Relativitätstheorie

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Relativitätstheorie
Zeitreisen Reisen in die Vergangenheit oder Zukunft sind beliebte Themen für ScienceFiction-Romane. Darin lassen sich mit Hilfe von
Zeitmaschinen Personen in beliebige Epochen
versetzen. Man lernt z. B. die Eltern vor der
eigenen Geburt kennen, oder man greift in den
Ablauf der Geschichte ein und verändert ihren
Weitergang. Wenn jedoch die Vergangenheit
anders ist, welche Gegenwart ist dann gültig?
Ist eine Änderung der zeitlichen Reihenfolge
physikalisch möglich?
Das Relativitätsprinzip „Schließt euch … in
einen möglichst großen Raum unter dem Deck
eines großen Schiffes ein … , sorgt auch für ein
Gefäß mit Wasser und kleinen Fischen darin
… , solange das Schiff stille steht … wird man
sehen, wie die Fische ohne irgendwelchen
Unterschied nach allen Richtungen schwimmen
… Nun lasst das Schiff mit jeder beliebigen
Geschwindigkeit sich bewegen. Ihr werdet –
wenn die Bewegung gleichförmig ist, … bei
allen genannten Erscheinungen nicht die
­geringste Veränderung eintreten sehen. Aus
keiner derselben werdet ihr entnehmen
­können, ob das Schiff fährt oder still steht.“ (Galileo Galilei 1564 – 1642)
1905 veröffentlichte Albert Einstein in den
„Annalen der Physik“ einen Artikel „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“, in dem er revolu­
tionäre Gedanken zu Raum und Zeit darlegte.
Grundlage der Überlegungen war die Erkenntnis des amerikanischen Physikers Michelson
aus dem Jahre 1881, dass für die Ausbreitung
des Lichtes in allen Richtungen, auch bei
­bewegter Quelle oder bewegtem Beobachter,
die gleiche Geschwindigkeit gemessen wird.
Um das Jahr 1600
Um das Jahr 1900
Um das Jahr 2000
Wie wird es
im Jahr 2200
aussehen?
Relativitätstheorie 345
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Die Einstein’schen Postulate
1687 erschien Newtons Werk „Philosophiae Naturalis Principia Mathematica“ (Mathematische
Prinzipien der Naturlehre). Seine Auffassung von absolutem Raum und absoluter Zeit bildete das
Fundament der Physik, bis dieses durch die Relativitätstheorie Albert Einsteins erneuert wurde.
º V 1 Ein Boot fährt flussabwärts. Für einen
Beobachter am Ufer addieren sich Boots­
geschwindigkeit relativ zu Wasser und Strömungsgeschwindigkeit. Fährt das Boot
Spiegel 2
Lichtbündel 2
Lichtquelle
Lichtbündel 1
Auf dem Schirm zu
beobachtendes
­Inter­ferenzmuster, das
sich beim Drehen der
Anordnung verschieben
sollte.
Strahlteiler
Spiegel 1
Schirm
B1 Welchen Einfluss hat die Erdbewegung auf die Lichtgeschwindigkeit?
Spezielle Relativitätstheorie Beobachtete
Geschwindigkeiten hängen im Allgemeinen
davon ab, in welchem Bezugssystem sie
­gemessen werden. Ein Auto hat zum Beispiel
aus der Sicht eines Fußgängers eine andere
Geschwindigkeit als aus einem vorbeifahrenden Zug betrachtet. Beim Schall ist die
­Geschwindigkeit relativ zum Medium Luft fest,
deshalb hängt die Übertragungsgeschwindigkeit nicht von der Bewegung der Quelle ab,
wohl aber von der des Beobachters relativ zum
Medium Luft. Nähert sich z. B. ein Beobachter
einer Schallquelle mit der Geschwindigkeit v,
so misst er als Signalgeschwindigkeit die
­Summe aus Schallgeschwindigkeit und eigener
Geschwindigkeit v. Bei Lichtsignalen verhält es
sich grundlegend anders. Bewegt sich etwa im
Vakuum ein ­Be­obachter mit 10 % der Lichtgeschwindigkeit auf eine Lichtquelle zu, so misst
er nicht etwa die Summe der Teilgeschwindigkeiten, sondern nur die einfache Lichtgeschwindigkeit c. Dieses Ergebnis ändert sich
auch für beliebige Richtungen und Geschwindigkeiten bezüglich der Lichtquelle nicht.
Albert Einstein im Alter
von 23 Jahren
346 Relativitätstheorie
Viele Jahre lang hat man Experimente, die das
überprüfen sollten, wiederholt und verbessert.
Doch alle bestätigten, dass die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum unabhängig vom Bewe-
fluss­aufwärts, so sind die Geschwindigkeiten
zu subtrahieren. Für die gleiche Strecke entlang des Ufers wird eine andere Zeitspanne
benötigt. Fährt das Boot quer zur Strömungsrichtung, so ist die Zeit zum Überqueren von
der Strömungsgeschwindigkeit unabhängig.
º V 2 Im Michelson-Interferometer wird ein
Lichtbündel durch einen Strahlteiler aufgeteilt
und nach Durchlaufen verschiedener Wege
wieder auf einem Schirm vereinigt (O B1 ). Die
Überlagerung erzeugt ein Interferenzmuster.
Der Lichtweg zum Spiegel 1 soll parallel, der
zum Spiegel 2 senkrecht zur Erdbahn gerichtet
sein. Wird die Anordnung um 90° gedreht, so müsste ein Einfluss der Erdgeschwindigkeit
auf die Geschwindigkeit der Lichtbündel im
Interferenzmuster zu beobachten sein. Dies ist
jedoch nicht der Fall.
gungszustand von Quelle und Beobachter ist.
