Onkologische Welt 4/2012 Kapitel: Gastro

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GastroOnkologie
192
Früherkennung des kolorektalen Karzinoms
Sicher screenen – aber wie?
Die Koloskopie hat sich als Screeningverfahren für das kolorektale Karzinom etabliert.
Stillstand gibt es dennoch nicht. Vor allem die Computertomographie (CT) wird als Alternative diskutiert.
Die Teilnahme an der Screening-Koloskopie ist
noch immer unbefriedigend. Als Alternative
bietet sich die virtuelle Kolonographie mittels
CT an, die eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung erreichen würde. Sie ist inzwischen in
mehreren Studien untersucht, allerdings mit divergierenden Ergebnissen. Prof. Don Rockey,
Dallas/USA, verwies auf die Daten der größten
Untersuchung, einer multizentrischen Studie
mit 2600 Teilnehmern. Hier erreichte die CT-Kolonographie für Polypen ≥10mm eine Sensitivität von 90%, und damit einen ähnlich hohen
Wert wie für die Koloskopie, deren Sensitivität
generell bei 95% eingestuft wird.
Rockey betonte jedoch die deutliche Abhängigkeit der Sensitivität der CT-Kolonographie
von der Größe der Läsionen. So werden 5 mmLäsionen nur mit einer Wahrscheinlichkeit von
31% entdeckt, 9 mm-Läsionen mit einer Wahrscheinlichkeit von 75%. Sein Fazit: Die Sensitivität der CT-Kolonographie ist für größere Läsionen ab 6 mm ähnlich gut geeignet wie die
Koloskopie. Demgegenüber stellte er die gute
Sicherheit der Methode heraus. Für die virtuelle Koloskopie spricht aus seiner Sicht, dass eine
Sedierung überflüssig, das Perforationsrisiko
äußerst gering ist. Die Strahlenbelastung könne durch die Verwendung von „low-dose“-Techniken reduziert werden.
Die MR-Kolonographie geht dagegen nicht
mit einer Strahlenbelastung einher. In ihrer Entwicklung hängt sie der CT-Kolonographie jedoch zehn Jahre hinterher und ist in puncto
Sensitivität klar unterlegen.
Besonders problematisch:
flache Adenome
Dr. Beate Fessler, München
Aber auch endoskopisch werden Polypen übersehen, in der Größe zwischen 1 mm und 5 mm
immerhin 26%, 13% bei den 5–10 mm großen
Läsionen. Ein besonderes Problem stellen unabhängig von ihrer Größe die flachen Adenome
Rektumkarzinom
Neoadjuvante Radiotherapie im
Fokus – und in der Kritik
Vor Resektion eines Rektumkarzinoms wird meist eine Radio-(Chemo-)-Therapie
durchgeführt. Das Gesamtüberleben lässt sich so nicht verlängern, die Morbidität
steigt. Gefordert wird deshalb ein Umdenken weg von der „One-fits-all“-Strategie hin
zu einer Response und Risiko-adaptierten individuellen Therapie
In der neoadjuvanten Therapie des Rektumkarzinoms kommen zwei Regimes zum Einsatz:
das Kurzzeitschema mit Bestrahlung (5x5 Gy)
und direkt anschließender Operation, das für
alle Tumoren in Frage kommt, und das Langzeitschema mit einer 5-FU-basierten Radiochemotherapie und einem operativen Eingriff nach
sechs bis acht Wochen für cT3–4– oder N+-Tumoren. Mit beiden Vorgehensweisen lässt sich
dar, von denen 42% übersehen werden, erläuterte Priv.-Doz. Mario Anders, Hamburg. Mangelnde Erfahrung und Unachtsamkeit des Endoskopen sind einige Gründe. Aber auch unzureichende Säuberung oder Dehnung des
Darms, eine zu kurze Koloskopiedauer oder ein
ungenauer Blick in Flexuren und Falten können
dazu führen, dass Adenome nicht erkannt werden.
Verbesserte Technik kann Vorteile bringen.
So ergaben die gepoolten Daten von 4422 Patienten aus fünf Studien einen Vorteil der HDWeißlicht-Endoskopie gegenüber dem Standardverfahren mit einer signifikant höheren
Adenomdetektionsrate. Noch besser erkennen
lassen sich Adenom mittels Chromoendoskopie. Selbst in einer Population mit einem durchschnittlichen Risiko ist sie der Weißlichtendoskopie überlegen mit einer höheren Detektionsrate auch an flachen und serratierten Adenomen. Als Farbstoff sollte laut Prof. Gerhard
Rogler, Zürich/Schweiz, Indigokarmin eingesetzt werden. Methylenblau könne zu DNASchäden im Epithel führen, die das Risiko eines
KRK erhöhen.
eine Reduktion der Lokalrezidivrate erreichen,
nicht dagegen ein signifikanter Effekt auf das
Gesamtüberleben. In der Dutch-Studie (n =
1861), die neoadjuvante Bestrahlung plus TME
(Totale Mesorektale Exzision) mit alleiniger
TME verglich, lag die Lokalrezidivrate innerhalb von zehn Jahren bei 5% gegenüber 11%,
das Gesamtüberleben aber bei 48% gegenüber
49% (1). Ähnlich die Ergebnisse für die adju-
Quelle: Falk Symposium Nr. 182 “Carcinogenesis, Prevention and Treatment of Colorectal Cancer: State of
the art”, am 10. Februar 2012, München. Veranstalter:
Falk Foundation e.V., Freiburg.
vante Radiochemotherapie: In einer deutschen
Studie (n = 823) traten lokale Rezidive innerhalb von fünf Jahren bei 6% gegenüber 13%
auf, das Gesamtüberleben lag bei 74% gegenüber 76%: nicht signifikant.
Das Aus für „One-fits-all“?
Angesichts der Daten stellte Prof. Claus Rödel,
Frankfurt/Main, diese Vorgehensweise in Frage.
Er verwies auf eine polnische Studie (n = 312,
Einschlusskriterium: low T34NX; primärer Endpunkt: Sphinktererhalt) und eine australische
Studie (n = 326, Einschlusskriterium: T3 NX; primärer Endpunkt: lokale Kontrolle), die jeweils
beide Regimes direkt miteinander verglichen.
Dabei ergab sich weder ein signifikanter Unterschied im Sphinktererhalt noch, über drei bis
fünf Jahre, im Gesamtüberleben und der Lokalrezidivrate.
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GastroOnkologie
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Derzeit werden verschiedene neue neoadjuvante Regimes untersucht. Dies könnte langfristig den Weg ebnen von der „One-fits-all“zu einer Response- und Risiko-adaptierten individuellen Therapie.
