13.3 Herz und große Gefäße 317 pulmonalis mit dem Aortenbogen knapp unterhalb des Abgangs der linken A. subclavia . Dort mischt sich also sauerstoffreiches Blut aus der Aorta und sauerstoffärmeres Blut aus dem Ductus arteriosus (Botalli). Dieses Mischblut reicht für die Versorgung der unteren Körperhälfte aus. Da das sauerstoffärmere Blut aus der V. cava superior die Aorta über den Ductus Botalli erst nach dem Abgang von Truncus brachiocepahlicus, A. carotis communis sinistra und A. subclavia sinistra erreicht, werden Kopf und obere Extremität besser mit Sauerstoff versorgt als Köperstamm und untere Extremität. Bei der Geburt des Kindes muss der fetale Kreislauf binnen kürzester Zeit umgestellt werden. Mit dem ersten Atemzug und der Entfaltung der Lungen sinkt der Druck im rechten Vorhof unter denjenigen im linken Vorhof. Dadurch klappt das Foramen ovale zunächst ventilartig zu. Seine Ränder verwachsen dann in den ersten Wochen (bei jedem 4. Mensch bleibt allerdings eine sondierbare, aber funktionell unbedeutende Öffnung im Foramen ovale bestehen). Außerdem kontrahiert sich die Muskelwand des Ductus arteriosus (Botalli), der sich dann in den ersten Lebenswochen ebenfalls endgültig bindegewebig verschließt und zum Lig. arteriosum wird. Genauso verschließt sich der Ductus venosus (Arantii), dessen bindegewebige Reste das Lig. venosum bilden. Die ebenfalls obliterierte V. umbilicalis wird zum Lig. teres hepatis. Bleibt der Ductus arteriosus (Botalli) nach der Geburt offen (persistierender Ductus arteriosus), entsteht ein Links-rechts-Shunt. Es fließt Blut von der Aorta in den Truncus pulmonalis und belastet damit das rechte Herz und die Lunge. Durch persistierendes Ductus-Gewebe kann auch die Aorta am „Aortenisthmus“, also unterhalb des Abgangs der A. subclavia sinistra, pathologisch eingeengt werden (Aortenisthmusstenose). Bei starker Verengung erreicht das Blut dann über Umgehungskreisläufe die Aorta thoracica, insbesondere über die Aa. subclaviae und Aa. thoracicae internae rückläufig durch die Interkostalarterien. Die Vergrößerung der Aa. intercostales kann sogar zu Eindellungen der Rippen („Rippenusuren“) führen. & 13.3.2 Aufbau des Herzens Das Herz ist die zentrale „Blutpumpe“ des Organismus. Es schlägt etwa 100000mal am Tag, um den Druck aufzubauen, der das Blut durch den kleinen Kreislauf (Lungenkreislauf) und den großen Kreislauf (Körperkreislauf) treibt. Die beiden Herzhälften schlagen dabei zeitlich synchron, sind aber anatomisch vollständig durch Scheidewände voneinander getrennt. Nur im fetalen Kreislauf (s.o.) und bei pathologischen Zuständen (Septumdefekt) bestehen offene Verbindungen zwischen rechtem und linkem Herz. In beiden Herzhälften gelangt das Blut aus den Venen in den Vorhof (Atrium), von dort durch eine Segelklappe in die Kammer aus: Kirsch et al., Anatomie (ISBN 9783131449917) 쏘 2011 Georg Thieme Verlag KG 13 318 13 Brusteingeweide Tab. 13.4 Übersicht über die Herzhöhlen in der Reihenfolge des Blutstroms Zufluss Vorhof rechtes Herz Atrium V. cava dextrum superior und inferior linkes Herz Vv. pulmonales Segelklappe Kammer Trikuspidal- Ventriculus klappe dexter Atrium Mitralsinistrum klappe Ventriculus sinister Taschenklappe Ausflussbahn