Pleomorphes Adenom der Glandula submandibularis

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Zahnmedizin
Differenzialdiagnosen der submandibulären Schwellung
Pleomorphes Adenom der
Glandula submandibularis
In dieser Rubrik stellen Kliniker Fälle vor,
die diagnostische Schwierigkeiten aufgeworfen haben. Die Falldarstellungen
sollen den differentialdiagnostischen Blick
der Leser schulen.
Tudor Sandulescu, Peter Maurer, Martin Kunkel
Abbildung 1:
Klinischer Befund
bei der Erstvorstellung
mit einer umschriebenen, derben
Schwellung in der
rechten Submandibularloge
schränkungen der Sensibilität oder Motorik
bestanden nicht. Aus den SpeicheldrüsenOstien ließ sich klares Sekret exprimieren.
Hinweise auf eine dentogene oder andere
entzündliche Ursache der Schwellung im
Bereich der Mundhöhle oder des Oropharynx fanden sich nicht.
Sonographisch imponierte eine zirka 1,5 cm
durchmessende, echoreiche, glatt begrenzte, innerhalb der rechten Glandula submandibularis gelegene Raumforderung (Abbil-
Fotos: Kunkel
Eine 48-jährige Patientin stellte sich mit einer erstmals vor sechs Monaten bemerkten
Schwellung im Bereich der rechten Submandibularloge vor. Die Patientin berichtete über eine geringgradige Größenprogredienz in den letzten drei Monaten. Bei
der klinischen Untersuchung lag eine diskret
erhabene, palpatorisch aber sehr derbe,
nicht druckdolente Schwellung vor (Abbildung 1). Schluckbeschwerden oder ein Globusgefühl wurden nicht angegeben, Ein-
dung 2) ohne die charakteristischen Binnenstrukturen eines Lymphknotens. In der Gefäßdarstellung zeigte sich ein peripheres
Durchblutungsmuster (Abbildung 3). Die
restliche Drüse zeigte ein homogenes Parenchym ohne Stauungszeichen, Steine ließen sich sonographisch nicht nachweisen.
In der Computertomographie stellt sich eine nicht kontrastmittelaffine Läsion im Bereich der rechtsseitigen Glandula submandibularis dar. Pathologisch veränderte Lymphknoten waren nicht erkennbar. In der Zusammenschau ergab sich damit das Bild eines gut abgegrenzten Speicheldrüsentumors, und es bestand die Indikation zur
operativen Entfernung des Befundes.
Therapeutisch erfolgte die Exstirpation des
Tumors gemeinsam mit der Glandula submandibularis. Es stellte sich, entsprechend
der Bildgebung, ein gut begrenzter solider
Tumor dar. Histologisch zeigte sich ein inhomogener Tumor mit epithelialen Anteilen,
die solide, teils tubulär adenoide Strukturen
Abbildung 2: Sonographische Darstellung in zwei Ebenen. Der Tumor
liegt, scharf begrenzt und überwiegend echoarm, vollständig eingebettet in die Glandula submandibularis. Es fehlen-die für einen Lymphknoten typischen Binnenstrukturen eines Gefäß-Hilus.
zm 99, Nr. 3 A, 1.2.2009, (244)
Abbildung 3: Gefäßdarstellung im Power-Doppler. Der Tumor zeigt eine
periphere Gefäßzeichnung im Gegensatz zu einem Lymphknoten, der
typischerweise ein zentrales Hilusgefäß aufweist.
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sen. In einigen Fällen sind chromosomale Aberrationen t(3;8)
(3p25; 8q21) (3p21), (8q12)
und (12q13–15) sowie eine
c-neu Überexpression nachgewiesen worden [Fonseca et al.,
2008]. Makroskopisch ist der Tumor durch eine inhomogene
Schnittfläche gekennzeichnet,
auf der neben soliden auch zystische Anteile und gelegentlich
auch schleimige oder knorpelige
Bezirke auffallen. Eine Besonderheit des pleomorphen Adenoms
ist die sekundäre maligne Transformation, die, sofern die Läsionen über viele Jahre unbehandelt
bleiben, bis rund fünf Prozent
der Tumoren betreffen kann [Neville, 2002].
Abbildung 4: Histologischer Befund
Raumforderungen der SubmanTeilabbildung A zeigt den inhomogenen Aspekt des Tudibularregion sind klinisch nicht
mors, bei dem sich neben epithelialen Zellnestern immer
immer eindeutig zuzuordnen.
wieder Areale mit hier myxoider Differenzierung darstellen.