Erhöhtes Risiko für
sekundäre Karzinome
Dass derzeit bei einem Rektumkarzinom viel zu
häufig präoperativ bestrahlt wird, war die Meinung von Prof. Markus Büchler, Heidelberg. Er
verwies dabei ebenfalls auf die wenig überzeugenden Ergebnisse dieser Strategie in der
Dutch-Studie sowie auf einen randomisierten
kontrollierten Vergleich zwischen präoperativer Radiotherapie und selektiver postoperativer Chemoradiotherapie bei Patienten mit Rektumkarzinom (n = 350; UICC I-III). Auch dort
konnte für das neoadjuvante Vorgehen lediglich einen Vorteil in der Lokalrezidivrate innerhalb von fünf Jahren erreicht werden (4,7% versus 11,5%), nicht jedoch im Gesamtüberleben.
Dagegen, so Büchler, sei der Preis für diesen
geringen Nutzen sehr hoch, mit vermehrter Inkontinenz und einer Beeinträchtigung der Sexualfunktion. So lag etwa in der Dutch-Studie
der Anteil, der Patienten, die tagsüber inkontinent waren, bei 62% nach RT plus TM gegenüber 38% nach alleiniger TME. Besonders betonte Büchler das erhöhte Risiko für sekundäre
Karzinome infolge der RT, in der Dutch-Studie
bei 14% gegenüber 9%. Um das Gesamtüberleben zu verbessern, sei es vielmehr notwen-
dig, den chirurgischen Eingriff zu verbessern, so
der Onkologe.
Auf präoperative RT verzichtet werden kann
aus seiner Beurteilung der Datenlage bei Tumoren im oberen Drittel des Rektums sowie bei Tumorerkrankungen im Stadium I, möglicherweise auch im Stadium II bei CRM (Circumferential Resection Margin)-negativen Tumoren im
MRT.
Komplettes Ansprechen auf
neoadjuvante Therapie:
Was tun?
Wird mit einer neoadjuvanten Therapie eine
komplette Response erreicht, stellt sich die Frage: nur beobachten oder trotzdem operieren?
Über das richtige Vorgehen wird derzeit trefflich diskutiert. Prof. Stephen Wexner, Weston/
USA, stellte Daten aus einer prospektiven Analyse vor, nach der die Strategie der engmaschigen Bobachtung nach dem Prinzip Watch-AndWait zu ähnlich hohen 5-Jahres-Überlebensraten führt wie die Resektion. 21 Patienten, die
auf die neoadjuvante Therapie ein komplettes
klinisches Ansprechen gezeigt hatten, wurden
über 25 Monate beobachtet und mit einer Kontrollgruppe von 20 Patienten verglichen, die
trotz komplettem pathologischen Ansprechens
operiert wurden. Das krankheitsfreie Überleben innerhalb von zwei Jahren lag bei 89%
gegenüber 93%, das Gesamtüberleben jeweils
bei 91%.
Metastasiertes kolorektales Karzinom
Nicht-resektable Lebermetastasen
resektabel machen
Ein kolorektales Karzinom geht häufig mit Lebermetastasen einher, die den weiteren
Verlauf wesentlich bestimmen. Therapeutisches Ziel ist die R0-Resektion. Um primär
nicht-resektable Lebermetastasen doch resezieren zu können, ist häufig eine präoperative Chemotherapie erforderlich. Dabei empfiehlt es sich, aggressiv vorzugehen.
Bei knapp einem Viertel der Patienten mit einem kolorektalen Karzinom sind zum Zeitpunkt
der Diagnose bereits Lebermetastasen vorhanden. Das klassische Vorgehen ist dann, den Primärtumor zuerst zu entfernen. Möglich ist aber
durchaus auch die umgekehrte Vorgehensweise, zumal, so Prof. Bernard Nordlinger, Boulogne/Frankreich, die Lebermetastasen eher das
Überleben bestimmen. Dritte Variante ist die simultane kombinierte Operation, bei der Primär-
Zweischneidiges Schwert
Dennoch: Die Entscheidung ist problematisch.
Durch den Verzicht auf chirurgisches Vorgehen
lässt sich zwar die operative Morbidität vermeiden und die Funktion des Darms erhalten.
Nur die Resektion erlaubt jedoch ein genaues
Staging und die Bewertung des Nutzens einer
postoperativen Chemotherapie. Wexner wies
zudem darauf hin, dass bei immerhin etwa einem Drittel der Patienten mit komplettem klinischem Ansprechen auf die adjuvante Therapie sich Tumorzellen im Mesorektum oder in
den Lymphknoten befinden. „Das ist alarmierend.“
Bei der Entscheidung über das weitere Vorgehen müssen Patienten über die Vorteile der
Watch-And-Wait-Strategie, aber auch über die
Risiken informiert werden. Die Meinung britischer und irischer Experten, die dazu befragt
wurden, ist eindeutig: 69% würden ein konservatives Vorgehen auch nach kompletter klinischer Response erst gar nicht in Erwägung
ziehen.
Dr. Beate Fessler, München
Literatur
1. Van Gijn W et al. Lancet Oncol 2011; 12(6):
575–582.
Quelle: Falk Symposium Nr. 182 Carcinogenesis, Prevention and Treatment of Colorectal Cancer – State-ofthe Art 2012 “ am 11. Februar 2012, München. Veranstalter: Falk Foundation e.V., Freiburg.
tumor und Lebermetastasen gleichzeitig entfernt werden. Auch das hat laut Nordlinger Vorteile: Der Patient muss sich nur einer Operation
unterziehen und die Entfernung der Lebermetastasen verzögert sich nicht.
Ein Vergleich der drei Strategien bei 156
konsekutiven Patienten zeigte für das kombinierte Vorgehen eine 5-Jahres-Übrlebensrate
von 55%, für die klassische Variante von 48%
und für die umgekehrte Vorgehensweise von
39% – und damit keinen signifikanten Unterschied. Ein simultanes Vorgehen sei dann geeignet nach kurzer Chemotherapie und Lebermetastasen, die sich nur wenig ausgebreitet
haben. Ein umgekehrtes Vorgehen schlägt er
dagegen bei fortgeschrittener Metastasierung
in der Leber vor, die eine „Major-Resektion“ er-
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GastroOnkologie
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Abb. 1
Entwicklung des Gesamtüberlebens des
metastasierten kolorektalen Karzinoms
fordert. Vor der Entscheidung über das operative Vorgehen ist es laut Nordlinger allerdings
vorrangig, die Metastasierung mittels systemischer Chemotherapie in den Griff zu bekommen.
Von palliativ zu kurativ
Die Mehrzahl der Lebermetastasen ist bei Diagnosestellung nicht resektabel. Vorrangiges Ziel
einer Chemotherapie müsse es deshalb sein,
aus nicht-resektablen resektable Lebermetastasen zu machen um eine R0-Resektion zu ermöglichen, so Dr. Hans Prenen, Leuven/Belgien. Das Gesamtüberleben konnte in den vergangenen Jahren mit neuen Kombinationsregimes erheblich gesteigert werden (씰Abb.
