wäre es nicht schwer, nun darzutun, warum nach Hegels Überzeugung die Darstellung der "offenbaren Religion" in einer ausschließlich an der Individualität orientierten Begrifflichkeit völlig unzureichend bliebe.79 Von solchen Zusammenfassungen und Diskussionen soll aber hier abgesehen werden. Wie die Einleitung bereits ankündigte, soll nun noch in der Untersuchung eines Abschnitts des dritten Teils, des Abschnitts "Die offenbare Religion", ein Beitrag zur Beendigung des Streits für und wider die Theologizität der Philosophie Hegels gegeben werden. Gelänge es, diesen Abschnitt zu entschlüsseln, so wäre dies - nach der Darstellung dessen, was im "absoluten Wissen" vor sich geht - nicht nur eine zweite Bewährung der Freilegung des Verfahrens auch im letzten Teil des Werkes. Es würde vor allem der Text erschlossen, der für jene bis heute anhaltende Kontroverse von zentraler Bedeutung ist. Dies wird deutlich, sobald man eingesteht, daß Theologizität nicht schon da attestiert werden kann, wo - in welchem Kontext auch immer - die Ausdrücke Gott, absoluter Geist, das absolute Wesen auftreten. Viele Texte, die niemand theologisch nennen würde, führen diese Ausdrücke ein. Der Abschnitt "Die offenbare Religion" dagegen bietet eine Sequenz von inhaltlichen Aussagen, die jedenfalls den Anschein mit sich führen, ein theologischer Traktat oder gar eine Dogmatik in nuce sein zu wollen. Das zeichnet ihn vor den Bemerkungen der Logik oder den Gedanken der Enzyklopädie aus, die für jene Kontroverse wichtig sind, die es aber zugleich dem Leser nicht ersparen, inhaltlich theologische Aussagen von außen heranzutragen, wenn er die Diagnose der Theologizität durchsetzen will. Aber auch gegenüber den Vorlesungen über die Philosophie der Religion, die an inhaltlich theologisch anmutenden Aussagen reich sind, verdient der Text der Phänomenologie nicht nur deshalb den Vorzug, weil Hegel ihn selbst publizierte. Die Vorlesungen verstehen sich als ein der Be­ trachtung der Religion gewidmeter eigener Teil der Philosophie. Wer bei ihrem Studium z.B. zu der Überzeugung gelangt, daß theologisches Denken für Hegels Philosophie konstitutiv sei, müßte also Stellung und Status dieses Teils im Ganzen der Philosophie mit Gründen bestimmen, die erst aufzusuchen und zu rechtfertigen wären. Er könnte nicht umhin, dabei auf die zuvor genannten Werke zurückzugreifen. 79 S. dazu das folgende Kap., bes. Anm. 87. Allerdings erhebt sich nun die Frage nach einem angemessenen Zugang zum Abschnitt "Die offenbare Religion". Es ist häufig vermutet worden, dieser Zugang sei im Blick auf die Gestalt des "unglücklichen Bewußtseins" zu gewinnen, auf die der Abschnitt ausdrücklich zurückverweist (vgl.533). Dabei ist aber stets übersehen worden, daß nicht das "unglückliche Bewußtsein", sondern das "unglückliche Selbstbewußtsein" einen Ausgangspunkt für die Entwicklung der offenbaren Religion darstellt (vgl. 525). Vieles spricht dafür 80, daß Hegel beide Gestalten unterschieden wissen wollte und das unglückliche Selbstbewußtsein als den "Wechsel des unglücklichen Bewußtseins mit sich, der aber für es selbst innerhalb seiner vorgeht" (462; Hervorhebung Vf.), betrachtete. Auch wurde dem unglücklichen Bewußtsein erst die Vorstellung der Vernunft (171); das unglückliche Selbstbewußtsein ist "der Begriff der Vernunft zu sein sich bewußt" (462). Obwohl mit Recht festgestellt werden könnte, daß für den Betrachter, der durchschaue, daß das unglückliche Bewußtsein nur sein eigenes Verhalten vergegenständliche, dieses bereits "unglückliches Selbstbewußtsein" sei, ist dieser Zugang zu riskant. Hegel hat es hier an der nötigen Klarheit fehlen lassen. Eine Rekonstruktion eines Übergangs vom "unglücklichen Bewußtsein"zum "unglücklichen Selbstbewußtsein" bliebe relativ anfechtbar. 2. Der Abschluß der Phänomenologie ohne das Religionskapitel Die "Versöhnung des Bewußtseins mit dem Selbstbewußtsein" (533), die das Kapitel "Das absolute Wissen" darstellt, bedarf nicht notwendig des Religionskapitels. Wohl bringt auch die Religion die Versöhnung des Bewußtseins mit dem Selbstbewußtsein vor Augen; doch die Versöhnung zeigt sich "von der gedoppelten Seite zustande gebracht, das eine Mal im religiösen Geiste, das andere Mal im Bewußtsein selbst als solchem" (553). Die Darstellung der Versöhnung auf der "religiöse(n)Seite" (553) folgt aber der Versöhnung "im Bewußtsein selbst als solchem". Denn "das Bewußtsein ist in der Ordnung, in der uns seine Gestalten vorkamen, teils zu den einzelnen Momenten derselben, teils zu ihrer Vereinigung längst gekommen,ehe auch die Religion ihrem Gegenstande die Gestalt des wirklichen Selbstbewußtseins gab" (553; Hervorhebung Vf.).81 80 Vgl. gegen die folgenden Belege aber Phänom. 523. 81 Eine theologische Auseinandersetzung mit Hegel, die alle Bestandteile dieser Wendung gleichmäßig zu betonen sucht, hat K. Barth, Die protestantische Theologie im 19. Jahrhundert, 3. Aufl., Zürich 1960, vorgetragen. S. bes. 358f., 363, 374f. Vgl. dazu K.T. Kim, Gottes Sein in der Geschichte. G.W.F. Hegels Gottesund Geschichtsverständnis nach seiner "Vernunft in der Geschichte" und theologische Kritik an Hegel am Beispiel Karl Barths, Diss., Tübingen 1976, 172ff. Ein zweiter Hinweis Hegels verschärft die Frage, welche Aufgabe er dem Religionskapitel in der Phänomenologie eigentlich zuweist. Die "Vereinigung beider Seiten" der Versöhnung des Bewußtseins mit dem Selbstbewußtsein "ist an sich schon geschehen, zwar auch in der Religion aber nicht nach der eigentlichen Form" (553). Auch diese "Vereinigung gehört" nicht nur der "andern Seite an", sie ist vor Beginn des Religionskapitels "schon vorhanden" gewesen (553); "die Vereinigung, welche noch fehlt, ist die einfache Einheit des Begriffs. Dieser ist an der Seite des Selbstbewußtseins selbst auch schon vorhanden; aber wie er im Vorhergehenden vorgekommen, hat er, wie alle übrigen Momente, die Form, eine besondere Gestalt des Bewußtseins zu sein. - Er ist also derjenige Teil der Gestalt des seiner selbst gewissen Geistes, der in seinem Begriffe stehen bleibt, und die schöne Seele genannt wurde" (553f.; vgl. ebd.). Da nun das Kapitel "Das absolute Wissen" von dieser Gestalt ausgeht, um die "Realisierung" des Begriffs (vgl. 554, 556) darzustellen, fragt es sich, warum Hegel eine unvollkommene Versöhnung des Bewußtseins mit dem Selbstbewußtsein, eine unvollkommene Realisierung des Begriffs (vgl. 559) zwischen dem "seiner selbst gewissen Geist", der Moralität, und dem "absoluten Wissen" auftreten läßt.82 Denn von jener Gestalt des sich selbst gewissen Geistes, der schönen Seele, ausgehend, führt nun "das Selbst ... das Leben des absoluten Geistes durch" (554; vgl. ebd.). Betrachtet man diese von Hegel skizzenhaft dargestellte "Durchführung" und fragt, wo sie auf das Religionskapitel zurückweist, so zeigt sich: nur die Behauptung, daß es sich hierbei um "das Leben des absoluten Geistes" handle, nicht aber die einzelnen Schritte der Durchführung halten dieses Kapitel beim Abschluß der Phänomenolo­ gie präsent. Es ist also zunächst die handelnde, ihr Verhalten festhaltende und damit zu einer anderen Gestalt gelangende "schöne Seele" zu betrachten. Sodann ist zu fragen, warum Hegel diese "Seite" und die "religiöse Seite", "wie sie betrachtet worden, ... zunächst auseinander(fallen)" (553) läßt, dann aber Wert darauf legt zu betonen, daß das Selbst die Vereinigung dieser beiden Seiten vornimmt, die der Religion nur unvollkommen gelang . 3. Schöne Seele, reiner Begriff und Rechtfertigung des Bösen aus Einsicht Der reine Begriff (vgl. Kap. III, 5 und 4) ist nicht ein Konstrukt. Er ist das leere Denken des leeren Selbst. Die ihn darstellende Gestalt hat Hegel "schöne Seele" genannt. 82 S. die ausführliche Behandlung dieser Fragestellung bei H. Röttges, Der Begriff der Methode in der Philo­ sophie Hegels, Meisenheim 1976, 170ff. Man kann einwenden, diese Gestalt sei geradezu ein Verzicht auf Darstellung und Selbstdarstellung; es handle sich allenfalls um eine Instanziierung eines schweigenden Verhaltens, über das sich weiter nichts sagen lasse. Hegel kann diesen Einwand entkräften. Gerade der Verzicht auf jede Äußerung ist eine Selbstdarstellung, und das Schweigen ist ein Handeln - angesichts eines Schuldbekenntnisses. Das Auftreten der schönen Seele und diese Situation stellen den Übergang zum Religionskapitel dar. Die schöne Seele ist ein leeres Denken des leeren Selbst, die bewahrte Reinheit des Begriffs, als Selbstbewußtsein auftretend. "Es fehlt ihm die Kraft der Entäußerung, die Kraft, sich zum Dinge zu machen und das Sein zu ertragen. Es lebt in der Angst, die Herrlichkeit seines Innern durch Handlung und Dasein zu beflecken; und um die Reinheit seines Herzens zu bewahren,flieht es die Berührung der Wirklichkeit und beharrt in der eigensinnigen Kraftlosigkeit, seinem zur letzten Abstraktion zugespitzten Selbst zu entsagen und sich Substantialität zu geben oder sein Denken in Sein zu verwandeln und sich dem absoluten Unterschiede anzuvertrauen. Der hohle Gegenstand, den es sich erzeugt, erfüllt es daher nun mit dem Bewußtsein der Leerheit; sein Tun ist das Sehnen, das in dem Werden seiner selbst zum wesenlosen Gegenstande sich nur verliert, und über diesen Verlust hinaus und zurück zu sich fallend,sich nur als verlornes findet; - in dieser durchsichtigen Reinheit seiner Momente eine unglückliche sogenannte schöne Seele, verglimmt sie in sich, und schwindet als ein gestaltloser Dunst, der sich in Luft auflöst." (462f.) Zugleich ist diese Gestalt in sich entzweit. Im allgemeinen, bestimmungsfähigen leeren Denken hält diese Gestalt ihr einzelnes "reines Selbst, als leeres Wissen, ... das Inhalts und Bestimmungslose" (464) fest. Sobald es sich aber auf dieses sein inneres Wissen zur Rechtfertigung seines Verhaltens beruft, gilt es dem allgemeinen Bewußtsein "als das Böse, weil es die Ungleichheit seines Insichseins mit dem Allgemeinen ist" (464). "Es gesteht sich in der Tat als Böses durch die Behauptung ein, daß es, dem anerkannten Allgemeinen entgegengesetzt, nach seinem innern Gesetze und Gewissen handle. Denn wäre dies Gesetz und Gewissen nicht das Gesetz seiner Einzelheit und Willkür, so wäre es nicht etwas Innres, Eignes, sondern das allgemein Anerkannte. Wer darum sagt, daß er nach seinem Gesetze und Gewissen gegen die Andern handle, sagt in der Tat, daß er sie mißhandle."