Special IHK-Außenwirtschaftstag NRW Boarding for BRIC – Wachstumsmärkte im Blick Fünfter IHK-Außenwirtschaftstag NRW: Geballte Kompetenz am 16. September in Essen Brasilien, Russland, Indien und China – die so genannten BRIC-Länder – stehen im Mittelpunkt des 5. IHK-Außenwirtschaftstages NRW, der als Gemeinschaftsveranstaltung aller 16 IHKs in Nordrhein-Westfalen am 16. September in der Messe Essen, Congress Center West, stattfinden wird. Das Motto: „Boarding for BRIC – Wachstumsmärkte im Blick“. „tw“ gibt einen Überblick zu den Zielmärkten aus der Sicht von BRIC-Experten. Bei jährlichen Wachstumsraten der Wirtschaftsleistung von fünf bis zehn Prozent (zum Vergleich: EU etwa zwei Prozent) sagen Prognosen, dass die BRIC-Staaten bis 2050 die G8-Staaten überflügeln werden. Damit würde die „westliche Welt“ – Europa und Nordamerika – erstmals seit etwa fünf Jahrhunderten ihre dominierende Stellung in der Weltwirtschaft verlieren. Rund 2,8 Milliarden Menschen leben in den BRIC-Staaten; dies entspricht über 40 Prozent der Weltbevölkerung und einem großen Wirtschafts- und Kaufkraftpotenzial. Die deutschen Ausfuhren dorthin sind 2007 um zwölf Prozent – von 63 auf 72 Milliarden Euro – gestiegen. Die IHK-Organisation rechnet damit, dass bereits in diesem Jahr in die BRIC-Staaten insgesamt mehr exportiert wird als in die USA. Der Aufwärtstrend wird sich angesichts des hohen Modernisierungsbedarfes in diesen Staaten mittelfristig fortsetzen. In- Brasilien – Jetzt Garant für Stabilität Oliver Döhne, bfai-Korrespondent, São Paulo Zugegeben: Gemessen an der reinen Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts (BIP) tanzt das Land des Sambas im Vergleich zu Russland, Indien und der Volksrepublik China aus der Reihe. So erwirtschaftet Brasilien derzeit ein Plus von „nur“ rund fünf Prozent. Aber: Das Land verfügt sowohl über große Reserven an Bodenschätzen als auch über eine hochentwickelte verarbeitende Industrie. Und: Wie ein Magnet zieht die zehntgrößte Volkswirtschaft der Welt die ausländischen Direktinvestitionen an. Das laufende Konjunkturprogramm der brasilianischen Regierung und die Vorbereitungen auf die Fußballweltmeisterschaft 2014 sind nur zwei von zahlreichen Argumenten für ein Engagement am Zuckerhut. Im Energiesektor kommt Brasilien eine immer wichtigere Rolle zu. Das Land ist nicht Foto: © PantherMedia/J.Buettner Seite 14 • Juli/August 2008 vestitionsgüter werden auch weiterhin besonders nachgefragt. Die Erfolge der deutschen Unternehmen im Export in die BRIC-Staaten sichern Beschäftigung im eigenen Land: rund eine halbe Million Arbeitsplätze. Die NRW-Ausfuhren in diese Länder haben sich innerhalb der letzten fünf Jahre weit mehr als verdoppelt. Sie lagen 2007 bei über 15,1 Milliarden Euro mit einem Plus von 12,1 Prozent gegenüber 2006. Auf der Importseite schlugen insgesamt 22,7 Milliarden Euro zu Buche. Allerdings fiel der Anstieg mit 7,3 Prozent spürbar niedriger aus als in den Vorjahren. Veronika Lühl, IHK zu Essen nur der billigste und größte Ethanolproduzent der Welt, es hat auch große unerschlossene Erdölquellen. Die günstige Lage ist auch einer besonnenen Wirtschaftspolitik zu verdanken. Den konsequenten Wandel vom unberechenbaren Hochrisikoland zum Garanten für Wirtschaftsstabilität und Unternehmerfreundlichkeit belohnte die Ratingagentur Standard & Poor‘s 2008 mit dem lang ersehnten Investment Grade. Das Konsumklima entwickelt sich momentan sehr positiv, die Binnenkonjunktur ist endgültig angesprungen. Kfz-, Elektro- und Immobilienbranche fahren einen Rekord nach dem anderen ein. Die meisten großen deutschen