Bewegungssystem Muskulatur der oberen Extremitäten

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Bewegungssystem
Muskulatur der oberen Extremitäten
[1] Mm. supraspinatus (oben) und
infraspinatus (unten)
Schultermuskulatur
Die Schultermuskulatur entspringt am Schultergürtel und setzt am Humerus an.
Man kann eine dorsale Gruppe und eine ventrale Gruppe unterscheiden.
Zur dorsalen Gruppe gehören:
π M. supraspinatus (Obergrätenmuskel)
π M. infraspinatus (Untergrätenmuskel)
π M. teres minor (kleiner Rundmuskel)
π M. teres major (großer Rundmuskel)
π M. subscapularis (Unterschulterblattmuskel)
π M. deltoideus (Deltamuskel)
π M. latissimus dorsi (breiter Rückenmuskel)
M. supraspinatus, M. infraspinatus, M. teres minor und M. subscapularis kann man
als Rotatorenmanschette bezeichnen, da ihre Sehnen die Schultergelenkkapsel ver­
stärken und gemeinsam eine Art Dach über dem Schultergelenk bilden. Diese vier
Muskeln setzten alle am Tuberculum majus bzw. am Tuberculum minus des Humerus
an und können den Humerus rotieren.
Die ventralen Schultermuskeln sind die beiden Brustmuskeln
π M. pectoralis major (großer Brustmuskel) und
π M. pectoralis minor (kleiner Brustmuskel).
[2] Mm.teres major (unten) und
­minor (oben)
[3] M. subscapularis, Ansicht von
ventral
Retroversion | 136
174
Der M. supraspinatus entspringt an der Dorsalseite der Scapula oberhalb der Spina
scapulae und setzt am Tuberculum majus des Humerus an [Abb. 1]. Dadurch kann er die
Abduktion bewirken. Ist der Arm nach hinten gezogen, kann er ihn nach außen drehen.
Innerviert wird er aus dem Plexus brachialis über den N. suprascapularis.
Der M. infraspinatus entspringt unterhalb der Spina scapulae und setzt am Tuber­
culum majus des Humerus an [Abb. 1]. Er bewirkt eine Außenrotation des Humerus und
wird vom N. suprascapularis innerviert. Da seine Sehne in die Gelenkkapsel des Schul­
tergelenks einstrahlt, wirkt er auch als Kapselspanner.
Der M. teres minor entspringt am lateralen Rand der Scapula und zieht direkt kaudal
des M. infraspinatus zum Tuberculum majus [Abb. 2]. Dadurch bewirkt er die Außenro­
tation und Adduktion im Schultergelenk. Er wird vom N. axillaris innerviert.
An der unteren Ecke der Scapula entspringt der M. teres major, er verläuft nach
ventral-lateral zu einer Knochenkante unterhalb des Tuberculum minus [Abb. 2]. Er führt
die Innenrotation, Adduktion und |Retroversion aus. Innerviert wird er vom N. thora­
codorsalis. Er hat die gleiche Ansatzstelle und Innervation wie der M. latissimus dorsi,
da er in der Entwicklung gemeinsam mit diesem entsteht. Er unterstützt diesen auch
in der Funktionsweise, z. B. bei rudernden Bewegungen und Schlagwurfbewegungen.
Der M. subscapularis entspringt auf der Innenfläche des Schulterblattes und setzt
ventral am Tuberculum minus und der Gelenkkapsel an [Abb. 3]. Dadurch kommt es zur
Innenrotation. Seine Sehne ist mit der Gelenkkapsel verwachsen, wodurch er sie ver­
stärkt und spannt. Er ist wesentlich an der Führung des Schultergelenks beteiligt und
wird vom N. subscapularis innerviert.
3
Muskelsystem
Der M. deltoideus hat ein weites Ursprungsfeld, das zum engen Ansatz ein Delta bildet
[Abb. 4]. Abhängig vom Ursprung kann man drei Abschnitte unterteilen:
π Pars acromialis: Dieser Abschnitt entspringt am Acromion und kann den Arm
abduzieren.
π Pars clavicularis: Dieser Abschnitt entspringt am lateralen Drittel der Clavicula
und liegt ventral des Schultergelenks, er bewirkt Innenroation, Adduktion und
|Anteversion. Bei einer Stellung des Arms über 60 ° kann er abduzieren.
π Pars spinalis: Dieser Abschnitt entspringt an der Spina scapulae und bewirkt
Außenrotation, Adduktion und Retroversion. Gemeinsam mit der Pars acromi­
alis kann er den Arm abduzieren, wenn dieser über 60 ° angehoben ist.
[4] M. deltoideus
Der Ansatz ist für alle drei Anteile die Mitte des Oberarmknochens auf der Außenseite
an der Tuberositas deltoidea humeri. Innerviert wird er vom N. axillaris.
Anteversion | 136
Bei einer Lähmung des M. deltoideus kann der Arm nicht mehr vollständig oder nur Exspiration | 40
gegen größeren Widerstand abduziert werden.