1). Die Standardregimes FOLFOX oder FOLFIRI
sind etwa vergleichbar wirksam. Bessere Ergebnisse werden erreicht, wenn sie mit einem
Biologikum kombiniert werden.
Pernen verwies auf Daten aus der CRYSTAL
(Cetuximab Combined with Irinotecan in FirstLine Therapy for Metastatic Colorectal Cancer)Studie in der die Responseraten von 39,7% unter FOLFIRI auf 57,3% unter Kombination mit
Cetuximab erhöht werden konnten. R0-Resektionen wurden bei 2,0% gegenüber 5,1% der
Patienten möglich.
Ähnlich die Daten aus der OPUS(Oxaliplatin
and Cetuximab in First-Line Treatment of Metastatic Colorectal Cancer)-Studie, die die Kombination FOLFOX4 mit Cetuximab prüfte mit einem Anstieg der R0-Resektionen von 3,1% auf
7,3%. Eine sehr hohe Wirksamkeit mit einer Resektionsrate von 70% wurde in einer Phase IIStudie mit FOLFOXIRI erreicht. Bei 19% war eine R0-Resektion möglich. Die 5-Jahres-Überlebensrate lag bei 42%. Wird FOLFOXIRI mit
Bevacizumab kombiniert, lässt sich die Resektionsrate auf 80%, die R0-Resektionen auf 40%
steigern. Ähnlich hohe Resektionsraten werden auch unter der Kombination mit Cetuximab erreicht.
Ende 2011 erfolgte für den vollhumanen
Antikörper Panitumumab (Vectibix®) eine Zulassungserweiterung für die Behandlung von
Patienten mit metastastiertem Kolorektalkarzinom (mCRC) mit Wildtyp-KRAS als Erstlinientherapie in Kombination mit FOLFOX und als
Zweitlinientherapie in Kombination mit FOLFIRI bei Patienten, die in der Erstlinientherapie eine Fluoropyrimidin-haltige Chemotherapie erhalten haben (ausgenommen Irinotecan). Die
Daten aus den Studien 20050203 (PRIME) und
20050181 zeigen, dass eine zusätzliche Gabe
von Panitumumab bei gleichzeitiger FOLFIRIoder FOLFOX-Chemotherapie das progressionsfreie Überleben (PFS) bei Patienten mit
mCRC und Wildtyp-KRAS im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie verlängerte. Zusätzlich
war die Gesamtansprechrate unter Vectibix® in
Kombination mit Chemotherapie höher als bei
der Chemotherapie allein. Auch das Gesamtüberleben war tendenziell unter der Kombination besser.
Angesichts dieser Daten empfahl Prenen
bei nicht-resektablen Lebermetastasen zwei
Zytostatika mit einem Biologikum zu kombinie-
ren. Da postoperative Komplikationen mit der
Dauer der Chemotherapie in Zusammenhang
stehen, sollte die präoperative Chemotherapie
„lang genug, aber nicht zu lang“ gegeben werden.
Die Resektion von Lebermetastasen nach
Down-Staging ist allerdings nicht unproblematisch, wie Dr. Jaques Belghiti, Clichy/Frankreich, deutlich machte. Die Chemotherapie
schädigt nämlich nicht nur den Tumor, sondern
auch die Umgebungsleber. Im Gegensatz zu
primär resektablen Lebermetastasen treten
Nekrosen, Steatohepatitiden oder auch ein SOS
(sinusoidales Obstruktionssyndrom) häufiger
auf. Diese Schädigung des Leberparenchyms
plus ein geschwächter Allgemeinzustand des
Patienten nach einer Chemotherapie kann das
Operationsrisiko erhöhen.
HIPEC bei
Peritonealkarzinose
Für Patienten mit kolorektalen Karzinom, die
ein Peritonealkarzinose entwickeln, kann eine
chirurgische Resektion der intraabdominellen
Tumormasse in Kombination mit einer hyperthermen intraperitonealen Chemotherapie (HIPEC) eine Option sein. In der Forschung geht es
jetzt darum, die Patienten mit dem größten Benefit zu definieren, so Prof. Ramon Salazar,
Barcelona/Spanien. Derzeit sieht er in Indikation bei Patienten mit gutem Allgemeinzustand
mit einem PCI (Peritonealkarzinoseindex) unter
21, bei denen eine komplette Resektion möglich scheint.
Dr. Beate Fessler, München
Literatur
1. Cunningham D et al. Lancet 1998; 352(9138):
1413–1418.
2. Cunningham D et al. NEJM 2004; 351(4): 337–345.
3. Hurwitz H et al. NEJM 2004; 350(23): 2335–342.
4. Rothenberg ML et al. JCO 2003; 21(20): 3716–3717
5. Van Cutsem E et al. JCO 2007; 25(13): 1658–1664.
6. Van Cutsem E et al. BJC 2004; 90(6): 1190–1197.
Quelle: Falk-Symposium Nr. 182 „Carcinogenesis, Prevention and Treatment of Colorectal Cancer – State-ofthe-Art 2012“ am 11. Februar 2012, München. Veranstalter: Falk Foundation e.V., Freiburg.
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DEGRO
Kongress
195
Plattenepithelkarzinome im Kopf-Hals-Bereich
Therapiefortschritte und neue
Erkenntnisse
Für mehr als zwei Jahrzehnte gab es keinen großen Fortschritt in der Erstlinienlinientherapie von rezidivierten und/oder metastasierten Plattenepithel-Karzinomen im
Kopf-Hals-Bereich. Erst die Kombination des EGFR-Antikörpers Cetuximab (Erbitux®)
mit einem Platin-5-FU-Regime brachte einen signifikanten Überlebensvorteil. Als neuer pathogenetischer Faktor haben sich in letzter vor allem bei Oropharynxkarzinomen
humane Papillomaviren (HPV 16) erwiesen.
Die Tripelkombination von Cetuximab und Platin/5-FU hat in der EXTREME-Studie im Vergleich zu Platin/5-FU alleine das Gesamtüberleben signifikant um 2,7 Monate (p = 0,04) und
das progressionsfreie Überleben signifikant um
2,3 Monaten (p < 0,001) verlängert, wie Dr.
Thomas Gauler, Essen, ausführte. Die Responserate hat sich von 20% auf 36% nahezu verdoppelt (p < 0,001). Um die Antitumoraktivität
zu maximieren, wurde der Antikörper in der
Studie als Erhaltungstherapie nach Ende der
Chemotherapie, deren Anwendungsdauer
durch die Toxizität begrenzt ist, bis zur Krankheitsprogression weiter gegeben.