Industrieunternehmen sind in Brasilien gut im Geschäft – oftmals seit Jahrzehnten. Bis heute sind rund 1200 deutsche Firmen vor Ort vertreten, die meisten im Großraum São Paulo. Nicht grundlos trägt die Metropole auch den Beinamen „größter deutscher Industriestandort außerhalb der Bundesrepublik“. Die deutschen Tochtergesellschaften erzeugen acht Prozent des brasilianischen Bruttoinlandsproduktes, haben rund 25 Milliarden US-Dollar investiert und beschäftigen etwa 250 000 Menschen. Das zurzeit größte Projekt: ein Stahlwerk von ThyssenKrupp in Rio de Janeiro für 3,6 Milliarden US-Dollar. Vorerst kann der Gigant Brasilien sein enormes Potenzial aber nicht voll entfalten. Die Weltbank bemängelte besonders die langwierigen Genehmigungsprozeduren und die komplexe Steuerpraxis. Die mangelhafte Infrastruktur gilt als Nadelöhr der Entwicklung. Auf der konjunkturellen Seite befürchten Experten, dass sich der Konsum- Special IHK-Außenwirtschaftstag NRW boom bei vergleichsweise moderatem Wirtschaftswachstum mittelfristig zu einer Blase entwickeln könnte. Das Gesamturteil muss aber gut ausfallen. Brasilien ist in seinem seit langem besten wirtschaftlichen Zustand und muss zu Recht mit den Wachstumsmärkten China, Indien und Russland in einem Atemzug genannt werden. Für deutsche Unternehmen bieten sich hervorragende Geschäftschancen – wenn Produkt und Durchhaltevermögen stimmen. Russland – Wieder auf der Weltbühne Gerit Schulze, bfai-Korrespondent, Moskau Sieger im Uefa-Cup, Gewinner des Eurovision Song Contest, Eishockey-Weltmeister 2008, dazu der Zuschlag für die Olympischen Winterspiele 2014: Russlands jüngste Erfolge unterstreichen den Anspruch, auf der Weltbühne wieder ein Wörtchen mitreden zu wollen. Der Wirtschaft ist das längst gelungen. te der russischen Einfuhren entfallen auf Investitionsgüter. Ausrüstungen „Made in Germany“ sind dank Produktivitätsvorteilen, Qualität und Service begehrt. Russland ist kein leichter Markt; die kulturellen Unterschiede erweisen sich bei Geschäften vielfach größer, als die geographische Nähe vermuten lässt. Auch die Dauerbrenner Korruption und Bürokratie bleiben aktuell. Der Staat macht sich zunehmend in der Wirtschaft breit, kontrolliert wichtige Kernbranchen wie den Flugzeug- oder Schiffbau und reglementiert ausländische Investments in als strategisch definierten Branchen (unter anderem Rüstung, Atomkraft, Energie- und Transportsektor). Auch die Diversifizierung der stark von Rohstoffen abhängigen Wirtschaft kommt nur langsam voran. In Forschung und Entwicklung wird nur wenig investiert. Die Infrastruktur ist in weiten Teilen marode und bremst den Aufschwung. Wer als Mittelständler den ersten Schritt nach Russland wagt, sollte sich vorher gut über den Markt informieren und zuverlässige Partner vor Ort suchen. Die deutsche Außenwirtschaftsförderung bietet dafür gute Instrumente. Der Aufwand für den Schritt nach Russland lohnt auf jeden Fall, denn mit seinen über 140 Millionen Verbrauchern und gewaltigen Rohstoffvorkommen wird der Riese im Osten seine Erfolgsserie fortsetzen. Der „Indische Hattrick“ beim Wachstum Achim Rodewald, Deutsch-Indische Handelskammer, Bombay Foto: © PantherMedia/K. Neudert Rekordpreise für die wichtigsten Ausfuhrgüter Öl und Gas lassen das Wachstum prächtig gedeihen. Seit einem Jahrzehnt legt Russlands Bruttoinlandsprodukt jährlich um sechs bis sieben Prozent zu. Getragen wird das Wachstum derzeit von den Bruttoanlageinvestitionen (2007: plus 21 Prozent) und der starken Binnennachfrage. Die Realeinkommen steigen jährlich um zehn, die Einzelhandelsumsätze sogar um 20 