Der M. latissimus dorsi ist ein außerordentlich breiter Muskel, woraus sich auch sein
deutscher Name ergibt [Abb. 5]. Er entspringt an den Dornfortsätzen der sechs unteren
Brustwirbel und an den Dornfortsätzen der Lendenwirbel, an der Rückseite des Os
sacrum, an der Crista iliaca, an der neunten bis zwölften Rippe und am unteren Eck
der Scapula mit einer breiten Sehnenplatte, einer Ursprungsaponeurose. Die Ansatz­
sehne setzt vor dem M. teres major an einer Knochenleiste ventral am Humerus unter
dem Tuberculum minus an. Er dient der Innenrotation, Adduktion und Retroversion
und zieht den erhobenen Arm herab bzw. den Körper an den er­hobenen Arm hin, z. B.
bei Klimmzügen. Ist der Arm fixiert, zieht er die unteren ­Rippen nach oben und wirkt
damit |exspiratorisch. Bei chronischem Husten kann der M. latissimus dorsi durch
seine starke exspiratorische Hilfsfunktion hypertrophieren. Innerviert wird er vom N.
thoracodorsalis aus dem Plexus brachialis.
Der M. pectoralis major kann abhängig vom Ursprung in drei Abschnitte unterglie­
dert werden [Abb. 6]:
π Pars clavicularis, von der medialen Hälfte der Clavicula
π Pars sternocostalis, vom Manubrium sterni und vom Corpus sterni
π Pars abdominalis, vom vorderen Blatt der Rektusscheide
Ansatz ist immer die Crista tuberculi majoris humeri, eine Knochenkante unterhalb vom
Tuberculum majus. Er bewirkt die Innenrotation, Adduktion und Anteversion, und er
unterstützt die Inspiration bei aufgestützten Armen als Atemhilfsmuskel. Er wird vom
N. pectoralis innerviert.
[5] M. latissimus dorsi
[6] M. pectoralis major
Oberarmmuskulatur
Die gesamte Oberarmmuskulatur ist |autochthon. Es gibt ventral eine Flexoren- autochthon | 159, 168
gruppe, die vom N. musculocutaneus innerviert wird und dorsal einen Extensor, der vom
N. radialis innerviert wird. Die Flexoren werden vom Extensor durch Bindegewebs­
septen getrennt, die von der Oberarmfaszie zum Humerus ziehen. Die Oberarmfaszie
ist die große Muskelfaszie aller Oberarmmuskeln. Das Septum lateral ist das Septum
intermusculare brachii laterale, auf der medialen Seite befindet sich das Septum muscu­
lare brachii mediale. Ventral liegen die Beuger:
π M. biceps brachii (zweiköpfiger Oberarmmuskel)
π M. coracobrachialis (Rabenarmmuskel)
π M. brachialis (Armbeuger)
Dorsal befindet sich nur der M. triceps brachii (Armstrecker).
175
Bewegungssystem
[1] M. biceps brachii, Ansicht
von ventral
[2] M. brachialis, Ansicht
von ventral­
Caput longum
Caput
laterale
Caput mediale
Der M. biceps brachii hat, wie der Name schon sagt, zwei Köpfe [Abb. 1]. Der lange Kopf,
Caput longum, entspringt an der Scapula oberhalb der Gelenkpfanne des Schulterge­
lenks. Seine Sehne verläuft durch die Gelenkhöhle des Schultergelenks. Der kurze
Kopf, Caput breve, entspringt am Processus coracoideus. Beide Köpfe vereinigen sich
im proximalen Drittel des Oberarms zu einem einheitlichen Muskel, der ventral am
Humerus nach distal zieht. Der Ansatz befindet sich am Radius an der Tuberositas
radii. Dadurch kann der M. biceps brachii mit dem langen Kopf im Schultergelenk
abduzieren und den Arm nach vorne bewegen, mit dem kurzen Kopf bewirkt er die
Adduktion, Anteversion und Innenrotation. Im Ellenbogengelenk bewirkt er eine Fle­
xion und durch den einseitigen Ansatz am Radius auch die Supination. Bei gebeugtem
Ellenbogen ist er sogar der stärkste Supinator. Innerviert wird er vom N. musculocuta­
neus aus dem Plexus brachialis, manchmal auch von Ästen aus dem N. medianus.
Der M. coracobrachialis entspringt am Processus coracoideus und setzt anterome­
dial am mittleren Humerusdrittel an. Er bewirkt Anteversion, Adduktion und Innen­
rotation im Schultergelenk. Innerviert wird er vom N. musculocutaneus.
Der M. brachialis entspringt an der distalen Hälfte der ventralen Humerusfläche in
einem ausgedehnten Ursprungsfeld und zieht zur Tuberositas ulnae [Abb. 2]. Dadurch,
dass auch Muskelfasern in die Gelenkkapsel des Ellenbogengelenks einstrahlen, kann
er diese vor Einklemmung bewahren. Außerdem beugt er im Ellenbogengelenk. Er
leitet die Beugebewegung ein, sodass der M. biceps brachii günstige Ausgangsbedin­
gungen für seine Kontraktion bekommt. Innerviert wird er vom N. musculocutaneus.
Der M. triceps brachii entspringt mit drei Köpfen [Abb. 3]. Es gibt ein Caput longum,
ein Caput laterale und ein Caput mediale. Seine Muskelmasse bildet das Relief der Ober­
armrückseite. Das Caput longum entspringt direkt unterhalb der Schultergelenks­
pfanne an der Scapula und etwas an ihrem lateralen Rand. Dieser Anteil ist zweigelen­
kig und wirkt im Schultergelenk adduzierend und im Ellenbogengelenk streckend.