Einen signifikanten Vorteil zeigte das Cetuximab-Regime in der EXTREME-Studie auch in
der Lebensqualität und in der Kontrolle von Tumor-bedingten Symptomen wie Schmerz,
Schluck- und Sprechschwierigkeiten oder Problemen beim Essen. Das Dreifachregime mit
Cetuximab gilt deshalb heute beim rezidivierten und/oder metastasierten Plattenepithelkarzinom im Kopf-Hals-Bereich zumindest bei Patienten in gutem Allgemeinzustand als Therapiestandard.
Keine klaren Standards gibt es bisher für ältere und komorbiden Patienten mit schlechtem
Performance-Status, die immerhin 40 bis 50%
aller Patienten ausmachen. Eine mögliche Option ist eine Monotherapie mit Cetuximab. In einer Phase-II-Studie wird derzeit ein DocetaxelCisplatin-Cetuximab-Regime untersucht mit
reduzierter kumulativer Cisplatindosis und nur
vier Zyklen, an die sich jeweils eine CetuximabErhaltungstherapie anschließt.
Papillomaviren als
wichtiges Onkogen
Wie Prof. Jürgen Debus, Heidelberg, berichtete, gibt es heute immer häufiger Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren, die deutlich jünger
als 60 Jahre sind und nie geraucht haben. Besonders häufig werden in solchen Fällen Oropharynxkarzinome beobachtet. Inzwischen
wird immer klarer, dass bei diesen atypischen
Patienten humane Papillomaviren, vor allem
HPV 16, in der Tumorgenese eine große Rolle
spielen. Während die Neuerkrankungsrate
nicht HPV-assoziierter Tumoren sinkt, steigt die
der HPV-assoziierten.
Die Onkogenese wird vor allem durch Produkte der viralen Gene E6 und E7 vorangetrie-
ben. E6 bindet an das Tumorsuppressor-Gen
p53, inaktiviert dieses und begünstigt damit
die maligne Progression. E6 aktiviert auch die
zelluläre Telomerase und macht Zellen damit
„unsterblich“. E7 führt zum Abbau von pRB,
was eine unkontrollierte Progression des Zellzyklus und damit Tumorproliferation nach sich
zieht.
Bessere Prognose bei
HPV-Infektion
HPV-positive Kopf-Hals-Tumoren sind mit einer
deutlich günstigeren Prognose verbunden. Eine
Differenzierung der Dreijahresdaten der Studie
RTOG 0129 hat gezeigt, dass der HPV-Status für
den Outcome von Oropharynxkarzinomen
wichtiger ist als der Raucher- oder der Nodalstatus. Von den Patienten mit HPV-positiven Tumoren überlebten 80% drei Jahre, von den Patienten mit HPV-negativen Tumoren 57%.
Als hochempfindlicher Nachweis einer HPVInfektion wird die Bestimmung des Proteins
p16 eingesetzt, welches sich in HPV-positiven
Zellen akkumuliert. Zumindest in klinischen
Studien sollte p16 heute routinemäßig bestimmt werden, um die Prognose abzuschätzen. Differentialtherapeutische Konsequenzen
ergeben sich daraus heute noch nicht.
Dies könnte sich ändern, wenn die Ergebnisse der Phase-III-Studie RTOG 1016 vorliegen, in der 706 Patienten mit p16-positiven
Oropharynxkarzinomen eine Radio-CisplatinTherapie oder eine Radio-Cetuximab-Therapie
erhalten.
Dr. Angelika Bischoff, Planegg
Quelle: Satellitensymposium „Erfolgreiche Therapie
von Kopf-Hals-Tumoren: interdisziplinär – evidenzbasiert – mulimodal“ im Rahmen der 18. Jahrestagung
der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) am 8. Juni 2012, Wiesbaden. Veranstalter:
Merck-Serono Deutschland, Darmstadt.
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Hepatozelluläres Karzinom
Gehört den Kombinationstherapien
die Zukunft?
Die Behandlung des hepatozellulären Karzinoms (HCC) ist nach wie vor eine medizinische Herausforderung. Bei der Mehrzahl der Patienten wird der Tumor erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert und es gibt praktisch keine Chance mehr auf eine kurative Therapie. Hoffnungen für die Zukunft gründen sich vor allem auf Fortschritte bei der Identifizierung molekularer Targets und der Optimierung entsprechend zielgerichteter Therapien. Eine weitere Strategie besteht darin, durch eine geschickte Wirkstoffkombination die Tumorprogression zu durchbrechen.
Die Prognose beim HCC ist weiterhin vom Tumorstadium abhängig – ob eine Zirrhose vorliegt und auch vom umgebenden Gewebe. „Die
überwiegende Mehrzahl der malignen Lebertumore entsteht dabei auf dem Boden einer chronischen Entzündung, wobei sich eine Zirrhose
oder direkt dysplastische Knoten bilden, die
schließlich zum HCC führen“, meinte Dr. Marcus-Alexander Wörns, Mainz, beim Deutschen Krebskongress. Ein kleinerer Teil der Tumore entsteht als Adenom-Karzinom-Sequenz,
eine dritte Gruppe scheint sich aus KrebsStammzellen zu entwickeln.
Das HCC gehört nach Wörns zu den wenigen Tumoren, die ohne Histologie diagnostiziert werden können, allerdings besteht das
Problem, dass dysplastische Knoten kaum von
einem HCC zu unterscheiden sind. Der Verzicht
auf die Biopsie ist aus Sicht des Mediziners somit kritisch zu sehen. Mittels Mikro-RNA-basierten Technologien lassen sich andererseits
strukturelle DNA-Veränderungen nachweisen
und Veränderungen auf der Posttranslationsebene sind nach Wörns inzwischen zu fassen.
„Durch Transkriptionsanalysen und Genexpressionssignaturen gelingt es uns zunehmend, das HCC zu klassifizieren und molekulare Subklassen zu definieren.“Damit verbindet
sich die Hoffnung auf neue Targets für die Behandlung sowie prädiktive Biomarker.
Überleben in der Primärtherapie kaum verbessert
Primär behandelt wird das HCC mittels einer
Resektion, wobei sich die Überlebensdaten
laut Prof. Hauke Lang, Mainz, in den vergan-
genen Jahren kaum verändert haben. „Die
5-Jahresüberlebensraten liegen bei 35 bis 55%
bei Patienten mit HCC ohne Leberzirrhose, je
nachdem wie aggressiv reseziert wurde“, erklärte der Mediziner.
Zu bedenken ist nach seinen Worten, dass
es sich beim HCC ohne Zirrhose meist um vergleichsweise große Tumore handelt, und dass
diese in aller Regel lange Zeit kaum Symptome
verursachen: „Der Tumor führt meist erst zu Beschwerden, wenn es zur Kapselspannung
kommt oder wenn er in Gefäße infiltriert“, so
Lang. Die Grenzen der Resektabilität sind erreicht, wenn bilateral die Leberarterien befallen sind, während es keine Kontraindikation
darstellt, wenn die Hepaticus-Gabel reseziert
werden muss.
