Thieme: Taschenlehrbuch Anatomie - beck

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13.3 Herz und große Gefäße
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pulmonalis mit dem Aortenbogen knapp unterhalb des Abgangs der linken A. subclavia . Dort mischt sich also sauerstoffreiches Blut aus der Aorta und sauerstoffärmeres Blut aus dem Ductus arteriosus (Botalli). Dieses Mischblut reicht für die
Versorgung der unteren Körperhälfte aus.
Da das sauerstoffärmere Blut aus der V. cava superior die Aorta über den Ductus Botalli
erst nach dem Abgang von Truncus brachiocepahlicus, A. carotis communis sinistra und
A. subclavia sinistra erreicht, werden Kopf und obere Extremität besser mit Sauerstoff
versorgt als Köperstamm und untere Extremität.
Bei der Geburt des Kindes muss der fetale Kreislauf binnen kürzester Zeit umgestellt werden. Mit dem ersten Atemzug und der Entfaltung der Lungen sinkt der
Druck im rechten Vorhof unter denjenigen im linken Vorhof. Dadurch klappt das
Foramen ovale zunächst ventilartig zu. Seine Ränder verwachsen dann in den
ersten Wochen (bei jedem 4. Mensch bleibt allerdings eine sondierbare, aber funktionell unbedeutende Öffnung im Foramen ovale bestehen). Außerdem kontrahiert
sich die Muskelwand des Ductus arteriosus (Botalli), der sich dann in den ersten
Lebenswochen ebenfalls endgültig bindegewebig verschließt und zum Lig. arteriosum wird. Genauso verschließt sich der Ductus venosus (Arantii), dessen bindegewebige Reste das Lig. venosum bilden. Die ebenfalls obliterierte V. umbilicalis wird
zum Lig. teres hepatis.
Bleibt der Ductus arteriosus (Botalli) nach der Geburt offen (persistierender Ductus
arteriosus), entsteht ein Links-rechts-Shunt. Es fließt Blut von der Aorta in den Truncus
pulmonalis und belastet damit das rechte Herz und die Lunge.
Durch persistierendes Ductus-Gewebe kann auch die Aorta am „Aortenisthmus“,
also unterhalb des Abgangs der A. subclavia sinistra, pathologisch eingeengt werden (Aortenisthmusstenose). Bei starker Verengung erreicht das Blut dann über
Umgehungskreisläufe die Aorta thoracica, insbesondere über die Aa. subclaviae
und Aa. thoracicae internae rückläufig durch die Interkostalarterien. Die Vergrößerung der Aa. intercostales kann sogar zu Eindellungen der Rippen („Rippenusuren“) führen. &
13.3.2 Aufbau des Herzens
Das Herz ist die zentrale „Blutpumpe“ des Organismus. Es schlägt etwa 100000mal am Tag, um den Druck aufzubauen, der das Blut durch den kleinen Kreislauf
(Lungenkreislauf) und den großen Kreislauf (Körperkreislauf) treibt. Die beiden
Herzhälften schlagen dabei zeitlich synchron, sind aber anatomisch vollständig
durch Scheidewände voneinander getrennt. Nur im fetalen Kreislauf (s.o.) und
bei pathologischen Zuständen (Septumdefekt) bestehen offene Verbindungen zwischen rechtem und linkem Herz. In beiden Herzhälften gelangt das Blut aus den
Venen in den Vorhof (Atrium), von dort durch eine Segelklappe in die Kammer
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13 Brusteingeweide
Tab. 13.4 Übersicht über die Herzhöhlen in der Reihenfolge des Blutstroms
Zufluss
Vorhof
rechtes
Herz
Atrium
V. cava
dextrum
superior
und inferior
linkes
Herz
Vv. pulmonales
Segelklappe
Kammer
Trikuspidal- Ventriculus
klappe
dexter
Atrium
Mitralsinistrum klappe
Ventriculus
sinister
Taschenklappe
Ausflussbahn
Pulmonalklappe
Truncus
pulmonalis
Aortenklappe Aorta
(Ventriculus) und von dort durch eine Taschenklappe in die Ausflussbahn, also die
Aorta bzw. den Truncus pulmonalis (Tab. 13.4, s.a. Abb. 3.1 S. 38). Die linke
Kammer ist deutlich kräftiger gebaut, da sie einen wesentlich höheren Druck erzeugen muss als die rechte Kammer.
