Technikreport Lokale Therapie von Lebertumoren Roland Seidel1, Arno Bücker1, Philippe L. Pereira2 Status: Korrekturversand Klinische Situation Lebermetastasen und HCC. Nur ca. 20 % scher oder systemischer Therapie mit der notwendig. Einzelne Generatoren lassen interventionellen lokalen Tumortherapie auch den Einsatz mehrerer Sonden simul- vielversprechende Ergebnisse liefern. tan zu. Auch der Einsatz multipolarer Systeme, bei denen der Stromfluss zwischen der Patienten mit Lebermetastasen eines mehreren Sonden und unterschiedlichen kolorektalen Karzinoms sind primär chirurgisch resektabel. Evidenzen für die Perkutane Verfahren Elektroden erfolgt, ist möglich, um größere Tumoren zu therapieren. Resektion von Lebermetastasen anderer Primärtumoren liegen noch nicht vor. Für Radiofrequenzablation (RFA) Limitationen. Neben der inkompletten den überwiegenden Anteil der Patienten mit metastatischem kolorektalem Karzi- Prinzip und Geräte. Die Technik basiert auf Erfassung von Tumoren stellt die Nähe zu nom (CRC) gilt die systemische Chemo- einer Tumorzerstörung durch direkte angrenzenden Gefäßen ein Risiko für therapie als etabliertes Therapieverfahren. Erzeugung einer Koagulationsnekrose, die lokale Tumorrezidive dar. Aufgrund des Trotz erheblicher Fortschritte durch die durch Erhitzung des Tumorgewebes indu- Blutstromes kommt es in unmittelbarer Einführung neuer Substanzen sind die ziert wird. Hierzu wird durch eine Sonde Gefäßumgebung zu einem Kühleffekt lokalen Tumorkontrollraten wie auch das ein hochfrequentes Wechselstromfeld von („Heat-Sink-Effekt“), der die erforderliche Gesamtüberleben limitiert. Bei Patienten 375 – 500 kHz erzeugt, welches zu einer Erhitzung im Tumor konterkariert. mit hepatozellulärem Karzinom (HCC) Friktion ionischer Bestandteile führt und stellt die perkutane thermische Ablation darüber zur Erwärmung. Ergebnisse. Die Datenlage zeigt für kolorektale Metastasen eine gering höhere Gastro up2date "311", 16.2.15, seitenweise eine äquivalente Alternative zur Resektion dar. Die Lebertransplantation bleibt die Zur Anwendung kommen Sondenkonzep- Rezidivrate im Vergleich zur Resektion, beste therapeutische Option für diese te mit clusterartig kombinierten Sonden allerdings ohne Überlebensnachteile. Patienten, wenn das HCC aufgrund einer oder mehreren (üblicherweise 5 – 12) Grund hierfür ist die Möglichkeit einer Leberzirrhose entstanden ist. ausfahrbaren Elektroden in schirmartiger Wiederholung dieser minimalinvasiven Konfiguration. Darüber hinaus existieren Thermoablation. Die Komplikationsrate Lokale Tumortherapie. Als mögliche neben monopolaren Systemen, die einen dieses Verfahrens liegt mit 1 – 4 % dabei zusätzliche therapeutische Optionen Stromfluss im Patienten induzieren, auch deutlich unter der von chirurgischen haben sich somit immer mehr radiolo- bipolare Systeme mit Stromfluss zwischen Resektionen bei insgesamt kürzerem sta- gisch-interventionelle Ansätze der lokalen zwei Elektroden auf der Sonde. Zur Ver- tionärem Aufenthalt und geringen Kosten. Tumortherapie etabliert. Dabei kommen meidung von Karbonisierungseffekten bei lokal limitierten Tumoren perkutan unmittelbar um den Sondenschaft wird durchgeführte ablative Verfahren und bei bei einigen Systemen eine interne Was- Perkutane Verfahren fortgeschrittener Tumorlast katheterba- serkühlung eingesetzt. Indikationen: sierte Embolisationsverfahren zum Einsatz. Bei einer selektierten Patientengrup- Durchführung. Die Technik kann mittels pe kann die Kombination aus chirurgi- sonografischer, computertomografischer █ lokal limitierte Lebertumoren (Metastasen oder HCC) █ bei HCC äquivalente Alternative zur Resektion oder magnetresonanztomografischer 1 2 Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum des Saarlandes und Medizinische Fakultät der Universität des Saarlandes Klinik für Radiologie, Minimal-invasive Therapien und Nuklearmedizin, Klinikum am Gesundbrunnen, Heilbronn █ Kontrolle durchgeführt werden. Die █ Kombination mit chirurgischer oder systemischer Therapie möglich Patienten sind während der Prozedur in der Regel analgosediert. Bei Tumorgrößen