Prozent. Die Wirtschaft ist im ersten Quartal 2008 wiederum um acht Prozent gegenüber der Vorjahresperiode gewachsen. Insgesamt hält das Investitionstempo an. Ein starker Endspurt der indischen Landwirtschaft sorgte im abgelaufenen indischen Finanzjahr 2007/2008 für die Neun vor dem Komma. Die beiden Wirtschaftsjahre zuvor schlossen mit Wachstumsraten von 9,4 und 9,6 Prozent. Doch die Aussichten sind infolge der weltweit stark gestiegenen Rohöl- und Grundnahrungsmittelpreise getrübt. Während der Subkontinent beim Rohöl von Importen abhängig ist, kann die Grundnahrungsmittelversorgung komplett autark sicher gestellt werden. Doch auch hier tragen die stark gestiegenen Energiekosten zu einem wohl kaum mehr rückläufigen Preisanstieg bei. Das Resultat: Die Inflationsrate – 8,1 Prozent im Mai – hat die Wachstumsprognose von 8,5 Prozent bis 9,0 Prozent fast eingeholt und infolge der im Juni vollzogenen Preiserhöhungen für Benzin und Diesel möglicherweise bald auch überholt. Westliche Unternehmen fühlen sich davon förmlich angezogen. Die Auslandshandelskammer in Moskau schätzt, dass inzwischen rund 4 600 deutsche Firmen in Russland aktiv sind, in der Mehrzahl Mittelständler. Die Bandbreite reicht von Architekten und Ärzten, Bankern und Bäckern, Einkäufern und Verkäufern bis hin zu Logistikern, Maschinenbauern und Konsumgüterproduzenten. Als Lieferanten sind deutsche Hersteller in Russland die Nummer 1. Besonders Maschinen, Fahrzeuge und Chemieprodukte verkaufen sich blendend – mit jährlich zweistelligen Zuwachsraten. Großes Potenzial bietet die Baukonjunktur für Planer, Baustofflieferanten und Spezialgewerke. Auch die Automobilindustrie steht unter Volldampf. Fast alle Weltkonzerne bauen Kfz-Fabriken in Russland auf und suchen händeringend nach Zulieferern. Für Maschinenbauer ist das Land schon jetzt ein Dorado, denn über die Hälf- Foto: © PantherMedia/A. Damm Insbesondere die Wachstumsdellen im herstellenden Gewerbe sowie im Baubereich haben das Bruttosozialprodukt im letzten Wirtschaftsjahr stärker als erwartet nach unten gedrückt. Das gute ErJuli/August 2008 • Seite 15 Special IHK-Außenwirtschaftstag NRW gebnis der Landwirtschaft hingegen, in der nach wie vor zwei Drittel der arbeitenden Bevölkerung direkt oder indirekt beschäftigt sind, hat ein stärkeres Abrutschen verhindert. Besonders der herstellende Bereich hat im letzten Quartal des abgelaufenen Wirtschaftsjahres im Vorjahresvergleich kräftig Federn lassen müssen. Betrug das Wachstum der herstellenden Industrie von Januar bis März 2007 noch eindrucksvolle 12,8 Prozent, so sind 5,8 Prozent in den ersten Monaten diesen Jahres sicher ein Grund zur Besorgnis. Der trotzdem recht optimistische Ausblick für das laufende Finanzjahr liegt hauptsächlich an den riesigen Investitionen (in Höhe von 37,5 Prozent des indischen Bruttosozialproduktes) in den Ausbau von Produktionskapazitäten im abgelaufenen Wirtschaftsjahr. Diese sollen sich nun in gesteigerten Produktionsraten und damit in einem stärkeren Wachstum des herstellenden Bereiches auswirken. Steigende Energiekosten lassen auch den Subkontinent immer stärker über die Nutzung erneuerbarer Energiequellen nachdenken. Hinzu kommt eine stark wachsende Mittelschicht, die konsumieren will. Diese ist – je nach Sichtweise der Unternehmen – zwischen 200 Millionen und rund 400 Millionen Menschen stark. Das entspricht in etwa der Konsumenten-Stärke der EU. Indien bietet einen riesigen Absatzmarkt mit Technologiebedarf sowie Unternehmen, die kostengünstig zuliefern können. Stark vertreten sind bereits die deutsche Automobil-, Maschinenbau-,Verpackungs- und