Pulmonalklappe Truncus pulmonalis Aortenklappe Aorta (Ventriculus) und von dort durch eine Taschenklappe in die Ausflussbahn, also die Aorta bzw. den Truncus pulmonalis (Tab. 13.4, s.a. Abb. 3.1 S. 38). Die linke Kammer ist deutlich kräftiger gebaut, da sie einen wesentlich höheren Druck erzeugen muss als die rechte Kammer. Äußere Form (Abb. 13.12) 13 Das normale Herz ist etwa faustgroß und wiegt blutleer ungefähr 300 g. Die Form des Herzens gleicht grob einem Kegel, der schräg im Brustkorb liegt. Die Herzspitze (Apex cordis) zeigt nach vorn unten links, die Herzbasis mit den großen Gefäßen zeigt nach hinten oben rechts. Die Herzachse ist damit um etwa 40 ° zur Sagittalund Transversalachse geneigt. An der Basis ist das Herz über die großen Gefäße im Mediastinum verankert, während die Herzspitze im Herzbeutel eine begrenzte Beweglichkeit hat. An einem isolierten Herzen, wie es im Präpariersaal nach der Entnahme aus dem Herzbeutel (Pericard) vorliegt, orientiert man sich am besten zunächst an den großen Gefäßen. Die Hohlvenen (V. cava superior15 und inferior11) münden in einer vertikalen Linie von oben und von unten in den rechten Vorhof13 ein, der am Herzen ganz rechts liegt. Die 2 Lungenvenen jeder Seite (Vv. pulmonales4, 19) münden horizontal in den linken Vorhof22, der am Herz ganz hinten liegt. Hohlvenen und Lungenvenen bilden dadurch das sogenannte Venenkreuz, über das die Herzbasis weitgehend im Mediastinum befestigt ist. Direkt aus der Vorderwand des Herzens geht die mächtige Lungenschlagader (Truncus pulmonalis5) hervor, die sich geschwungen nach dorsal wendet und sich unter dem Aortenbogen in die beiden Aa. pulmonales3, 17 teilt. Die mindestens genauso mächtige Aorta1 beginnt etwas versteckt zwischen V. cava superior und Truncus pulmonalis und steigt dann steiler als der Truncus pulmonalis zum Aortenbogen auf. (Weitere Angaben zu den großen Gefäßen im Abschnitt „Leitungsbahnen“; S. 340). Die Lage von Vorhöfen und Kammern lässt sich am Herzen von außen durch folgende Rinnen bestimmen: Zwischen Vorhöfen und Kammern liegt der Sulcus coronarius12 (Kranzfurche), der – nur vom Truncus pulmonalis unterbrochen – einmal um das ganze Herz herumzieht. Diesem Sulcus verdanken die Kranzgefäße ihren Namen. Vorn trennt der Sulcus interventricularis anterior7 rechte und linke aus: Kirsch et al., Anatomie (ISBN 9783131449917) 쏘 2011 Georg Thieme Verlag KG 319 13.3 Herz und große Gefäße 1 18 1 2 3 17 3 4 5 16 15 15 4 17 6 19 14 7 13 13 12 a 8 11 10 9 18 b 22 21 20 11 Abb. 13.12 Herz und große Gefäße ohne Pericard. Ansicht von ventral (a) und dorsal (b). 12 Sulcus coronarius 1 Arcus aortae 13 Atrium dextrum 2 Lig. arteriosum 14 Auricula dextra 3 A. pulmonalis sinistra 15 V. cava superior 4 Vv. pulmonales sinistrae 16 Aorta, ascendens 5 Truncus pulmonalis 17 A. pulmonalis dextra 6 Auricula sinistra 18 Schnittrand des entfernten Pericards 7 Sulcus interventricularis anterior 19 Vv. pulmonales dextrae 8 Ventriculus sinister 20 Sinus obliquus pericardii 9 Apex cordis 21 Sinus coronarius 10 Ventriculus dexter 22 Atrium sinistrum 11 V. cava inferior Kammerwand. Er zieht vom Sulcus coronarius gerade herunter und endet etwas rechts von der Herzspitze. Hinten markiert der Sulcus