Das Caput laterale entspringt etwas unter dem Caput longum am proximalen Hume­
rus und am Septum laterale. Es ist eingelenkig und bewirkt die Extension im Ellenbo­
gengelenk. Das Caput mediale entspringt medial am oberen Humerus und am Septum
mediale. Es ist ebenfalls eingelenkig und bewirkt Extension im Ellenbogengelenk. Al­
le drei Köpfe setzen am Olecranon an. Die Innervation erfolgt durch den N. radialis.
Unterarmmuskulatur
Die Unterarmmuskeln sind ebenfalls autochthon. Es gibt Flexoren und Extensoren.
Die Beuger entspringen eher auf dem ulnaren Teil der Ventralseite, die Strecker auf der
radialen Seite dorsal der Unterarmknochen. Bei den Flexoren unterscheidet man eine
oberflächliche und eine tiefe Schicht, bei den Streckern eine oberflächliche Schicht,
eine tiefe Schicht und eine radiale Gruppe.
Die Flexoren werden von N. medianus und von N. ulnaris innerviert, die Extensoren
vom N. radialis. Damit die Muskulatur und ihre Sehnen im Bereich der Handgelenke
an den knöchernen Strukturen bleiben, ist die Unterarmfaszie zu |Retinacula verdickt.
Wichtig ist besonders das Retinaculum flexorum.
Flexoren, oberflächliche Schicht:
Zur oberflächlichen Schicht der Flexoren gehören:
π M. pronator teres (runder Einwärtsdreher)
π M. flexor carpi radialis (speichenseitiger Handbeuger)
π M. palmaris longus (langer Hohlhandmuskel)
π M. flexor carpi ulnaris (ellenseitiger Handbeuger)
π M. flexor digitorum superficialis (oberflächlicher Fingerbeuger)
[3] M. triceps brachii, Ansicht
von dorsal
Retinacula | 166
176
3
Muskelsystem
Direkt unter der Haut sieht man die Ansatzsehnen dieser oberflächlichen Handbeuger
und zwar die Ansatzsehnen vom M. flexor carpi radialis, M. palmaris longus und M.
flexor carpi ulnaris [Abb. 4].
Der M. flexor carpi radialis entspringt am Epicondylus medialis des Humerus und
setzt palmar an der Basis des Os metacarpale II an. Er dient der Flexion in den Hand­
gelenken, der Radialabduktion und Pronation aus extremer Supinationsstellung. Er
wird vom N. medianus innerviert.
Ebenfalls am Epicondylus medialis entspringt der M. palmaris longus und setzt an
einer Sehnenplatte in der Handinnenfläche, der |Palmaraponeurose, an. Er beugt im Palmaraponeurose | 180
Handgelenk und spannt die Palmaraponeurose. Er wird vom N. medianus innerviert.
Der M. flexor carpi ulnaris entspringt am Epicondylus medialis, Olecranon und an den
oberen zwei Dritteln der Ulna und setzt am Os pisiforme, Os hamatum und an der
Basis des fünften Mittelhandknochens an. Er bewirkt Flexion im Handgelenk und die
Ulnarabduktion und wird vom N. ulnaris innerviert.
Der M. pronator teres entspringt mit einem Caput humerale am
M. pronator teres
Epicondylus medialis des Humerus und mit einem Caput ulnare am
M. flexor carpi radialis
Processus coronoideus der Ulna. Er zieht zur lateralen und dorsalen
M. palmaris longus
Fläche des mittleren Radiusdrittels. Er ist damit eingelenkig und
beugt und proniert im Ellenbogengelenk. Er wird vom N. medianus
innerviert.
Der M. flexor digitorum superficialis entspringt mit einem Ca­
put humeroulnare am Epicondylus medialis und dem Processus
coronoideus, mit einem Caput radiale an der Vorderfläche des Ra­
M. flexor digitorum superficialis
dius und zieht zu den Mittelphalangen der Finger zwei bis fünf. Er
M. flexor carpi ulnaris
beugt in den Handgelenken sowie in den Grund- und Mittelgelen­
ken von Zeigefinger bis kleinem Finger. Er wird vom N. medianus [4] Unterarm, oberflächliche Flexoren
innerviert.
Flexoren, tiefe Schicht:
Zur tiefen Schicht gehören drei Muskeln, die unter der oberfläch­
lichen Schicht der Flexoren liegen [Abb. 5]:
π M. flexor digitorum profundus (tiefer Fingerbeuger)
π M. flexor pollicis longus (langer Daumenbeuger)
π M. pronator quadratus (viereckiger Einwärtsdreher)
Der M. flexor digitorum profundus entspringt mit einem ulnaren
Teil an der Vorderfläche der Ulna und mit einem radialen Teil an
der Verbindungsmembran zwischen den beiden Unterarmkno­
chen, der Membrana interossea antebrachii. Er setzt an der Basis der
Endphalangen vom Zeigefinger bis zum kleinen Finger an und
beugt deshalb in den Hand- und Fingergelenken und ist an der
Ulnarabduktion beteiligt. Der ulnare Teil wird vom N. ulnaris inner­
viert, der radiale Teil vom N. medianus.