Albert Einstein (1879 – 1955) soll sich bereits
als Schüler überlegt haben:
„Wenn ich einem Lichtstrahl mit der Licht­
geschwindigkeit c nacheile, so sollte ich einen
solchen Lichtstrahl als ruhendes, räumlich
oszillatorisches elektromagnetisches Feld
wahrnehmen. So etwas scheint es aber nicht
zu geben.“
» Die Lichtgeschwindigkeit c im Vakuum hat
für jeden Beobachter, unabhängig von seiner
eigenen Geschwindigkeit und der Geschwindig­
keit der Lichtquelle, den gleichen Wert.
Es ist c = 299 792 458 m/s ; dieser Wert dient
als Grundlage unserer Längenmessung.
º A1 Informieren Sie sich über die Fest­
legung der Längeneinheit „Meter“.
º A2 Ein Boot überquert einen Fluss: a) Es steuert senkrecht zur Strömung und
wird um einen Winkel a abgetrieben. b) Es kommt genau gegenüber dem Startpunkt an und steuert deswegen um einen
Winkel b gegen die Strömung. Vergleichen Sie beide Winkel.
 Ø_140
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Besonderheit von Lichtsignalen Die Physiker
A. A. Michelson und E. W. Morley untersuchten
von 1881 an, ob die Bahngeschwindigkeit der
Erde bei ihrer Bewegung um die ­Sonne einen
Einfluss auf die Ausbreitung von Licht hat. Sie beträgt v = 30 km/s = 3 · ​10 ​4​ m/s , also 0,1 ‰
der Lichtgeschwindigkeit c. Sie konstruierten
einen Interferenzversuch, in dem Licht, das
zwei senkrecht zueinander stehende Wege
durchlaufen hat, überlagert wird (O B1 ). Wird
die Anordnung so aufgestellt, dass die Lichtwege parallel bzw. senkrecht zur Erdbahn
verlaufen, so sollte sich die Erdbewegung auf
beide Lichtwege unterschiedlich auswirken.
Bei Drehung der Anordnung um 90° müsste
sich die Interferenzerscheinung verändern.
Ein Beobachter außerhalb der Erde berechnet
für Weg 1 die Laufzeit t, aus den Geschwindigkeiten c + v für den Hinweg und c – v für den
Rückweg:
​l​ ​
​l​ ​
2 ​l​ ​ · c
c​  ​ ​ – ​v ​ ​
1
1
1
_
_
​t1​ ​ = ​ _
 ​ 
c + v ​ + ​ c – v ​ = ​  2 2 
Beim Weg 2 ermittelt
er zweimal dieselbe
______
Geschwindigkeit ​√​c 2​ ​ – ​v 2​ ​ ​  
, also ist:
​l​ ​
​l​ ​
2 ​l​ ​
2
2
2
______
______
______
​t2​ ​ = ​ __
   ​ + ​ 
 __
   ​ = ​ 
 __
   ​  
​√​c ​2​ – ​v ​2​ ​   ​√​c ​2​ – ​v 2​ ​ ​  ​√​c ​2​ – ​v ​2​ ​ 
Wegen ​l​1​  ​l2​ ​ sind stets Interferenzen zu
be­obachten. Die Zeitdifferenz ​t​1​ – ​t2​ ​ führt zu einem zusätzlichen Laufzeitunterschied, der
die Interferenz, hat man die Anordnung um 90° gedreht, in entgegengesetzter Weise
beeinflussen sollte. Das Interferenzmuster
­müsste sich verschieben (O B2 ). Dies wurde nie
beobachtet. Damals wurde zunächst daraus
geschlossen, dass sich der Äther als gedachtes
Trägermedium des Lichtes mit der Erde mit­
bewegen müsse. Heute wissen wir:
» Auch in unterschiedlich bewegten Systemen
wird immer der gleiche Wert für die Licht­
geschwindigkeit gemessen.
Postulate für Inertialsysteme In einem mit
konstanter Geschwindigkeit geradlinig fahrenden Zug spielen zwei Kinder mit einem Ball.
Zwei Beobachter, beispielsweise einer im Zug
und ein anderer draußen auf der Wiese, be­
obachten zwar unterschiedliche Geschwindigkeiten und Bahnkurven des Balls, führen die
Ballbewegung aber auf dieselben Wurfgesetze
zurück.
Physikalisch gesehen liegen hier zwei Bezugs­
systeme vor, die mit konstanter Geschwindigkeit gegeneinander bewegt werden. Sie unterscheiden sich bei der gesetzmäßigen Beschrei-
Spiegel 2
Spiegel 1
Weg 1
v
v
c
c
vhin = c + v
vzurück = c – v
l2
Weg 2
vhin =
l1
Strahlteiler
c2 – v2
v
v
c
v
c
vzurück =
c2 – v2
B1 Vergleich der Laufzeiten auf verschiedenen Lichtwegen
bung von Bewegungsabläufen nicht, auch
wenn sich die gemessenen Werte einiger
Größen unterscheiden. Solche Bezugssysteme
heißen Inertialsysteme, wenn sich Körper, auf die keine Kräfte wirken, in ihnen infolge
ihrer Trägheit (lat. inertia) mit konstanter
­Geschwindigkeit geradlinig weiter bewegen.
Erst wenn der Zug beschleunigt, unterscheiden
sich die Gesetzmäßigkeiten zum Ballspiel für die ­beiden Beobachter. Ein beschleunigtes
Bezugssystem ist kein Inertialsystem.
Wird der Ball im Zug in Fahrtrichtung geworfen,
so erhöht sich die Geschwindigkeit des Balles
für einen Beobachter auf der Wiese um die
Geschwindigkeit des Zuges. Wird im fahrenden
Zug ein Lichtblitz erzeugt, so ist die Geschwindigkeit des Lichtes in beiden Bezugssystemen
gleich groß (O B3 ). Durch Messung der Licht­
geschwindigkeit lässt sich also nicht feststellen,
mit welcher Geschwindigkeit sich die Bezugssysteme gegeneinander bewegen.
Albert Einstein hat diese beiden Beobachtungen in seiner Speziellen Relativitätstheorie
von 1905 als Postulate festgelegt:
» 1. Relativitätsprinzip: Alle Inertialsysteme
sind bezüglich physikalischer Gesetze gleich­
berechtigt.