Ziel muss dabei stets die R0-Resektion sein.
Lymphknotenmetastasen gibt es nach Lang in
aller Regel bei Tumoren, die zur HCC-R0-Resektion anstehen, nicht. Allerdings werden nicht
selten Patienten mit der Diagnose „Verdacht
auf Lymphknotenmetastasen“ zugewiesen.
Meist aber liegt in solchen Fällen eine Lymphadenopathie bei Hepatitis oder bei einer begleitenden Zirrhose, nicht aber eine Metastase vor.
Auch generell sind Lymphknotenmetastasen
entsprechend den Obduktionsbefunden bei Patienten, die an einem HCC verstarben, vergleichsweise selten: Sie waren nur bei 34% der
Patienten ohne und nur bei 23% der Patienten
mit Zirrhose nachweisbar.
Eine Lebertransplantation ist gegenüber der
Resektion beim HCC ohne Zirrhose nach Lang
keine Therapiealternative, da die Überlebensraten sogar deutlich niedriger sind. Ursache
hierfür dürfte die häufige Gefäßinfiltration
sein, vermutet der Mediziner: „Die Patienten
haben meist intra- und extrahepatische Metastasen“.
Beim HCC mit Zirrhose muss nach seiner
Darstellung primär geklärt werden, wann überhaupt noch eine Resektion indiziert ist. Die
Transplantation ist bei diesen Patienten die onkologisch und funktionell meist beste Therapie,
scheitert aber nicht selten infolge des Mangels
an Spenderorganen.
Chemoembolisation – sinnvoll in frühen Tumorstadien
Als interventionelles Verfahren ist nach Prof.
Jens Ricke, Magdeburg, beim HCC die transarterielle Chemoembolisation (TACE) etabliert:
„Die TACE ist sehr effektiv, die Patienten aber
müssen gut selektiert werden“. Das minimalinvasive radiologische Verfahren ist bei einem
frühen intermediären Tumorstadium angezeigt, bei Tumoren unter 5 Zentimetern und
maximal vier Läsionen und bei Tumoren ohne
Portalvenen-Infiltration. Bei Patienten, die diese Kriterien nicht erfüllen, ist nach Ricke die
Prognose deutlich verschlechtert: „In solchen
Fällen macht TACE keinen Sinn mehr“.
Bei größeren Tumoren, diffuser Erkrankung
und insbesondere bei älteren und multimorbiden Patienten sowie bei manifester Portalvenen-Infiltration ist hingegen eine Indikation zur
Radioembolisation gegeben mit dem Ziel des
Downstagings.
Inwieweit eine Kombinationstherapie mit
dem Tyrosinkinasehemmer Sorafenib sinnvoll
ist, ist im Rahmen der SORAMIC-Studie (Evaluation of Sorafenib in combination with local
micro-therapy guided Primovist® enhanced
MRI in patients with hepatocellular carcinoma)
geprüft worden. In der Studie wurden Patienten im fortgeschrittenen Stadium mittels einer
selektiven internen Radiotherapie (SIRT) entweder ausschließlich oder auch in Kombination
mit Sorafenibbehandelt.
Keine Treiber-Mutation
bekannt
Die Crux beim HCC liegt nach Prof. Nisar Malek, Tübingen, darin, dass es anders als beispielsweise bei der chronisch myeloischen Leukämie (CML) keine bekannte Treiber-Mutation
gibt, die sich durch ein spezielles gegen die Mutation gerichtetes Medikament ausschalten lie-
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ße. Beim HCC können hingegen eine Vielzahl
an Onkogenen und Tumorsuppressorgenen verändert und an der Pathogenese beteiligt sein.
Oftmals resultiert damit ein genetisch hoch instabiler Tumor.
Trotzdem wird nach Malek intensiv weiter
nach neuen molekularen Targets zur Behandlung
des HCC gesucht. Für die Tumorentstehung
scheint beim HCC nach derzeitiger Kenntnis vor
allem der Wnt-Signalweg entscheidend zu sein.
Seine Aktivierung stimuliert offenbar nachgeschaltete Proliferations-Signalwege wie die
c-Met- und die TGF-Kaskade. Der Wnt-Signalweg
galt dabei lange als „undrugable“, also einer
spezifischen Therapie nicht zugänglich, so Malek.
Inzwischen aber sind verschiedene Substanzen in der präklinischen Entwicklung, die
möglicherweise ein gezieltes Eingreifen in die
gestörte Signaltransduktion beim HCC erlauben. Hoffnungen gründen sich dabei vor allem
auf den c-Met-Signalweg, der sich beim HCC
häufig als dysreguliert erweist. C-Met-Inhibitoren wie der Wirkstoff Tivantinib sind laut Malek
bereits in Erprobung und haben sich in ersten
klinischen Studien als vielversprechende Option erwiesen. In einer ersten Phase 1-Studie war
die Substanz gut verträglich und in einer nachfolgenden Phase II-Studie bei 107 Patienten
nach Sorafenib-Versagen zeigte sich eine Verbesserung der Zeit bis zur Tumorprogression
um 56%. Als wichtigste Nebenwirkungen wurden eine Fatigue und eine Anämie registriert.
Überexprimierte Pathways
blockieren
Neben c-Met gibt es nach Malek weitere Targets, auf die sich die Forschung beim HCC fokussiert. Dazu gehört auch die durch VEGF induzierte Tumorvaskularisierung. So exprimieren 40 bis sogar 100% der HCC den vaskulären
Wachstumsfaktor VEGF in Tumorzellen stärker
als im gesunden Gewebe. Da VEGF zur Invasion
und Metastasierung des HCC beiträgt, besteht
die Hoffnung, durch eine gezielte Angiogenesehemmung auch beim HCC Einfluss auf die Tumorprogression nehmen zu können.
Metastasiertes kolorektales Karzinom
Perspektive in der Antiangiogenese
Aflibercept ist ein Angiogenesehemmer, der aufgrund seiner Struktur die Tumorangiogenese besonders effektiv blockiert und bei progredienten Patienten mit metastasiertem kolorektalen Karzinom einen signifikanten Überlebensvorteil erreichte – selbst
bei jenen, die bereits anti-angiogen vorbehandelt waren.
Die Antiangiogenese ist mittlerweile ein etabliertes Therapieprinzip, von dem insbesondere
Patienten mit metastasiertem kolorektalen
Karzinom (mCRC) profitieren, erläuterte Prof.
Ralf-Dieter Hofheinz, Mannheim. Mit Aflibercept befindet sich eine Substanz in der klinischen Phase-III-Prüfung bei Patienten mit rezidivierten mCRC.