Äußere Form (Abb. 13.12)
13
Das normale Herz ist etwa faustgroß und wiegt blutleer ungefähr 300 g. Die Form
des Herzens gleicht grob einem Kegel, der schräg im Brustkorb liegt. Die Herzspitze
(Apex cordis) zeigt nach vorn unten links, die Herzbasis mit den großen Gefäßen
zeigt nach hinten oben rechts. Die Herzachse ist damit um etwa 40 ° zur Sagittalund Transversalachse geneigt. An der Basis ist das Herz über die großen Gefäße im
Mediastinum verankert, während die Herzspitze im Herzbeutel eine begrenzte Beweglichkeit hat.
An einem isolierten Herzen, wie es im Präpariersaal nach der Entnahme aus dem Herzbeutel (Pericard) vorliegt, orientiert man sich am besten zunächst an den großen Gefäßen. Die Hohlvenen (V. cava superior15 und inferior11) münden in einer vertikalen
Linie von oben und von unten in den rechten Vorhof13 ein, der am Herzen ganz rechts
liegt. Die 2 Lungenvenen jeder Seite (Vv. pulmonales4, 19) münden horizontal in den
linken Vorhof22, der am Herz ganz hinten liegt. Hohlvenen und Lungenvenen bilden dadurch das sogenannte Venenkreuz, über das die Herzbasis weitgehend im Mediastinum
befestigt ist. Direkt aus der Vorderwand des Herzens geht die mächtige Lungenschlagader (Truncus pulmonalis5) hervor, die sich geschwungen nach dorsal wendet und sich
unter dem Aortenbogen in die beiden Aa. pulmonales3, 17 teilt. Die mindestens genauso
mächtige Aorta1 beginnt etwas versteckt zwischen V. cava superior und Truncus pulmonalis und steigt dann steiler als der Truncus pulmonalis zum Aortenbogen auf.
(Weitere Angaben zu den großen Gefäßen im Abschnitt „Leitungsbahnen“; S. 340).
Die Lage von Vorhöfen und Kammern lässt sich am Herzen von außen durch
folgende Rinnen bestimmen: Zwischen Vorhöfen und Kammern liegt der Sulcus
coronarius12 (Kranzfurche), der – nur vom Truncus pulmonalis unterbrochen – einmal um das ganze Herz herumzieht. Diesem Sulcus verdanken die Kranzgefäße
ihren Namen. Vorn trennt der Sulcus interventricularis anterior7 rechte und linke
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a
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b
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20
11
Abb. 13.12 Herz und große Gefäße ohne Pericard. Ansicht von ventral (a) und dorsal (b).
12 Sulcus coronarius
1 Arcus aortae
13 Atrium dextrum
2 Lig. arteriosum
14 Auricula dextra
3 A. pulmonalis sinistra
15 V. cava superior
4 Vv. pulmonales sinistrae
16 Aorta, ascendens
5 Truncus pulmonalis
17 A. pulmonalis dextra
6 Auricula sinistra
18 Schnittrand des entfernten Pericards
7 Sulcus interventricularis anterior
19 Vv. pulmonales dextrae
8 Ventriculus sinister
20 Sinus obliquus pericardii
9 Apex cordis
21 Sinus coronarius
10 Ventriculus dexter
22 Atrium sinistrum
11 V. cava inferior
Kammerwand. Er zieht vom Sulcus coronarius gerade herunter und endet etwas
rechts von der Herzspitze. Hinten markiert der Sulcus interventricularis posterior
ebenfalls die Grenze zwischen den beiden Kammern.
Man unterscheidet am Herzen von außen folgende Oberflächen:
Die Vorderfläche (Facies sternocostalis) ist leicht gewölbt und der vorderen
Brustwand zugewendet. Sie wird vor allem von der Vorderwand des rechten
Ventrikels gebildet, aber auch von den beiden Herzohren (Anteilen der Vorhöfe,
s.u.) und der schmaleren Vorderwand des linken Ventrikels.
Die Unterfläche (Facies diaphragmatica) ist der dem Zwerchfell aufliegende Teil
des Herzens. Sie wird zum größten Teil vom linken Ventrikel gebildet, dessen
Wand in diesem Bereich „Hinterwand“ genannt wird. Zu einem kleinen Teil
ist auch der rechte Vorhof an der Unterfläche beteiligt.
Die Hinterfläche (Basis cordis, manchmal auch Facies posterior genannt) wird
überwiegend vom linken, aber auch von Teilen des rechten Vorhofs gebildet.
