HCC und Lebertransplantation Prof. Dr. Hans Jürgen Schlitt, Priv. Doz. Dr. Stefan A. Farkas Einführung Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist weltweit die dritthäufigste Ursache für karzinomassoziiertes Versterben und führt jährlich zum Tod von 500.000 Menschen. Die Leberzirrhose, unabhängig von der Genese, ist hierbei der wichtigste klinische Faktor für die Entstehung eines HCC. Zusätzliche Risikofaktoren wie HCV-Infektion erhöhen noch des Karzinomrisiko. Die Therapie des HCC orientiert sich heute an der Barcelona Clinic Liver Cancer Group (BCLC) Klassifikation, welche sowohl das Ausmaß des Tumors, den Grad der Zirrhose (CHILD-Stadium) und den klinischen Zustand des Patienten (Performance-Status) berücksichtigt (siehe Abbildung 1). Die Therapie sollte immer interdisziplinär geplant werden, am besten an einem ausgewiesenen Leberzentrum. BCLC Behandlungsstrategie (HCC) Intermediäres Stadium (B) Erweiterte Kriterien Multilokulär, PS 0 Frühes Stadium (A) Milan Kriterien, PS 0 Sehr frühes Stadium (0) Singuläre RF Singulär Milan Kriterien Downstaging schwere Begleiterkrankungen normal Nein TACE/RFA Sorafenib Transplantation 5-Jahres-Überleben: 50%–80% 6 Die besten Prädiktoren für das Überleben von Patienten mit HCC nach LTx sind die Milan-Kriterien3,4. Patienten, die die Milan-Kriterien (ein Knoten <5 cm oder bis zu 3 Knoten <3 cm) erfüllen und keine extrahepatischen Metastasen oder makrovaskuläre Invasion haben, können im Eurotransplant-Bereich für eine LTx gelistet werden. Hierbei muss der Tumor durch mindestens eine der drei folgenden Methoden nachgewiesen werden: 2. AFP >400 und Hypervaskularisation in einer Bildgebung RFA Kurative Ansätze (30%) Abbildung 1: Behandlungsstrategie HCC, modifiziert nach Barcelona Clinic Liver Cancer Group (BCLC) (PS=PerformanceStatus) Die beste Therapieoption für frühe, nicht resektable hepatozelluläre Karzinome in Zirrhose ist die Lebertransplantation (LTx). Hierbei wird der Tumor mit größtmöglichem Abstand inklusive möglicher Satellitenherde entfernt. Darüber hinaus wird die zugrundeliegende Zirrhose behoben, die auch für die Entstehung des Tumors verantwortlich ist. Für die Transplantation geeignet sind Patienten, die primär aufgrund eines CHILD B-C-Stadiums oder portaler Hypertension nicht reseziert werden können (BCLC Stadium A-C). Der Mangel an postmortalen Organspendern macht jedoch eine Selektion der Patienten hinsichtlich ihres Überlebens notwendig. 1. Biopsie Ja +/– Resektion Lebertransplantation Milan-Kriterien Fortgeschritten (C) Portal Invasion, N1, M1, PS 1-2 Portal-Druck/Bilurubin erhöht Kontrastierung, als Negativkontrast zu den arteriell anreichernden HCC-Herden, wird an der Universitätsklinik Regensburg im Rahmen einer Studie evaluiert. Diagnostik des HCC in Zirrhose Zur spezifischen Diagnostik und zum Staging des HCC ist eine optimierte und differenzierte Bildgebung notwendig. Als Standard zum Staging des HCC gilt ein CT Abdomen/Becken und Thorax sowie ein 3-PhasenCT der Leber. Darüber hinaus ist als komplementäre Bildgebung ein dynamisches MR der Leber mit leberspezifischem Kontrastmittel sinnvoll. Dabei können zumeist alle Läsionen >2 cm spezifisch diagnostiziert werden1. Bei Läsionen, die <2 cm sind und kein typisches Kontrastmittelverhalten zeigen, ist möglicherweise eine Feinnadelbiopsie sinnvoll. Eine Tumorverschleppung tritt hierbei nur in 2-4% der Fälle auf. Weiterführende Untersuchungen sind kontrastmittelverstärkter Ultraschall CEUS (contrast enhanced ultrasound) und ggf. ein FDG-PET. Dies dient sowohl zur Detektion extraheptischer Metastasen als auch zur prognostischen Evaluation des HCC, da es den Differenzierungsgrad des HCC reflektiert2. Ein MR mit selektiver portaler 3. Hypervaskularisation in zwei Bildgebungsverfahren Des weiteren müssen folgende Kriterien erfüllt sein: 1. Tumor innerhalb der Milan-Kriterien 2. keine extrahepatischen Metastasen 3. keine Makrogefäßinvasion Exceptional MELD für HCC Mit der Einführung des MELD (Model of end stage liver disease beruhend auf Kreatinin, Bilirubin und INR) als Grundlage für die Allokation eines Spenderorgans wurde auch ein sogenannter exceptional MELD für Patienten mit HCC eingeführt. Hierbei erhält der Patient zusätzlich anfangs 15% zu seinem aufgrund des Labors errechneten MELD-Scores dazu. Im Weiteren werden alle 3 Monate 10% der Punkte angerechnet. Somit konnte der HCC-Patient mit stabiler Organfunktion mit