» 2. Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: Die
Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ist unab­
hängig von der Bewegung der Quelle und vom
Inertialsystem, in dem sie gemessen wird.
º A1 Begründen Sie, warum eine Stewardess
in einem ruhig fliegenden Flugzeug problemlos Kaffee einschenken kann, nicht jedoch
während der Start- oder Landephase des
Flugzeugs.
B2 Erwartete, aber nicht beobachtete
Verschiebung
A
B
A
B
B3 Ball und Licht aus
unterschiedlicher Sicht
Relativitätstheorie 347
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Ort, Zeit, Ereignis
Newton schrieb 1687: „Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfließt an sich und vermöge
ihrer Natur gleichförmig und ohne Beziehung auf irgend einen äußeren Gegenstand … Die relative,
scheinbare und gewöhnliche Zeit ist fühlbares … Maß der Dauer … Der absolute Raum bleibt
vermöge seiner Natur … stets gleich und unbeweglich. Der relative Raum ist … ein beweglicher
Teil des ersteren.“
º V 1 Ein Beobachter am Bahndamm sieht,
dass sich ein Reisender in einem mit kon­stan­
ter Geschwindigkeit vorbeifahrenden Zug nach vorne bewegt. Beide geben verschiedene
Werte für die beobachteten Geschwindig­
keiten an.
v
¯
¯¯
nach 1 s:
¯
1,5 · 108 m
¯¯
v
?
3 · 108 m
B1 Gedankenversuch: Gleiche Strecken mit verschiedenen Längen
Bewegte Uhren Im Oktober 1971 startete ein
Flugzeug zu einem Flug um die Erde. An Bord
befand sich eine Caesium-Atomuhr, die beim
Start exakt die gleiche Zeit wie eine zweite
gleichartige Caesium-Atomuhr anzeigte, die
am Startort zurückblieb. Bei der Ankunft nach
der Erdumrundung und einer Flugzeit von
41,2 Stunden zeigte die bewegte Uhr 59 ns
we­niger als die am Startort befindliche an.
­Dieser Unterschied stellt unsere Vorstellungen
in Frage. Zeit läuft nicht in allen Systemen
gleich absolut ab, wie Newton es sich vorstellte.
» Gegeneinander bewegte Uhren zeigen
verschieden lange Zeitspannen an.
B2 Die Synchronisation
von Uhren
348 Relativitätstheorie
Der Zeitvergleich geschah bei diesem Experiment mit Uhren, die sich beide zu Beginn und
am Ende des Fluges am gleichen Ort befanden. Zeitangaben für Ereignisse an verschiedenen Orten eines Systems sind nur sinnvoll,
wenn sie von gleich laufenden, das heißt
­syn­chronisierten Uhren stammen. Wenn man
zunächst zwei baugleiche Uhren am gleichen
Ort synchronisiert und dann eine davon an
einen anderen Ort bringt, so kann man nicht
º V 2 Ein Gedankenversuch (O B1 ): Raumschiff ¯ fliegt mit v = 0,5 · c an einem anderen
Raumschiff ¯¯ vorbei und sendet in diesem
­Moment ein Lichtsignal in Flugrichtung aus.
Nach 1 s befindet sich Raumschiff ¯ 1,5 · ​10 ​8​ m entfernt, das Signal 3 · ​10 ​8​ m . In Raumschiff ¯
beobachtet man aber, dass sich das Signal mit Lichtgeschwindigkeit von ihm entfernt hat
und deshalb nach 1 s den Abstand 3 · ​10 ​8​ m hat. Zeit- und Längen­mess­ungen liefern daher
verschiedene Werte.
º V 3 Werden Atome von schnellen Protonen
getroffen, so können Myonen entstehen. Diese
zerfallen mit der Halbwertszeit 2,2 · ​10 ​–6​ s . Im europäischen Kernforschungszentrum (Cern)
in Genf wurden Myonen auf 99,94 % der Lichtgeschwindigkeit gebracht. Ihre Halbwertszeit
betrug nun 44 · ​10 ​–6​ s . Sie lebten also 20-mal
länger als ruhende Myonen.
wissen, ob sich ihre Anzeige gegenüber der
anderen verändert. Die Synchronisation von
Uhren, die sich voneinander entfernt in einem
gemeinsamen Inertialsystem befinden, kann
aber auf folgende Weise geschehen (O B2 ):
Genau in der Mitte zwischen baugleichen Uhren
wird ein Blitzlicht gezündet. Da sich das Licht
in alle Richtungen mit gleicher Geschwindigkeit ausbreitet, gelangt es gleichzeitig an alle
Uhren auf einem Kreis. Diese werden dadurch
synchron gestartet. Die Uhren zeigen anschließend auch gleiche Zeitspannen für dieselben
Vorgänge an.
» Uhren eines Inertialsystems lassen sich
wegen der konstanten Lichtgeschwindigkeit
mit Lichtsignalen synchronisieren.
Auf diese Weise ist ein Gerüst von synchro­
nisierten Uhren im Raum vorstellbar.
º A1 Beobachten Sie eine Bahnhofsuhr mit
Sekundenzeiger. Informieren Sie sich über die Synchronisa­tion
von Bahnhofsuhren.