Außerdem grenzt hier auch ein Teil des linken Ventrikels an, die „eigentliche
*
*
*
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13 Brusteingeweide
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Hinterwand“, die, um Verwechslungen zu vermeiden, posteriore Wand genannt
werden sollte.
Die Seitenflächen werden Facies pulmonalis genannt. Die rechte wird primär
vom rechten Vorhof gebildet, die linke von der Seitenwand des linken Ventrikels
(s.a. die randbildenden Strukturen im Röntgenbild, S. 334).
Herzhöhlen und Herzklappen
Wandaufbau. Alle Wände der Herzhöhlen bestehen aus 3 Schichten: Epikard, Myokard und Endokard. Das außen liegende Epikard besteht aus einem serösen Epithel
(S. 58) und dem subepikardialen Binde- und Fettgewebe, das an einigen Stellen als
Baufett zur Glättung der Herzoberfläche beiträgt, aber auch sehr verschieden stark
ausgeprägt sein kann und allgemein im Alter zunimmt. Das innen liegende Endokard besteht wie bei allen Gefäßen aus einem einschichtigen Epithel (Endothel)
und einer dünnen Bindegewebsschicht. Dazwischen liegt das Myokard, die Muskelschicht. Sie ist je nach Funktion verschieden stark, und sie bedingt die großen
Unterschiede in der Wanddicke der einzelnen Herzhöhlen: linker Vorhof ca. 3 mm,
rechter Ventrikel 3–5 mm, linker Ventrikel 8–12 mm. Die Wanddicke des linken
Ventrikels entspricht dem etwa fünffach höheren Druck, den er im Vergleich zum
rechten Ventrikel aufbauen muss.
13
Die Muskelfasernetze des Myokards zeigen insbesondere in den Kammern eine sehr
komplexe Anordnung, die grob in 2 Längsmuskelschichten und eine dazwischenliegende Ringmuskelschicht aufgeteilt werden kann, die aber viele schräge und schraubenförmige Faserverläufe enthält.
Herzmuskelzellen können sich, ähnlich wie trainierte Skelettmuskelzellen, bei Belastung vergrößern (Hypertrophie, Sportlerherz). Sie können sich aber praktisch nicht
mehr teilen, sodass keine Regeneration möglich ist. Abgestorbene Zellen (nach einem
Myokardinfarkt) werden daher durch eine bindegewebige Narbe ersetzt. &
Aufbau der Herzbinnenräume. Vor der Besprechung der einzelnen Vorhöfe und
Kammern werden hier zunächst einige allgemeine Bemerkungen zu den Binnenräumen (Abb. 13.13 und Abb. 13.14) und Klappen gemacht. Alle 4 Herzhöhlen sind
für ein durchschnittliches Schlagvolumen von 70–90 ml pro Schlag bei körperlicher Ruhe ausgelegt. Entsprechend haben die beiden Kammern beim gesunden
Herzen trotz der sehr verschiedenen Wanddicken (s.o.) einen etwa gleich großen
Binnenraum. Große Teile der Innenwände der Herzhöhlen haben durch vorspringende Muskelbalken ein charakteristisches Relief. In den Vorhöfen spricht man von
Mm. pectinati („Kammmuskeln“), in den Kammern von Trabeculae carneae
(„Fleischbalken“). Spezialisierte Trabeculae carneae springen als Mm. papillares
(Papillarmuskeln) ins Lumen vor und dienen der Befestigung und Steuerung der
Segelklappen.
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Zwischen Vorhöfen und Kammern finden sich die weitgehend gleich gebauten
Segelklappen (Valvae atrioventriculares, AV-Klappen). Sie bestehen aus 2 oder 3 Segeln (Cuspes, Einzahl: Cuspis), die in die Kammer hineinragen, wo ihr freier Rand
über Sehnenfäden (Chordae tendineae) an den Papillarmuskeln befestigt ist. Die
Segel bilden ein Ventil, das das Blut aus dem Vorhof in die Kammer strömen lässt,
bei steigendem Druck in der Kammer hingegen den Rückstrom verhindert. Dann
legen sich die Segel aneinander und verschließen das Ostium atrioventriculare. Die
Papillarmuskeln und Sehnenfäden verhindern, dass die Segel dabei in den Vorhof
„durchschlagen“. Sie sind hingegen nicht an der Öffnung der Segel beteiligt, die rein
passiv durch den Blutstrom erfolgt.