(465) Indem aber das allgemeine Bewußtsein das selbstbezogene Bewußtsein als böses verurteilt, beruft es sich ebenso nur auf sein Gesetz (vgl. 465), erweist zugleich sein Gesetz als nicht allgemeines, nicht anerkanntes und räumt dem fürsichseienden Bewußtsein das gleiche Recht neben dem allgemeinen ein (vgl. 466). Zugleich schließt es, da es selbst nicht handelt,sondern nur urteilt, einerseits das Moment des Einzelnen aus; andererseits aber schreibt es das Moment des Allgemeinen, nämlich das Bewußtsein der Handlung auch dem Einzelnen zu(vgl. 466f). In diesem nicht nur. verurteilenden, sondern eigentlich erst beurteilenden Verhalten identifiziert es sich mit dem auf seine Einzelheit bezogenen Bewußtsein. "Dieses findet sich von jenem nicht nur aufgefaßt als ein Fremdes und mit ihm Ungleiches, sondern vielmehr jenes nach dessen eigner Beschaffenheit mit ihm gleich. Diese Gleichheit anschauend und sie aussprechend, gesteht es sich ihm ein ..." (468). Indem das allgemeine Bewußtsein dem "sich bekennenden" Bewußtsein die Verzeihung verweigert, es verstößt, "kehrt sich die Szene um" (469). Das nun schweigende (vgl. ebd.), sich nicht äußernde Bewußtsein, das nun "dem Bösen die Schönheit seiner Seele" (ebd., Hervorhebung Vf.)entgegensetzt, wiederholt nicht die ausgesprochene Selbsterkenntnis des seine Selbstbezogenheit aufgebenden Bewußtseins im Anderen. Das Einzelne hat sich im Allgemeinen und dieses in sich erkannt und anerkannt und sich im Allgemeinen dargestellt. Das allgemeine Bewußtsein muß aber ebenso das ihm entgegengesetzte Einzelne in sich erkennen, anerkennen und zur Darstellung bringen. Diese vollendete Versöhnung, "ein gegenseitiges Anerkennen, welches der absolute Geist ist" (471), wird von der "kraftlosen" und "wirklichkeitslosen" allgemeinen "schönen Seele" (vgl. 470) zunächst als ein äußerliches Geschehen vorgestellt und gedacht. Die Rechtfertigung des sich bekennenden Bösen, die Versöhnung des einzelnen und des allgemeinen Bewußtseins und Selbstbewußtseins erscheint als ein fremdes und unbegreifliches Geschehen. An die Stelle der Rechtfertigung des Sünders aus Einsicht tritt seine Rechtfertigung aus Gnaden. Als diese fremde Mitte der Versöhnung tritt die Religion auf. Die Religion stellt die an sich bereits geschehene Versöhnung von einzelnem und allgemeinem Ich für die einander noch Entgegengesetzten dar. 4. Religion als Phänomen des Geistes Die Religion ist nur die empfundene, vorgestellte und gedachte, nicht aber die denkend vollzogene Versöhnung von einzelnem und allgemeinem Bewußtsein und Selbstbewußtsein. Das religiöse Geschehen stellt nur in sich und für das wirkliche Bewußtsein diese Versöhnung dar. Der Vollzug kommt dem bereits betrachteten "absoluten Wissen" zu(vgl. Kap. IV, 1 und 2). Die Religion ist deshalb nur der vorgestellte Geist 83, weil die Mitte der Versöhnung von 83 S. schon GW VIII, 282: "Die Religion aber ist der vorgestellte Geist, das Selbst des sein reines Bewußtseyn und sein wirkliches nicht zusammen bringt, dem der Inhalt von jenem in diesem als ein anderes gegenübertritt" Selbstbewußtsein und Bewußtsein, Einzelnem und Allgemeinem noch nicht als der diese Momente unterscheidende und verbindende Begriff gewußt wird 84, der zugleich die unterschiedenen Momente in sich schließt. Den noch nicht aufgetretenen, noch nicht als Selbst hervorgetretenen Begriff nennt Hegel "Substanz" (vgl. 557 und die Einleitung dieser Arbeit). Die Substanz kann als die noch relativ unbestimmte Einheit und Mitte von einzelnem und allgemeinem Ich aufgefaßt werden. Da sie in der Religion nicht als Begriff auftritt, wird sie in ihr auch die Unbestimmtheit nicht völlig verlieren. Ebenso wird das Selbst, das dieses Hervortreten des Begriffs betrachtet und vorstellt, sich selbst nicht wirklich in ihm erkennen. Die Versöhnung von einzelnem und allgemeinem Selbst, von Individuum und Gemeinschaft, wird in der Religion wohl vollzogen - aber im Blick auf ein fremdes Geschehen. Die Religion ist eine Erscheinung des Geistes für den Geist,für das verdoppelte Selbstbewußtsein, das Ich, welches Wir, und das Wir, welches Ich ist. Betrachtet man diese Konstellation, so wird zweierlei leicht verständlich. Einmal zeigt sich, warum der Geist der Religion in den drei Formen (als Bewußtsein, Selbstbewußtsein und "in der Form der Einheit beider" [480, vgl. ebd.]) auftreten kann, zugleich aber durchgängig als selbstbewußter Geist (vgl. 474ff.) aufgefaßt wird. Die Einheit von einzelnem und allgemeinem Selbstbewußtsein kann von den Unterschiedenen, für die sie auftritt, unterschieden werden, sie kann ferner aber auch als deren einfache Einheit aufgefaßt und schließlich können die Unterschiedenen als Darstellung der einfachen Einheit betrachtet werden. Durch diese hier nur anzudeutenden unterschiedenen Verhältnisse, nicht aber durch die Vorstellungen, unterscheiden sich laut Hegel die Religionen voneinander: "die Vorstellungen, welche eine wirkliche Religion vor einer andern auszuzeichnen scheinen, kommen in jeder vor" (481). Zweitens wird einsehbar, warum sehr verschiedene Relationen zum Schlüssel der Interpretation des Abschnitts "Die offenbare Religion" erklärt werden konnten. Es wird auch möglich zu sehen, welches Moment dieser Erscheinung des Geistes damit jeweils hervorgehoben wurde, bzw. anzugeben, in welchem Grade und wieweit die einzelnen Ansätze den Text zu erschließen erlauben. So läßt sich nun leicht erklären, warum zum Beispiel eine sich am Verhältnis von "Denken und Gedanke" orientierende Interpretation85 erfolgreicher 84 Vgl. dazu GW VII, 174, und GW VIII, 280f., wo Gott schon "die Tiefe des seiner selbst gewissen Geistes" (im Original hervorgehoben) und dieses Tiefe "der Begriff, die absolute reine Macht" genannt wird. 85 S. z.B. F. Wagner, Der Gedanke der Persönlichkeit Gottes bei Fichte und Hegel, Gütersloh 1971 . 228ff.. 254ff. war als Ausdeutungsbemühungen, die eine Subjekt-Objekt-Relation voraussetzen86; es läßt sich erklären, warum zwar viel für eine Orientierung am "Prinzip der Subjektivität" sprach87, obwohl eine die Individualität charakterisierende Begrifflichkeit dem Text nur da nicht äußerlich blieb88, wo sie über Möglichkeiten verfügte, Verdoppelung und Substantialität des Selbstbewußtseins darzustellen.89 Vor allem kann aber nun von der Orientierung Gebrauch gemacht werden, die Hegel selbst dem bietet, der den Abschnitt "Die offenbare Religion" verstehen will. Es ist die "Bewegung" zu betrachten, "welche das Selbst zum Prädikate herunterstimmt, und die Substanz zum Subjekte erhebt" (521). Mit dieser Wendung bestimmt Hegel wiederholt (vgl. 521 u. 525), was im Abschnitt "Die offenbare Religion" geschehen wird. 86 Dies hat mit großer Konsequenz E. Schmidt versucht: Hegels System der Theologie, Berlin 1974; aber auch schön Hegels Lehre von Gott, Gütersloh 1952. Vgl. dazu die schön formulierte Aufforderung von F. Guibal, Dieu selon Hegel. Essai sur la problématique de la Phénoménologie de l'Esprit, Paris 1975, 241, (zit.: Guibal), die fixierte Differenz "aufzulösen". Guibals Verfahren, in einem "tätigen Wissen" einen Prozeß hervorzubringen, der sowohl 'mysticisme' als auch 'dualisme' verneint und erzeugt, ist auch in den neueren französischen Arbeiten von R. Vancourt, H. Rondet, A. Léonard, die sich an Hegels Religionsphilos. orientieren, zu beobachten. S. vor allem P.-J. Labarrière, Structures et mouvement dialectique dans la Phénoménologie de l'Esprit de Hegel, Paris 1968. Die "Auflösung" ist allerdings nicht mit der Aufforderung zu verwechseln, es müsse "die Subjekt-Objekt-Differenz dialektisch verstanden, d.h. das Objekt als von Subjektivität mitkonstituiert betrachtet" werden. Heinrichs, 518, vgl. 517. Auch die Behauptung, "'Dialektik' bedeutet also schlicht 'Wechselwirkung' ..." (R. Simon-Schaefer, Dialektik. Kritik eines Wortgebrauchs, Stuttgart-Bad Cannstatt 1973, 148, vgl. 157f. u.ö.), ersetzt nur einen dunklen Terminus durch einen scheinbar durchsichtigeren. S. auch M. Riedel, Wissen, Glauben, Wissenschaft: Reli­ gionsphilosophie als kritische Theologie, in: System und Geschichte. Studien zum historischen Standort von Hegels Philosophie, Frankfurt 1973, 65ff., bes. 91ff. 87 Die weitverbreitete Diagnose: "das All und Eine ist, um mit Hegels Ausdruck zu sprechen, nicht Substanz, sondern Subjekt", W. Lütgert, Die Religion des deutschen Idealismus und ihr Ende. 3. Teil: Höhe und Niedergang des Idealismus, Beiträge zur Förderung christlicher Theologie, 2. Reihe, 10. Bd., Gütersloh 1925, 59, hat am scharfsinnigsten W. Pannenberg vertreten: Die Bedeutung des Christentums in der Philosophie Hegels, in: Gottesgedanke und menschliche Freiheit, Göttingen 1972" 78ff. S. aber auch T. Rendtorff, Kirche und Theologie. Studien zur Funktion des Kirchenbegriffs im Verständnis der Theologie seit Semler, Gütersloh 1967, bes. 96ff.; A. Chapelle, Hegel et la religion, I. La problématique, Paris/Brüssel 1964, 112, (zit.: Chapelle). 