 Ø_141
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Minkowski-Diagramme Bewegungen lassen
sich durch t-s-Diagramme beschreiben. Gleichförmige Bewegungen führen dabei auf Geraden
(O B1a). Der Punkt P (5 | 3) in diesem Koordinatensystem eines Beobachters A wird Ereignis
genannt, das zum Zeitpunkt t = 5 am Ort x = 3 stattfindet. Die Gerade durch den Ursprung und P kennzeichnet die gleichförmige
Bewegung eines Objektes B. Sie wird Weltlinie
genannt. A würde sagen: B bewegt sich in
positiver x-Richtung mit der Geschwindigkeit ​
v​BA​ = 3/5 = 0,6 . B könnte ein entsprechendes
Koordinatensystem zeichnen (O B1b) in diesem
das Ereignis Q (5 | –3) beobachten und käme
zu der Aussage: A bewegt sich mit ​v​AB​ = 0,6 in negativer x-Richtung. Zu den gleichen Aus­
sagen gelangt B, wenn er seine Weltlinie als ​tB​ ​-Zeitachse verwendet und als „Ableselinie“
für Ortskoordinaten eine Parallele zur Zeitachse
verwendet (O B2 ). Es entsteht ein schiefwinkliges Parallelkoordinatensystem. Das rechtwinklige cartesische ist ein Spezialfall solcher
Parallelkoordinatensysteme. Es gilt:
» In Parallelkoordinatensystemen verlaufen
die „Ableselinien“ parallel zu den Koordinaten­
achsen.
Das Ereignis R findet für A und B gleichzeitig
mit P und Q statt, denn alle drei Ereignisse
liegen auf einer Parallelen zur gemeinsamen
Ortsachse. Dies ist Ausdruck der Newton’schen
Auffassung einer unabhängig von allem ab­
laufenden Zeit. In der Ortsangabe für R unterscheiden sich aber A und B; und die Geschwindigkeit eines Objektes C, dessen Weltlinie
durch den Ursprung und R läuft, gibt A mit ​v​CA​ = 0,8, B aber mit ​v​CB​ = 0,2 an. Dies entspricht der Aussage von Galilei, dass die Geschwindigkeit vom Bezugssystem abhängt.
Wenn es sich beim Objekt C um ein Lichtsignal
handelt, müssen A und B aber zu gleichen Aussagen über seine Geschwindigkeit kommen.
xA
R
0
P
2
1
–1
1
0
b)
1
R
3
0
1
2
3
4
5
6
3
5P
4
tB
6
7
–2
tA
Q
2
Q
–3
7
B1 Weltsicht von A (a); Weltsicht von B (b)
xA xB
4
R
3
tB
–1
xB in Ls
5
P
Licht tB in s
4
1
0
xA in Ls
6
2
tA
Q
1
2
3
4
5
6
3
P
2
1
–2
0
–3
B2 Parallelkoordinaten
tA in s
Q
0
1
2
3
4
5
6
7
8
B3 Minkowski-Diagramm
Dies lässt sich nur erreichen, indem die gemeinsame Ortsachse der Koordinatensysteme
aufgegeben wird (O B3 ). Zu den Ereignissen P
und Q stellt A fest:
P und Q sind gleichzeitig; B jedoch sagt: P fand
vor Q statt, da er die Zeit auf einer Parallele zu
seiner Ortsachse durch Q abliest. Also gilt:
» Über die zeitliche Abfolge von Ereignissen
kommen gegeneinander bewegte Beobachter
zu unterschiedlichen Aussagen.
º A1 In der Mitte eines fahrenden Waggons
wird ein Lichtblitz gezündet (O B4a). Das
­Diagramm B4b beschreibt diese Situation. Ergänzen Sie die Weltlinien der an den
­Waggonenden reflektierten Lichtsignale und
beurteilen Sie ihr Zusammentreffen aus der
Sicht beider Beobachter.
Minkowski wandelte die geometrische Darstellung ab, um die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit zu berücksichtigen. Für das System von
A wählte er als Zeiteinheit die Sekunde und als Ortseinheit die Lichtsekunde. Die Weltlinie
eines Lichtsignals ist dann die Winkelhalbierende der Koordinatenachsen. Bei entsprechen­
der Wahl der Einheiten muss das für jedes
Koordinatensystem gelten. Das Postulat von der
Konstanz der Lichtgeschwindigkeit lautet:
» Die Weltlinie eines Lichtsignals ist die Win­
kelhalbierende zwischen Orts- und Zeitachse.
xB
a)
4
B
A
v
xB in Ls
xA in Ls
vorderes
Waggonende
tB in s
5
c
4
v
3
2
c
v
0
a)
c
hinteres
Waggonende
tA in s
1
v
–1
1
2
3
4
5
6
7
8
b)
B4 Lichtblitz im Zug (a); Darstellung im Minkowski-Diagramm (b)
Relativitätstheorie 349
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Messen und Wahrnehmen
„Es könnte scheinen, dass alle die Definition der Zeit betreffenden Schwierigkeiten dadurch überwunden werden könnten, dass ich an Stelle der ,Zeit‘ die ,Stellung des kleinen Zeigers meiner Uhr‘
setze. Diese Definition … genügt aber nicht mehr, sobald es sich darum handelt, … Ereignisse
zeitlich zu werten, welche an von der Uhr entfernten Orten stattfinden.“ Albert Einstein, 1905
Spiegel
Lichtsignal
d
Spiegel
B1 Exkurs
B3 „Fahrt durch Tübingen
mit 95 % Lichtgeschwindigkeit“
350 Relativitätstheorie
º V 1 Eine Lichtuhr wie in der Grafik B1 ist ein
Gedankenexperiment Einsteins. Ein Lichtsignal
wird zwischen zwei Spiegeln hin- und her­­
reflektiert. Für d = 3 m hat sie eine Taktzeit von T = 10 ns . Für zwei Ereignisse am Ort der Uhr wird die
Zeit gemessen, indem die Anzahl der Refle­
xionen gezählt wird.
º V 2 Die Zeit zwischen zwei Ereignissen an
verschiedenen Orten kann mit zwei synchro­
nisierten, am jeweiligen Ort ruhenden Uhren
gemessen werden.
Dass die Lichtgeschwindigkeit unabhängig von der Bewegung des Systems, in dem sie gemessen wird, immer gleich ist, bedingt, dass sich Zeit und Länge, mit denen die
­Geschwindigkeit bestimmt wird, mit der
­Be­wegung des Systems ändern müssen.
Zeit ist im Gegensatz zu Newtons Vorstellungen systemab­hängig!