In der Ausflussbahn, am Übergang der Kammern in die Aorta bzw. den Truncus
pulmonalis, befinden sich Taschenklappen, die im Prinzip ähnlich wie Venenklappen gebaut sind (S. 47). Sie bestehen jeweils aus 3 Taschen, den Valvulae semilunares. Die Öffnung der einzelnen „Tasche“ zeigt nach oben, also in Richtung
Arterie. In der Auswurfphase des Ventrikels legen sich die Taschen an die Gefäßwand und geben den Blutstrom frei. In der Erschlaffungsphase verhindern sie den
Rückstrom des Blutes in den Ventrikel, indem sich die freien Ränder der Taschen in
der Mitte aneinanderlegen. Von oben gesehen entsteht dadurch das Bild eines dreigezackten Sterns. Knötchenartige Verdickungen in der Mitte des freien Randes jeder Tasche (Noduli valvularum semilunarium) sorgen dafür, dass sich dieser Stern
auch in der Mitte vollständig schließt.
Sowohl die Segel der Segelklappen als auch die Taschen der Taschenklappen sind
zarte Bindegewebsmembranen, die beidseits mit Endothel bedeckt sind und außer
an ihrer Basis keine eigenen Blutgefäße enthalten. Sie sind so dünn gebaut, dass
eine direkte Versorgung aus dem Blutstrom ausreicht.
Der rechte Vorhof (Atrium dextrum, RA, Abb. 13.13a) nimmt das venöse Blut aus
dem Körperkreislauf auf. Er bildet den rechten Herzrand und wölbt die gedachte
Verbindungslinie von V. cava superior und V. cava inferior etwas nach rechts vor.
Von außen ist das rechte Herzohr (Auricula dextra3) zu erkennen, das sich vorne
zwischen Aortenwurzel und rechten Ventrikel schmiegt. Es ist damit eine Art
Lückenfüller im Dienste einer glatten, in den Herzbeutel passenden Herzoberfläche.
Außerdem ist von außen dorsolateral, von einer V. cava zur anderen laufend, eine Rinne
zu erkennen, der Sulcus terminalis. Er ist die entwicklungsgeschichtliche Grenze zwischen dem eigentlichen Vorhof und dem Teil, der von der Venenanlage (Sinus venosus)
noch in den Vorhof integriert wurde. Die Innenwand des rechten Vorhofs ist im dorsalen
Bereich (dem früheren Sinus venosus) glatt, im ventralen durch parallele Muskelbälkchen, die Mm. pectinati4, zerklüftet. Die Grenze zwischen diesen beiden Anteilen entspricht außen dem Sulcus terminalis und wölbt sich innen als Crista terminalis vor.
Der zerklüftete Wandanteil erstreckt sich vorn oben in das Herzohr (Auricula dextra), eine Aussackung der Lichtung des Vorhofs. Dorsomedial im glatten Wandanteil liegt das Septum interatriale12 (Vorhofscheidewand), hinter dem sich der
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3
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a
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7
b
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Abb. 13.13 Binnenräume des rechten Herzens.
a Einblick in den eröffneten rechten Vorhof, Ansicht von rechts. b Einblick in den rechten
Ventrikel nach Entfernung seiner Vorderwand, Ansicht von ventral.
16 A. pulmonalis dextra
1 Aorta ascendens
17 V. cava superior
2 Truncus pulmonalis
18 Arcus aortae
3 Auricula dextra
19 Lig. arteriosum
4 Mm. pectinati
20 Vv. pulmonales sinistrae
5 Ventriculus dexter
21 Pulmonalklappe
6 Trikuspidalklappe
22 M. papillaris septalis
7 Ostium sinus coronarii mit Thebesischer
23 Ventriculus sinister
Klappe
24 Septum interventriculare
8 Valvula v. cavae inferioris (Eustachische
25 Trabeculae carneae
Klappe)
26 Apex cordis
9 V. cava inferior
27 Trabecula septomarginalis
10 Fossa ovalis
28 M. papillaris posterior
11 Limbus fossae ovalis
29 M. papillaris anterior
12 Vorhofscheidewand
30 Chordae tendineae
13 Vv. pulmonales dextrae
31 Conus arteriosus
14 Atrium sinistrum
15 Linea terminalis
linke Vorhof befindet. Das Septum zeigt in der Mitte eine leichte Vertiefung, die
Fossa ovalis10, die oben von einem Wulst, dem Limbus fossae ovalis11, umfasst
wird. Dies ist der Ort des im fetalen Kreislauf offenen Foramen ovale (S. 314).