über 3 – 5 cm sind eine mehrfache Repositionierung der Sonde und die Wiederholung des Ablationszyklus von ca. 15 min Limitationen: █ RFA: Nähe zu großen Gefäßen („HeatSink-Effekt“) Korrekturexemplar: Veröffentlichung (auch online), Vervielfältigung oder Weitergabe nicht erlaubt! Gastroenterologie up2date 11 ê 2015 █ 1 2 Lokale Therapie von Lebertumoren Abb. 1 █Perfundierte█??bitte prüfen█ Mikrowellenantenne der neuesten Generation für die Thermoablation primärer und sekundärer Lebertumoren (© Terumo Europe N.V., Belgien, mit freundlicher Genehmigung). Da durch diese Methoden größere Zielvolumina erreicht werden können, ist die Patientenzielgruppe durch Tumoren charakterisiert, die einer Ablation oder Resektion nicht zugänglich sind. Ergebnisse. In der gegenwärtigen Literatur konnten verschiedenste Verfahren ihre Effizienz beim intermediären HCC oder auch bei kolorektalen Metastasen bezüglich Tumorkontrolle und Gesamtüber- Mikrowellenablation (MWA) tasen als auch beim HCC. Bessere Ergeb- leben unter Beweis stellen. Dennoch nisse gibt es insbesondere bei Tumoren in besteht weiterhin eine lebhafte Diskussion Prinzip und Geräte. Auch diese Technik der Nähe von großen Gefäßen. Die Kom- bei der Identifikation der zielführendsten basiert auf der Tumordestruktion durch plikationsraten sind hier ebenfalls gering. Methode. Hitzeerzeugung. Hierbei werden über eine Antenne bipolare Wassermoleküle in einem hochfrequenten elektrischen Feld angeregt und erzeugen durch friktionale Bewegung Wärme (Abb. 1). Im Gegensatz Katheterbasierte Embolisationsverfahren zur RFA ist dabei kein Stromfluss im Gewebe erforderlich, sodass isolierende Transarterielle Chemoembolisation Die Standardtherapie des intermediären Allgemeines Effekte wie Karbonisierung oder Wasser- HCC stellt die transarterielle Chemoembolisation (TACE) dar. dampfbildung keine wesentliche Rolle Prinzip. Alle Embolisationsverfahren spielen. Aufgrund einer raschen Hitze- basieren auf einem superselektiven arte- Conventional TACE. Die größten Erfahrun- entwicklung mit Spitzen bis 160 °C sind riellen Zugang zur Leber, üblicherweise in gen liegen mit einem Chemoembolisa- die Ablationszyklen deutlich kürzer als bei einer Koaxialtechnik mit einem Führka- tionsverfahren vor, bei dem eine Suspen- der RFA. Dadurch entsteht auch ein theo- theter und einem Mikrokatheter (2,2 – 2,7 sion aus der öligen Substanz Lipiodol (7 – retischer Vorteil zur Vermeidung des F), der möglichst selektiv vor die Gefäß- 10 ml) und einem Chemotherapeutikum, Heat-Sink-Effektes. strombahn des Tumors gebracht wird. z. B. Doxorubicin (50 – 150 mg), unter Dabei ist insbesondere die Fehlembolisa- Durchmischung erzeugt und appliziert Es stehen gegenwärtig Generatortypen tion extrahepatischer Strukturen zu ver- wird. Die öligen Anteile dienen dazu, die mit Arbeitsfrequenzen von 915 MHz und meiden. Durch die Applikation spezieller Kontaktzeit des Chemotherapeutikums im 2450 MHz zur Verfügung. Die Systeme Suspensionen oder Partikel soll sich die Tumor zu verlängern. Anschließend variieren dabei erheblich in der abgege- antitumorale Therapie über die arterielle erfolgt die Embolisation mit abbaubaren benen Leistung zwischen 70 und 140 W. Strombahn entfalten. Dabei spielt der Partikeln. Diese Form der Therapie wird Bei höherer Leistung kommen Sonden mit möglichst selektive Zugang zum Tumor als „conventional TACE“ oder kurz „cTACE“ zusätzlicher interner Kühlung zum Ein- eine wichtige Rolle bei der lokalen Tumor- bezeichnet. Ein Vorteil der Methode ist die satz, um eine Überhitzung entlang des kontrolle. Einsetzbarkeit unterschiedlicher Chemo- Sondenschaftes zu vermeiden. therapeutika bei verschiedenen Tumoren- Gastro up2date "311", 16.2.15, seitenweise titäten. Durchführung. Mit einer Sonde sind derzeit Ablationszonen bis über 5 cm Querdurchmesser erreichbar. Die Anzahl der parallel einsetzbaren Sonden variiert auch Katheterbasierte Embolisationsverfahren hier unter den Herstellern. Analog zur RFA Indikationen: erfolgt die perkutane Anwendung sono- █ grafisch oder besser CT-gesteuert. █ Ergebnisse. Die aktuelle Datenlage zu dieser