Zeitdilatation und Längenkontraktion ­ Newton ging davon aus, dass die Zeit unbeeinflussbar und gleichförmig fließt und ebenso
der Raum absolut und unveränderbar ist. 1971
startete ein Flugzeug zu einem Flug um die
Erde. An Bord befand sich eine hochgenaue
sogenannte „Caesium-Atomuhr“, die beim Start
exakt die gleiche Zeit wie eine zweite CaesiumAtomuhr anzeigte, die am Startort zurückblieb.
Bei der Ankunft nach der Erdumrundung und
einer Flugzeit von 41,2 Stunden zeigte die
bewegte Uhr 59 ns weniger als die am Startort
befindliche an. Man spricht von einer Zeit­
dehnung, der Zeitdilatation.
Die geringen Gangunterschiede von ­bewegten
Uhren sind auch im Alltag bedeutsam, z. B. bei
der Satelliten­navigation („GPS“).
º V 3 Zur Längenmessung verwendete Maßstäbe müssen identisch sein, sich am Ort der
Messung befinden und in Ruhe sein.
» Gegeneinander bewegte Uhren zeigen ver­
schieden lange Zeitspannen an. Eine bewegte
Uhr geht gegenüber ruhenden Uhren nach.
Neben der Zeit gehört die Länge zu den wichtigsten fundamentalen Größen, die in der
Physik gemessen werden. Unter der Ruhelänge eines Stabes versteht man die Länge, die
ein relativ zum Stab ruhender Beobachter
feststellt. Bewegt sich nun der Stab, so ergeben jetzt für den Beobachter die gleichzeitig
ermittelten Ortskoordinaten eine kleinere
Differenz als vorher. Dieser Effekt heißt Längen­
kontraktion.
Bilder bewegter Körper
Das Bild, das z. B. eine Kamera von einem
bewegten Stab registriert, ergibt sich aus den
Lichtsignalen, die gleich­zeitig in der Kamera
eintreffen, etwa die Signale vom linken Stab­
ende in der Position a) und die vom rechten in
der Position b) (O B2 ). Diese beiden Positionen
begrenzen das gesamte Bild des Stabes. Er
wird also in Bewegungsrichtung gedehnt
gegenüber dem gemäß Längenkontraktion
erwarteten Wert wahrgenommen. Dieser
­Effekt beruht also nicht auf der Konstanz der
Lichtgeschwindigkeit, sondern ist eine Folge
der Lichtlaufzeit aufgrund ihres endlichen
Wertes. Er spielt im Alltag keine Rolle.
v
Kamera
a)
v
Kamera
b)
v
c)
Kamera
B2 Signale erzeugen Bilder.
 Ø_142, Ø_143
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Zeitdilatation und Längenkontraktion ermitteln
Zeitdilatation Eine Lichtuhr ruht im Inertialsystem S’. Sie bewegt sich mit der Geschwindigkeit v gegenüber einem Inertialsystem S an
Uhren vorbei, die in S ruhen und synchronisiert
sind. Wenn die Uhr den Ort x = 0 passiert, soll
in beiden Uhren das Lichtsignal am unteren
Spiegel starten (O B1 ). Ein zum System S’ gehörender Beobachter
wird feststellen, dass das Licht nach jeweils ð t’
reflektiert wird, denn es gilt:
Methoden
S S'
y y'
S'
y'
Eine mit S'
bewegte Lichtuhr
S'
y'
c · ðt
d' = c · ðt'
d' = d
x = v · ðt
v
t' = 0
t' = 30 ns
t' < 30 ns
t=0
t = 30 ns
x'
x
t > 30 ns
d
c · ð t’ = d’ = d ⇔ ð t’ = ​ _c ​ 
da die Längen senkrecht zur Bewegungsrichtung als gleich gemessen werden. Der gleiche
Vorgang wird von einem Beobachter aus dem
System S anders beurteilt. Für ihn hat sich die Lichtuhr um die Strecke v · ð t nach rechts
bewegt und das Lichtsignal hat die Strecke c · ð t zurückgelegt. Im System S besteht der
Zusammenhang:
​(c · ð t) ​2​ = ​d 2​ ​ + ​(v · ð t) ​2​
Mit d = c · ð t’ wird daraus:
​(c · ð t) ​2​ = ​(c · ð t’ ) ​2​ + ​(v · ð t) ​2​ ; es folgt:
ð t’
_____
ð t = ​ ____
 
 ​  
= ð t’ · c wobei
2
√
​v ​ ​
​ 1 – ​ _
2 ​  ​  
​c ​ ​
1
_____
  2  ​  
> 1 gilt.
c = ​ ____
√
​v ​ ​
​ 1 – ​ _
2 ​ ​ 
​c ​ ​
Die synchronisierten Uhren in S zeigen für die Zeitspanne zwischen zwei Reflexionen des
Lichtsignals in der Uhr von S’ eine größere
Zeitspanne an. Die bewegte Uhr wird demnach
als langsamer gehend beobachtet. Dieser
Effekt der Zeitdilatation ist symmetrisch. Der
Beobachter in S’ würde seinerseits eine Uhr in S als lang­samer laufend beobachten.
A liest, wenn seine Uhr 1 s anzeigt, auf der
vorbeikommenden Uhr von B eine kürzere Zeit
ab, der Wert ist gemäß Zeitdilatation 1/c (O B2).
­Multiplikation mit c , d. h. Strecken von OP mit dem Faktor c , liefert die 1 auf der t-Achse von B. In Einheiten von A ist also
d
3 ruhende
Lichtuhren in S
B1 Zum Zeittakt einer bewegten Lichtuhr
Längenkontraktion Grafik B3 zeigt die Weltlinien zweier Enden eines Stabes. Die Länge
2 Ls ergibt sich als Differenz der Ortskoordinaten. Es spielt keine Rolle, wann diese ermittelt
werden, sie ändern sich mit der Zeit nicht. Man
vereinbart: Die Länge eines bewegten Stabes
ist die Differenz der Ortskoordinaten der Stab­
enden zum gleichen Zeitpunkt.