88 Die Schwierigkeiten, in die Pannenbergs Hegelinterpretation gerät, sind vom Vf. aufgezeigt worden. S. Das theologische Prinzip des Verhaltens zu Zeiterscheinungen. Erörterung eines Problems im Blick auf die theolo­ gische Hegelrezeption und Gen 3, 22a, EvTh 36, 1976, 225ff. 89 Dies ist Ch. Frey, Reflexion und Zeit. Ein Beitrag zum Selbstverständnis der Theologie in der Auseinander­ setzung vor allem mit Hegel, Gütersloh 1973, gelungen. Dieser hochinteressante Versuch, dem Denken Hegels eine Funktion in theologischer Selbstverständigung zu geben, kann in der Perspektive Hegels geradezu als eine Rückwärtsbewegung vom Religions- zum Geistkapitel aufgefaßt werden. Der Vergleich der Abschnitte 8.4 und 8.5 dieser Arbeit mit dem Abschnitt "Die Moralität" der Phänom. zeigt eine Fülle von erstaunlichen Parallelen. In einem Beitrag in den Hegel-Studien gehe ich auf Freys Befunde und Motive ein. Es ist allerdings noch nicht absehbar, wie den vielen jeweils wohlmotivierten Beiträgen, die nicht mit Hegel begrifflich arbeiten, die Freiheit zurückzugeben ist, eigene Beiträge zu sein. S. dazu H. Küng, Menschwerdung Gottes. Eine Einführung in Hegels theologisches Denken als Prolegomena zu einer künftigen Christologie, Frei­ burg - Basel - Wien 1970, 262f., 268-276, 278, 282, 292-296, 301 f.; dazu K. Löwith, Aktualität und Inaktualität Hegels, in: Hegel-Bilanz 1971, 1ff., bes. 22; R. Bubner, La philosophie Hégélienne, est-elle une théologie sécularisée?, in: Archivio di Filosofia, Rom 1976. KAPITEL VII Wer also das Wort einsehen kann, nicht nur bevor es erklingt, sondern auch bevor die Bilder seines Klanglautes im Denken hin und her gewendet werden - dieser Vorgang vollzieht sich nämlich nicht in einer jener Sprachen, die man die Nationalsprachen nennt, ... wer, sage ich, das einsehen kann, der kann in diesem Spiegel und in diesem Rätselbilde schon eine ferne Ähnlichkeit mit jenem Worte sehen, von dem es heißt: "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort." Es muß nämlich, wenn wir die Wahrheit sprechen, das heißt, wenn wir sprechen, was wir wissen, aus eben dem Wissen, welches unser Gedächtnis enthält, das Wort geboren werden, das durchaus von jener Art ist, von der das Wissen ist, von dem es geboren wird. ... Aber was ist das für ein Ding, das erst Wort sein kann und deshalb schon der Bezeichnung Wort würdig ist? Was ist, frage ich, dieses Formbare und noch nicht Geformte anderes als eine Wirklichkeit in unserem Geiste, die wir in einer Art kreisender Bewegung dahin und dorthin wenden, da von uns bald dies, bald jenes gedacht wird ... Augustin, De Trinitate90 1. Die offenbare Religion für die begreifende Betrachtung. Die Erfahrung des Begriffs In der offenbaren Religion gelangt der Geist für den Geist zur Darstellung. Das Ich, das zugleich Wir, und das Wir, das Ich ist, stellt sich für eben diese Einheit von einzelnem und allgemeinem Selbst und damit für sich dar. Die Welt konzentriert sich auf den wirklichen Menschen, in dem sie sich erkennen, zum Bewußtsein ihrer selbst gelangen kann. Diese sogenannte Konzentration ist zugleich eine Selbstdarstellung der Welt, denn damit formt sich eine Gemeinschaft. Aber auch der Mensch, auf den sie sich konzentriert, ist ihre Selbst­ darstellung, denn sonst hätte jene Konzentration nicht stattgefunden. Er ist als die hervorgetretene, relativ unbestimmte Substanz aufzufassen, die als Selbstbewußtsein auftritt und damit gleichsam sich auf sich konzentriert, sich in sich darstellt, womit die Welt sich zum Bewußtsein ihrer selbst bringt. So könnte noch sehr distanziert, undifferenziert und äußerlich 90 Augustin, De Trinitate, BKV2, 2. Reihe, Bd. XV, München 1936, 278, 293. der Ansatz des Abschnitts "Die offenbare Religion" beschrieben werden, wenn ihm die Dunkelheit gleichsam im Handstreich genommen werden sollte. Soll aber in den Feinbau seiner Entwicklung eingedrungen werden, so bedarf es präziserer Orientierung über den umschriebenen Sachverhalt. Der absolute Geist ist nicht nur die Darstellung seiner in sich, "einfaches, in sich bleibendes Selbstbewußtsein" (522). Er unterscheidet sich auch vom Geist, auf den er sich bezieht; er ist "ebenso Bewußtsein seiner als seiner gegenständlichen Substanz" (522). Dieser "seiner als Geist selbst bewußte(!) Geist" (524) soll in seiner Selbstdarstellung, in seinem Hervorgehen (vgl. 524f.), betrachtet werden. Seine "zwei Seiten" werden "als die beiden umgekehrten Sätze vorgestellt ...; die eine ist diese, daß die Substanz sich ihrer selbst entäußert und zum Selbstbewußtsein wird, die andre umgekehrt, daß das Selbstbewußtsein sich seiner entäußert und zur Dingheit oder zum allgemeinen Selbst macht" (525; vgl. 521, 522). Damit ist prägnant, aber abstrakt festgehalten, was in diesem Abschnitt vor sich gehen wird: Die relativ unbestimmte Substanz gelangt als Selbstbewußtsein zur Darstellung, das unbestimmte Allgemeine gewinnt damit relative Bestimmtheit, oder die Unbestimmtheit wird offenbar. Zugleich muß das aufgetretene Selbstbewußtsein sich als Darstellung der Substanz erweisen. Indem es sich zum allgemeinen, substantialen Selbst macht, wiederholt es ("um­ gekehrt") die Selbstdarstellung der Substanz, stellt sich in ihr und als sie dar. Formal und mit Hegel an der auftretenden Aussage orientiert, läßt sich dieses Geschehen so vorstellig machen: Die Substanz, als noch unbestimmte Einheit von Subjekt und Prädikat aufgefaßt, stellt sich als Subjekt dar, und das Subjekt gelangt in seinem Prädikat zu seiner Darstellung. Damit aber tritt zugleich die Substanz als bestimmte hervor. Die bestimmte Substanz ist der Begriff. Er ist die durch das und im Subjekt zur Darstellung gebrachte Substanz ebenso wie das durch die und in der Substanz zur Darstellung gebrachte Subjekt. Es ist dies die im Blick auf eine Aussage vorgestellte "Bewegung des Begriffs": sich darzustellen, damit sich zu entzweien, in seiner Darstellung aber nur seine Selbstunter­ scheidung auszudrücken und damit im Unterschiedenen nur seine Rückkehr in sich und seine Einheit mit sich zu sein. Es hat sich bereits gezeigt, daß diese Betrachtung der "Bewegung des Begriffs" von Hegel auch im Blick auf andere Gegenstände philosophischer Untersuchung - und auch unter Beachtung gesteigerter systematischer Ansprüche (vgl. vor allem Kap. IV und die Einleitung) - durchgeführt wird. Diese Betrachtung setzt also nicht eine Orientierung am Offen­ barungsgeschehen der Religion voraus. Ebensowenig ist die Selbstdarstellung des Begriffs, wie öfter vermutet wurde, von Hegel als ein vestigium trinitatis angesehen worden, wohl aber umgekehrt das Geschehen der Religion als ein Beispiel des auftretenden Begriffs. Dies ist ausführlicher darzutun . In der offenbaren Religion kommt also die Substanz als Selbstbewußtsein zur Darstellung, womit zugleich ausgedrückt wird, "daß sie an sich", d.h. der Möglichkeit nach, Selbst­ bewußtsein ist. Ferner stellt sich das Selbstbewußtsein als das allgemeine Selbst dar, womit ebenfalls ausgedrückt wird, daß es an sich dieses ist (vgl. 525). Damit wiederholt es den Übergang von der Substanz zum Selbstbewußtsein, und dieser gewinnt für es Bestimmtheit. Während die Substanz in ihrer Darstellung als Selbstbewußtsein zunächst selbst unkenntlich zu werden scheint (so wie die Unbestimmtheit mit Auftreten des Subjekts zu verschwinden scheint), erhält sich das Selbst in seiner Darstellung im Allgemeinen ([vgl. 525] so wie das Subjekt in der Aussage nicht verschwindet, obwohl es erst im Prädikat zur Darstellung gelangt). Aus diesem Grund kann es leicht als unsinnig angesehen werden, von einem Hervortreten der Substanz zu sprechen. Würde aber nicht der Übergang der Substanz zum Selbstbewußtsein betrachtet, sondern nur das sich darstellende Selbstbewußtsein, so würden nur ins Dasein tretende Einbildungen (vgl. 526) erfaßt.91 Die unbestimmte Substanz darf also nicht unbeachtet im leeren Selbstbewußtsein verschwinden, sondern muß sich als "Selbstbewußtsein(!) an sich", als mögliches Selbstbewußtsein, "d.h. als ein wirklicher Mensch" darstellen (527). "Das Bewußtsein geht dann nicht aus seinem Innern von dem Gedanken aus, und schließt in sich den Gedanken des Gottes mit dem Dasein zusammen, sondern es geht von dem unmittelbaren gegenwärtigen Dasein aus, und erkennt den Gott in ihm." (527) Das allgemeine Bewußtsein, das in diesem Menschen die Selbstdarstellung der Substanz erfaßt, findet zugleich sich selbst zur Darstellung gebracht. Wenn es auch noch nicht zu klarer 91 Man könnte eine Kritik Hegels an der Projektionstheorie dahingehend rekonstruieren, daß diese eine nicht kontrollierte Einbildung durch eine kontrollierte Einbildung ersetzt. Erkenntnis seiner selbst in diesem Geschehen gelangt, so ist es doch bereits "der Glaube der Welt", daß der Geist, die Einheit von einzelnem und allgemeinem Selbst, "als ein Selbst­ bewußtsein ... da ist" (527). Dies ist "der einfache Inhalt der absoluten Religion" (528). Dieser wirkliche Mensch, das mögliche Selbstbewußtsein, bringt zugleich das mögliche Selbstbewußtsein derer, für die er da ist, zum Ausdruck, und dies wird anerkannt, indem er als der "offenbare Geist" betrachtet wird. Das, was hier aufgetreten ist, ist "die eigne Gewißheit desjenigen Selbsts für welches es da ist" (529) . Damit ist, wie Hegel ausdrücklich betont, "der reine Begriff" aufgetreten (528) , und in der Betrachtung des "absoluten Wissens" hatte sich denn auch gezeigt, daß der Begriff als dasjenige Selbstbewußtsein, dessen Bewußtsein Selbstbewußtsein wird, aufgefaßt werden kann. Der Begriff "wird gewußt als Selbstbewußtsein und ist diesem unmittelbar offenbar, denn er ist dieses selbst; die göttliche Natur ist dasselbe, was die menschliche ist, und diese Einheit ist es, die angeschaut wird" (529) . Während das unglückliche Bewußtsein, ohne dies zu erkennen, sein eigenes Verhalten vergegenständlicht hatte (vgl. 527), erkennt nun das allgemeine Selbst in dem daseienden Menschen "den Gott" (527). Zwar tritt in beiden Fällen ein positives Einzelnes als Vermittler der Selbsterkenntnis im anderen auf - dort als Mitte des einzelnen Bewußtseins und des Unwandelbaren, hier als Mitte des allgemeinen Selbst und der Substanz. Doch das unglückliche Bewußtsein konnte sich in diesem Einzelnen nur suchen und nicht finden, denn es hatte sich von ihm unterschieden, um sich durch ihn seiner Einheit mit dem Unwandelbaren zu versichern, und fühlte in der Unterscheidung des Einzelnen vom Einzelnen "sich selbst ... als die Entzweiung" (163; vgl. auch 533). Das allgemeine Selbst unterscheidet sich zwar auch von dem einzelnen daseienden Selbstbewußtsein, aber es erkennt in ihm die sich in sich als Selbst darstellende Substanz, das "reine Allgemeine" (s. 528f.); diese sich in sich als Selbst darstellende Substanz aber ist das allgemeine Selbst selbst. Indem das religiöse Bewußtsein in dem daseienden Selbstbewußtsein "den Gott" erkennt, beginnt es aber erst, sich selbst in dieser Einheit von einzelnem und allgemeinem Selbst durchsichtig zu werden.92 Das religiöse Bewußtsein schaut nicht nur dieses Selbstbewußtsein 92 Das höchste Wesen ist die sich in diesem einzelnen Selbst erkennende Menschheit. Den bewußten Verzicht an, sondern denkt in ihm das "rein gedachte ( ) oder absolute ( ) Wesen ( )"(530). In diesem Denken konstituiert und erfaßt sich das religiöse Bewußtsein, wobei ebenso gesagt werden kann, es werde konstituiert und erfaßt. Für den Betrachter ist damit bereits das "reine spekulative Wissen" aufgetreten, das sein Denken als seinen Gegenstand, diesen Gegenstand als das sich selbst im Denken auflösende und erhaltende Dasein, als Selbst, das zugleich allgemeines Selbst ist, weiß (vgl. 530). Das allgemeine Selbst, das sich im einzelnen gegenständlich wird, das einzelne Selbst, das im