interventricularis posterior ebenfalls die Grenze zwischen den beiden Kammern. Man unterscheidet am Herzen von außen folgende Oberflächen: Die Vorderfläche (Facies sternocostalis) ist leicht gewölbt und der vorderen Brustwand zugewendet. Sie wird vor allem von der Vorderwand des rechten Ventrikels gebildet, aber auch von den beiden Herzohren (Anteilen der Vorhöfe, s.u.) und der schmaleren Vorderwand des linken Ventrikels. Die Unterfläche (Facies diaphragmatica) ist der dem Zwerchfell aufliegende Teil des Herzens. Sie wird zum größten Teil vom linken Ventrikel gebildet, dessen Wand in diesem Bereich „Hinterwand“ genannt wird. Zu einem kleinen Teil ist auch der rechte Vorhof an der Unterfläche beteiligt. Die Hinterfläche (Basis cordis, manchmal auch Facies posterior genannt) wird überwiegend vom linken, aber auch von Teilen des rechten Vorhofs gebildet. Außerdem grenzt hier auch ein Teil des linken Ventrikels an, die „eigentliche * * * aus: Kirsch et al., Anatomie (ISBN 9783131449917) 쏘 2011 Georg Thieme Verlag KG 13 320 13 Brusteingeweide * Hinterwand“, die, um Verwechslungen zu vermeiden, posteriore Wand genannt werden sollte. Die Seitenflächen werden Facies pulmonalis genannt. Die rechte wird primär vom rechten Vorhof gebildet, die linke von der Seitenwand des linken Ventrikels (s.a. die randbildenden Strukturen im Röntgenbild, S. 334). Herzhöhlen und Herzklappen Wandaufbau. Alle Wände der Herzhöhlen bestehen aus 3 Schichten: Epikard, Myokard und Endokard. Das außen liegende Epikard besteht aus einem serösen Epithel (S. 58) und dem subepikardialen Binde- und Fettgewebe, das an einigen Stellen als Baufett zur Glättung der Herzoberfläche beiträgt, aber auch sehr verschieden stark ausgeprägt sein kann und allgemein im Alter zunimmt. Das innen liegende Endokard besteht wie bei allen Gefäßen aus einem einschichtigen Epithel (Endothel) und einer dünnen Bindegewebsschicht. Dazwischen liegt das Myokard, die Muskelschicht. Sie ist je nach Funktion verschieden stark, und sie bedingt die großen Unterschiede in der Wanddicke der einzelnen Herzhöhlen: linker Vorhof ca. 3 mm, rechter Ventrikel 3–5 mm, linker Ventrikel 8–12 mm. Die Wanddicke des linken Ventrikels entspricht dem etwa fünffach höheren Druck, den er im Vergleich zum rechten Ventrikel aufbauen muss. 13 Die Muskelfasernetze des Myokards zeigen insbesondere in den Kammern eine sehr komplexe Anordnung, die grob in 2 Längsmuskelschichten und eine dazwischenliegende Ringmuskelschicht aufgeteilt werden kann, die aber viele schräge und schraubenförmige Faserverläufe enthält. Herzmuskelzellen können sich, ähnlich wie trainierte Skelettmuskelzellen, bei Belastung vergrößern (Hypertrophie, Sportlerherz). Sie können sich aber praktisch nicht mehr teilen, sodass keine Regeneration möglich ist. Abgestorbene Zellen (nach einem Myokardinfarkt) werden daher durch eine bindegewebige Narbe ersetzt. & Aufbau der Herzbinnenräume. Vor der Besprechung der einzelnen Vorhöfe und Kammern werden hier zunächst einige allgemeine Bemerkungen zu den Binnenräumen (Abb. 13.13 und Abb. 13.14) und Klappen gemacht. Alle 4 Herzhöhlen sind für ein durchschnittliches Schlagvolumen von 70–90 ml pro Schlag bei körperlicher Ruhe ausgelegt. Entsprechend