M. flexor pollicis longus
M. pronator quadratus
M. flexor digitorum profundus
[5] Unterarm, tiefe Flexoren
Die unterschiedliche Innervation hat klinische Bedeutung: Kommt es zu einer Lähmung des N. medianus, zeigt sich das als |Schwurhand: Bei einer Faust bleiben Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger gestreckt, d. h. die Flexion durch den N. medianus
fällt aus.
Der M. flexor pollicis longus entspringt an der Vorderfläche des Radius und der Mem­
brana interossea und zieht an die Endphalanx des Daumens. Er beugt in den Handund Daumengelenken, beugt und adduziert im Sattelgelenk und macht eine geringe
Radialabduktion im proximalen Handgelenk. Er wird vom N. medianus innerviert.
177
Schwurhand | 195
Bewegungssystem
M. flexor digitorum superficialis
M. flexor digitorum profundus
[1] M. flexor digitorium superficialis und profundus
M. extensor carpi ulnaris
M. extensor digiti minimi
M. extensor digitorum
[2] Unterarm, oberflächliche Extensoren
anatomische Tabatière
Der M. pronator quadratus hat seinen Ursprung distal an der Vor­
derfläche der Ulna und den Ansatz distal an der Vorderkante des
Radius und bewirkt durch seinen queren Verlauf ausschließlich
eine Pronation. Er wird vom N. medianus innerviert.
Die Muskeln der tiefen Schicht liegen unter den Muskeln der
oberflächlichen Schicht. Dabei gibt es eine Besonderheit: Es gibt
zwei Muskeln, die beide die Finger beugen, den M. flexor digitorum ­superficialis oberflächlich und den M. flexor digitorum profundus in der Tiefe [Abb. 1]. Dabei ist der Ansatz des tiefen Finger­
beugers an den Endphalangen, der Ansatz des oberflächlichen
Beugers an den Mittelphalangen, d. h., die Ansatzsehne des tiefen
Fingerbeugers muss durch die Ansatzsehne des oberflächlichen
Fingerbeugers hindurch, um jenseits von diesem anzusetzen.
Dieses Phänomen wird auch als Knopfloch bezeichnet. Die Ansatz­
sehne des oberflächlichen Beugers bildet einen Tunnel, das Knopf­
loch, und lässt die Ansatzsehne des tiefen Beugers passieren.
Strecker, oberflächliche Schicht:
Zur oberflächlichen Schicht der Strecker gehören drei Muskeln,
die alle im Bereich des kleinen Fingers ansetzen:
π M. extensor digitorum (Fingerstrecker)
π M. extensor digiti minimi (Kleinfingerstrecker)
π M. extensor carpi ulnaris (ellenseitiger Handstrecker)
M. abductor pollicis longus
Die Strecker werden vom N. radialis versorgt. Kommt es zu einer
Radialislähmung ergibt sich daraus klinisch die |Fallhand. Eine
Extension im Handgelenk ist nicht mehr möglich, die Hand fällt
M. supinator
bei waagrecht gehaltenem Unterarm nach unten.
Der
M. extensor digitorum entspringt am Epicondylus lateralis und
M. extensor indicis
setzt auf der Rückseite der Finger an einer Sehnenplatte an, der
M. extensor pollicis longus
Dorsalaponeurose. Er streckt in den Handgelenken und den Fin­
gergelenken von Zeigefinger bis zum kleinen Finger, ­außerdem
M. extensor pollicis brevis
spreizt er Zeigefinger, Ringfinger und kleinen Finger. Er wird aus
[3] Unterarm, tiefe Extensoren
dem N. radialis innerviert.
Der M. extensor digiti minimi kommt vom Epicondylus lateralis und geht zur Dorsa­
laponeurose des kleinen Fingers. Er streckt in den Handgelenken sowie in den Gelen­
ken des kleinen Fingers und bewirkt Ulnarabduktion sowie Abspreizen des kleinen
Fingers. Er wird aus dem N. radialis innerviert.
Fallhand | 194
Der M. extensor carpi ulnaris entspringt mit einem Caput humerale am Epicondylus
lateralis und mit einem Caput ulnare an Ole­cranon und Ulnarückseite und geht an die
Basis des Kleinfingermittelhandknochens. Er streckt und abduziert im Handgelenk
und wird aus dem N. radialis innerviert.
Strecker, tiefe Schicht:
Zur tiefen Streckerschicht gehören v. a. Daumenmuskeln [Abb. 3]. Alle werden vom
R. profundus des N. radialis innerviert. Im Einzelnen sind es
π M. supinator,
π die Daumenmuskeln M. abductor pollicis longus, M. extensor pollicis brevis,
M. extensor pollicis longus sowie
π der Zeigefingermuskel M. extensor indicis.
178
3
Muskelsystem
Der M. supinator entspringt am Epicondylus lateralis, am radialen Kollateralband, am
Ligamentum anulare radii und am Radius. Er setzt an der Vorder- und Seitenfläche des
Radius an und bewirkt, wie sein Name schon sagt, die Supination.
An der der Unterarmrückseite hat der M. abductor pollicis longus seinen Ursprung,
und zwar an der Dorsalseite von Membrana interossea, Ulna und Radius. Die Ansatz­
stelle ist an der radialen Basisseite des ersten Mittelhandknochens und am Os trapezi­
um. Damit kann der Muskel den Mittelhandknochen im Daumenstrahl abspreizen
und im proximalen Handgelenk abduzieren.