allgemeinen aufbewahrt ist, dies ist das Auftreten des Geistes für den Geist. In diesem reinen Wissen seiner selbst ist Gott, und Gott ist dieses Wissen. "Gott ist also hier offenbar, wie er ist; er ist so da, wie er an sich ist; er ist da, als Geist. Gott ist allein im reinen spekulativen Wissen erreichbar, und ist nur in ihm und ist nur es selbst" (530). Das spekulative Wissen ist aber noch nicht realisiert, der "Begriff des sich selbst als Geist wissenden Geistes ist ... noch nicht entwickelt" (530). Das einzelne Selbstbewußtsein ist für das allgemeine zugleich noch ein externes, und das allgemeine Selbstbewußtsein ist sich und dem einzelnen noch anonym (vgl. 530f.). Die Selbstkonstitution des allgemeinen Selbst in der sich unterscheidenden Beziehung auf das einzelne Selbst ist in dieser Erfahrung des Begriffs zwar schon angelegt; aber diese "zweite Seite" des seiner als Geist selbst bewußten Geistes tritt erst vollständig hervor, indem die Anschauung des religiösen Bewußtseins gegenstandslos zu werden und seine Selbstanschauung zu scheitern scheint.93 Das angeschaute einzelne daseiende Selbstbewußtsein verschwindet - mit ihm aber verschwindet auch die Punktualität der Erfahrung des Begriffs.94 auf Bestimmtheit für die Vorstellung gegenüber den Jugendschriften kann gut veranschaulichen: L. Balzan, Il tema del destino nello "Spirito del Christianesimo", II Pen-siero 15, 1970, 139ff.; den Bestimmtheitsgewinn: P. Asveld, La pensée religieuse du jeune Hegel, Liberté et aliénation, Louvain 1953, 218f.; Th. Haering, Hegel. Sein Wollen und sein Werk. Eine chronologische Entwicklungsgeschichte der Gedanken und der Sprache Hegels, I, Leipzig/Berlin 1929/1938, 307ff. 93 Hegel nennt dies das "erste Offenbarsein" (vgl. Phänom. 530). 94 Diese führt vor Augen T. Koch, Differenz und Versöhnung. Eine Interpretation der Theologie G.W.F. Hegels nach seiner "Wissenschaft der Logik", Gütersloh 1967, 173f., (zit.: Koch, Differenz). S. dazu R. Heede, Hegel-Bilanz: Hegels Religionsphilosophie, als Aufgabe und Problem der Forschung, in: Hegel-Bilanz 1971, 87. Zur Illustration von Hegels Kritik an der "nicht begriffenen Abstraktion" s. U. Anacker, Natur und Intersubjektivität, Elemente zu einer Theorie der Aufklärung, Frankfurt 1974, 121f.; dazu wiederum H. Düsing, Die Rezeption der kantischen Philosophie in den frühen philosophischen Entwürfen Schellings und Hegels, Hegel Stud. Beih. 9, 1973, 53ff. Mit dem Problem, die Gründe und Wertungen des Sachverhaltes freizulegen, daß Hegel sich nicht in die 2. Die offenbare Religion für das vorstellende Bewußtsein. Die geistige Gemeinschaft Solange sich das allgemeine religiöse Bewußtsein auf den sinnfällig daseienden "gegenständlichen Einzelnen" richtet, ist das allgemeine Selbst noch nicht klar hervorgetreten. Das allgemeine Selbst weiß noch nicht "sich selbst als Geist" (531). Nur für den Betrachter oder an sich ist das, was in der offenbaren Religion vorgeht, durchsichtig geworden. Die betrachtete Religiosität muß erst zum Bewußtsein ihrer selbst und zum Selbstbewußtsein gelangen. Diese Entwicklung beginnt, indem der "einzelne Mensch als welcher das absolute Wesen offenbar ist" (531), verschwindet. Mit seinem Verschwinden löst sich aber nicht auch das religiöse Bewußtsein auf. Es wird vielmehr das anschauende Bewußtsein erinnerndes, "geistiges Bewußtsein". Damit tritt eigentlich erst die unbestimmte Substanz als Selbstbewußtsein in dem und für das substantiale Selbstbewußtsein auf: "der Geist bleibt unmittelbares Selbst der Wirklichkeit, aber als das allgemeine Selbstbewußtsein der Gemeine, das in seiner eignen Substanz ruht, so wie diese in ihm allgemeines Subjekt ist" (531). Das Selbstbewußtsein an sich, der wirkliche Mensch, verschwindet, aber er verschwindet als ein äußerlicher Gegenstand des Bewußtseins, um in der Gemeine als ihr eigenes Selbstbewußtsein aufzutreten bzw. um sich als das Selbstbewußtsein der Gemeine zu erweisen, das er an sich bereits war. Nur für die Vorstellung stellt sich dieses Geschehen in der Form von "Vergangenheit und Entfernung" dar - eine "geistlose Erinnerung", gegen die Hegel wiederholt polemisiert (531ff. 95 vgl. 548, 559 u.ö.). 95 Die die Vorstellung des Alternative drängen läßt, einen Term oder eine Proposition "an die Spitze des Systems zu stellen", wäre man schon nach erster Betrachtung von Texten des Spätidealismus nicht mehr allein gewesen. Vgl. z.B. H.M. Chalybäus, Prinzip und Anfang der Philosophie, Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik NF XXVI, 1855, 39ff., 42ff.; s. auch die Setzung einer Selbstreferenz bei I.H. Fichte, Grundzüge zum System der Philosophie. 3. Abteilung: Die spekulative Theologie oder allgemeine Religionslehre, Heidelberg 1846, 18; aber zu Hegels Charakteristik, Zeitschrift für Philosophie und spekulative Theologie XII, 1844, 303; diese Setzung suchend, Ch.H. Weisse, Die Idee der Gottheit. Eine philosophische Abhandlung. Als wissenschaftliche Grundlegung zur Philosophie der Religion, Dresden 1833, 332. 95 Dennoch ist versucht worden, von "Eschatologie" bei Hegel zu sprechen, wenn auch mit der Einschränkung: "zukünftig, aber diesseitig". K. Müller, Eschatologie bei Hegel und im Hegelianismus, Diss., Münster 1969, 276. S. dagegen W.-D. Marsch, Gegenwart Christi in der Gesellschaft. Eine Studie zu Hegels Dialektik, FGLP XXXI, München 1965, 200, 202; P. Cornehl, Die Zukunft der Versöhnung . Eschatologie und Emanzipation in der Aufklärung, bei Hegel und in der Hegelschen Schule, Göttingen 1971, 141ff. Zu Cornehls entscheidendem Einwand, daß Hegel "die Negation der Negation nicht radikal genug gedacht" habe (143), s. den Versuch, sie zu einzelnen Menschen festhaltende "Gemeine" erfaßt noch nicht, daß sich die Substanz in ihr dargestellt hat und daß sie selbst die Bewegung dieser Selbstdarstellung ist. Zwar erlangt sie durch das Verschwinden des einzelnen gegenständlichen Selbst das "Bewußtsein des Anderswerdens", gelangt vom Bewußtsein der sinnlichen Gegenwart zur Vorstellung (533). Aber sie realisiert nicht dieses Bewußtsein des Anderswerdens, sondern reproduziert immer wieder das Vergangene. Wie das unglückliche Bewußtsein (vgl. 533) sucht sie in dieser Reproduktion des Anderswerdens wohl die Versöhnung, reproduziert aber damit ebenso die Entzweiung, die an sich bereits überwunden ist. Andererseits hat sich durch dieses vorstellende Verhalten das allgemeine Selbst bereits zu einer geistigen Gemeinschaft gemacht, die sich ihres eigenen Entstehens bewußt ist. Indem sie sich aber in der Vorstellung ihrer Genese erhält, geht sie über das hinaus, was sie bereits geworden ist. Sie wird also erst in einer "Rückkehr aus der Vorstellung" (533) den von ihr erzeugten Widerspruch gegen ihre eigene Wirklichkeit aufheben (vgl. 532). Mit dem Verschwinden des einzelnen Menschen gelangt die Gemeine also nicht unmittelbar zum Bewußtsein ihrer selbst. Das geistige Bewußtsein hält nun die unbestimmte Vorstellung der unbestimmten Substanz fest, und es bedarf der "höhere(n) Bildung" des Bewußtseins96, um "seine Anschauung der absoluten Substanz in den Begriff zu erheben" (532) . Die Gemeine scheint nun das Auftreten der Substanz als Selbstbewußtsein zu rekonstruieren, indem sie davon spricht, "daß das ewige Wesen sich ein Anderes erzeugt" (534). Würde "das Vorstellen der Gemeine" nun nicht "statt der Form des Begriffes die natürlichen Verhältnisse von Vater und Sohn in das Reich des reinen Bewußtseins" bringen (535), so würde es sich selbst in dieser Bewegung erkennen. Denn sein Verhalten zu seinem Gegenstand ist in Wahrheit der sich selbst wissende Begriff (vgl. 535). Denn die die unbestimmte Substanz in der Vorstellung festhaltende Gemeine bringt damit den reinen Begriff zur gegenständlichen Darstellung und muß diese Darstellung als Darstellung des Begriffs ausdrücken. Ihr Gegenstand tut nichts anderes als das, was das Setzen dieses Gegenstandes tut, und damit könnte die Gemeine sich in diesem erkennen und der "reine Ge­ denken, bei Koch, Differenz, vor allem 155ff. 96 Daß Hegel damit weder ein Auftreten des Absoluten im endlichen Bewußtsein (vgl. Chapelle I, z.B. 16 2f.) noch eine Erhebung (vgl. Guibal, z.B. 251ff.), sondern Bildung des Bewußtseins durch die Philosophie vor Augen hat, zeigt Gesch. d. Philos. III, 457f., besonders deutlich. genstand" sich in ihr darstellen. Da aber das Bewußtsein der Gemeine natürliche Vorstellungen einbringt, erkennt es "in diesem Gedanken des Geistes ... nicht sich selbst, nicht die Natur des reinen Selbstbewußtseins" (535). Für die begreifende Betrachtung liegt auf beiden Seiten dieselbe "Bewegung" vor. Denn das Bewußtsein der Gemeine selbst, wie das von ihr angeschaute Wesen, unterscheidet sich von sich. Das Andere, das es von sich unterscheidet (eben das Wesen) bzw. das Wesen von sich unterscheiden sieht, ist nicht ein von irgendwoher auftretender Gegenstand. Das Andere ist die Entzweiung, in der sich beide Seiten nicht nur jeweils selbst entgegenständlichen und zugleich für sich selbst gegenständlich werden (vgl. 534), sondern damit auch füreinander die Entzweiung aufheben.97 Das Bewußtsein der Gemeine sucht aber durchaus sich selbst mit seiner Vorstellung in seinem Vorstellen zu versöhnen - eben indem es die "natürlichen Verhältnisse von Vater und Sohn" einbringt. Der absolute Geist ist damit nicht mehr nur als "das abstrakte reine Wesen" vorgestellt (535). Diese versuchte Selbstversöhnung der Gemeine mit der natürlichen Wirklichkeit ist aber nicht als ein dem Geist externes Geschehen aufzufassen. "Der Geist, der im Elemente des reinen Denkens ausgesprochen ist, ist wesentlich selbst dieses, nicht in ihm nur, sondern wirklicher zu sein, denn in seinem Begriffe liegt selbst das Anderssein, d.h. das Aufheben des reinen nur gedachten Begriffes." (536, vgl. ebd.) Das Verhalten der Gemeine, natürliche Verhältnisse in das Reich des reinen Bewußtseins zu bringen (535) und den "Momente(n) des reinen Begriffes ein substantielles Dasein ebenso gegeneinander" zu geben (536), ist also auch im Blick auf den vorgestellten Geist auszudrücken. In der Tat spricht die Gemeine auch ihr eigenes Tun und ihre eigene Voraussetzung als eine Selbstunterscheidung des Geistes aus: "Der also nur ewige oder abstrakte Geist wird sich ein Anders oder tritt in das 97 Es liegt hier nahe zu beachten, daß Hegel den großen Mystikern die Befähigung zu "tiefem spekulativem Denken" wiederholt zugestanden hat. Doch die Dokumente dieses Denkens (eines der wichtigsten stellt wohl J. Böhmes, De triplici vita hominis, in: Sämtliche Schriften, hg. W.