ZUSAMMENFASSUNG 4 Zusammenfassung Im Rahmen einer Virusinfektion kommt es nach Kontakt des Pathogens oder seiner Komponenten mit spezialisierten Zellen des Immunsystems zur Freisetzung von Interferon-alpha (IFN-α). Das IFN-α aktiviert antivirale Mechanismen und hat somit eine Schlüsselfunktion bei der angeborenen Abwehr viraler Infektionen inne. Darüber hinaus zeichnet sich dieses Zytokin durch ein pleiotropes Spektrum an immunmodulatorischen Effekten aus, die zur grundlegenden Ausrichtung und Entwicklung des adaptiven Immunsystems beitragen. Wesentliche Aspekte der IFN-α Induktion durch Viren sind allerdings bisher nicht aufgeklärt. Ziel dieser Arbeit war es daher, Einblicke in die molekularen Mechanismen der IFN-α Induktion zu bekommen. Dabei standen die nichtinfektiösen Induktionswege durch virale Bestandteile im Zentrum der Untersuchungen. Die Analysen der viralen IFN-α Induktionsmechanismen wurden an mononukleären Zellen des peripheren Blutes (PBMZ), an myeloiden dendritischen Zellen (mDZ) oder an plasmazytoiden dendritischen Zellen (pDZ) durchgeführt. Dabei wurden die pDZ als Hauptproduzenten des IFN-α und die mDZ mittels magnetischer Zellsortierung aus PMBZ isoliert. Zur qualitativen und quantitativen Beurteilung der IFN-α Antworten wurde neben der Konzentrationsbestimmung des sezernierten IFN-α auch die Messung der transkriptionellen Aktivierung der IFN-α Gene durchgeführt. Dazu wurden im Rahmen dieser Arbeit quantitative PCR-Assays etabliert, die es ermöglichten, die Transkriptmengen einiger der hoch homologen IFN-α Isoformen differentiell und relativ zueinander zu quantifizieren. Auf Grund der Sensitivität der Methodik, war es möglich, eine basale konstitutive IFN-α Transkription in unstimulierten Zellen zu messen, die Expression verschiedener IFN-α Isoformen zu frühen Zeitpunkten der Virusstimulation zu erfassen und den zeitlichen Verlauf der IFN-α Antwort zu verfolgen. Unabhängig von der Art des viralen Induktors blieb die Zusammensetzung des IFN-α Isoformprofils konstant, wobei sich jedoch signifikante Unterschiede zwischen den Viruspräparationen im zeitlichen Verlauf und in der Stärke der induzierten IFN-α Transkription zeigten. Die Mengen an freigesetztem IFN-α waren nicht nur von der Art des verwendeten Induktors abhängig, sondern konnten durch verschiedene Faktoren moduliert werden. Einer dieser Einflussfaktoren war das IFN-α selbst, das durch autokrine Stimulation der Zellen in der frühen Phase einer Virusinfektion zu einer beschleunigten IFN-α Produktion beitrug. In Abhängigkeit vom viralen Stimulus übte auch natives autologes Blutplasma als natürliches extrazelluläres Milieu der PBMZ einen entscheidenden Einfluss auf die Menge an sezerniertem IFN-α aus. ZUSAMMENFASSUNG 5 Die IFN-α produzierenden Zellen sind in der Lage, allein durch die Interaktion mit Hüllproteinen bestimmter Viren eine IFN-α Freisetzung zu generieren, ohne dass dafür ihre eigene Infektion notwendig ist. Inwieweit dies auch für das humanpathogene Respiratorische Syncytial Virus (RSV) zutrifft, sollte in dieser Arbeit gezeigt werden. Mit Kokulturen von PBMZ und fixierten, RSV-infizierten Epithelzellen, die nachweislich Proteine des Virus auf der Zelloberfläche exprimierten, konnte eine IFN-α Freisetzung induziert werden, ohne dass infektiöse Virionen nachweisbar waren. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass allein die Detektion von RSVProteinen einen adäquaten Stimulus für die Aktivierung der IFN-α Transkription darstellt. Die molekularen Voraussetzungen einer IFN-α Induktion allein durch die Interaktion von viralen Hüllproteinen mit Oberflächenstrukturen der IFN-α produzierenden Zellen sind bis heute wenig verstanden. Eine funktionelle Beteiligung von Glykostrukturen der Virusproteine bei dieser Art der Auslösung einer IFN-α Antwort konnte durch Kompetitionsexperimente mit Monosacchariden, chemische Modifikation von Zuckerseitenketten und der Reduktion von Glykostrukturen an der Zelloberfläche belegt werden. Neben der nicht-infektiösen IFN-α Induktion durch virale Hüllproteine konnte die Relevanz von extrazellulärer doppelsträngiger Ribonukleinsäure (dsRNS), die als Intermediat bei der Virusreplikation entsteht, als IFN-α Induktor belegt werden. Dazu wurden in dieser Arbeit in vitro dsRNS-Fragmente aus genomischen Sequenzen des Newcastle Disease Virus (NDV) generiert und extrazellulär den Zellen appliziert. Funktionelle Vergleiche mit einem synthetischen dsRNS-Analogon zeigten eine überlegene IFN-α Induktionskapazität der in vitro hergestellten dsRNS-Fragmente, da nur diese Moleküle eine IFN-α Produktion in pDZ aktivierten. Die Komplexierung der dsRNS mit einem Transfektionsreagenz führte zu einer Effizienzsteigerung der IFN-α Induktion. Eine Beteiligung der „Toll-like“ Immunrezeptoren (TLR) an der dsRNS-vermittelten IFN-α Induktion in pDZ war nicht nachweisbar. Das angeborene Immunsystem verfügt über multiple Erkennungsstrategien, um eine Virusinfektion frühzeitig detektieren zu können. Neben der zellulären Infektion spielt dabei insbesondere die Erkennung von nicht-infektiösen viralen Komponenten wie Glykoproteinen der Virushülle oder intra- und extrazelluläre dsRNS als mögliche IFN-α Induktoren eine wichtige Rolle. Dabei sind die Stärke und der Verlauf der IFN-α Antwort nicht nur von der Art des Induktors abhängig, sondern auch zusätzlichen modulatorischen Einflüssen des extrazellulären Milieus unterworfen. Diese komplexen und redundanten IFN-α Induktionsmechanismen versetzen das Immunsystem in die Lage, schnell und effektiv eine „Verteidigungslinie“ gegen ein breites Spektrum an Viren auf zellulärer Ebene zu etablieren.