Aflibercept ist ein Fusionsprotein mit Bindungsstellen der beiden VEGF-Rezeptoren 1+2
und kann so alle VEGF-Liganden abfangen, die
an diese beiden Rezeptoren andocken. Es bindet nicht nur – wie Bevacizumab – den angiogenen Wachstumsfaktor VEGF-A, sondern auch
die beiden VEGF-Liganden VEGF-B und PlGF
(Placenta-Wachstumsfaktor). Außerdem bindet es mehr als 1000-fach stärker an VEGF als
Bevacizumab. Der breite anti-angiogene Wirkansatz von Aflibercept mag erklären, so Hofheinz, warum Aflibercept auch bei mit Bevacizumab vorbehandelten Patienten wirkt.
Signifikanter Überlebensvorteil
In der VELOUR-Studie (1) reduzierte die zusätzliche Gabe von Aflibercept zur Chemotherapie
(FOLFIRI) das Sterberisiko der Patienten mit
Das ist laut Malek eine wesentliche Rationale für die Behandlung mit Sorafenib, da der
Tyrosinkinasehemmer sich durch antitumorale
und auch antiangiogenetische Eigenschaften
auszeichnet. Geprüft wird ferner der Einfluss
spezifischer VEGF-Inhibitoren wie Bevacizumab und auch EGF-Inhibitoren wie Erlotinib
sind als Hoffnungsträger weiter im Rennen.
Die Strategie der Zukunft dürfte laut Malek
dabei wohl darin bestehen, durch eine geschickte Kombination der verfügbaren Wirkstoffe die Tumorprogression zu durchbrechen.
So sind Kombinationen einer antiangiogenetischen und zytotoxischen Strategie denkbar
und auch Kombinationen mit interventionellen
Verfahren wie TACE. Die Behandlung ist zudem
adjuvant nach einer Resektion oder auch nach
einer Transplantation denkbar und möglicherweise auch als Chemoprophylaxe bei Hochrisiko-Populationen.
Christine Vetter, Köln
Quelle: Paneldiskussion „Hepatozelluläres Karzinom“ beim 30. Deutschen Krebskongress am 22. Februar 2012 in Berlin
metastasiertem CRC um etwa 20% (HR 0,817;
p = 0,0032). Das mediane Überleben unter Placebo/FOLFIRI lag bei 12,06 Monaten vs. 13,50
Monaten unter Aflibercept/FOLFIRI. Der sekudären Endpunkt – progressionsfreies Überleben – stieg im Vergleich Placebo/FOLFIRI unter Aflibercept/FOLFIRI von median 4,67 auf
6,90 Monate an (HR 0,758; p = 0,00007). Die
Patienten waren bereits mit Oxaliplatin vorbehandelt, darunter etwa 30%, die bereits Bevacizumab erhalten hatten. Der Überlebensvorteil war unabhängig vom Alter, dem Allgemeinzustand und der Vorbehandlung.
Bemerkenswert ist, laut Hofheinz, dass Aflibercept auch bei den mit Bevacizumab vorbehandelten Patienten eine Effekt zeigte und
die mediane progressionsfreie Zeit (PFS) dieser
Patienten um 2,8 Monate verlängerte.
Dr. Peter Henning, Stuttgart
Literatur
1. Tabernero J et al. Eur J Cancer 2011; 47(2): Abstract
6LBA.
Quelle: Pressemitteilung und Satelliten-Symposium
„Neue Therapieoptionen bei soliden Tumoren“ der Sanofi Deutschland am 23. 2. 2012 im Rahmen des Deutschen Krebskongresses, Berlin
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Internationale
Literatur
198
Hepatozelluläres Karzinom
Klinische Charakteristika und
Prognose bei Hirnmetastasen
Zerebrale Metastasen sind bei Leberkarzinomen (HCC) selten und die Überlebenszeiten kurz. Multimodale Therapieansätzen verlängerten die Überlebenszeiten von 1,5
auf 4,5 Monate. Welche Patienten profitieren?
Die chinesische Untersuchung bestätigte die
Seltenheit von Gehirnmetastasen. Insgesamt
41 von 8676 HCC-Patienten waren betroffen
(0,47%). Die 33 Männer und 8 Frauen waren
durchschnittlich 46,5 Jahre alt, 73,2% waren
Hepatitis B positiv. Eine Infektion mit dem Hepatitits C Virus lag in keinem Fall vor.
Die Primärtumoren wurden unterschiedlich
behandelt. Eine lokale hepatische Kontrolle lag
bei der Feststellung der Gehirnmetastasen bei
39% der Patienten vor. Das durchschnittliche
Intervall zwischen den Diagnosen von Primarius und zerebraler Metastasierung betrug 15
Monate. 80,5% der Patienten hatten zu diesem
Zeitpunkt bereits andere Fernmetastasen. Dabei waren Lungenmetastasen besonders häu-
fig (75,6%). In Übereinstimmung mit früheren
Untersuchungen traten mehr als die Hälfte der
Hirnmetastasen singulär und 70,7% supratentorial auf. Nur 1 Patient war asymptomatisch.
Alle anderen litten vorwiegend unter einer
Hirndrucksymptomatik mit Übelkeit, Schwindel
und motorischer Schwäche. 46,3% hatten eine
intrakranielle Blutung.
Die therapeutischen Maßnahmen waren vielfältig und schlossen offene und stereotaktische
chirurgische Eingriffe, radiochirurgische, chemotherapeutische und supportive Maßnahmen ein.
Alle Patienten starben. Bei 57,5% waren die Gehirnmetastasen die Ursache und bei den übrigen
die systemische Erkrankung. Die durchschnittliche Überlebenszeit betrug 3 Monate.
Speiseröhrenkrebs wirksamer behandeln
Bestrahlung und Medikamente
vor der OP verlängern Leben
Mithilfe einer Kombination aus Strahlen- und Chemotherapie kann ein Ösophaguskarzinom präoperativ so weit verkleinert werden, dass eine vollständige Entfernung
möglich ist. Eine Studie aus den Niederlanden weist jetzt erstmals nach, dass diese
Radiochemotherapie auch die Überlebenszeit der Betroffenen verlängert (1). Die Behandlung kommt nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie
(DEGRO) für Patienten infrage, die sich in einem guten Allgemeinzustand befinden
und bei denen Voruntersuchungen eine erfolgreiche Operation versprechen.
In Deutschland erkranken pro Jahr 6000 Menschen neu an einem Ösophaguskarzinom. „Da
sich die Speiseröhre im Brustkorb hinter Herz
und Lungen befindet, sind Krebsoperationen
technisch sehr anspruchsvoll“, so Prof. Jürgen
Dunst, Präsident der DEGRO und Direktor der
Klinik für Strahlentherapie an der Universität Lübeck. Nicht immer gelinge es, den Tumor opera-
tiv komplett zu entfernen. In etwa einem Drittel
der Fälle findet der Pathologe bei der feingeweblichen Nachuntersuchung noch Krebszellen im
Randbereich des herausoperierten Tumors.