-E. Peuckert, Bd. 3, Stuttgart 1960, dar) sind bislang ebenfalls kaum entschlüsselt. Vgl. Rosenkranz, 199, und die Hinweise auf Cusanus und Böhme bei B. Croce, Lebendiges und Totes in Hegels Philosophie, Heidelberg 1909, 33ff., die oft wiederholt worden sind; s. bes. H. Kimmerle, Zur Entwicklung des Hegelschen Denkens in Jena, Hegel Stud. Beih. 4, 1969, 125ff., 42f., und E. Metzke, Nicolaus von Cues und Hegel. Ein Beitrag zum Problem der philosophischen Theologie, Kant Stud. XLVIII, 1956/57, 216ff.; aber auch G.P. Adams, The mystical element in Hegel's early theological writings, Berkeley 1910, und Th. Steinbüchel, Mystik und Idealismus. Meister Eckhart und Hegel, Universitas 2, 1947, 1409ff., sowie die Hinweise bei J. Splett, Die Trinitätslehre G.W.F. Hegels, Freiburg/München 1965, 59f.; 68, 106. Dasein und unmittelbar in das unmittelbare Dasein. Er erschafft also eine Welt." (536) In der Vorstellung der Erzeugung des Sohnes konnte sich die Gemeine als das allgemeine Selbst nicht erkennen; in der Vorstellung der Erschaffung der Welt findet sich das einzelne Selbst nicht, das sie ebenso ist, denn sie ist als Geist die Einheit von einzelnem und allgemeinem Selbst. Angesichts dieser Vorstellung droht die Auflösung der Gemeine, denn das allgemeine und das einzelne Selbst ist im Blick auf die Darstellung des Geistes für den Geist in der Welt "in die Mannigfaltigkeit seines Bewußtseins zerstreut" (537). Um Selbst und Geist zu sein und zu bleiben (vgl. ebd.), muß also auch das Bewußtsein, für das diese Darstellung des ewigen und abstrakten Geistes erfolgt, wie dieser "sich selbst ein Anderes werden" (537). Damit muß es aber eine dem vorgestellten Ins-Dasein-Treten des ewigen Geistes entgegengesetzte Bewegung durchführen. Es muß aus der Zerstreuung in sich gehen. Es muß zu dem werden, was der ewige Geist war, ehe er ins Dasein trat. Damit aber widerspricht es dem hervortretenden Geist. Es verliert auch das unbefangene und unschuldige Verhältnis des Bewußtseins zur "Natur und dem Paradiese, dem Garten der Tiere" (vgl. 537). Dem hervorgetretenen Geist sich entgegensetzend, wird es auch sich selbst ungleich, und so erscheint das andersgewordene, insichgegangene Bewußtsein als das böse (vgl. 537f.). Das dem Bösen entgegengesetzte Gute ist also nicht das ins Dasein zerstreute (nur unschuldige) Bewußtsein, sondern das auf "seine Abstraktion und Unwirklichkeit" verzichtende, das "in die Wirklichkeit tritt" (539). Für die Vorstellung drückt sich dies "in der Selbsterniedrigung des göttlichen Wesens" aus; das Böse dagegen, das Insichgehen erscheint als ein "dem göttlichen Wesen fremdes Geschehen" (ebd.). Da aber das einfache, noch nicht hervorgetretene göttliche Wesen ebenso als das insichseiende aufzufassen ist, hat das göttliche Wesen das Moment des Bösen selbst an sich. Das vorstellende Bewußtsein geht in das unterscheidende Denken über, um das göttliche Wesen vom Moment des Bösen freizuhalten. Damit wird ihm einmal das einfache Göttliche das Wesentliche, als das über den Gegensatz von Gut und Böse Erhabene, das unterschiedene Dasein aber das Unwesentliche; zum anderen wird ihm die Selbstdarstellung des göttlichen Wesens im Dasein, damit auch der Kampf des Guten mit dem Bösen das Wesentliche, das einfache Göttliche aber das Unwesentliche (vgl. 540). Würde das Bewußtsein sich im Element des Begriffs befinden, so wüßte es, wie Hegel vorsichtig formuliert, daß dem göttlichen Wesen das "böse Dasein nicht ein ihm Fremdes ist", daß "das Moment des Insichseins ... vielmehr das wesentliche Moment des Selbsts des Geistes aus(macht)" (541). Aber auch in der Vorstellung ist die Bewegung des Begriffs festgehalten, daß das einfache göttliche Wesen sich entäußert, als wirklicher Mensch zur Darstellung gelangt, daß ferner aber, indem dieser Mensch in den Tod geht, im "unmittelbare(n) Dasein der Wirklichkeit" (540) verschwindet, diese Darstellung des göttlichen Wesens zu ihm zurückkehrt (vgl. 541). Indem sich die Entäußerung des göttlichen Wesens in seiner Darstellung wiederholt, ist es mit sich und mit seiner Wirklichkeit versöhnt. Es hat durch und in seiner Entäußerung sich selbst zur Darstellung gebracht. Das aufgehobene einzelne Selbst ist absolutes Wesen (541). Erst diese festgehaltene Aufhebung konstituiert die Gemeinde, die nun, nachdem ihr vorstellendes Verhalten im Wortsinne gegenstandslos geworden ist, "jetzt in sich, als in das Selbst, zurückkehrt" (541). Die Gemeinde muß nun hervorbringen, was mit ihr, in ihr und durch sie geschehen ist. 3. Die offenbare Religion für die selbstbewußte Gemeinschaft Die geistige Gemeinschaft hat sich noch nicht selbst als die Substanz erfaßt, die durch das Hervortreten und das Verschwinden des einzelnen Selbstbewußtseins zur unterschiedenen Darstellung ihrer selbst und zur Aufhebung dieser Unterschiedenheit und Versöhnung mit sich gelangt ist. Das angeschaute einzelne Selbstbewußtsein ist durch seinen Tod im natürlichen Dasein verschwunden und im Denken der Gemeinde aufbewahrt. Die Gemeinde müßte sich nun der "eigne(n) Welt und Gegenwart" (559) zuwenden, um diese letzte Entzweiung in das natürliche und selbstbewußte Dasein zu überwinden. Die Darstellung des Selbstbewußtseins im natürlichen Dasein - das wäre die wahrhafte Verwirklichung der Gemeinde, die wirkliche Versöhnung von Substanz und Subjekt. Aber das natürliche Dasein, in dem der vorgestellte "göttliche Mensch oder menschliche Gott" (543) verschwunden ist, gilt der Gemeinde als das Böse (vgl. 543). Aus diesem Dasein zieht sie sich in den Gedanken zurück, aber dieser Rückzug ist selbst das Böse (vgl. ebd. und Abschnitt 2): "um des Bösen willen muß der Mensch in sich gehen, aber das Böse ist selbst das Insichgehen" (544).. Die Gemeinde erkennt nicht, daß diese Bewegung die Aufhebung des unbestimmten Natürlichen, das als solches die Substanz ist, im denkenden Subjekt und damit die Versöhnung der Natürlichkeit mit sich ist (vgl. 545). Sie ergreift aber die Vorstellung, daß ein einzelnes Selbstbewußtsein jene Versöhnung vollbracht hat: Das Insichseiende ist im natürlichen Dasein als solches aufgetreten und hat sich in seinem Verschwinden in ihm erhalten. Diese ergriffene Vorstellung stellt zugleich den "Tod der Abstraktion des göttlichen Wesens, das nicht als Selbst gesetzt ist", und "das Aufheben seiner Gegenständlichkeit oder seines besondern Fürsichseins" dar (546). Die Gemeinde verliert im Ergreifen jener Vorstellung ihr Bewußtsein. Weder das "Einfache des Denkens" noch das gegenständliche Selbstbewußtsein (546) kann noch anschaulich festgehalten werden, wenn jene Vorstellung ergriffen wird. Damit verliert die Gemeinde aber auch die Darstellung ihrer selbst als ein von der Natürlichkeit Unterschiedenes und die Voraussetzung des scheiternden Sich-Wendens gegen das Böse. Der ergriffene Verzicht auf jede unterschiedene und einfache Darstellung des Geschehens der offenbaren Religion "ist das schmerzliche Gefühl des unglücklichen Bewußtseins, daß Gott selbst gestorben ist" (546). Dieser "Ausdruck des innersten sich einfach Wissens" ist der bewußte Verlust der Selbstdarstellung des Selbstbewußtseins (vgl. 523!)98, "die Rückkehr' des 98 Nur damit wird der "Kampf des endlichen Selbstbewußtseins mit dem absoluten Selbstbewußtsein" (Rosenkranz, 202) beendet und Fichtes Programm realisiert, ein sich im Anderen anschauendes Selbstbewußtsein zu entwickeln. Wer die Schriften Hegels kennt, der weiß, daß er in einer Skizze der systematischen Entwicklung der "Hauptepochen der ganzen Geschichte der Philosophie" (Gesch. d. Philos. III, 457), die die Sprache der Phänomenologie spricht und, wie die Phänomenologie, in acht Schritten verläuft, Fichtes Subjektivität a) "als Kritik des Denkens", b) "als Trieb zum Konkreten" (Gesch. d. Philos. III, 458) den "in die geistige Substanz" einschlagenden "Blitz" nennt, die das von der offenbaren Religion dargestellte "Einschlagen" nach "höherer Bildung des Bewußtseins" zur Realisierung bringt. (Vgl. dazu T.W. Adorno, Drei Studien zu Hegel, 3. Aufl., Frankfurt 1969, 23f.; E. Hirsch, Geschichte der neueren evangelischen Theologie im Zusammenhang mit den allgemeinen Bewegungen des europäischen Denkens, Bd. IV, 5. Aufl., Gütersloh 19 75, 475f.). Hegel hat aber gesehen, daß dieses Moment, das die beteiligte Individualität als Exekutionsprinzip in die Begriffsstruktur einholen muß, weder in einer - wie immer gearteten - beschreibenden Darstellung, noch im wie immer vorgetragenen - Ansinnen, dieses Prinzip zu 'ergreifen', eingeholt werden kann. Beide Verfahren, deren Erprobung in stetem Wechsel die Geschichte und das Geschick der "Wissenschaftslehre" ausmachen, müssen scheitern. (Vgl. die Unterscheidung von "eigentlichem und uneigentlichem Gefühl" am Ende der Wissenschaftslehre von 1794.) Dieses Moment kann nur durch einen logischen Denkzwang eingeholt werden, der das Notwendige zur Darstellung bringt: die Einholung einer Voraussetzung in einem Ergebnis. Hegel hat dokumentiert, daß aus diesem Moment gleichermaßen Religionsphilosophie und Theorien der Intersubjektivität entwickelt werden können, wie ja auch Fichte dies zu tun anstrebte. Er hat aber sehr klar gesehen, daß dieses Moment nur in der Begriffsstruktur sich artikulieren kann, der es "entsprungen" ist, obwohl sie sich ihm verdankt. Zu diesem "analytisch-synthetischen Verfahren" s. die Einleitung dieser Arbeit, aber auch Fichte, Bericht über den Begriff der Wissenschaftslehre und die bisherigen Schicksale derselben, 1806, SW VIII, 369. Die Wirksamkeit Fichtes auf Hegels Denken darf nicht zu früh datiert werden (vgl. A. Massolo, La Bewußtseins in die Tiefe der Nacht des Ich = Ich" , die aber von der Tautologie ebensowenig wie von irgendeinem anderen Ausdruck, dem sonst Gewicht gegeben werden mag, dargestellt werden kann.99 "Dies Gefühl ist also in der Tat der Verlust der Substanz und ihres Gegenübertretens gegen das Bewußtsein; aber zugleich ist es die reine Subjektivität der Substanz, oder die reine Gewißheit seiner selbst, die ihr als dem Gegenstande oder dem Unmittelbaren oder dem reinen Wesen fehlte." (546) Dieses Sich-in-sich-Wissende ist die Substanz, die "wirklich und einfaches