haben die beiden Kammern beim gesunden Herzen trotz der sehr verschiedenen Wanddicken (s.o.) einen etwa gleich großen Binnenraum. Große Teile der Innenwände der Herzhöhlen haben durch vorspringende Muskelbalken ein charakteristisches Relief. In den Vorhöfen spricht man von Mm. pectinati („Kammmuskeln“), in den Kammern von Trabeculae carneae („Fleischbalken“). Spezialisierte Trabeculae carneae springen als Mm. papillares (Papillarmuskeln) ins Lumen vor und dienen der Befestigung und Steuerung der Segelklappen. aus: Kirsch et al., Anatomie (ISBN 9783131449917) 쏘 2011 Georg Thieme Verlag KG 13.3 Herz und große Gefäße 321 Zwischen Vorhöfen und Kammern finden sich die weitgehend gleich gebauten Segelklappen (Valvae atrioventriculares, AV-Klappen). Sie bestehen aus 2 oder 3 Segeln (Cuspes, Einzahl: Cuspis), die in die Kammer hineinragen, wo ihr freier Rand über Sehnenfäden (Chordae tendineae) an den Papillarmuskeln befestigt ist. Die Segel bilden ein Ventil, das das Blut aus dem Vorhof in die Kammer strömen lässt, bei steigendem Druck in der Kammer hingegen den Rückstrom verhindert. Dann legen sich die Segel aneinander und verschließen das Ostium atrioventriculare. Die Papillarmuskeln und Sehnenfäden verhindern, dass die Segel dabei in den Vorhof „durchschlagen“. Sie sind hingegen nicht an der Öffnung der Segel beteiligt, die rein passiv durch den Blutstrom erfolgt. In der Ausflussbahn, am Übergang der Kammern in die Aorta bzw. den Truncus pulmonalis, befinden sich Taschenklappen, die im Prinzip ähnlich wie Venenklappen gebaut sind (S. 47). Sie bestehen jeweils aus 3 Taschen, den Valvulae semilunares. Die Öffnung der einzelnen „Tasche“ zeigt nach oben, also in Richtung Arterie. In der Auswurfphase des Ventrikels legen sich die Taschen an die Gefäßwand und geben den Blutstrom frei. In der Erschlaffungsphase verhindern sie den Rückstrom des Blutes in den Ventrikel, indem sich die freien Ränder der Taschen in der Mitte aneinanderlegen. Von oben gesehen entsteht dadurch das Bild eines dreigezackten Sterns. Knötchenartige Verdickungen in der Mitte des freien Randes jeder Tasche (Noduli valvularum semilunarium) sorgen dafür, dass sich dieser Stern auch in der Mitte vollständig schließt. Sowohl die Segel der Segelklappen als auch die Taschen der Taschenklappen sind zarte Bindegewebsmembranen, die beidseits mit Endothel bedeckt sind und außer an ihrer Basis keine eigenen Blutgefäße enthalten. Sie sind so dünn gebaut, dass eine direkte Versorgung aus dem Blutstrom ausreicht. Der rechte Vorhof (Atrium dextrum, RA, Abb. 13.13a) nimmt das venöse Blut aus dem Körperkreislauf auf. Er bildet den rechten Herzrand und wölbt die gedachte Verbindungslinie von V. cava superior und V. cava inferior etwas nach rechts vor. Von außen ist das rechte Herzohr (Auricula dextra3) zu erkennen, das sich vorne zwischen Aortenwurzel und rechten Ventrikel schmiegt. Es ist damit eine Art Lückenfüller im Dienste einer glatten, in den Herzbeutel passenden Herzoberfläche. Außerdem ist von außen dorsolateral, von einer V. cava zur anderen laufend, eine Rinne zu erkennen, der Sulcus terminalis. Er ist die entwicklungsgeschichtliche Grenze zwischen dem eigentlichen Vorhof und dem Teil, der von der