Das Foramen verschließt sich nach der Geburt, ist aber bei etwa 25 % der Erwachsenen noch sondendurchgängig.
In den rechten Vorhof münden die beiden Hohlvenen (Vv. cavae) und der Sinus
coronarius (die Sammelvene für die Herzkranzvenen) sowie einige kleinere
Vv. cardiacae anteriores. Die Mündung der V. cava superior ist klappenfrei, diejenige der V. cava inferior besitzt eine rudimentäre Klappe, die Valvula v. cavae
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inferioris8 (Eustachische Klappe). Sie hat im fetalen Kreislauf die Aufgabe, den Blutstrom aus der V. cava inferior direkt in Richtung auf das Foramen ovale zu lenken.
Beim Erwachsenen ist sie funktionslos und kann fehlen oder stark zurückgebildet
sein. Ihr mediales Ende ist mit dem Ausläufer einer kleineren, ebenfalls rudimentären Klappe verbunden, der Valvula sinus coronarii 7(Thebesische Klappe), hinter
der die Öffnung des Sinus coronarius liegt. Links davon öffnet sich der rechte Vorhof in den rechten Ventrikel.
Vorhof-Muskelzellen können bei Überdehnung der Vorhofwand ein Hormon sezernieren,
das atriale natriuretische Peptid (ANP). Die Wirkungen des ANP auf den Kreislauf
(Wasserausscheidung, Gefäßerweiterung) führen dann zu einer Entlastung des Herzens.
Der rechte Ventrikel (Ventriculus dexter, RV, Abb. 13.13b) nimmt Blut aus dem
rechten Vorhof auf und pumpt es über den Truncus pulmonalis in die Lunge. Er
nimmt vor allem die Vorderfläche des Herzens ein und auch einen Teil der Unterfläche, ist aber nicht an der Herzspitze beteiligt. Im Vergleich mit dem rechten
Ventrikel ist die muskuläre Wand des linken Ventrikels deutlich dicker. Das gilt
auch für die gemeinsame Wand, das Septum interventriculare24 (Kammerscheidewand), da das Septum funktionell zum linken Ventrikel gehört. Daher liegt der
rechte Ventrikel dem linken wie eine Tasche an. Das Kammerseptum besteht
zum größten Teil aus Muskulatur (Pars muscularis), ein kleiner Teil nahe der Vorhof-Kammer-Grenze ist hingegen bindegewebig (Pars membranacea).
Von rechts öffnet sich die Trikuspidalklappe6 in den Ventrikel, deren Segel durch
Papillarmuskeln22, 28, 29 an der Kammerwand befestigt sind. Die übrige Wand ist
durch Muskelbalken (Trabeculae carneae) zerklüftet. Einer dieser Balken, die Trabecula septomarginalis27 („Moderator-Band“), zieht vom Septum zur Vorderwand
frei durch die Kammerlichtung. In diesem „Band“ liegt der rechte Kammerschenkel
des Erregungsleitungssystems (S. 328). Die Ausflussbahn des rechten Ventrikels
wendet sich nach oben in einen glattwandigen Teil, den Conus arteriosus31. Dieser
geht an der Pulmonalklappe21 in den Truncus pulmonalis über.
Der Name „Moderator-Band“ geht auf die fehlerhafte Vorstellung zurück, der Muskelbalken, der von einer Ventrikelwand zur anderen zieht, diene als Schutz gegen Überdehnung des Ventrikels.
Die Trikuspidalklappe (Valva atrioventricularis dextra) ist eine Segelklappe mit
3 Segeln, Cuspis anterior, Cuspis posterior und Cuspis septalis (s. Abb. 13.15
S. 326). Jedem Segel entspricht ein Papillarmuskel: M. papillaris anterior, posterior
und septalis. Der anteriore Muskel ist normalerweise am größten und steht in
Verbindung mit der Trabecula septomarginalis, der septale ist am kleinsten. Die
Papillarmuskeln können geteilt sein und es können auch weitere kleinere vorkommen. Die Spitzen der Papillarmuskeln sind über mehrere Chordae tendineae mit
den Segeln verbunden.