Der M. extensor pollicis brevis hat seinen Ursprung an der dorsalen Radiusfläche unter
dem M. abductor pollicis longus. Ansatz ist die Grundphalanxrückseite des Daumens.
Damit kann der Muskel im Daumengrundgelenk strecken sowie eine Radialabduktion
im proximalen Handgelenk und im ersten Karpometakarpalgelenk hervorrufen.
Oft sind M. abductor pollicis longus und M. extensor pollicis brevis miteinander
verwachsen.
Der M. extensor pollicis longus entspringt an der Dorsalseite der Ulna und an der
Membrana interossea. Er setzt an der Basis der Daumenendphalanx an. Damit streckt
er in Grund- und Endgelenk des Daumens, adduziert und reponiert im Sattelgelenk
und kann in den Handgelenken strecken bzw. radialabduzieren.
Zwischen den Sehnen von M. abductor pollicis longus und M. extensor pollicis
brevis lateral sowie der Sehne des M. extensor pollicis longus medial befindet sich ein
kleines Grübchen, die anatomische |Tabatière. In ihr kann man die A. radialis ertasten.
Ursprung des M. extensor indicis ist die distale Rückfläche von Ulna und ­Membrana
interossea, Ansatz ist die Dorsalaponeurose des zweiten Fingers. Der Muskel streckt
in den Zeigefingergelenken und adduziert diesen an den Mittelfinger, außerdem
streckt er in den Handgelenken.
Radiale Muskelgruppe:
Zur radialen Muskelgruppe gehören die drei Muskeln [Abb. 4]
π M. brachioradialis (Oberarmspeichenmuskel),
π M. extensor carpi radialis longus (langer speichenseitiger
Handstrecker) und
π M. extensor carpi radialis brevis (kurzer speichenseitiger
Handstrecker).
Der M. brachioradialis entspringt an der lateralen Humeruskante
und am Septum laterale [Abb. 4 und 5]. Er setzt distal an der seitlichen
Fläche des Radius an. Damit beugt er im Ellenbogengelenk und
macht je nach Stellung Pronation oder Supination.
Der M. extensor carpi radialis longus hat seinen Ursprung im
Bereich des Epicondylus lateralis und setzt an der Basis des zweiten
Mittelhandknochens an [Abb. 4]. Dadurch ist er zweigelenkig und
beugt im Ellenbogengelenk, streckt in den Handgelenken, abdu­
ziert nach radial und proniert aus extremer Supination.
Der M. extensor carpi radialis brevis kommt vom Epicondylus
lateralis zur Dorsalseite der Basis des Mittelhandknochens im
Mittel­fingerstrahl [Abb. 4]. Er streckt in den Handgelenken.
Handmuskulatur
In der Hand gibt es drei Muskelgruppen:
π Thenargruppe: Muskeln des Daumenballens
π tiefe Hohlhandmuskeln: Muskeln in der Mitte
π Hypothenargruppe: Muskeln des Kleinfingerballens
Tabatière
frz. = Schnupftabakdose;
Schnupfer geben den
Schnupftabak gerne in
dieses Grübchen, um ihn
zu inhalieren
Da der Zeigefinger auch
vom M. extensor digitorum
gestreckt wird, kann man die
Sehne des M. extensor indicis
als „Ersatzteillager“ für entzündete, verlorene und anderweitig irreparabel geschädigte
Sehnen an der Hand verwenden.
M. extensor carpi radialis longus
M. brachioradialis
M. extensor carpi radialis brevis
[4] Unterarm, radiale Muskelgruppe
[5] M. brachioradialis
Diese Muskeln werden von N. medianus und N. ulnaris innerviert.
179
Bewegungssystem
M. abductor pollicis brevis
M. flexor pollicis brevis,
Caput profundum
M. flexor pollicis brevis,
Caput superficiale
M. adductor pollicis,
Caput transversum
M. adductor pollicis, Caput obliquum
[1] Muskeln der Thenargruppe
Direkt unter der Haut im Handbereich wird die Muskulatur von
einer Faszie bedeckt, die sich in der Mitte zur derben Palmaraponeurose verdickt. Von ihr gehen nach innen drei Septen ab, die die
drei Muskelgruppen in |Muskellogen trennen.
Die Muskeln der Thenargruppe bewirken Feinbewegungen des
Daumens [Abb. 1]. Die wichtigen Daumenbewegungen finden im Sat­
telgelenk statt, also im Gelenk zwischen Handwurzel und Mittelhand
im Daumenstrahl. Im Einzelnen sind folgende Muskeln abgrenzbar:
π M. abductor pollicis brevis (kurzer Daumenspreizer)
π M. flexor pollicis brevis (kurzer Daumenbeuger)
π M. opponens pollicis (Gegensteller des Daumens)
π M. adductor pollicis (Daumenanzieher)
Ursprung des M. abductor pollicis brevis ist das Os scaphoideum, Ansatz ist die Grund­
phalanx des Daumens und das laterale Sesambein. Durch diesen Muskel kommt es zur
Abduktion und Innenrotation bei der Oppositionsbewegung. Die Innervation erfolgt
durch den N. medianus.