Venenanlage (Sinus venosus) noch in den Vorhof integriert wurde. Die Innenwand des rechten Vorhofs ist im dorsalen Bereich (dem früheren Sinus venosus) glatt, im ventralen durch parallele Muskelbälkchen, die Mm. pectinati4, zerklüftet. Die Grenze zwischen diesen beiden Anteilen entspricht außen dem Sulcus terminalis und wölbt sich innen als Crista terminalis vor. Der zerklüftete Wandanteil erstreckt sich vorn oben in das Herzohr (Auricula dextra), eine Aussackung der Lichtung des Vorhofs. Dorsomedial im glatten Wandanteil liegt das Septum interatriale12 (Vorhofscheidewand), hinter dem sich der aus: Kirsch et al., Anatomie (ISBN 9783131449917) 쏘 2011 Georg Thieme Verlag KG 13 322 13 Brusteingeweide 18 1 2 2 3 16 17 16 5 12 11 10 21 31 15 13 20 17 4 14 22 3 23 6 24 9 25 9 a 13 19 30 8 7 b 26 29 28 27 Abb. 13.13 Binnenräume des rechten Herzens. a Einblick in den eröffneten rechten Vorhof, Ansicht von rechts. b Einblick in den rechten Ventrikel nach Entfernung seiner Vorderwand, Ansicht von ventral. 16 A. pulmonalis dextra 1 Aorta ascendens 17 V. cava superior 2 Truncus pulmonalis 18 Arcus aortae 3 Auricula dextra 19 Lig. arteriosum 4 Mm. pectinati 20 Vv. pulmonales sinistrae 5 Ventriculus dexter 21 Pulmonalklappe 6 Trikuspidalklappe 22 M. papillaris septalis 7 Ostium sinus coronarii mit Thebesischer 23 Ventriculus sinister Klappe 24 Septum interventriculare 8 Valvula v. cavae inferioris (Eustachische 25 Trabeculae carneae Klappe) 26 Apex cordis 9 V. cava inferior 27 Trabecula septomarginalis 10 Fossa ovalis 28 M. papillaris posterior 11 Limbus fossae ovalis 29 M. papillaris anterior 12 Vorhofscheidewand 30 Chordae tendineae 13 Vv. pulmonales dextrae 31 Conus arteriosus 14 Atrium sinistrum 15 Linea terminalis linke Vorhof befindet. Das Septum zeigt in der Mitte eine leichte Vertiefung, die Fossa ovalis10, die oben von einem Wulst, dem Limbus fossae ovalis11, umfasst wird. Dies ist der Ort des im fetalen Kreislauf offenen Foramen ovale (S. 314). Das Foramen verschließt sich nach der Geburt, ist aber bei etwa 25 % der Erwachsenen noch sondendurchgängig. In den rechten Vorhof münden die beiden Hohlvenen (Vv. cavae) und der Sinus coronarius (die Sammelvene für die Herzkranzvenen) sowie einige kleinere Vv. cardiacae anteriores. Die Mündung der V. cava superior ist klappenfrei, diejenige der V. cava inferior besitzt eine rudimentäre Klappe, die Valvula v. cavae aus: Kirsch et al., Anatomie (ISBN 9783131449917) 쏘 2011 Georg Thieme Verlag KG 13.3 Herz und große Gefäße 323 inferioris8 (Eustachische Klappe). Sie hat im fetalen Kreislauf die Aufgabe, den Blutstrom aus der V. cava inferior direkt in Richtung auf das Foramen ovale zu lenken. Beim Erwachsenen ist sie funktionslos und kann fehlen oder stark zurückgebildet sein. Ihr mediales Ende ist mit dem Ausläufer einer kleineren, ebenfalls rudimentären Klappe verbunden, der Valvula sinus coronarii 7(Thebesische Klappe), hinter der die Öffnung des Sinus coronarius liegt. Links davon öffnet sich der rechte Vorhof in den rechten Ventrikel. Vorhof-Muskelzellen können bei Überdehnung der Vorhofwand ein Hormon sezernieren, das atriale natriuretische Peptid (ANP). Die Wirkungen des ANP auf den Kreislauf (Wasserausscheidung, Gefäßerweiterung) führen