Während die typischen akut-entIn Teilabbildung B werden die bereits in der Doppler-Unzündlichen Befundkonstellatiotersuchung auffälligen Gefäße der Kapsel und das umgenen, wie submandibuläre Absbende Drüsengewebe erkennbar.
Die histologischen Bilder wurden vom Institut für Patholozesse oder auch die akute Sialagie der Ruhr-Universität Bochum (Direktorin: Fr. Prof. Dr.
denitis, häufig Blickdiagnosen
A. Tannapfel) zur Verfügung gestellt.
darstellen, bleiben die chroniformen. Daneben auch Areale mit myxoider
schen Befunde oft eine diagnostische HeDifferenzierung und Zellnestern mit
rausforderung. Wegen der gemeinsamen,
Schleimbildung (Abbildung 4). Durch eine
zunächst unspezifischen Klinik einer
starke fibröse Kapsel abgegrenzt, stellen sich
schmerzlosen, derben Schwellung können
neben dem Tumor Anteile einer gemischten,
harmlose Befunde, wie chronisch-entzündliüberwiegend serösen Speicheldrüse dar.
che Lymphknotenschwellungen, leicht mit
Tumoren der Speicheldrüsen, aber auch mit
malignen Lymphomen und LymphknotenDiskussion
metastasen verwechselt werden. Wichtige
Das pleomorphe Adenom ist der häufigste
Hinweise gibt hier die sonographische Ungutartige Speicheldrüsentumor und kommt
tersuchung, die häufig erkennen lässt, ob
bevorzugt bei Frauen ab der fünften Lebensdie Binnenstrukturen von Lymphknoten erdekade vor. Er ist in mehr als 80 Prozent der
halten sind oder ob eine Raumforderung
Fälle in der Glandula parotis, sehr viel selteden Speicheldrüsen zugeordnet werden
ner (zu 10 Prozent) in der Glandula subkann. Im vorliegenden Fall ließ sich beimandibularis oder in den kleinen Speicheldrüsen zu finden
Die Histogenese des pleomorphen Adenoms war über lange Zeit umstritten. Nach
der heute überwiegenden Auffassung leitet
Auch für den „Aktuellen klinischen
Fall” können Sie Fortbildungspunkte
sich der Tumor von myoepithelialen Zellen
sammeln. Mehr bei www.zm-online.de
her, die sowohl epitheliale als auch mesenunter Fortbildung.
chymale Differenzierungsmerkmale aufwei-
Fazit für die Praxis
■ Das pleomorphe Adenom ist der häufigste
gutartige Tumor der Speicheldrüse. Er betrifft am häufigsten die Glandula parotis und
kommt in der Gl submandibularis eher selten vor.
■ Hinter der schmerzlosen, derben Schwellung der Submandibularregion können sich
sowohl harmlose entzündlich als auch neoplastische Krankheiten verbergen.
■ Die endgültige Diagnosesicherung erfordert immer die operative Entfernung und
histologische Untersuchung.
spielsweise unmittelbar die intraglanduläre
Lage des Tumors erkennen. Daneben gibt
auch die Gefäßarchitektur der Läsionen Hinweise auf die Dignität. So deutet beispielsweise eine Verdrängung der Gefäße in die
Peripherie auf einen neoplastischen Charakter hin.
Für die zahnärztliche Praxis soll der Fall daran erinnern, dass auch die Umgebungsstrukturen der Mundhöhle mit ihren Speicheldrüsen und Lymphknoten wichtige pathologische Befunde beinhalten können.
Auch, wenn die exakte Differenzierung der
Pathologien später anspruchsvoll werden
kann, genügt häufig nur ein Blick auf den
Hals oder eine kurze Palpation, um einen Patienten frühzeitig der weiteren Diagnostik
zuzuleiten.
Tudor Sandulescu
Priv-Doz. Dr. Dr. Peter Maurer
Prof. Dr. Dr. Martin Kunkel
Klinik für Mund-, Kiefer- und
plastische Gesichtschirurgie
Ruhr- Universität Bochum
Knappschaftskrankenhaus
Bochum-Langendreer
In der Schornau 23-25
44892 Bochum
[email protected]
Literatur:
1. Fonseca I, Fonseca R, Martins C, Soares J.;
Alteration of beta-catenin localization in salivary pleomorphic adenomas is not related to
t(3;8)(p21;q12) and is mainly present in
non-epithelial cell types. Histopathology.
2008 Jan;52(2):244-7.
2. Neville BW, Damm DD, Allen CM, Bouquot
JE: Bone Pathology. In (Hrsg): Oral & Maxillofacial Pathology. Philadelphia: W.B. Saunders
2002, 574-578
zm 99, Nr. 3 A, 1.2.2009, (245)
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