Elektronik-Industrie, die Energie-Branche, konventionell und alternativ, sowie die Umwelt-Industrie. Deutsche Unternehmen finden in Indien derzeit beste Geschäftsbedingungen, die branchenübergreifend als „gut“ zu bezeichnen sind. China: Chancen für den Mittelstand? Bernd Reitmeier, Stv. Delegierter der dtsch. Wirtschaft, Shanghai Die jüngsten Nachrichten und Bilder aus China zementieren in Deutschland die ohnehin weit verbreitete Einschätzung, dass das Land nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch die größte Herausforderung unserer Zeit ist. Ist China Gefahr oder Chance für Deutschland? Die unlängst erschienene, bislang umfangreichste Studie unter deutschen Firmen in China – durchgeführt von den deutschen Handelskammern in China mit mehr als 300 Teilnehmern – zeigt deutlich, dass weiterhin Chancen für deutsche Unternehmen bestehen. Mehr als 80 Prozent gaben an, ihre Ziele bislang erreicht zu haben, mehr als 70 Prozent konnten innerhalb von vier Jahren in China Gewinne erwirtschaften. Das Hauptmotiv für Aktivitäten ist nicht die Verlagerung von Arbeitsplätzen durch Nutzung niedriger Lohnkosten, sondern primär der Aufbau des Vertriebs sowie das Folgen eines internationalen Kunden nach China. Dies betrifft heute zunehmend den Mittelstand: Mehr als 50 Prozent der deutschen Unternehmen, die in den letzten zwei Jahren in China investiert haben, hatten einen weltweiten Umsatz von weniger als 100 Millionen Euro. Seite 16 • Juli/August 2008 Foto: © PantherMedia/M. Vennemann Die Rahmenbedingungen sind dennoch nicht leicht: Fehlender Schutz geistigen Eigentums, Herausforderungen bei der Rekrutierung von Personal, Bürokratie und Rechtsunsicherheit stellen die Hauptprobleme deutscher Firmen dar. Jedoch sehen viele Unternehmen positiv in die Zukunft. So werden über 90 Prozent der Befragten ihre Aktivitäten in China ausbauen, fast jeder zweite plant die Gründung neuer Büros oder Gesellschaften. China verändert sich in 2008 rasanter als je zuvor. Die Einführung des neuen Arbeits- und Steuergesetzes, weitere Reduzierungen der Investitionsanreize für ausländische Investoren sowie Landreformen zeigen das Umdenken in Richtung „harmonische Gesellschaft“. Der bisher stark vernachlässigte soziale Ausgleich wird jetzt zum Kernziel. Ähnliches lässt sich für die „wissenschaftliche Entwicklung“ sagen. Gesetzt wird nunmehr auf nachhaltiges Wachstum, angestrebt wird ausdrücklich ein Gleichgewicht zwischen Ökonomie und Ökologie. Umweltpolitik wird zum Schlüsselthema. Die Chancen deutscher Firmen liegen künftig noch mehr in den neuen Sektoren Umwelttechnologie, alternative Energien, Spezialmaschinen, Luxusgüterindustrie. Auch der Dienstleistungssektor wird interessanter, selbst wenn es nach wie vor signifikante Hindernisse beim Markteintritt gibt. Die wirtschaftlichen Veränderungen Chinas gehen einher mit einer deutlichen Kostensteigerung, und letztendlich wird auch dies neue Chancen für den Produktionsstandort Deutschland bringen. China wird nur dann zu einer Gefahr für Europa, wenn es isoliert und nicht in die Strukturen der internationalen Gemeinschaft integriert wird. China ist eine Chance für Europa, wenn es in seiner weiteren dynamischen Entwicklung kritisch konstruktiv begleitet und bei der Überwindung der enormen Herausforderungen aktiv unterstützt wird. IHK-Infobox Näheres zum Programm, zu den Ausstellern und Sponsoren unter www.ihk-aussenwirtschaftstag-nrw.de. Hier besteht auch die Anmeldemöglichkeit. Ansprechpartner bei der Niederrheinischen IHK: Dr. Thomas Hanicke, Telefon 0203 2821-284, E-Mail [email protected].