Bestrahlungen kombiniert mit einer Chemotherapie können den Tumor vor der Operation
verkleinern und die Heilungschancen der OP
verbessern. Die Radiochemotherapie vor der
RPA-Klasse als stärkster
prognostischer Faktor
Der stärkste unabhängige prognostische Faktor war die RPA-Klasse. Patienten mit der RPAKlasse I und II, also solche mit einem Karnofsky-Index >70 und einem Lebensalter unter 65
Jahren, lebten länger als Patienten mit einer
RPA-Klasse III (6 vs. 1 Monat; p<0,00001). Patienten lebten auch dann länger, wenn bereits
andere Fernmetastasen vorlagen (3,5 vs. 1 Monat; p<0,0001). Die Autoren vermuten, dass
HCC, die zuerst ins Gehirn metastasieren, besonders undifferenziert sind und eine aggressive neurovaskuläre Invasionsneigung haben.
Das Lebensalter, Geschlecht, der Infektionsstatus, die Leberfunktion, das Metastasierungsintervall, die Lokalisation und Anzahl der
zerebralen Absiedlungen beeinflussten die
Überlebenszeiten nicht. Die Autoren schließen
daraus, dass vor allem die RPA-Klasse bei Therapieentscheidungen wichtig ist.
Dr. med. Susanne Krome, Melle
Literatur
1. Jiang X-B et al. Brain metastases from hepatocellular carcinoma: clinical features and prognostic
factors. BMC Cancer 2012; 12: 49.
Operation stellt allerdings eine zusätzliche Belastung für den Patienten dar. Wegen möglicher
Risiken wird diese Therapie bisher selten eingesetzt. Bei moderner Behandlungstechnik kann
diese Radiochemotherapie die Heilungschance
aber erheblich verbessern.
Eine Studie aus den Niederlanden weist jetzt
darauf hin, dass wesentliche Risiken nicht zu befürchten sind. Während eine Hälfte der Patienten
ausschließlich operiert wurde, erhielt die andere
Hälfte über fünf Wochen vor der Operation eine
Strahlenbehandlung. Gleichzeitig erhielten diese Patienten eine Chemotherapie mir Carboplatin und Paclitaxel. „Diese Kombinationstherapie
ist für die Betroffenen zwar anstrengend“, kommentierte Prof. Frederik Wenz, Mannheim. Die
meisten Studienteilnehmer vertrugen die Radiochemotherapie aber gut. „Fast alle Patienten
konnten den Therapieplan einhalten.“
Auf diese Weise konnte der Tumor in 92%
der Fälle komplett entfernt werden, ein deutlicher Anstieg gegenüber der Vergleichsgruppe
mit alleiniger Operation (69%). Bei fast jedem
dritten Patienten waren nach der Radiochemo-
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Internationale
Literatur
199
therapie im Tumor keine überlebenden Tumorzellen mehr nachweisbar.
Durch die Radiochemotherapie wurde die
Überlebenszeit der Patienten wesentlich verlängert (im Mittel von zwei auf vier Jahre), auch
die Langzeit-Heilungsrate stieg an. Die Häufigkeit von Operationskomplikationen war in beiden Gruppen gleich. Ein Vorteil durch die Radiochemotherapie bestand sowohl beim Plattenepithelkarzinom, der häufigsten und vor al-
lem durch Alkohol und Rauchen verursachten
Variante des Speiseröhrenkrebses, als auch
beim Adenokarzinom, einer möglichen Spätfolge eines jahrelangen Sodbrennens.
Allerdings kommt die Radiochemotherapie vor
der Operation nur für Patienten infrage, die körperlich belastbar sind und aufgrund ihres Tumorleidens nicht mehr als 10% des Körpergewichts verloren haben. Zu den möglichen Nebenwirkungen
gehören Erschöpfung, Übelkeit, Erbrechen und
Hepatozelluläres Karzinom
PIVKA-II: zuverlässiger Marker
für extrahepatische Läsionen
Die Risikoabschätzung der Entwicklung extrahepatischer Metastasen ist ein wichtiges
Kriterium für die Therapieentscheidung bei neu diagnostizierten hepatozellulären Karzinomen (HCC). Das pathologische Prothrombin PIVKA-II zeigte die Wahrscheinlichkeit
zuverlässig an.
PIVKA-II steht für „protein induced by vitamin
K absence or antagonist II“ und bezeichnet
Des-Gamma-Carboxyprothrombin, das durch
die verminderte Aktivität der Vitamin K-abhängigen Carboxylase gebildet wird und neben
dem α-Fetoprotein (AFP) ein wichtiger Tumormarker bei HCC ist.
Bae et al. prüften seine Wertigkeit als Prädiktor für spätere extrahepatische Metastasen
bei 354 Patienten (75% Männer, ∅ 56 Jahre).
Tab. 1
Die Studienteilnehmer hatten überwiegen Tumore in einem frühen Entwicklungsstadium
(BCLC Stadium A: 63,3%; AJCC Stadium I: 48%)
und wurden chirurgisch, mit Radiofrequenzablation, transarterieller Chemoembolisation
oder Ethanolinjektionen behandelt. Fernmetastasen lagen im Ausgangsbefund nicht
vor. 31,1% der Patienten hatten ein AFP >400
ng/ml (cut-off) und 28% ein PIVKA-II >300
mAU/ml (cut-off).
Multivariate Analyse in overall patients im Hinblick auf das AJCC- bzw. BCLC-Tumorstadium
Characteristics
Hazard Ratio (95% KI)
p-Wert*
AJCC Tumorstadium
2,775 (1,815–4,243)
<0,001
Portalvenenthrombose
1,573 (0,912–2,715)
0,103
Serum AFP (≥400 ng/mL)
1,153 (0,688–1,919)
0,584
2,718 (1,535–4,812)
0,001
Thrombozytenzahl (≤130x10
1,830 (1,130–2,964)
0,014
BCLC Tumorstadium
1,210 (1,047–1,400)
0,010
Portalvenenthrombose
1,934 (1,094–3,422)
0,023
Serum AFP (≥400 ng/mL)
1,470 (0,888–2,433)
0,133
Serum PIVKA-II (≥300 mAU/mL)
3,688 (2,073–6,560)
<0,001
Thrombozytenzahl (≤130x103/μL)
1,911 (1,187–3,076)
0,008
Serum PIVKA-II (≥300 mAU/mL)
3/μL)
AFP: α-Fetoprotein; PIVKA-II: Protein induced by vitamin K absence or antagonist-II
Cox Regressionsanalyse
Durchfälle, aber auch Schmerzen oder Schwierigkeiten beim Schlucken. Professor Wenz: „Auch die
Funktion von Nieren, Leber und Lungen müssen
intakt und die Blutwerte normal sein.“
Red
Literatur
1. Van Hagen P et al. Preoperative chemoradiotherapy
for esophageal or junctional cancer. N Engl J Med
2012; 366: 2074–2084.