Für den Beobachter B bewegt sich der Stab.
Jetzt ergeben die gleichzeitig ermittelten Ortskoordinaten eine kleinere Differenz als 2 . Zum gleichen Ergebnis führt die Betrachtung
eines Stabes, der bezüglich B ruht.
√
1
√
1
P
tA in s
O
OP · c
1
B2 Zeitdilatation im
­Minkowski-Diagramm
2
​c ​ ​
Dieser Effekt ist die Längenkontraktion.
xA in Ls
xB in Ls
4
3
tB in s
3
Q
Q'
2
3
1
1
0
System A: P und Q sind
gleichzeitig, die Stablänge ist 2.
2
P
1
tA in s
0
1
2
3
Grün: Weltlinien des im System A ruhenden
Stabes.
P, Q und Q’ sind Ereignisse, die die Stabenden
betreffen.
4
2
v​  ​ ​
​c ​ ​
– ​ _2 ​ 
Die Lichtsekunde auf der Ortsachse hat die
gleiche Länge, weil die Weltlinie von Licht­
signalen die Winkelhalbierende ist.
tB in s
1
​v ​ ​
l = ​l​0​ · ​ 1 – ​ _
2 ​ ​ 
2
​v ​ ​
1 + ​ _
 ​ 
__
​c 2​ ​
_
c · ​OP​ = ​
 
​  2   
​  ​ 
xB in Ls
1
Ein Körper mit der Ruhelänge ​l​0​ hat in einem
System, in dem er sich mit der Geschwindigkeit v parallel zu seiner Ausdehnung bewegt,
die verkürzte
_____Länge
_____
__
​ 1B​ ​​  =
O​
xA in Ls
4
System B: P und Q’ sind
gleichzeitig, die Stablänge ist kleiner als 2.
5
B3 Längenkontraktion im Minkowski-Diagramm
Relativitätstheorie 351
ip_bw3_relativitätstheorie.indd 16.06.2009 16:29:11 Seite: 352 [Farbbalken für Fogra39] BlacK
Cyan
Magenta
Yellow
Relativistische Masse, Energie und Impuls
Wird ein Körper aus einer Ruhelage mit konstanter Kraft F beschleunigt, dann nehmen seine
Geschwindigkeit v und sein Impuls p ständig zu. In der Newton’schen Mechanik kann ein Körper
auf diese Weise beliebig schnell werden, in der Speziellen Relativitätstheorie kann aber kein
­Körper die Lichtgeschwindigkeit überschreiten.
º V 1 Beim Comptoneffekt stoßen Photonen
auf ruhende Elektronen. Die Elektronen werden
fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, der Impulserhaltungssatz gilt (O B1 ).
º V 2 Messungen in Beschleunigern zeigen,
dass die Beschleunigung von Elektronen bei
hohen Spannungen nicht mehr der klassischen
Formel F = e · E = ​me​ ​ · a folgt. Danach müssten
Elektronen durch eine Spannung von 256 kV p2 Elektron
p1 Photon
p1 Photon
p1 Elektron = O
p2 Photon
m · v
r = ​ ___
​ erwarten lässt (vgl. S. 43 ).
e · B  
v in 108 m/s
7
6
5
4
3
2
1
0
0,2
0,4
0,0
klassisch
relativistisch
U in 106 V
0,6
0,8
1,0
1,2
1,4
B2 Beschleunigung von Elektronen
„Tempolimit“ Lichtgeschwindigkeit Wird ein
Körper aus seiner Ruhelage durch dauernde
Vergrößerung seiner kinetischen Energie beschleunigt, dann nehmen seine Geschwindigkeit und sein Impuls ständig zu. In der klas­
sischen Mechanik kann ein Körper auf diese
Weise beliebig schnell werden, der Geschwindigkeit ist keine Grenze gesetzt. Beschleunigt man jedoch Elektronen in einem
starken elektrischen Feld, so kann sie auch
eine noch so hohe Beschleunigungsspannung
nicht auf Geschwindigkeiten jenseits der Lichtgeschwindigkeit bringen. Es ist auch nicht
möglich, „körperlose“ Informationen mit höhe­
ren Geschwindigkeiten zu übertragen. In der
Speziellen Relativitätstheorie ist die höchstmögliche Geschwindigkeit eines Körpers oder
Signals die Licht­geschwindigkeit!
­ ewegungen. Wie können trotz der GeschwinB
digkeitsgrenze von 299 792 km/s diese Erhaltungssätze ihre Gültigkeit behalten? Einstein
ging davon aus, dass ein Unterschied zwischen
Ruhemasse ​m​0​und bewegter (träger) Masse m
eines Objektes besteht und sich bei Bewegung
auch die Masse ändert. Hierzu hinterfragte er die Natur der Eigenschaft „Masse“ an sich.
Die Erhaltung von Impuls und Energie ermög­
licht in der Mechanik die Vorhersage von
Relativitätstheorie
Die Messungen zeigen, dass diese bei keiner
noch so hohen Spannung erreicht wird. Schnelle
Elektronen der b-Strahlung beschreiben im
Magnetfeld Kreisbahnen, deren Radius größer
ist als es die klassische Formel
B1 Impulserhaltung beim Comptoneffekt
» Kein Körper und kein Signal kann die Licht­
geschwindigkeit überschreiten.
352 so stark beschleunigt werden, dass sie die
Lichtgeschwindigkeit erreichen (O B2 ).
» Die träge Masse eines Körpers, der sich mit
der Geschwindigkeit v bewegt, ist größer als
die Ruhemasse des Körpers.
Die berühmte Gleichung E = m · ​c ​2​ wurde von
ihm 1905 in seiner Arbeit „Ist die Trägheit eines
Körpers von seinem Energieinhalt abhängig?“
hergeleitet. Einstein nahm hierbei nämlich
weiter an, dass „Energie“ und „Masse“ zwei
Erscheinungsformen derselben Eigenschaft
sind, die über obige Gleichung miteinander
verknüpft sind.