dann zu einer Entlastung des Herzens. Der rechte Ventrikel (Ventriculus dexter, RV, Abb. 13.13b) nimmt Blut aus dem rechten Vorhof auf und pumpt es über den Truncus pulmonalis in die Lunge. Er nimmt vor allem die Vorderfläche des Herzens ein und auch einen Teil der Unterfläche, ist aber nicht an der Herzspitze beteiligt. Im Vergleich mit dem rechten Ventrikel ist die muskuläre Wand des linken Ventrikels deutlich dicker. Das gilt auch für die gemeinsame Wand, das Septum interventriculare24 (Kammerscheidewand), da das Septum funktionell zum linken Ventrikel gehört. Daher liegt der rechte Ventrikel dem linken wie eine Tasche an. Das Kammerseptum besteht zum größten Teil aus Muskulatur (Pars muscularis), ein kleiner Teil nahe der Vorhof-Kammer-Grenze ist hingegen bindegewebig (Pars membranacea). Von rechts öffnet sich die Trikuspidalklappe6 in den Ventrikel, deren Segel durch Papillarmuskeln22, 28, 29 an der Kammerwand befestigt sind. Die übrige Wand ist durch Muskelbalken (Trabeculae carneae) zerklüftet. Einer dieser Balken, die Trabecula septomarginalis27 („Moderator-Band“), zieht vom Septum zur Vorderwand frei durch die Kammerlichtung. In diesem „Band“ liegt der rechte Kammerschenkel des Erregungsleitungssystems (S. 328). Die Ausflussbahn des rechten Ventrikels wendet sich nach oben in einen glattwandigen Teil, den Conus arteriosus31. Dieser geht an der Pulmonalklappe21 in den Truncus pulmonalis über. Der Name „Moderator-Band“ geht auf die fehlerhafte Vorstellung zurück, der Muskelbalken, der von einer Ventrikelwand zur anderen zieht, diene als Schutz gegen Überdehnung des Ventrikels. Die Trikuspidalklappe (Valva atrioventricularis dextra) ist eine Segelklappe mit 3 Segeln, Cuspis anterior, Cuspis posterior und Cuspis septalis (s. Abb. 13.15 S. 326). Jedem Segel entspricht ein Papillarmuskel: M. papillaris anterior, posterior und septalis. Der anteriore Muskel ist normalerweise am größten und steht in Verbindung mit der Trabecula septomarginalis, der septale ist am kleinsten. Die Papillarmuskeln können geteilt sein und es können auch weitere kleinere vorkommen. Die Spitzen der Papillarmuskeln sind über mehrere Chordae tendineae mit den Segeln verbunden. aus: Kirsch et al., Anatomie (ISBN 9783131449917) 쏘 2011 Georg Thieme Verlag KG 13 324 13 Brusteingeweide 16 16 1 1 15 15 14 14 3 2 13 21 3 12 2 13 17 4 11 20 18 5 10 19 6 6 9 a 13 9 8 7 b 7 Abb. 13.14 Binnenräume des linken Herzens. Ansicht jeweils von links. a Einblick in den linken Ventrikel nach Wegnahme seiner Seitenwand. b Einblick in linken Ventrikel und linken Vorhof nach Wegnahme von Teilen ihrer Seitenwand und der Mitralklappe. 12 M. papillaris anterior 1 Arcus aortae 13 Aortenklappe 2 A. pulmonalis dextra 14 Truncus pulmonalis 3 Auricula sinistra 15 A. pulmonalis sinistra 4 Vv. pulmonales sinistrae 16 Lig. arteriosum 5 Sinus coronarius 17 Valvula foraminis ovalis 6 V. cava inferior 18 Atrium sinistrum 7 Mitralklappe, Cuspis posterior 19 Vorhofscheidewand 8 Chordae tendineae (Septum interatriale) 9 Apex cordis 20 Trabeculae carneae 10 M. papillaris posterior 21 Mm. pectinati 11 Kammerscheidewand (Septum interventriculare) Die Pulmonalklappe (Valva trunci pulmonalis) ist eine Taschenklappe