Der M. flexor pollicis brevis entspringt mit einem Caput superficiale vom Retinaculum
flexorum und mit einem Caput profundum vom Os trapezium, Os trapezoideum und
Os capitatum. Ansatz ist beide Male die Grundphalanx des Daumens und das laterale
Sesambein. Das Caput superficiale bewirkt Abduktion und Innenkreisen bei der Oppo­
sition, das Caput profundum Flexion im Grundgelenk, Adduktion und Opposition. Das
Caput superficiale wird vom N. medianus, das Caput profundum vom N. ulnaris innerviert.
Der M. opponens pollicis entspringt am Retinaculum flexorum und am Os trape­zium
und setzt an der radialen Kante des ersten Mittelhandknochens an. Dadurch bewirkt der
Muskel Adduktion, Opposition und Einwärtsrotation im Sattelgelenk. Die Innervation
erfolgt durch den N. medianus.
Der M. adductor pollicis entspringt mit einem Caput obliquum am Os metacarpale
II, Os capitatum und Os hamatum. Das Caput transversum entspringt an der palmaren
Fläche des dritten Mittelhandknochens. Beide inserieren an der Grundphalanx des
Daumens und am medialen Sesambein. Das Caput obliquum bewirkt Adduktion,
­Opposition und Flexion im Daumengrundgelenk, das Caput transversum bewirkt nur
Adduktion und Opposition. Beide werden aus dem N. ulnaris innerviert.
Muskelloge | 163
Die tiefen Hohlhandmuskeln befinden sich zwischen den Mittelhandknochen. Es gibt
zwei Gruppen:
π Mm. lumbricales (wurmförmige Handmuskeln)
π Mm. interossei (Zwischenknochenmuskeln)
Krallenhand | 195
Sie sind für die Feineinstellung der Fingerbewegungen zuständig.
Als wichtigste Bewegung beugen sie in den Grundgelenken und
strecken in den Mittel- und Endgelenken. Da die meisten Muskeln
vom N. ulnaris innerviert werden, kommt es bei einer Ulnaris­
lähmung zu typischen Erscheinungen, die durch den Ausfall der
Mm. lumbricales und Mm. interossei entstehen. Es kommt zu
|Krallen­hand mit einer Extension in den Grundgelenken und
­Flexion in Mittel- und Endgelenken.
Die Mm. lumbricales entspringen radial an den Sehnen des
M. flexor digitorum profundus und ziehen zur Dorsalaponeurose
[Abb. 2]. Sie beugen in den Grundgelenken und strecken in den Mit­
tel- und Endgelenken. Die Muskeln im Zeige- und Mittelfinger­
strahl werden vom N. medianus innerviert, im Ring- und Klein­
fingerstrahl vom N. ulnaris.
[2] Mm. lumbricales
180
3
Muskelsystem
Bei den Mm. interossei gibt es zwei Gruppen:
π Mm. interossei palmares (untere Zwischenknochenmuskeln)
π Mm. interossei dorsales (obere Zwischenknochenmuskeln)
Die Mm. interossei palmares sind einköpfig [Abb. 3]. Sie entspringen
an der ulnaren Seite des Zeigefingermittelhandknochens und an
der radialen Seite von Ring- und Kleinfingermittelhand­knochen.
Sie setzen jeweils in der Dorsalaponeurose von Zeige-, Ring- und
kleinem Finger an. Damit beugen sie in den Grundgelenken, stre­
cken in den Mittel- und Endgelenken und adduzieren zum Mittel­
strahl hin. Sie werden vom N. ulnaris innerviert.
Die Mm. interossei dorsales entspringen zweiköpfig an den ein­
ander zugewandten Flächen der Mittelhandknochen [Abb. 4]. Sie
inse­rieren in den Dorsalaponeurosen von Zeige-, Mittel- und Ring­
finger. Sie beugen in den Grundgelenken, strecken in den Mittelund Endgelenken von Zeige-, Mittel- und Ringfinger und abduzie­
ren den Zeigefinger nach radial, den Ringfinger nach ulnar und
den Mittelfinger sowohl nach radial als auch nach ulnar. Sie werden
ebenfalls vom N. ulnaris innerviert.
Zum Kleinfingerballen gehören die vier Muskeln der Hypothenargruppe [Abb. 5]:
π M. abductor digiti minimi (Kleinfingergegensteller)
π M. flexor digiti minimi brevis (kurzer Kleinfingerbeuger)
π M. opponens digiti minimi (Gegensteller des Kleinfingers)
π M. palmaris brevis (kurzer Hohlhandmuskel)
[3] Mm. interossei palmares
[4] Mm. interossei dorsales
M. palmaris brevis
M. flexor digiti
minimi brevis
Alle Muskeln werden aus dem N. ulnaris innerviert.
Der Ursprung des M. abductor digiti minimi ist am Retinaculum
flexorum und am Os pisiforme. Der Ansatz ist ulnar an der Grund­
phalanx des Kleinfingers. Dadurch kommt es zur Abduktion des
Kleinfingers.
Der M. flexor digiti minimi brevis entspringt am Retinaculum
M. abductor digiti minimi
flexorum und am Os hamatum und setzt palmar an der Grund­
phalanxbasis des Kleinfingers an, damit beugt er im Kleinfinger­ [5] Muskeln der Hypothenargruppe
grundgelenk.