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2
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4
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18
5
10
19
6
6
9
a
13
9
8
7
b
7
Abb. 13.14 Binnenräume des linken Herzens. Ansicht jeweils von links.
a Einblick in den linken Ventrikel nach Wegnahme seiner Seitenwand. b Einblick in linken
Ventrikel und linken Vorhof nach Wegnahme von Teilen ihrer Seitenwand und der Mitralklappe.
12 M. papillaris anterior
1 Arcus aortae
13 Aortenklappe
2 A. pulmonalis dextra
14 Truncus pulmonalis
3 Auricula sinistra
15 A. pulmonalis sinistra
4 Vv. pulmonales sinistrae
16 Lig. arteriosum
5 Sinus coronarius
17 Valvula foraminis ovalis
6 V. cava inferior
18 Atrium sinistrum
7 Mitralklappe, Cuspis posterior
19 Vorhofscheidewand
8 Chordae tendineae
(Septum interatriale)
9 Apex cordis
20 Trabeculae carneae
10 M. papillaris posterior
21 Mm. pectinati
11 Kammerscheidewand
(Septum interventriculare)
Die Pulmonalklappe (Valva trunci pulmonalis) ist eine Taschenklappe mit 3 Taschen, einer vorderen (Valvula semilunaris anterior) und 2 hinteren (Valvula
semilunaris dextra und sinistra).
Der linke Vorhof (Atrium sinistrum, LA, Abb. 13.14b) nimmt das venöse (sauerstoffreiche!) Blut aus den Lungen auf. Er bildet den größten Teil der Herzbasis, also
der zum hinteren Mediastinum gerichteten Herzoberfläche. Nur sein Herzohr
(Auricula sinistra) beteiligt sich an der vorderen und seitlichen Oberfläche. Die Innenfläche ist weitgehend glattwandig, lediglich im Herzohr finden sich Mm. pectinati. In der gemeinsamen Wand mit dem rechten Vorhof, dem Septum interatriale, findet sich als Entsprechung der Fossa ovalis eine Falte, die Valvula foraminis
ovalis. Die Mündungen der Vv. pulmonales – im Normalfall 2 auf jeder Seite –
sind klappenfrei.
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Der linke Ventrikel (Ventriculus sinister, LV, Abb. 13.14) nimmt das Blut aus
dem linken Vorhof auf und pumpt es in die Aorta und damit in den Körperkreislauf.
Er bildet große Teile der linken Seiten- und der Unterfläche sowie einen etwas
kleineren Teil der Vorderfläche des Herzens und bildet auch allein die Herzspitze.
Der linke Ventrikel ist die muskelstärkste Herzhöhle. Auch das Septum interventriculare11 gehört von der Dicke und Funktion zum linken Ventrikel, weshalb
die Ventrikelwand auf Schnitten quer zur Längsachse des Herzens rund erscheint.
Genaue anatomische Abgrenzungen von Vorder-, Seiten- und Hinterwand des linken Ventrikels sind daher kaum möglich. Praktisch bedeutsam ist die Einteilung
nach Versorgungsarealen der Herzkranzarterien, die wiederum der Benennung
von Herzinfarkt-Arealen dient. In diesem Sinne werden am linken Ventrikel Vorderseitenwand, „Hinterwand“ (die eigentliche Unterwand) und posterolaterale
Wand unterschieden (S. 330).
Die Atrioventrikularklappe (Mitralklappe7) öffnet sich von hinten oben in den
Ventrikel, dessen Oberfläche durch hervorspringende Muskelbalken (Trabeculae
carneae20) gekennzeichnet ist. Nur ein Teil der Ausflussbahn ist glattwandig. Dieser
wendet sich nach rechts oben in Richtung Aortenklappe13, hinter der die Aorta beginnt. Die Ausflussbahnen von linkem und rechtem Ventrikel drehen sich spiralartig umeinander. Der am Herzen links liegende linke Ventrikel und die rechts liegende Aorta ascendens sind dadurch hinter dem Truncus pulmonalis miteinander
verbunden und die Aortenklappe liegt hinter der Pulmonalklappe.
Die Mitralklappe (Bikuspidalklappe, Valva atrioventricularis sinistra) ist eine Segelklappe mit 2 Segeln, Cuspis anterior und posterior, die an eine Bischofsmütze
(Mitra) erinnern soll. Wie bei der Trikuspidalklappe sind die beiden Segel über die
Chordae tendineae8 an den entsprechenden Papillarmuskeln (M. papillaris anterior12 und posterior10) befestigt. Dadurch, dass die Ein- und die Ausflussbahn des
linken Ventrikels fast parallel liegen, bildet das vordere Segel die Grenze zwischen
diesen beiden.