Hohe Aussagekraft in
Frühstadien
Bei insgesamt 76 Patienten (21%) wurden
nach durchschnittlich 25,3 Monaten extrahepatische Metastasen festgestellt. In einer multivariaten Regressionsanalyse wurden als unabhängige Risikofaktoren PIVKA-II, das Tumorstadium, die Thrombozytenzahl und eine Portalvenenthrombose identifiziert (씰Tab. 1). Unter Berücksichtigung der anderen relevanten
Risikofaktoren und des AFP hatten Patienten
mit einem PIVKA-II >300 mAU/ml im Ausgangsbefund ein 2,7-fach erhöhtes Risiko
(95% KI 1,5–4,8; p<0,001), wenn das AJCCStaging-System zugrunde gelegt wurde (BCLC
3,7-fach; 95%-KI 2,0–6,6; p<0,001).
In Subgruppenanalysen der Tumorstadien sagte PIVKA-II die Wahrscheinlichkeit extrahepatischer Metastasen unabhängig vom AFP voraus.
Dies galt insbesondere bei frühen Erkrankungen:
Bei positivem PIVKA-II war das Risiko um den Faktor 8,8 (Stadium I AJCC; 95% KI 2,538–30,303;
p<0,001), den Faktor 3,4 (Stadium II; 95% KI
1,179–9,523; p = 0,025) und 2,2-fach erhöht (Stadium III; 95% KI 1,086–4,504; p = 0,025).
Im BCLC-System hatte PIVKA-II im Stadium
A und C prädiktiven Wert. Die vorangegangene
Therapie war mit der Aussagekraft des Markers
assoziiert und besonders hoch bei operierten
Patienten. Die Kombination verschiedener Tumormarker bestätigte die Unabhängigkeit des
PIVKA-II vom AFP.
Dr. med. Susanne Krome, Melle
Literatur
1. Bae HM et al. Protein induced by vitamin K absence or antagonist-II production is a strong predictive
marker for extrahepatic metastases in early hepatocellular carcinoma. BMC Cancer. 2011; 11:
435–440.
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ASCO – GastroOnkologie
200
Gastrointestinale Stromatumoren
Regorafenib als Drittlinientherapie
erfolgreich
Eine potenzielle neue Standardtherapie für Patienten mit metastasiertem bzw. inoperablem GIST nach Imatinib-und Sunitinib-Versagen sieht Prof. Carsten Bokemeyer,
Hamburg, in dem oralen Multikinase-Inhibitor Regorafenib. In der randomisierten
Phase-III-Studie GRID wurde Regorafenib als Drittlinientherapie nach Imatinib- und
Sunitinib-Versagen gegen best-supportiv-care verglichen und erreichte eine statistisch
hoch signifikante Verlängerung der PFS, dem primären Studienendpunkt (4,8 vs. 0,9
Monaten; HR 0,27; p<0,0001).
Die Krankheitskontrollrate betrug in der Regorafenib-Gruppe 52,6 %, in der Placebo-Gruppe
9,1 %. Die Ansprechraten waren insgesamt jedoch niedrig. Nach der Entblindung wechselten
85% der Patienten im Kontrollarm in den Regorafenib-Arm. Die weitere Auswertung zeigt,
dass die Cross-over-Patienten einen vergleich-
bar großen Vorteil von der Behandlung mit Regorafenib hatten wie die Patienten, die von Anfang an Regorafenib erhielten (LBA 10008).
Das Gesamtüberleben unterschied sich zwischen den beiden Gruppen nicht.
Häufigste Grad ≥3-Nebenwirkungen waren
das Hand-Fuß-Syndrom, Bluthochdruck und Di-
arrhö. Welche Patienten von Regorafenib am
besten profitieren können, ist derzeit noch offen, laut Bokemeyer „sicherlich“ jene mit kit
exon 9 und 11 Mutationen.
Die amerikanische Gesundheitsbehörde
Food and Drug Administration wird Regorafenib zur Therapie metastasierter und/oder nicht
operabler GIST-Tumore (GIST) bei Patienten,
deren Erkrankung trotz Behandlung mit mindestens Imatinib und Sunitinib weiter fortgeschritten ist, in einem vereinfachten Zulassungsverfahren („Fast Track“) prüfen.
Birgit Pohlmann, Nordkirchen
Literatur
1. Demetri G et al. Randomized phase III trial of regorafenib in patients with metastatic and/or unresectable gastrointestinal stromal tumor (GIST)
progressing despite prior treatment with at least
imatinib and sunitinib: GRID trial. J Clin Oncol
2012; 30(suppl): Abstract LBA10008.
Quelle: Post-ASCO-Veranstaltung: „Best-of-ASCO
Germany“ 2012 am 22. Juni 2012, Frankfurt/Main.
Literaturtipp
Neuroonkologie
„Besser informiert – besser behandeln“ unter diesem Leitthema hat Professor Nikolai Hopf, Stuttgart eine Sonderausgabe der Fachzeitschrift „Nervenheilkunde“ gestaltet.
Neuroonkologische Erkrankungen wurden lange Zeit von allen beteiligten Disziplinen stiefmütterlich behandelt. Ein Grund dafür ist sicherlich die relativ geringe Zahl der Patienten
mit neuroonkologischen Erkrankungen im Vergleich zu anderen Krebserkrankungen. Glücklicherweise änderte sich dies in den vergangenen 15 Jahren drastisch.
Ziel dieses Themenhefts ist ein Überblick
über die relevanten neuroonkologischen Erkrankungen und deren Behandlungsstrategie.
Ein neuroonkologisch langjährig erfahrenes
Autorenteam hat die Beiträge erstellt:
● Miriam Renovanz, Stuttgart, für die hirneigenen Tumore
● Florian Roser, Tübingen, für die Tumore
der Hirnhäute (Meningeome)
● Minou Nadji-Ohl, Stuttgart, für Hirnmetastasen.
●
●
●
●
●
Marc Münter, Stuttgart, für die Strahlentherapie
Christoph Beier, Aachen, für die medikamentösen Therapie.
Alf Giese, aktuelle experimentelle Ansätze
Dorothee Wiewrodt, Münster, psychische Belastung
Joachim Steinbach, Frankfurt am Main,
aktuelle Behandlungsansätze der Psychoonkologie
Das Heft kann direkt beim Verlag bestellt werden bei:
Claudia Böhm
Tel.: +49 (0) 7 11 / 2 29 87 27
Fax: +49 (0) 7 11 / 2 29 87 50
E-Mail: [email protected]
Onkologische Welt 4/2012
Dr. Peter Henning, Stuttgart
© Schattauer 2012
Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-08-22 | IP: 88.99.70.242
For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved.
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