Ursprung des M. opponens digiti minimi ist am Retinaculum flexorum und am
Os hamatum, Ansatz ist am Mittelhandknochen des Kleinfingers. Der Mittelhand­
knochen wird durch diesen Muskel nach palmar gezogen.
Der M. palmaris brevis entspringt an der |Palmaraponeurose, von der aus er quer Palmaraponeurose | 180
nach ulnar verläuft und an der Haut über dem Kleinfingerballen ansetzt. Dieser Muskel
spannt die Haut und schützt die ulnaren Leitungsbahnen (N. ulnaris, A. ulnaris).
181
Bewegungssystem
Erkrankungen des Muskelsystems
3. 3. 3
Myalgien und Myogelosen
Muskelschmerzen kommen als |Muskelkater nach Überlastungen, aber auch bei
einseitiger Dauerbeanspruchung vor, besonders nach langem Sitzen am Computer
ohne Bewegungsausgleich. Die Muskeln, besonders diejenigen der Wirbelsäule, ver­
spannen sich und aktivieren die Schmerzrezeptoren des Nervensystems. Die Nerven­
reizung erhöht reflektorisch wieder die Spannung der Muskulatur. Schmerz und Ver­
spannung bilden so einen Teufelskreis.
Aus dem Muskelschmerz, der Myalgie, wird eine Muskelverhärtung, die
­Myogelose, mit harten, druckschmerzhaften Bereichen der Muskulatur. Die
verspannte Muskelpartie fühlt sich schwer an. Die am häufigsten betroffenen
Wirbelsäulenabschnitte sind die HWS und die LWS [Abb. 1].
Ist die HWS betroffen, kommen zu den Nackenschmerzen oft noch Kopf­
schmerzen als Spannungskopfschmerz und Schulter-Arm-Schmerzen hin­
zu. Im Lendenbereich entwickelt sich eine schmerzbedingte Schon- und
Fehlhaltung und der Schmerz-Verspannungs-Kreislauf nimmt seinen Lauf:
π Die physiologische Lordose wird abgeflacht.
π Ständige Muskelverspannungen mindern die Knochen- und
­Gelenkdurchb­lutung, was die Degeneration fördert.
π Die Degeneration verursacht Schmerzen, welche die Verspannung
Häufigste Lokalisationen der Myogelosen
der ­Muskulatur wiederum erhöht.
Muskelkater | 152
[1]
Bei Erkrankungen der Wirbelsäule sind häufig psychosomatische Zusammenhänge
vorhanden. Viele Patienten sind (zunächst) an arbeitsfreien Tagen beschwerdefrei.
Die Diagnose erfolgt anhand der Anamnese und Palpation der schmerzhaften Muskel­
partien. Zum Ausschluss anderer Krankheiten erfolgt ggf. eine ­Untersuchung mittels
bildgebender Verfahren.
Zur Therapie werden bei akuten Beschwerden Analgetika, Wärmeanwendung und
ggf. Infiltration der schmerzhaften Bereiche mit Lokalanästhetika mit dem Ziel der
Muskelentspannung sowie Massagen eingesetzt. Für die langfristige Behandlung wer­
den Ausgleichssport, Muskelkräftigung, Rückenschule, ergonomische Beratung am
Arbeitsplatz und bei Bedarf eine psychosomatische Therapie empfohlen. Ausgleichs­
sport bei sitzender Tätigkeit, vielseitige Bewegung auch im Alltag und Entspannungs­
techniken als Stressausgleich dienen der Prophylaxe.
Myofasziale Triggerpunkte
Durch Überlastung oder traumatische Überdehnung, wie z. B. beim Supinations­
trauma, entstehen in einem Muskel häufig Zonen, die durch eine Hypoxie charakteri­
siert sind. Als Folge der Sauerstoffunterversorgung können sich in diesen Bereichen
des Muskels die |Myosin- und |Aktinfilamente nicht mehr voneinander lösen. Diese
erkrankten Gebiete sind als |Triggerpunkte tastbar: Durch Provokation mittels Druck
wird ein Schmerz ausgelöst, der häufig in andere Körperregionen übertragen wird. Der
betroffene Bereich sendet Schmerzinformationen an das Gehirn, welches diesen Reiz
jedoch nicht dem verursachenden Ort, sondern einem anderen Bereich zuordnet. Die­
ser übertragene Schmerz wird als „referred pain“ bezeichnet. Neben Schmerzen kön­
nen auch Bewegungseinschränkungen, Parästhesien, Muskelschwächen ohne Atro­
phie, propriozeptive Störungen mit Beeinträchtigung der Koordination und autonome
vegetative Reaktionen durch Triggerpunkte verursacht werden.
Zur Therapie werden manuelle Techniken in Kombination mit Detonisierung, Deh­
nung und funktioneller Kräftigung des betroffenen Muskels angewandt.
Myosinfilamente | 22
Aktinfilamente | 22
Triggerpunkt
trigger, engl. = Auslöser
182
3
Muskelsystem
Myasthenie
Das Myastheniesyndrom bezeichnet die abnorme Ermüdung der Skelettmuskula­
tur. Diese steigert sich unter gleichförmiger Belastung und bildet sich in Ruhe zurück.