und allgemeines Selbstbewußtsein geworden ist" (546). Das Verschwinden des Selbst in der Substanz und der Substanz im Selbst "schaut das religiöse Bewußtsein, dem das absolute Wesen offenbar, an, und hebt die Unterscheidung seines Selbsts von seinem Angeschauten auf, ist, wie es das Subjekt ist, so auch die Substanz, und ist also selbst der Geist, eben weil und insofern es diese Bewegung ist" (547). Diese Bewegung aber ist nichts anderes als die Bewegung des "absoluten Begriffs", der nun dem Denken intern geworden ist. Dieses Auftreten des Begriffs im absolut Einzelnen ebenso wie in der geistigen Gemeinschaft ist aber nicht als solches gewußt. Die Gemeinde hat "nicht auch das Bewußtsein über das, was sie ist". Das Selbstbewußtsein, das "sich innerlich" wird und "zum Wissen des Insichseins" gelangt, erfaßt nicht, "daß die Substanz hierin dazu gelangt, absolutes Selbstbewußtsein zu sein" (54 7; Hervorhebung Vf.). Die Gemeinde erfaßt nicht die Gegenwärtigkeit, Gegenständlichkeit des Begriffs in diesem Wissen. Die Bestimmtheit und Inhaltlichkeit sucht sie wieder in der Vorstellung einzuholen, religione in Hegel, II Pensiero. L'Aquila 15, 1970, 46ff., 53; daher die von A.T.B. Peperzak, Neue italienische Studien über den jungen Hegel, Hegel Stud. II, 1963, 360ff., 364, mit Recht kritisierte Diagnose), nicht einmal eine durch Schelling vemittelte (vgl. W. Dilthey, Die Jugendgeschichte Hegels und andere Abhandlungen zur Geschichte des deutschen Idealismus, Gesammelte Schriften, Bd. IV, 5. Aufl., Stuttgart u. Göttingen 1974, 17f.), wie eine gründliche Untersuchung der brieflichen Kommentare Hegels zu Schellings Schriften zeigen kann. Selbst zwischen der Darstellung des Fichteschen Denkens in der Differenzschrift (GW IV) und der ihm in der genannten Vorlesung zugewiesenen Funktion liegt eine systematische Veränderung der Fichterezeption Hegels. 99 Daran schließt "das absolute Wissen" an, daß der Begriff nur als entzweiter auftritt. Berühmte Selbstunterscheidungen von Hegel werden damit fragwürdig. S. M. Heidegger, Die ontotheologische Verfassung der Metaphysik, in: Identität und Differenz, Pfullingen 1957, 37; T.W. Adorno, Negative Dialektik, Frankfurt 1966, 146f.; ders., Stichworte, Kritische Modelle 2, Frankfurt 1970, 11ff. Daß hier eine Situation vorliegt, die weder durch einen einzelnen Terminus von Gewicht-noch durch eine Aussage eingeholt werden kann, weil sie von der Beschaffenheit beider ist, betont bekanntlich schon Glauben und Wissen, GW IV, 413f. Die Phänomenologie weiß dem hinzuzufügen, daß sie im "Ja" erscheine (Phänom., 547, 472). Die vor allem von C. Bruaire, Logique et religion chrétienne dans la philosophie de Hegel, Paris 1964, angeregte französische Hegelforschung ist an diesem Punkt zu präzisen Fragestellungen gekommen. Vgl. dazu M. Régnier, Les apories de la théologie Hégélienne, Hegel Stud. Beih. 4, 1969, 169ff., 170f. und die Versöhnung wird ihr damit wieder ein externes Geschehen (vgl. 547f.). Sie weiß nicht, daß die einfache, sich selbst entwickelnde Einheit von Begriff, Substanz und Subjekt, "daß diese Tiefe des reinen Selbsts die Gewalt ist, wodurch das abstrakte Wesen aus seiner Abstraktion herabgezogen und durch die Macht dieser reinen Andacht zum Selbst erhoben" ist (547f.). Der "allgemeine göttliche Mensch, die Gemeinde", die nicht in ihrem eigenen Tun (vgl. den wiederholten Hinweis 548) die "Entäußerung der Substanz" erkennt, bleibt sich ein "dumpfes Selbst" (vgl. 559) , das die bereits geschehene Versöhnung des Einzelnen und der geistigen Gemeinschaft nicht zu realisieren vermag. Es sucht die ihm bereits interne Kraft der Versöhnung, den Begriff, in "der Intellektualwelt" (vgl. 559). Es müßte seiner selbst und seines Tuns als des Begriffs bewußt werden, um die aufgehobene Entfremdung von seinem Dasein darzustellen (vgl. 548 u. 559). Diese inhaltliche und entwickelte Selbsterkenntnis im einfachen Begriff realisiert das absolute Wissen (vgl. Kap. IV). 4. Die Funktion des Abschnitts "Die offenbare Religion" Der Abschnitt "Die offenbare Religion" stellt die Selbstkonstitution einer geistigen Gemeinschaft dar. Diese Gemeinschaft konstituiert sich zunächst im Blick auf ein einzelnes wirkliches Selbstbewußtsein. In diesem sich unterscheidenden Sich-Beziehen wird sich die Gemeinschaft noch nicht selbst durchsichtig. Dieses Verhältnis entspricht der am Ende des Kapitels "Der Geist" erreichten Situation, in der das allgemeine moralische Bewußtsein sich im Blick auf das böse einzelne Selbstbewußtsein konstituierte, sich aber nicht in diesem erkannte (vgl. die Formulierungen 472 und 547) und nicht zur Darstellung seiner selbst gelangte. Während aber das moralische Bewußtsein das Einzelne auszuschließen suchte und sich doch in ihm erkennen mußte, suchte sich das religiöse Bewußtsein in einem einzelnen wirklichen Selbstbewußtsein zu erkennen, unterschied sich aber zugleich durch sein nur anschauendes und vorstellendes Verhalten von ihm. Dieses widersprüchliche Verhalten des religiösen Bewußtseins ist aufzuheben. Es ist zu zeigen, daß es selbst der Geist ist, das Ich, welches Wir, und das Wir, welches Ich ist, für welchen der Geist zur Darstellung gelangt, daß es der sich selbst erkennende, der absolute Geist ist. Die unterscheidende, die Unterscheidung zur Darstellung bringende und in und durch diese Darstellung die Unterscheidung aufhebende Kraft aber ist der Begriff. Die Funktion des Abschnitts "Die offenbare Religion" ist es, unter Beweis zu stellen, daß im Offenbarungsgeschehen diese "Bewegung des Begriffs" für das vorstellende allgemeine Be­ wußtsein auftritt. Im Blick auf den als wirklichen Menschen vorgestellten Begriff bildet sich eine Gemeinschaft, die sich selbst in jener Vorstellung zu begreifen sucht. Diese Gemeinschaft behauptet, daß das "göttliche Wesen" sich von sich unterschieden und in diesem Selbstbewußtsein zur Darstellung gebracht habe. Damit aber wird dieses Geschehen als ein Hervortreten der vorgestellten Substanz aufgefaßt; die Gemeinschaft erfaßt sich noch nicht selbst als die selbstbewußte Substanz. Die Selbstunterscheidung der Substanz wiederholt das einzelne Selbstbewußtsein, indem es in den Tod geht. Für die vorstellende Gemeinschaft kehrt es damit in die Substanz zurück. Zugleich ist dies aber die Rückkehr des einzelnen Selbstbewußtseins in die es im Gedanken und in der Erinnerung aufbewahrende und sich damit erhaltende Gemeinschaft. Das vorgestellte Verhalten des "göttlichen Wesens" ist zugleich die Verfassung und Beschaffenheit des Verhaltens derer, für die es offenbar ist. Die Erkenntnis des Verschwundenseins des vorgestellten und gedachten Gottes, das "Ergreifen dieses Todes" ist der Anfang der Selbsterkenntnis der Gemeinschaft. Für die vorstellende Gemeinschaft, der die Erkenntnis des Begriffs fremd ist, ist dieses Moment die Rückkehr in das leere und dumpfe Selbst. Dies aber ist die - noch nicht begriffene - Versöhnung von einzelnem und allgemeinem Selbst. Hegel war lange der Überzeugung, daß die Philosophie mit dieser Aufklärung eines vielen vertrauten und integrationsträchtigen Vorstellungsfeldes das Forum einer geistigen Gemein­ schaft gewinnen und dem Fortschritt und der Verbreitung von Freiheit dienen könne. 100 Das von Hegel schon früh entworfene Programm, die Religion könne als "Mittel zur Beförderung der Autonomie"101 dienen, ist auch in der Phänomenologie wiederzuerkennen. Dieses Programm darf aber nicht die Religionskritik übersehen lassen, die von Hegel ebenfalls schon 100 Die Enttäuschung Hegels darüber, daß sich diese Erwartung nicht erfüllte, dokumentiert vor allem der Briefwechsel aus der Berliner Zeit (s. z.B. den Brief an Göschel vom 13. 12. 1830, bes. Briefe III, 323); vgl. aber auch Religionsphilos. II, 231. 101 Henrich, Hegel, 56. in jungen Jahren entwickelt worden ist.102 Die Philosophie muß die Auflösung aller Inhalte der Religion und ihre Reduktion auf den einfachen Begriff zur Darstellung bringen. Sie darf diese Auflösung nicht der sich nur in der reinen Innerlichkeit des Wissens (vgl. 547) realisierenden Gemeinde überlassen, die die "eigne Welt und Gegenwart" (559) flieht. Nicht unreflektierte Selbstbezogenheit oder unscharfes Erkennen im Medium der Vorstellung wird der Gemeinde primär vorgehalten, sondern der dadurch bedingte Realitätsverlust ihres Gegenstandes - und das heißt: ihrer selbst. Daß fehlende Einsicht, mangelnde Selbsterkenntnis und der damit und nur damit gegebene Realitätsverlust auf ein Verhalten zurückzuführen sind und in einem Verhalten aufgehoben werden können, diese Einsicht soll die Philosophie bewähren. Sie bewährt diese Einsicht im Blick auf die Religion, indem sie deren Mittelhaftigkeit und Funktion durchschaut.103 Die Religion dient der Bildung einer Gemeinschaft, die sich im Einzelnen und in der dieser sich erkennt. Wird sie als Darstellung des sich begreifenden Begriffs erfaßt, so kann sie diesen Dienst erfüllen. Für die begreifende Betrachtung hat sie ihren Dienst bereits getan. Die offenbare Religion ist zu den begriffenen Gestalten zu zählen, an denen die Dialektik ihre universale Geltung unter Beweis gestellt hat. 102 Henrich, Hegel, 61; s. auch W.A. Kaufmann, Hegel's early antitheological phase, The Philosophical Review 63, 1954, 3ff. 103 Die präzisierte Einsicht in die Mittelhaftigkeit und Funktion der Religion (keineswegs nur im Zusammenhang einer Gegenwartsdiagnose; vgl. J. Ritter, Metaphysik und Politik. Studien zu Aristoteles und Hegel, Frankfurt 1969, bes. 21 Off.) dient also der Konkretisierung des frühen Programms ebenso wie der Realisierung der Kritik. Erst bei denen, die Hegel folgen wollten, treten diese Gedanken und Intentionen auseinander: vgl. K. Rosenkranz, Hegel als deutscher Nationalphilosoph, Leipzig 1870, 312ff.; aber auch R. Haym, Hegel und seine Zeit, 2. Aufl., Leipzig 1927, 392ff. KAPITEL VIII Einzelergebnisse der Arbeit in Thesen In Form von Thesen sollen einige der Befunde, die sich aus dem Gang der Untersuchungen herauslösen lassen, zusammenfassend vorgetragen werden. Es ist also nicht noch einmal im Blick auf den Text der Phänomenologie zu zeigen, daß und wie er sich erschließen läßt. Wohl aber sind einige der Gesichtspunkte anzugeben, unter denen er sich als durchsichtig, sinnvoll organisiert und diskussionsfähig erweist. Nach Maßgabe meiner Kenntnis der Literatur habe ich die Befunde und Einzelergebnisse