Technik berichtet lokale Tumorkontrollraten, die mindestens mit denen der Radioembolisation: Tumoren, die einer selektiven Chemoembolisation nicht (alleinige Ablation oder Resektion nicht mehr zugänglich sind (multifokal, möglich) diffus) Chemoembolisation: intermediäres HCC, Kombination mit Thermoablation möglich (verstärkt ablative Effekte) Limitationen: Chemoembolisation: selektiver Zugang █ zum Tumor muss gewährleistet sein RFA vergleichbar sind, sowohl bei Metas█ █ fortgeschrittene Tumorlast, palliativ Korrekturexemplar: Veröffentlichung (auch online), Vervielfältigung oder Weitergabe nicht erlaubt! Gastroenterologie up2date 11 ê 2015 █ Technikreport erreicht werden. Bei dieser Methode ist die Vermeidung von Fehlembolisationen essenziell, da schwerwiegende Ulzerationen im Magen-Darm-Trakt oder irreversible Lungenfibrosen entstehen können. Aus diesem Grund wird vor jeder Therapie in einer separaten angiografischen Untersuchung die Applikation der Partikel durch die Verabreichung von makroaggregiertem Albumin, das an den szintigrafischen Tracer Technetium gekoppelt ist (TcMAA), simuliert. Mittels SPECT-CT erfolgen die genaue Evaluation der Verteilung und die Festlegung der individuellen Zieldosis. Einsatzgebiet. Der gegenwärtige Konsens sieht das Einsatzgebiet dieses Therapie- Abb. 2 Mit Doxorubicin beladene Mikropartikeln für die Chemoembolisation mit einem Durchmesser zwischen 150 und 300 µm. Diese Partikel werden für die Therapie des HCC oder der Melanommetastasen eingesetzt (© BSD Medical Corporation, USA, und Terumo Europe N.V., Belgien, mit freundlicher Genehmigung). verfahrens bei Tumoren, die einer selektiven Chemoembolisation nicht mehr zugänglich sind. Aktuelle Studienansätze prüfen derzeit die Rolle der TARE in First- Drug-eluting Beads. Bei einer aktuelleren Aspekten zum Einsatz. Zudem eignen sich Line-Therapieansätzen bei kolorektaler Variante werden Embolisationspartikel diese Methoden auch für die Kombination Lebermetastasierung. direkt mit einem Chemotherapeutikum mit der Thermoablation, wobei die abla- beladen. Bei diesen sog. „Drug-eluting tiven Effekte verstärkt werden. Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Philippe L. Pereira Beads“, kurz DEB, besteht die Möglichkeit, Partikel unterschiedlicher Größe von 40 – 1200 µm mit Doxorubicin oder Irinotecan zu beladen (Abb. 2). In präklinischen Stu- Klinik für Radiologie, Minimal-invasive Transarterielle Radioembolisation Therapien und Nuklearmedizin Klinikum am Gesundbrunnen durch die Kontaktzeiten des Medikamen- Prinzip und Durchführung. Die transarte- Am Gesundbrunnen 20–26 74078 Heilbronn tes mit dem Tumor verlängert und syste- rielle Radioembolisation (TARE) verwen- E-Mail: [email protected] dien konnte gezeigt werden, dass hier- 90 90 mische Effekte und damit Nebenwirkun- det mit gen erheblich reduziert werden. partikel (ca. 45 µm) aus Glas oder Harz zur Einsatzgebiete. Auch diese Verfahren ler mit einer Gewebepenetration bis kommen sowohl beim HCC als auch bei maximal 20 mm. Hierbei können im kolorektalen Metastasen unter palliativen Tumor Zieldosen von 120 Gy und mehr Yttrium ( Y) beladene Mikro- Gastro up2date "311", 16.2.15, seitenweise Tumorembolisation. 90Y ist ein Betastrah- Fazit █ Das interventionelle Instrumentarium bei der Therapie von Lebertumoren ist sehr vielfältig. Dabei ist die Effizienz der █ attraktive Möglichkeiten der Leber█ tumortherapie dar. Es bieten sich viele Optionen zu syner- Verfahren, bezogen auf die lokale gistischem Handeln mit chirurgischen Tumorkontrolle und das Gesamtüber- und onkologischen Strategien, das leben der Patienten, unstrittig. durch ein interdisziplinär besetztes Auch aufgrund der relativ geringen Tumorboard mit Hepatologen, Onkolo- Nebenwirkungsraten und der Möglich- gen, interventionellen Radiologen und keit, diese Therapien zu wiederholen Chirurgen im Konsens festgelegt wer- oder zu kombinieren, stellen die vorgestellten minimalinvasiven Methoden den sollte. █ Korrekturexemplar: Veröffentlichung (auch online), Vervielfältigung oder Weitergabe nicht erlaubt! Gastroenterologie up2date 11 ê 2015 █ 3