mit 3 Taschen, einer vorderen (Valvula semilunaris anterior) und 2 hinteren (Valvula semilunaris dextra und sinistra). Der linke Vorhof (Atrium sinistrum, LA, Abb. 13.14b) nimmt das venöse (sauerstoffreiche!) Blut aus den Lungen auf. Er bildet den größten Teil der Herzbasis, also der zum hinteren Mediastinum gerichteten Herzoberfläche. Nur sein Herzohr (Auricula sinistra) beteiligt sich an der vorderen und seitlichen Oberfläche. Die Innenfläche ist weitgehend glattwandig, lediglich im Herzohr finden sich Mm. pectinati. In der gemeinsamen Wand mit dem rechten Vorhof, dem Septum interatriale, findet sich als Entsprechung der Fossa ovalis eine Falte, die Valvula foraminis ovalis. Die Mündungen der Vv. pulmonales – im Normalfall 2 auf jeder Seite – sind klappenfrei. aus: Kirsch et al., Anatomie (ISBN 9783131449917) 쏘 2011 Georg Thieme Verlag KG 13.3 Herz und große Gefäße 325 Der linke Ventrikel (Ventriculus sinister, LV, Abb. 13.14) nimmt das Blut aus dem linken Vorhof auf und pumpt es in die Aorta und damit in den Körperkreislauf. Er bildet große Teile der linken Seiten- und der Unterfläche sowie einen etwas kleineren Teil der Vorderfläche des Herzens und bildet auch allein die Herzspitze. Der linke Ventrikel ist die muskelstärkste Herzhöhle. Auch das Septum interventriculare11 gehört von der Dicke und Funktion zum linken Ventrikel, weshalb die Ventrikelwand auf Schnitten quer zur Längsachse des Herzens rund erscheint. Genaue anatomische Abgrenzungen von Vorder-, Seiten- und Hinterwand des linken Ventrikels sind daher kaum möglich. Praktisch bedeutsam ist die Einteilung nach Versorgungsarealen der Herzkranzarterien, die wiederum der Benennung von Herzinfarkt-Arealen dient. In diesem Sinne werden am linken Ventrikel Vorderseitenwand, „Hinterwand“ (die eigentliche Unterwand) und posterolaterale Wand unterschieden (S. 330). Die Atrioventrikularklappe (Mitralklappe7) öffnet sich von hinten oben in den Ventrikel, dessen Oberfläche durch hervorspringende Muskelbalken (Trabeculae carneae20) gekennzeichnet ist. Nur ein Teil der Ausflussbahn ist glattwandig. Dieser wendet sich nach rechts oben in Richtung Aortenklappe13, hinter der die Aorta beginnt. Die Ausflussbahnen von linkem und rechtem Ventrikel drehen sich spiralartig umeinander. Der am Herzen links liegende linke Ventrikel und die rechts liegende Aorta ascendens sind dadurch hinter dem Truncus pulmonalis miteinander verbunden und die Aortenklappe liegt hinter der Pulmonalklappe. Die Mitralklappe (Bikuspidalklappe, Valva atrioventricularis sinistra) ist eine Segelklappe mit 2 Segeln, Cuspis anterior und posterior, die an eine Bischofsmütze (Mitra) erinnern soll. Wie bei der Trikuspidalklappe sind die beiden Segel über die Chordae tendineae8 an den entsprechenden Papillarmuskeln (M. papillaris anterior12 und posterior10) befestigt. Dadurch, dass die Ein- und die Ausflussbahn des linken Ventrikels fast parallel liegen, bildet das vordere Segel die Grenze zwischen diesen beiden. Reißen die Chordae tendineae der Mitralklappe, kommt es zum Mitralklappenprolaps: Die Klappensegel schlagen während der Kammeranspannung in den Vorhof hinein. Dies hat ein Leck in der Klappe mit Rückfluss von Blut in den Vorhof zur Folge (Mitralklappeninsuffizienz). & Die Aortenklappe (Valva aortae) ist wie die Pulmonalklappe eine Taschenklappe mit 3 Klappen, die wegen ihrer anderen Ausrichtung aber in 2 vordere (Valvula semilunaris dextra und sinistra) und eine hintere (Valvula semilunaris posterior) aufgeteilt werden. Oberhalb der Taschen bildet die Aorta jeweils eine Ausbuchtung, den Sinus aortae (Sinus Valsalvae). Direkt oberhalb der Klappe in den vorderen beiden Sinus entspringen die Koronararterien (Abb. 13.15). Die 4 Klappen des Herzens liegen in einer Ebene, der Ventilebene. Entsprechend der Ausrichtung des Herzens liegt diese Ebene schräg zu allen 3 Körperebenen. Sie ist die Grenze zwischen den Kammern (unterhalb) sowie den Vorhöfen und großen aus: Kirsch et al., Anatomie (ISBN 9783131449917) 쏘 2011 Georg Thieme Verlag KG 13 326 13 Brusteingeweide 1 2 11 10 3 9 4 8 5 7 13 6 Abb. 13.15 Ventilebene des Herzens. Sicht von der Herzbasis aus nach Wegnahme der Vorhöfe und großen Gefäße. Die Blickrichtung liegt so, als würde man von rechts oben auf das eigene Herz schauen. 1 Valva trunci pulmonalis 2 Valva aortae 3 A. coronaria dextra 4 Valva tricuspidalis 5 Trigonum fibrosum dextrum 6 Sinus coronarius (eröffnet) 7 Valva mitralis 8 R. circumflexus 9 Trigonum fibrosum sinistrum 10 R. interventricularis anterior 11 A. coronaria sinistra Arterien (oberhalb) und wird deshalb auch Atrioventrikular-Ebene (AV-Ebene) genannt. Außen ist sie durch den Sulcus coronarius markiert. Die 4 Öffnungen dieser Ebene sind durch Bindegewebsringe verstärkt, die man in ihrer Gesamtheit als Herzskelett bezeichnet (bei einigen Tierarten kommt hier auch Knochen oder Knorpel vor, beim Menschen aber nicht). Das Herzskelett stellt eine vollständige (auch elektrische) Trennung von Vorhof- und Kammermuskulatur dar. Zwischen den Ringen entstehen 2 bindegewebige Dreiecke: Trigonum fibrosum dextrum5 zwischen den beiden AV-Klappen und der Aortenklappe. Es enthält eine Durchtrittsöffnung für das His-Bündel (S. 328). Trigonum fibrosum sinistrum9 zwischen Mitral- und Aortenklappe. * * 13.3.3 Herzzyklus, Erregungsbildung und -leitung, Innervation Am schlagenden Herzen unterscheidet man 2 Funktionsphasen, die gemeinsam je einen Herzzyklus bilden: die Systole (genauer: Kammersystole) und die Diastole (Kammerdiastole). Grundsätzlich öffnen sich die Taschenklappen in der Systole, die AV-Klappen in der Diastole. In der Systole kontrahiert sich die Muskulatur beider Kammern. Zu Beginn dieser Phase schließen sich die AV-Klappen, dann steigt bei noch geschlossenen Taschenklappen der Druck in den Kammern (Anspannungsphase). Wenn dieser Druck den diastolischen Druck in der Aorta (ca. 80 mmHg) bzw. des Truncus pulmonalis (ca. 10 mmHg) übersteigt, öffnen sich die Taschenklappen und von beiden Ventrikeln werden je 70–90 ml Blut ausgeworfen (Austreibungsphase). Dabei sinkt sukzessive der Druck in den Kammern selbst, bis er wieder unter dem der großen Arterien liegt und sich die Taschenklappen am Ende der Systole schließen. In der Diastole erschlafft die Kammermuskulatur. Zu Beginn der Diastole sinkt zunächst bei geschlossenen Klappen der Druck in den Kammern (Entspanaus: Kirsch et al., Anatomie (ISBN 9783131449917) 쏘 2011 Georg Thieme Verlag KG