ausgewählt, die mir für die Diskussion am fruchtbarsten und interessantesten zu sein scheinen. Dabei wurden freilich besonders Thesen ins Auge gefaßt, die auf das Verfahren der Phänomenologie und die Funktion des Abschnitts "Die offenbare Religion" Licht werfen. Der Hegelforschung der letzten Jahre verdankt diese Arbeit zwei entscheidende Grundlagen und Voraussetzungen: Erstens das in Untersuchungen zu Hegels Logik bewährte Forschungsergebnis, daß in Hegels reifem Werk jeder Gedanke von Gewicht mit Rücksicht auf eine Negation gebildet worden ist und daß sich die innere Systematik der Hegelschen Operation mit der Negation anhand einer zweimal verdoppelten Negation erhellen lasse.104 Zweitens die These, daß Hegels Grundoperation als Einschränkung von Unbestimmtheit aufzufassen sei105, bzw. genauer die Einsicht, daß im Blick auf die Negation der Negation der Übergang von Unbestimmtheit zur Bestimmtheit zu betrachten, ein Bestimmtheitsgewinn zu realisieren und zu erfassen ist.106 1. In der Verbindung dieser beiden Einsichten läßt sich der Hegelschen Operation mit der 104 Henrich, Grundoperation, aaO., bes. 214ff.; Henrich, Formen der Negation, aaO., bes. Abschnitt IV. 105 Fulda, Unzulängliche Bemerkungen, aaO., bes. 247ff. 106 Wiehl, Platos Ontologie, aaO., bes. 170ff. Negation ein Sinn sichern. Bestimmtheitsgewinn ist elementare Bedingung jeglicher Erfah­ rung, und sei es auch nur ein ganz bescheidener Bestimmtheitsgewinn dadurch, daß ein umherschweifender Blick sich auf irgend etwas richtet, daß ein Diskurs mit der Einführung eines vielleicht noch wenig besagenden Ausdrucks begonnen wird, daß ein einfacher Ausdruck charakterisiert wird usf. Der Bestimmtheitsgewinn wird aber nur realisiert, indem die unbestimmtere Situation und die bestimmtere zugleich präsent gehalten werden, obgleich die unbestimmtere mit dem Auftreten der bestimmteren eigentlich verschwunden ist. Dieses Moment des Übergangs, der Unentschiedenheit und des Vergleichens, in dem der Bestimmtheitsgewinn noch nicht anerkannt ist, ist festzuhalten und näher zu betrachten: Die bestimmtere Situation (z.B. der Fortschritt, das Neue, das Bessere und wie immer sie benannt werden mag) würde ohne die unbestimmtere, die ihr voranging, gar nicht als solche gedacht werden können. Die unbestimmtere aber ist die Verneinung der bestimmteren. Sie ist, wenn sie nun festgehalten wird, deren Rückgängigmachen und das Auftreten der größeren Unbestimmtheit, das Negation ist. Zugleich mußte sich aber diese Negation negiert haben, damit das Bestimmtere überhaupt auftreten konnte. Die Negation der Negation, das Verschwinden der Negation, ist die Voraussetzung des Auftretens der Negation und des Ne­ gierten. Dies ist wohl näher zu betrachten. Daß es aber keineswegs jeder Erfahrung widerspricht, können zwei Beispiele deutlich machen: Mit dem Verschwinden von Unfreiheit tritt nicht nur Freiheit auf, sondern es wird zugleich Unfreiheit erst offenbar. Ferner ist mit der Behauptung, ein Gegenstand sei, die unmittelbare Beziehung auf ihn gerade verschwunden und sein Gedachtsein und dessen Negation hervorgetreten. Zumindest instinktiv ist denn auch Hegels These, daß erst mit dem Verschwinden einer Gestalt, daß erst in der "Dämmerung" Erkenntnis auftrete, stark beachtet und oft zitiert worden.107 Die Negation der Negation ist also die Voraussetzung des Auftretens der Negation und des Negierten. Mit dem Auftreten der Negation und des Negierten scheint die Negation aber gerade nicht verschwunden, die Negation der Negation nicht gelungen zu sein. Die Negation der Negation hat ein Resultat. Die Negation der Negation ist also nicht nur als Elimination der 107 Vgl. Rechtsphilos., 17. Negation, sondern ebenso als eine Position aufzufassen, in der die Negation erhalten und verschwunden ist. Verschwundene und zur positiven Darstellung gelangte Negation stehen in negativer Beziehung zueinander, die aber im gesetzten Positiven, in dem die Negation verschwunden ist, zur Darstellung gelangen muß. Damit wird das Bleibende in der Veränderung, die Kontinuität im Übergang vom Unbestimmteren zum Bestimmteren erfaßt. Die negative Beziehung der Negation auf sich ist Selbstbeziehung. Selbstbeziehung ist als Selbstdarstellung und als Verzicht auf Selbstdarstellung aufzufassen. Im vermeintlich opaken Positiven ist also das Moment der Negation aufzuzeigen, um das Positive samt seiner Genese zu begreifen. Die folgenden Thesen können als Erläuterung und als Entfaltungen dieser systematischen Grundlage angesehen werden.108 2. Der reine Begriff, das Bewegungselement der Phänomenologie, ist das einfache Unbestimmte, die "Negativität oder absolute Abstraktion". Er ist zunächst das, was - nach Hegels Überzeugung sonst gedankenlos - einfache Einheit genannt wird. Die einfache Einheit ist die Abstraktion von aller Darstellung, denn jede Darstellung ist unterscheidendes Beziehen und beziehendes Unterscheiden. Da aber der reine Begriff die Abstraktion ist, ist diese einfache Einheit bereits ein Entzweites. Der reine Begriff ist die Abstraktion von seiner Darstellung. Er hebt dieses Entzweitsein auf, indem er sich zur Darstellung bringt, sich entzweit. Indem er sich - z.B. im Urteil - als Entzweiter darstellt, bringt er seine zuvor nur unbestimmte Einheit zum Ausdruck. Das Subjekt, das für sich genommen ein leeres Wort wäre, erlangt im Prädikat Bestimmtheit. Die vollkommenere Darstellung des zu seiner Darstellung gelangenden Begriffs ist laut Hegel der Schluß, in dem der Begriff, die einfache Mitte, sich in den unterschiedenen Extremen zur Darstellung bringt und in seinem Verschwinden die vermittelte Einheit darstellt. Diese hier nur zusammenfassend anzudeutenden Operationen sind alle darauf zurückzuführen, daß die einfache, unbestimmte Einheit die Negation ihrer Darstellung ist, ihre Darstellung aber diese Negation der Darstellung zum Ausdruck bringen muß, wenn sie Darstellung der Einheit sein 108 S. dazu die Abschnitte 1. und 2. der Einleitung dieser Arbeit sowie Kap. IV, bes. 4. soll. Formal ausgedrückt, unterscheidet und vereint der absolute Begriff zwei Weisen von Einheit und Unterscheidung. Im Blick auf die einfache Einheit eines bloßen Terms, der zugleich als solcher nichts besagt, und auf die Einheit einer propositionalen Explikation, die zugleich eine Unterscheidung macht, kann dies illustriert werden.109 3. Die Fruchtbarkeit der Betrachtung des Übergangs von relativer Unbestimmtheit zu relativer Bestimmtheit stellt die Phänomenologie vor allem im Blick auf das Bewußtsein unter Beweis. Dies wird deutlich, wenn man einen Einwand betrachtet, der Konzeption und Durchführung der Phänomenologie gerade in Frage zu stellen scheint. Der Einwand lautet: das Bewußtsein selbst könne gar nicht betrachtet werden, es sei in dem, wovon es Bewußtsein ist, gleichsam versunken, und nur das Bewußte könne Gegenstand der Untersuchung sein. Dieser Einwand spricht nicht nur ausdrücklich von einem unbestimmten Bewußtsein, über das sich weiter nichts sagen lasse, er bezieht dieses ebenso ausdrücklich auf das bestimmtere Bewußte, indem er es als im Bestimmteren Verschwundenes festhält. Dieses Verhalten muß sich selbst durchsichtig werden, zumal ebenso vom unbestimmteren "Gegenstand an sich" ausgegangen werden könnte, der auf der "bestimmteren Seite" im Bewußtsein verschwunden sei, mit dem Resultat, daß nur über Bewußtseinszustände, nicht aber über den Gegenstand an sich etwas ausgesagt werden kann. Wie die Operation mit der Negation und die Betrachtung des reinen Begriffs (These 1 und 2) zeigen, sind aber das Unbestimmtere, über das sich nichts aussagen lasse, und das Bestimmtere nur zwei unterschiedene Konstellationen oder Ordnungszustände des Einen.110 4. Die Differenz von einfacher Einheit und unterschiedener Darstellung des Begriffs ist nach Hegels Überzeugung die Ursache aller Konflikte und Streitigkeiten; die Betrachtung der "Bewegung des Begriffs", die diese Differenz überwindet, ist die wahre Konfliktbeseitigung und Konfliktprophylaxe. Im Verlauf der Phänomenologie wird dies so dargestellt, daß der 109 S. dazu Kap. III, 4. und 5.; aber auch Kap. III, 3.; IV, 2. und V, 2. S. dazu das Problem der Unterscheidung von "Gedanke" und "sprachlicher Formulierung" bei J. Cohn, Theorie der Dialektik. Formenlehre der Philosophie, Leipzig 19 23, 118ff. 110 . dazu die Einleitung, Abschnitt 2., aber auch Kap. VI, 1. Zu Hegels Bestimmung des "Einen" als Gestalt s. H.F. Fulda, Zur Logik der Phänomenologie von 1807, in: Materialien, 391ff., 405f. Betrachter und das betrachtete Bewußtsein wohl einen gemeinsamen Gegenstand vor Augen haben und sich wohl auf ein gleichlautendes Wissen berufen, daß sie in Wahrheit aber jeweils etwas anderes meinen. Betrachter und betrachtetes Bewußtsein fixieren jeweils ein anderes Moment des in sich unterschiedenen Gegenstandes. Zugleich stellen sie beide damit das ebenfalls in sich unterschiedene Wissen als entzweites dar. Auch ohne dies hier noch einmal ausführlich zu wiederholen111, kann festgehalten werden, daß mit dem betrachteten Bewußtsein ein mögliches Verhalten des Betrachters zur Darstellung gelangt. Der Betrachter führt einen Gegenstand ein und betrachtet zugleich das angesichts dieses Gegenstandes zu vergegenständlichende Bewußtsein. Daß aber das Bewußtsein vergegenständlicht werden kann, zeigt an, daß der Betrachter selbst den Gegenstand einseitig betrachtete und sich selbst in ein betrachtendes und ein betrachtetes Bewußtsein entzweite. Diese Entzweiung wird in ihrer Reinheit vom Begriff dargestellt. In der Vorstellung des Begriffs gelangt das Bewußtsein zum Selbstbewußtsein. Diese Unterscheidung, die zugleich keine Unterscheidung ist, wird für die Vorstellung als Ununterschiedenheit des "Ich" vom "Ich bin Ich" ausgedrückt.112 Doch mit der bloßen Vorstellung des Begriffs ist erst eine inhaltlose Selbsterkenntnis des Bewußtseins erreicht. Das Bewußtsein hat sich noch nicht im Begriff erkannt. Erst in dieser Erkenntnis, im "absoluten Wissen", wird der Konflikt von Selbstdarstellung und Verzicht auf Selbstdarstellung im Selbstbewußtsein überwunden.113 5. Der Abschnitt "Herrschaft und Knechtschaft" stellt diesen Konflikt zwischen zwei einander gegenübertretenden, selbstbewußten Individuen dar. Wie jede Darstellung ist auch dieser Abschnitt durchgängig an der Bewegung des Begriffs bzw. an der selbstbezüglichen Negation orientiert. Hegel hat die dort auftretende Konstellation "Schluß" genannt. Erst in der Be­ achtung der logischen Verfassung, in der dieses - nicht nur zweistellige! - Verhältnis zur Darstellung kommt, können Genese und Verlauf von Herrschaft und Knechtschaft erhellt werden.114 111 112 113 114 S. bes. Kap. IV, 3.; Kap. I, 4.; 1.