36 Zahnmedizin Differenzialdiagnosen der submandibulären Schwellung Pleomorphes Adenom der Glandula submandibularis In dieser Rubrik stellen Kliniker Fälle vor, die diagnostische Schwierigkeiten aufgeworfen haben. Die Falldarstellungen sollen den differentialdiagnostischen Blick der Leser schulen. Tudor Sandulescu, Peter Maurer, Martin Kunkel Abbildung 1: Klinischer Befund bei der Erstvorstellung mit einer umschriebenen, derben Schwellung in der rechten Submandibularloge schränkungen der Sensibilität oder Motorik bestanden nicht. Aus den SpeicheldrüsenOstien ließ sich klares Sekret exprimieren. Hinweise auf eine dentogene oder andere entzündliche Ursache der Schwellung im Bereich der Mundhöhle oder des Oropharynx fanden sich nicht. Sonographisch imponierte eine zirka 1,5 cm durchmessende, echoreiche, glatt begrenzte, innerhalb der rechten Glandula submandibularis gelegene Raumforderung (Abbil- Fotos: Kunkel Eine 48-jährige Patientin stellte sich mit einer erstmals vor sechs Monaten bemerkten Schwellung im Bereich der rechten Submandibularloge vor. Die Patientin berichtete über eine geringgradige Größenprogredienz in den letzten drei Monaten. Bei der klinischen Untersuchung lag eine diskret erhabene, palpatorisch aber sehr derbe, nicht druckdolente Schwellung vor (Abbildung 1). Schluckbeschwerden oder ein Globusgefühl wurden nicht angegeben, Ein- dung 2) ohne die charakteristischen Binnenstrukturen eines Lymphknotens. In der Gefäßdarstellung zeigte sich ein peripheres Durchblutungsmuster (Abbildung 3). Die restliche Drüse zeigte ein homogenes Parenchym ohne Stauungszeichen, Steine ließen sich sonographisch nicht nachweisen. In der Computertomographie stellt sich eine nicht kontrastmittelaffine Läsion im Bereich der rechtsseitigen Glandula submandibularis dar. Pathologisch veränderte Lymphknoten waren nicht erkennbar. In der Zusammenschau ergab sich damit das Bild eines gut abgegrenzten Speicheldrüsentumors, und es bestand die Indikation zur operativen Entfernung des Befundes. Therapeutisch erfolgte die Exstirpation des Tumors gemeinsam mit der Glandula submandibularis. Es stellte sich, entsprechend der Bildgebung, ein gut begrenzter solider Tumor dar. Histologisch zeigte sich ein inhomogener Tumor mit epithelialen Anteilen, die solide, teils tubulär adenoide Strukturen Abbildung 2: Sonographische Darstellung in zwei Ebenen. Der Tumor liegt, scharf begrenzt und überwiegend echoarm, vollständig eingebettet in die Glandula submandibularis. Es fehlen-die für einen Lymphknoten typischen Binnenstrukturen eines Gefäß-Hilus. zm 99, Nr. 3 A, 1.2.2009, (244) Abbildung 3: Gefäßdarstellung im Power-Doppler. Der Tumor zeigt eine periphere Gefäßzeichnung im Gegensatz zu einem Lymphknoten, der typischerweise ein zentrales Hilusgefäß aufweist. 37 sen. In einigen Fällen sind chromosomale Aberrationen t(3;8) (3p25; 8q21) (3p21), (8q12) und (12q13–15) sowie eine c-neu Überexpression nachgewiesen worden [Fonseca et al., 2008]. Makroskopisch ist der Tumor durch eine inhomogene Schnittfläche gekennzeichnet, auf der neben soliden auch zystische Anteile und gelegentlich auch schleimige oder knorpelige Bezirke auffallen. Eine Besonderheit des pleomorphen Adenoms ist die sekundäre maligne Transformation, die, sofern die Läsionen über viele Jahre unbehandelt bleiben, bis rund fünf Prozent der Tumoren betreffen kann [Neville, 2002]. Abbildung 4: Histologischer Befund Raumforderungen der SubmanTeilabbildung A zeigt den inhomogenen Aspekt des Tudibularregion sind klinisch nicht mors, bei dem sich neben epithelialen Zellnestern immer immer eindeutig zuzuordnen. wieder Areale mit hier myxoider Differenzierung darstellen. Während die typischen akut-entIn Teilabbildung B werden die bereits in der Doppler-Unzündlichen