» Energie und Masse eines Körpers sind
äquivalent: E = m · ​c ​2​
ip_bw3_relativitätstheorie.indd 16.06.2009 16:29:12 Seite: 353 [Farbbalken für Fogra39] BlacK
Cyan
Magenta
Yellow
„Masse besitzen“ bedeutet also gleichzeitig
„Energie besitzen“ und umgekehrt. Vereinfacht
kann man sagen, dass „Energie und Masse
ineinander umwandelbar“ sind. Wird der Energiegehalt eines Körpers beim Beschleunigen
also durch Energiezufuhr erhöht, vergrößert
sich dadurch auch seine Masse. Je näher der
Körper der Lichtgeschwindigkeit kommt, umso
mehr steigt seine Masse (O B1). Um ihn auf
Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen, wäre
rechnerisch eine unendlich große Energiezufuhr vonnöten, die Lichtgeschwindigkeit stellt
also einen unerreichbaren Grenzwert dar.
m/m0 = c
9
7
5
3
1
v in 108 m/s
0,0
1,0
0,5
1,5
2,0
2,5
3,0
B1 Verhältnis von träger Masse zur Ruhemasse
Relativistische Erhaltungsgrößen
Sollen die Erhaltungssätze der Mechanik zu
Impuls und Energie auch bei hohen Geschwindigkeiten gelten, dann müssen die Vorstellungen über Masse und Energie entsprechend
der Einstein’schen Theorie geändert werden.
Die Gleichung E = m · ​c 2​ ​ kann am Beispiel der
Paarvernichtung eines Elektrons und eines
Positrons (O B2) nachvollzogen werden.
Dabei werden zwei Pho­tonen frei, die für einen
Beobachter im Ruhesystem S der Teilchen
aufgrund der Impulserhaltung gleich große,
aber entgegengerichtete Impulse haben und
daher gleiche Energiemengen
E = h · f = ​| p |​ · c
Der Beobachter im System S’, das sich mit der
Geschwindigkeit v gegen S bewegt, nimmt
aufgrund des Dopplereffekts (O S.87 ) dagegen
die beiden Photonen mit den unterschiedlichen Frequenzen
1 + ​ _vc ​
1 – ​ _vc ​
_____
_____
​f​+​ = ​ ____
  ​  
und ​f​–​ = ​ ____
  ​ 
2
2
√
√
​v ​ ​
​ 1 – ​ _
2 ​ ​  
​c ​ ​
2 h · f
E
_____
_____
E’ = h · (​f+​ ​ + ​f–​ ​ ) = ​ ____
  ​  
= ​ ____
  2  ​ 
2
√
​v ​ ​
​v ​ ​
_
​ 1 – ​ _
2 ​  ​  ​ 1 – ​  2 ​ ​ 
​c ​ ​
​c ​ ​
Nun besteht aber für den Beobachter in S’ vor
der Vernichtung der Unterschied zum System S
alleine darin, dass sich beide Teilchen zusätzlich mit der Geschwindigkeit v bewegen. Daher
führt er den Unterschied zwischen E und E’
ausschließlich auf kinetische Energie zurück: E’ – E = ​E’​kin​ und berechnet für sich
(  √
)
1
______
​E’​kin​= E · ​ ​ ____
  2  ​  
– 1  ​ ​v ​ ​
​ 1 – ​ __
  
2   ​  ​
​c ​ ​ ( 
4
3
)
​v ​ ​ _ _
​v ​ ​
≈ E · ​ ​ _21 ​ · ​ _
2 ​ + ​ 4 ​ · ​  4 ​ + …   ​
​c ​ ​
​c ​ ​
Für kleine Geschwindigkeiten sind alle weite­
ren Terme gegenüber dem ersten vernach­
lässigbar; es ergibt sich dann die kinetische
Energie der Newton’schen Mechanik, nämlich ​E’​kin​ = ​ _21 ​ m’ · ​v 2​ ​. Daher schließt Einstein, dass
die träge Masse im System S’ durch m’ = E/​c 2​ ​ bestimmt wird. Die Form der Energie ist dabei
gleichgültig. Insbesondere muss jedes Teilchen
in Ruhe, dem man ansonsten keine Energie
zuschreiben würde, eine Energie E = ​m​0​ · ​c 2​ ​ besitzen. Für Teilchen mit der Geschwindigkeit
v folgt dann als Energie einschließlich der kinetischen Energie:
S'
S
(E, –p) (E, p)
v
B2 Paarvernichtung. Das
System S’ bewegt sich
mit Geschwindigkeit v
parallel zu den Geschwindigkeiten der erzeugten
Photonen.
​m​ ​ · ​c 2​ ​
0
_____
E’ = ​ __
 
 ​ = ​
  m0
​ ​ · c · ​c 2​ ​
2
√
​v ​ ​
​ 1 – ​ _
  
2  ​ ​
​c ​ ​ Daher ist nicht nur die Energie im System S’
um den Faktor c größer, sondern auch die
träge Masse ist von v abhängig:
​c ​ ​
wahr. Daher haben beide Photonen in S’ die
Gesamtenergie
√
Methoden
2
E’
m (v) = ​ _
​ ​ · c
2 ​  = ​m0
​v ​ ​
​ 1 – ​ _
2 ​  ​ 
​c ​ ​
Experimente mit
­Beschleunigern für
Elementarteilchen
bestätigen die Zunahme der Trägheit:
Die Erhöhung der
­Geschwindigkeit von
0,5 c auf 0,8 c erfordert
dieselbe Energie wie
die Erhöhung von
0,91 c auf 0,94 c.
Die träge Masse eines Körpers mit der Geschwindigkeit v ist um den Faktor c größer als
die Ruhemasse des Körpers.