-3.; Kap. V, 1. Vgl. Kap. IV, 3.-5.; Kap. V, 1. Vgl. bes. Kap. IV, 1. und 2. Vgl. Kap. V, 3. und 4. 6. Die Darstellung jenes Konflikts im Bewußtsein dagegen bietet der Abschnitt "Unglückliches Bewußtsein"115. Hegel hat hier bereits eine sehr differenzierte Projektionstheorie entwickelt, die zugleich angeben läßt, warum das religiöse Bewußtsein nicht zur Einsicht gelangen kann, daß es sein eigenes Verhalten vergegenständlicht hat. Ferner kann im Blick auf diesen Abschnitt verständlich werden, warum eine ausschließlich an der Individualität orientierte Begrifflichkeit zur Interpretation von Hegels Religionsphilosophie nicht ausreicht.116 7. Die unbestimmtere Seite des Begriffs, als Totalität aufgefaßt, nennt Hegel Substanz oder "das ungebändigte ( ) Gärender Substanz", denn in ihr liegt bereits die latente Entzweiung. Die bestimmtere Seite des Begriffs, ebenfalls als Totalität aufgefaßt, nennt Hegel Subjekt. Zugleich ist aber das Unterscheiden und Aufheben der Unterscheidung, das im Subjekt hervortritt, in der latenten Entzweiung der Substanz bereits vorhanden, sie ist an sich, der Möglichkeit nach, Subjekt. Eben so gelangt die Unbestimmtheit der Substanz im Subjekt zur Darstellung: es ist das leere Denken und das leere Ich. Die Vorstellung, daß die Substanz Subjekt ist, artikuliert sich im Ausdruck "Geist". Die Einsicht, daß das Wahre als Substanz und als Subjekt zu begreifen und darzustellen ist (vgl. 19), realisiert sich in der Selbsterkenntnis im Begriff.117 8. Die Funktion des Abschnitts "Die offenbare Religion" ist es zu zeigen, daß im Offenbarungsgeschehen die "Bewegung des Begriffs" für das vorstellende allgemeine Bewußtsein auftritt, daß also das Geschehen der Religion ein - wenn auch relativ vollkommenes - Beispiel für die Selbstdarstellung des Begriffs ist. Im Blick auf den als wirklichen Menschen vorgestellten Begriff bildet sich eine Gemeinschaft, die sich selbst in jener Vorstellung zu begreifen sucht. Unsinnig ist es, von dem einen oder anderen Moment zu abstrahieren und etwa darüber zu räsonieren, ob dieser Mensch "nur" Ausdruck der Bedürfnisse der Gemeinschaft sei, die sich im Blick auf ihn erst gebildet hat. Die Bildung der 115 S. dazu Kap. V, 7. 116 Vgl. Kap. VI, 1. und 4. 117 Vgl. Kap. IV, 1.; aber auch Kap. zu aber 0. Pöggeler, Zur Deutung der Phänomenologie des Geistes, Hegel Stud. I, 1961, 255ff., 282f. geistigen Gemeinschaft kann in der Tat als Konfiguration der Substanz, als Darstellung der selbstbewußten Substanz aufgefaßt werden, die eben im Blick auf dieses einzelne Subjekt auftritt. Zugleich stellt sich der vorgestellte Einzelne in ihr dar, indem er als Erinnerter im Gedanken festgehalten wird. Von dem vorstellenden Bewußtsein wird dieses Geschehen als ein externes aufgefaßt und dargestellt. Es erkennt nicht, daß es selbst die an sich geschehene Versöhnung von einzelnem und allgemeinem Selbstbewußtsein ist. Das, was die Gemeinde nur ist, bringt sie nicht in sich, in ihrer Wirklichkeit zur Darstellung. Die ihr interne Kraft der Versöhnung, den Begriff, sucht sie in einer jenseitigen Welt. Die Gemeinschaft erkennt sich noch nicht im Einzelnen und dieser sich noch nicht in ihr.118 9. Dieses Selbsterkennen im anderen, das zugleich die Darstellung des Sich-Erkennenden ist, erfolgt im "absoluten Wissen" . Der reine Begriff ist die absolute Abstraktion und als solche der Verzicht auf Selbstdarstellung. Er ist nicht ein einfacher und als solcher nichtssagender Ausdruck. Auch ist er nicht die Abstraktion von irgend etwas Bestimmtem. Er ist die Abstraktion selbst von seiner möglichen Darstellung und nur als solche die absolute Abstraktion oder Negativität. Als solcher aber unterscheidet er sich in sich. Er ist die gedachte Leere und das leere Denken und als diese Einheit reines Selbstbewußtsein. Das gedachte Leere negiert aber die Tätigkeit des leeren Denkens, und diese Tätigkeit negiert die Einfachheit. Diese sich selbst negierende Unbestimmtheit ist das Auftreten des Begriffs im Bewußtsein. Das Bewußtsein ist die sich unterscheidende Selbstdarstellung des Begriffs. Im Begriff, dem "tätigen Gedanken", kann das Bewußtsein sein eigenes Tun und sich selbst erkennen. Der einfache bestimmte Begriff ist die Darstellung der unbestimmten Substanz, es selbst aber ist die einfache Einheit des Begriffs und seiner Bestimmung, die Darstellung des unbestimmten Subjekts. Indem das Be­ wußtsein zur Darstellung bringt, daß der Begriff sich selbst und seine Bestimmung vermittelt, 118 Vgl. Kap. VII, bes. 1. und 3.; aber auch Kap. VI, 3. und 4. Vgl. W. van Dooren, Die Bedeutung der Religion in der Phänomenologie des Geistes, Hegel Stud. Beih. 4, 1969, 93ff., 97f. Zum Verhältnis der Kap. VI, 3. und VII s. auch den Differenzierungsversuch am Ende des Beitrags von E. Hirsch, Die Beisetzung der Romantiker in Hegels Phänomenologie. Ein Kommentar zu dem Abschnitte über die Moralität, DVfLG II, 1924, 510ff. die Einheit seiner selbst und seiner Darstellung ist, stellt es sich selbst dar.119 10. Dieses Vorgehen ist die Dialektik. Die Dialektik faßt das Einfache als Abstraktion von seiner Darstellung auf. Als Abstraktion von seiner Darstellung ist es in sich unterschieden. Seine Darstellung muß also dieses in sich Unterschiedene zum Ausdruck bringen. Damit ist sie Darstellung ihrer selbst und des Einfachen, das die Abstraktion von ihr war. Im Blick auf Hegels Operation mit der Negation erhält die Dialektik Kontur und Bestimmtheit. Das einfache Positive ist als Abstraktion von der Negation der Negation, die Elimination ist, auf­ zufassen. Plastisch ausgedrückt: es erhält sich durch Abstraktion von seinem Nichtsein, und es erhält sich in seiner Darstellung gegen sein Nichtsein. Seine Darstellung wird also die Einheit seiner und seines Nichtseins zum Ausdruck bringen. Damit ist die im ersten Kapitel dieser Arbeit gegebene Definition von Dialektik, dieser Pflege des begrifflichen Denkens, die erst im Blick auf eine vorgegebene Relation zu formulieren war 120, ergänzt. Auf Fragen der Durchführung dialektischen Denkens geben die ersten Thesen zusammenfassende Antwort. Eine tiefere Einsicht in das Verfahren dialektischen Denkens wird von einem verbesserten Verstehen der Hegelschen Operation mit der Negation abhängen. Von der Vermutung, Hegels Denken sei nur im Blick auf theologische Voraussetzungen zu verstehen, können sich Philosophen und Theologen befreien. 119 Vgl. Kap. IV, 1., 2. und 4.; Kap. III, 4. und 5. 120 S. dazu Kap. I, 5. und Henrich, Grundoperation, aaO. 211. LITERATUR I. Textausgaben der Werke Hegels Hegels Werke werden nach möglichst leicht zugänglichen Ausgaben zitiert, soweit dies ohne Verzicht auf eindeutig qualitativ höherwertige Textvorlagen geschehen kann. Alle Texte, die in: G.W.F. Hegel, Gesammelte Werke, hg. im Auftrag bzw. in Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, bereits vorliegen, werden auch nach dieser Ausgabe zitiert (GW). Nur GW wird den Ausgaben der Philosophischen Bibliothek Meiner (PhB) vorgezogen (zit.: Bandnummer/Herausgeber/Erscheinungsjahr) . Die in GW und PhB nicht vorliegenden Texte kommen nach der Theorie-Werkausgabe Suhrkamp, G.W.F. Hegel. Werke in zwanzig Bänden, Red.: E. Moldenhauer und K.M. Michel, Frankfurt 1969-1971, zum Zitat (ThWS), sofern nicht eindeutig bessere Einzelausgaben vorliegen. Nach Einzelausgaben werden ferner alle von GW, PhB, ThWS nicht abgedruckten Texte zitiert. Im folgenden werden die in den Anmerkungen auftretenden Abkürzungen vorangestellt: Nohl - Hegels theologische Jugendschriften, hg. H. Nohl, Tübingen 19 07. Rosenkranz - K. Rosenkranz, G.W.F. Hegels Leben, (Berlin 1844), Darmstadt 1969. Dok. - Dokumente zu Hegels Entwicklung, hg. J. Hoffmeister, 2. Aufl., Stuttgart Bad Cannstatt 1974. Erste Druckschr. - Hegel, Erste Druckschriften, PhB (62/Lasson/1928). GW IV - Jenaer kritische Schriften, hg. H. Buchner und O. 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Die übrigen Abkürzungen sind entweder unmißverständlich oder im Nachschlagewerk: Die Religion in Geschichte und Gegegenwart (RGG), Bd. VI, 3. Aufl., 1962, XIXff., aufge­ führt. Die Ortsangabe Frankfurt bezieht sich immer auf Frankfurt am Main. ADAMS, G.P., The mystical élément in Hegel's early theological writings, Berkeley 1910. ADORNO, T.W., Negative Dialektik, Frankfurt 1966. Drei Studien zu Hegel, 3. Aufl., Frankfurt 1969. Stichworte, Kritische Modelle 2, Frankfurt 1970. ALBRECHT, W., Hegels Gottesbeweis. Eine Studie zur "Wissenschaft der Logik", Berlin 1958. ANACKER, ü., Natur und Intersubjektivität, Elemente zu einer Theorie der Aufklärung, Frankfurt 1974. ARISTOTELES, Lehrschriften II.2. Erste Analytik, hg. P. Göhlke, Paderborn 1953. ASPELIN, G., Hegels Tübinger Fragment. Eine psychologisch-ideengeschichtliche Untersuchung, Lunds Universitets Arsskrift, N.F. Avd. 1, Bd. 28 Nr. 7, 1933. ASVELD, P., La pensée religieuse du jeune Hegel. Liberté et aliénation, Louvain 1953. 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Nach dem Abitur 1966 studierte ich Theologie und Philosophie an der Universität Heidelberg bis 1968, 1968/69 in Tübingen, 1970 wieder in Heidelberg. 1971 mußte ich das Studium für längere Zeit unterbrechen, um die Familie nach frühem Tod des Vaters zu unterstützen. 1973 wurde ich am Fachbereich Evang. Theologie der Universität Tübingen aufgrund der Abhandlung: Der Vorgang Autonomie. Philosophische Beiträge zur Einsicht in theologischer Rezeption und Kritik, und einer mündlichen Prüfung in den fünf theologischen Disziplinen zum Dr. theol. promoviert. Bei Herrn Prof. Moltmann war ich von 1971 - 1973 Wissenschaftliche Hilfskraft, bis 1974 Wissenschaftlicher Angestellter; seit 1975 bin ich Wissenschaftlicher Assistent. Die vorliegende philosophische Dissertation hat mich seit 1971 beschäftigt; 1974 - 1975, zwischen den beiden Anstellungen, konnte ich sie in wichtigen Partien ausarbeiten. Lehrerfahrungen habe ich seit 1971 machen können. Seit der Promotion halte ich neben Pround Hauptseminar im Fach Systematische Theologie auch philosophische Übungen.