Reißen die Chordae tendineae der Mitralklappe, kommt es zum Mitralklappenprolaps: Die Klappensegel schlagen während der Kammeranspannung in den Vorhof
hinein. Dies hat ein Leck in der Klappe mit Rückfluss von Blut in den Vorhof zur Folge
(Mitralklappeninsuffizienz). &
Die Aortenklappe (Valva aortae) ist wie die Pulmonalklappe eine Taschenklappe
mit 3 Klappen, die wegen ihrer anderen Ausrichtung aber in 2 vordere (Valvula
semilunaris dextra und sinistra) und eine hintere (Valvula semilunaris posterior)
aufgeteilt werden. Oberhalb der Taschen bildet die Aorta jeweils eine Ausbuchtung,
den Sinus aortae (Sinus Valsalvae). Direkt oberhalb der Klappe in den vorderen
beiden Sinus entspringen die Koronararterien (Abb. 13.15).
Die 4 Klappen des Herzens liegen in einer Ebene, der Ventilebene. Entsprechend
der Ausrichtung des Herzens liegt diese Ebene schräg zu allen 3 Körperebenen. Sie
ist die Grenze zwischen den Kammern (unterhalb) sowie den Vorhöfen und großen
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Abb. 13.15 Ventilebene des Herzens.
Sicht von der Herzbasis aus nach
Wegnahme der Vorhöfe und großen
Gefäße. Die Blickrichtung liegt so, als
würde man von rechts oben auf das
eigene Herz schauen.
1 Valva trunci pulmonalis
2 Valva aortae
3 A. coronaria dextra
4 Valva tricuspidalis
5 Trigonum fibrosum dextrum
6 Sinus coronarius (eröffnet)
7 Valva mitralis
8 R. circumflexus
9 Trigonum fibrosum sinistrum
10 R. interventricularis anterior
11 A. coronaria sinistra
Arterien (oberhalb) und wird deshalb auch Atrioventrikular-Ebene (AV-Ebene) genannt. Außen ist sie durch den Sulcus coronarius markiert. Die 4 Öffnungen dieser
Ebene sind durch Bindegewebsringe verstärkt, die man in ihrer Gesamtheit als
Herzskelett bezeichnet (bei einigen Tierarten kommt hier auch Knochen oder
Knorpel vor, beim Menschen aber nicht). Das Herzskelett stellt eine vollständige
(auch elektrische) Trennung von Vorhof- und Kammermuskulatur dar. Zwischen
den Ringen entstehen 2 bindegewebige Dreiecke:
Trigonum fibrosum dextrum5 zwischen den beiden AV-Klappen und der Aortenklappe. Es enthält eine Durchtrittsöffnung für das His-Bündel (S. 328).
Trigonum fibrosum sinistrum9 zwischen Mitral- und Aortenklappe.
*
*
13.3.3 Herzzyklus, Erregungsbildung und -leitung, Innervation
Am schlagenden Herzen unterscheidet man 2 Funktionsphasen, die gemeinsam je
einen Herzzyklus bilden: die Systole (genauer: Kammersystole) und die Diastole
(Kammerdiastole). Grundsätzlich öffnen sich die Taschenklappen in der Systole,
die AV-Klappen in der Diastole.
In der Systole kontrahiert sich die Muskulatur beider Kammern. Zu Beginn dieser
Phase schließen sich die AV-Klappen, dann steigt bei noch geschlossenen Taschenklappen der Druck in den Kammern (Anspannungsphase). Wenn dieser Druck den
diastolischen Druck in der Aorta (ca. 80 mmHg) bzw. des Truncus pulmonalis (ca.
10 mmHg) übersteigt, öffnen sich die Taschenklappen und von beiden Ventrikeln
werden je 70–90 ml Blut ausgeworfen (Austreibungsphase). Dabei sinkt sukzessive
der Druck in den Kammern selbst, bis er wieder unter dem der großen Arterien
liegt und sich die Taschenklappen am Ende der Systole schließen.
In der Diastole erschlafft die Kammermuskulatur. Zu Beginn der Diastole sinkt
zunächst bei geschlossenen Klappen der Druck in den Kammern (Entspanaus: Kirsch et al., Anatomie (ISBN 9783131449917) 쏘 2011 Georg Thieme Verlag KG
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