einer Wartezeit von ca. einem Jahr für den Erhalt eines postmortalen Spenderorgans rechnen. Allerdings hat sich aufgrund der dramatischen Verschlechterung der Organspendesituation in den letzten Jahren besonders in Deutschland die Wartezeit für diese Patienten deutlich verlängert. Außerdem wurden Ausgabe 1, 5. Jahrgang, Juni 2011 aufgrund der Möglichkeit des exceptionel MELD auch mehr Patienten mit HCC für die Lebertransplantation gelistet. Die längeren Wartezeiten bedingen auch einen vermehrten Tumorprogress. Downstaging, Tumorkontrolle und „Bridging“ bis zur Lebertransplantation Aufgrund dessen sind sogenannte Bridging-Methoden, die den Progress des Tumors während der Wartezeit stoppen, von zunehmender Bedeutung. Hierbei ist neben der lokalen Radiofrequenzablation (RFA) besonders die transarterielle Chemoembolisation (TACE) zu nennen, die auch wiederholt angewendet werden kann. Patienten mit HCC auf der Warteliste müssen alle 3 Monate mit einem bildgebenden Verfahren bezüglich des Tumorprogresses kontrolliert werden. Hierbei wird zum einen die Wirksamkeit der BridgingVerfahren und zum anderen ein Progress des Tumors untersucht. Wenn der nicht kontrollierbare Tumorprogress ein „Herausfallen“ aus den Milan-Kriterien bedingt, muss der Patient von der Warteliste genommen werden. Somit werden Patienten mit einer aggressiveren Tumorbiologie „biologisch“ selektioniert, die nach Transplantation auch ein deutlich schlechteres Überleben als die anderen Patienten hätten. Leberresektion als Bridging oder Downstaging zur Transplantation Für die Resektion des HCC kommen Patienten in gutem klinischen Allgemeinzustand mit CHILD A-Zirrhose oder ohne Zirrhose in Betracht (BCLC Stadium 0). Das Vorliegen einer portalen Hypertension ist kein Ausschlusskriterium für die Resektion, erhöht jedoch deutlich das operative Risiko. Eine mögliche chirurgische Resektion des Tumors in Patienten mit CHILD A-Zirrhose als initiale Therapie vor Listung zur LTx hat folgende Vorteile: Zum einen das Downstaging von Patienten mit größeren singulären Tumoren oder multilokulärem HCC. Zum anderen kann durch die Möglichkeit der vollständigen histologischen Aufarbeitung eine Gefäßinvasion und Mikrosatellitenherde dedektiert werden. Dies dient wiederum der Selektion der Patienten auf der Warteliste. Darüber hinaus ist die Resektion sofort verfügbar und bietet eine optimale Tumorkontrolle5. Zusammenfassend dient die Therapie des HCC vor LTx nicht nur als „neoadjuvante“ Therapie zur Kontrolle des Tumorwachstums und der Gefäßinvasion während der Wartezeit und damit dem Verbleib auf der Warteliste. Sie dient weiterhin dem Downstaging und der biologischen Selektion der Patienten. Leber-Lebendspende als Option Durch eine Leber-Lebendspende lässt sich die Wartezeit vermeiden und damit der mögliche Tumorprogress verhindern. Darüber hinaus entlastet es den limitierten Pool an postmortalen Spenderorganen. Da das potentielle Komplikationsrisiko für den Spender in erfahrenen Zentren relativ gering ist, sollte diese Möglichkeit bei Vorhandensein eines geeigneten Spenders evaluiert werden (siehe Abbildung 2). Die Komplikationen und das Überleben nach Lebendspende sind für den Empfänger mit der postmortalen Spende vergleichbar. Allerdings kann die Lebendspende – im Gegensatz zur postmortalen Spende – beim klinisch stabilen Patienten zum optimalen Zeitpunkt erfolgen. Abbildung 2: Leber-Lebendspende des linken Leberlappens nach Durchtrennung des Leberparenchyms im Spender Ergebnisse der Lebertransplantation für HCC Das 5-Jahresüberleben nach LTx bei HCC liegt zwischen 70 und 90% 6. Allerdings wird durch die notwendige lebenslange Immunsuppression das Rezidivrisiko erhöht. Die Ergebnisse der multinationalen Silver-Studie mit mTOR-Inhibitor als antitumoröser Immunsuppression sind abzuwarten. Patienten mit HCC und LTx sollten engmaschig mittels Bildgebung und AFP nachgesorgt werden. Literatur: 1. Sangiovanni A et al., Gut. 2010;59:638-644. 2. Sorensen M et al., Eur J Nucl Med Mol Imaging. 2011. 3. Mazzaferro V et al., N Engl J Med. 1996;334:693-699. 4. Yi NJ et al., Oncology, 2008;75 Suppl 1:124-128. 5. Belghiti J et al., Ann Surg, 2003;238:885-892. 6. Mazzaferro V et al., Ann Surg Oncol. 2008;15:1001-1007. Prof. Dr. Hans Jürgen Schlitt Priv. Doz. Dr. Stefan A. Farkas Universitätsklinikum Regensburg Universitätsklinikum Regensburg [email protected] [email protected] Ausgabe 1, 5. Jahrgang, Juni 2011 7