Befundkonstellatiotersuchung auffälligen Gefäße der Kapsel und das umgenen, wie submandibuläre Absbende Drüsengewebe erkennbar. Die histologischen Bilder wurden vom Institut für Patholozesse oder auch die akute Sialagie der Ruhr-Universität Bochum (Direktorin: Fr. Prof. Dr. denitis, häufig Blickdiagnosen A. Tannapfel) zur Verfügung gestellt. darstellen, bleiben die chroniformen. Daneben auch Areale mit myxoider schen Befunde oft eine diagnostische HeDifferenzierung und Zellnestern mit rausforderung. Wegen der gemeinsamen, Schleimbildung (Abbildung 4). Durch eine zunächst unspezifischen Klinik einer starke fibröse Kapsel abgegrenzt, stellen sich schmerzlosen, derben Schwellung können neben dem Tumor Anteile einer gemischten, harmlose Befunde, wie chronisch-entzündliüberwiegend serösen Speicheldrüse dar. che Lymphknotenschwellungen, leicht mit Tumoren der Speicheldrüsen, aber auch mit malignen Lymphomen und LymphknotenDiskussion metastasen verwechselt werden. Wichtige Das pleomorphe Adenom ist der häufigste Hinweise gibt hier die sonographische Ungutartige Speicheldrüsentumor und kommt tersuchung, die häufig erkennen lässt, ob bevorzugt bei Frauen ab der fünften Lebensdie Binnenstrukturen von Lymphknoten erdekade vor. Er ist in mehr als 80 Prozent der halten sind oder ob eine Raumforderung Fälle in der Glandula parotis, sehr viel selteden Speicheldrüsen zugeordnet werden ner (zu 10 Prozent) in der Glandula subkann. Im vorliegenden Fall ließ sich beimandibularis oder in den kleinen Speicheldrüsen zu finden Die Histogenese des pleomorphen Adenoms war über lange Zeit umstritten. Nach der heute überwiegenden Auffassung leitet Auch für den „Aktuellen klinischen Fall” können Sie Fortbildungspunkte sich der Tumor von myoepithelialen Zellen sammeln. Mehr bei www.zm-online.de her, die sowohl epitheliale als auch mesenunter Fortbildung. chymale Differenzierungsmerkmale aufwei- Fazit für die Praxis ■ Das pleomorphe Adenom ist der häufigste gutartige Tumor der Speicheldrüse. Er betrifft am häufigsten die Glandula parotis und kommt in der Gl submandibularis eher selten vor. ■ Hinter der schmerzlosen, derben Schwellung der Submandibularregion können sich sowohl harmlose entzündlich als auch neoplastische Krankheiten verbergen. ■ Die endgültige Diagnosesicherung erfordert immer die operative Entfernung und histologische Untersuchung. spielsweise unmittelbar die intraglanduläre Lage des Tumors erkennen. Daneben gibt auch die Gefäßarchitektur der Läsionen Hinweise auf die Dignität. So deutet beispielsweise eine Verdrängung der Gefäße in die Peripherie auf einen neoplastischen Charakter hin. Für die zahnärztliche Praxis soll der Fall daran erinnern, dass auch die Umgebungsstrukturen der Mundhöhle mit ihren Speicheldrüsen und Lymphknoten wichtige pathologische Befunde beinhalten können. Auch, wenn die exakte Differenzierung der Pathologien später anspruchsvoll werden kann, genügt häufig nur ein Blick auf den Hals oder eine kurze Palpation, um einen Patienten frühzeitig der weiteren Diagnostik zuzuleiten. Tudor Sandulescu Priv-Doz. Dr. Dr. Peter Maurer Prof. Dr. Dr. Martin Kunkel Klinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie Ruhr- Universität Bochum Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer In der Schornau 23-25 44892 Bochum [email protected] Literatur: 1. Fonseca I, Fonseca R, Martins C, Soares J.; Alteration of beta-catenin localization in salivary pleomorphic adenomas is not related to t(3;8)(p21;q12) and is mainly present in non-epithelial cell types. Histopathology. 2008 Jan;52(2):244-7. 2. Neville BW, Damm DD, Allen CM, Bouquot JE: Bone Pathology. In (Hrsg): Oral & Maxillofacial Pathology. Philadelphia: W.B. Saunders 2002, 574-578 zm 99, Nr. 3 A, 1.2.2009, (245)