Für die Größen Energie und Impuls liefert die
Theorie die Gleichung:
​(E ) ​2​ – ​( p · c ) ​2​ = ​​( ​m0​ ​ · ​c 2​ ​ )​ ​2​
Sie wird als Energie-Impuls-Beziehung bezeichnet und verallgemeinert die Beziehung E = p · c für Photonen auf Teilchen mit Ruhemasse. So folgt für den relativistischen Impuls
​m_____
​0​ · v
p = ​ __
 
 ​ =
  m (v) · v
​v 2​ ​
​ 1 – ​ _
2 ​ ​ 
√
​c ​ ​
d. h., es gilt die Beziehung p = m · v , wobei
jetzt m geschwindigkeits­abhängig ist.
getroffenes
Elektron
0
–1 e
Photon
0
+1 e
B3 Umgekehrter Vorgang der Paarvernichtung: Erzeugung eines
0
Elektrons ​  
  und –1 ​e
0
eines Positrons ​  
  durch
+1 ​e
ein Photon, das auf ein
Elektron getroffen ist.
Bemerkung: Photonen haben keine
Ruhemasse und bewegen
sich daher mit Licht­
geschwindigkeit. Ihre
Energie hängt von der
Frequenz ab.
Relativitätstheorie 353
ip_bw3_relativitätstheorie.indd 16.06.2009 16:29:15 Seite: 354 [Farbbalken für Fogra39] BlacK
Cyan
Magenta
Yellow
Exkurs
Transformationen
Ein Auto, das mit u = 100 km/h einen mit v = 80 km/h fahren­den Bus überholt, entfernt
sich relativ zum Bus mit der Differenz von
20 km/h. Fahren sie sich entgegen, so geschieht
dies mit der Summe, also mit 180 km/h. Diesen
Werten für die Geschwindigkeit liegt die
­Galilei-Transformation zu Grunde. Die Trans­
formation besteht aus Gleichungen, die die
Ortskoordinaten und Zeitpunkte zwischen
gegenseitig bewegten Bezugssystemen S und
S’ umzurechnen ge­statten (O B1 ):
t>0
v·t
k · x’ = x – v · t bzw. k · x = x’ + v · t’
Wird zur Zeit t = t’ = 0 ein Lichtsignal bei x = x’ = 0 in x-Richtung abgesandt, so hat es im System S den Weg x = c · t,
im System S’ den Weg x’ = c · t’
zurückzulegen (O B2 ). Setzt man diese Beziehungen in die vorherigen Gleichungen ein, so
erhält man:
k · c · t’ = c · t – v · t
k · c · t’ = t · (c – v)
y
y'
Unterschiede in der Transformation zwischen
den Systemen ausgleicht, so lauten die Gleichungen für die x-Koordinaten:
Werden die gleichen Seiten miteinander
­mul­tipliziert, so ergibt sich:
P (x, y, z)
P' (x', y', z')
k​  2​ ​ · ​c 2​ ​ · t · t’ = t · t’ · (​c 2​ ​ – ​v 2​ ​ )
_______
0
k = ​√1 – (v/c​) ​2​ ​  
= 1/c
x
0
x'
z
z'
Vom System S in S’
x’ = x – v · t
y’ = y
t’ = t
Damit gilt für Transformationen, die das Rela­
tivitätsprinzip berücksichtigen:
x’ = c · (x – v · t) bzw. x = c · (x’ + v · t’ )
B1 Zur Galilei-Transformation: t = t’ = 0 sei x = x’ = 0
vom System S’ in S
x = x’ + v · t’
y = y’
t = t’
Wird die zweite Beziehung nach t’ aufgelöst
und x’ durch die erste Beziehung ersetzt, so
führt dies zu:
x
t’ = ​ _1v ​  · ( ​ _
c ​ – c · ( x – v · t))
_______
Diese Gleichungen berücksichtigen Zeitdila­
tation und Längenkontraktion nicht. Bei größeren
Geschwindigkeiten v weicht aber ​
_______
merklich von 1 ab, so dass die
√1 – (v/c​) ​2​ ​  
Transformationsgleichung für die x-Koordinate,
in der v vorkommt, geändert werden muss.
Nach dem Relativitätsprinzip müssen die Bewegungsgleichungen in allen Inertialsystemen
physikalisch gleich lauten. Nimmt man an,
dass es einen Korrekturfaktor k gibt, der die
Hendrik Antoon Lorentz (1853 – 1928) Er hatte bereits vor der Veröffentlichung von
Einsteins Spezieller
Relativitätstheorie die
Formeln zur Transfor­
mation bei elektromagnetischen Vorgängen
entwickelt.
x
_
​   ​  · (1
– (v/c​) ​2​) – ​ _x ​ + t
v
v
_______
 
  
 
​ 
t’ = ​ ___
​√1 – (v/c​) ​2​ ​ 
t – v · x/​c 2​ ​
_______ 
 ​ 
t’ =​ __
​√1 – (v/c​) ​2​ ​ 
Die Beziehungen
x – v · t
t – v · x/​c 2​ ​
_______
_______ 
x’ = ​ __
 
 ​  
sowie t’ = ​ __
 ​ 
​√1 – (v/c​) ​2​ ​ 
​√1 – (v/c​) ​2​ ​ 
S'
v·t
Ereignisse, die in einem System zur gleichen
Zeit, aber an verschiedenen Orten stattfinden,
finden in einem anderen Inertialsystem nicht
gleichzeitig statt.
c
c
x'
x = c·t
B2 Zur Lorentz-Transformation
Relativitätstheorie
x – v · t
1
2
_______
t’ = ​ _
  ( x · ​√ 1 – (v/c​) ​ ​ ​  
– ​ __
 
 ​  
)
v  ​·
​√1 – (v/c​) ​2​ ​ 
heißen Lorentz-Transformationen.
S
x' = c · t'
354 k · c · t = c · t’ + v · t’ k · c · t = t’ · (c – v)
x
» Die Zeit hängt nicht nur von der Geschwin­
digkeit des Systems, sondern auch vom Ort
des Ereignisses ab, für die sie bestimmt wird.
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