In der |Elektromyografie sind typische Reaktionen nachweisbar. Es gibt verschiedene
Formen:
π Myasthenia gravis pseudoparalytica
π okuläre Myasthenie
π symptomatische Myasthenie
Elektromyografie
diagnostisches Verfahren
zur Messung der elektrischen
Muskelaktivität
Die Myasthenia gravis pseudoparalytica wird auch als Erb-Goldflam-Krankheit be­
zeichnet. Es handelt sich dabei um eine Autoimmunerkrankung. Im Blutserum der
Erkrankten befinden sich Antikörper gegen den Neurotransmitter |Azetylcholin, da­ Azetylcholin | 208
durch wird die Reizübertragung an der |motorischen Endplatte behindert [Abb. 2]. Bei motorische Endplatte | 201
Belastung ermüdet die Skelettmuskulatur ungewöhnlich schnell, besonders betroffen
sind die Muskeln im Bereich der Augen, des Gesichtes und des Rachens. Eine gefürch­
tete Folge der Erkrankung sind Atemlähmungen. Die Diagnose der Erkrankung erfolgt
durch Gabe von Azetylcholinesterasehemmern, den Nachweis der Antikörper im
­Serum und im Elektromyogramm. Die Azetylcholinesterasehemmer verlangsamen
den Abbau von Azetylcholin und verstärken dadurch dessen Wirkung; der Patient
wacht unter dem Medikament eindrucksvoll auf. Die Therapie besteht in der Gabe von Thymektomie
Azetylcholinesterasehemmern, Immunsupressiva oder auch einer |Thymektomie. operative Entfernung des
Die Thymektomie ist eine empirisch wirksame Maßnahme, deren Wirkzusammen­ Thymus
hang noch nicht vollständig erforscht ist.
Die okuläre Myasthenie ist eine Sonderform der Myasthenia gravis, die sich auf die
äußere Augenmuskulatur beschränkt: Dem Patienten fallen die Augen zu [Abb. 3]. Die
Krankheit wird wie die Myasthenia gravis diagnostiziert und behandelt.
Die symptomatische Myasthenie ist eine Muskelschwäche, die zum Myasthenie­
syndrom führen kann. Sie wird ausgelöst durch Autoimmunerkrankungen (|Lupus Lupus erythematodes | 146
erythematodes), Virusinfektionen (|Poliomyelitis) oder Medikamente (verschiedene Poliomyelitis | 99
Antibiotika).
Nerv
Endknöpfchen
Azetylcholin
Antikörper
Rezeptor für Azetylcholin
Muskel
[2] Zelluläre Vorgänge bei Myasthenia gravis pseudo­
paralytica im Bereich der motorischen Endplatte
[3] Patientin mit okulärer Myasthenie im Bereich
des rechten Auges
183
Bewegungssystem
Spinale Muskelatrophie
Bei der spinalen Muskelatrophie entsteht ein Muskelabbau durch die Degeneration
der motorischen |Vorderhornzellen im Rückenmark. Durch den Verlust der motori­
schen Nervenzellen werden Impulse vom Gehirn nicht zu den Muskelzellen weiter­ge­
leitet. Die Folge sind verminderte Muskelspannung, Muskelschwund und Lähmungen.
Vorderhorn | 191
Es werden verschiedene Verlaufsformen der spinalen Muskelatrophie unterschieden:
π Die infantile Form beginnt bereits im Mutterleib. Die Kinder weisen direkt
nach der Geburt einen verminderten Muskeltonus auf. Durch den Ausfall der
Atemmuskulatur sterben die Kinder meist vor dem dritten Lebensjahr.
π Die intermediäre Form beginnt in den ersten Lebensmonaten. Es entwickeln
sich Krümmungen der Wirbelsäule und Deformitäten des Brustkorbs. Nur etwa
ein Drittel der Kinder erlebt das zehnte Lebensjahr, manche werden auch älter.
π Die juvenile Form beginnt im Kindes- oder Jugendalter. Die Kinder zeigen eine
Muskelschwäche im Becken- und Schultergürtel, entwickeln Kontrakturen und
sind im weiteren Verlauf auf den Rollstuhl angewiesen.
π Die bulbospinale Form tritt erst zwischen dem 30. – 50. Lebensjahr auf und äußert
sich durch Muskelschwäche im Mundbereich, Schluck- und Kau­störungen,
Sprach­störungen sowie einer Schwäche der rumpfnahen Muskulatur.
Diagnostik und Therapie der spinalen Muskelatrophie sind vergleichbar mit der
|Muskel­dystrophie Duchenne.
Muskel­dystrophie
Duchenne | 185
Muskeldystrophien
|Progressive Muskeldystrophie ist eine Bezeichnung für eine Gruppe verschiedener
progressiv
fortschreitend
genetisch bedingter und chronisch verlaufender Erkrankungen der Skelettmuskulatur.
Ursache ist ein Defekt im Stoffwechsel der Muskelzelle, wodurch es zu einem Abbau
der Muskulatur mit Ersatz durch Fett- und Bindegewebe kommt [Abb. 1]. Kennzeich­
nend ist eine fortschreitende Muskelschwäche. Es sind ca. 30 Formen dieser Erkran­
kung bekannt. Sie unterscheiden sich vorwiegend durch das Erkrankungsalter, die
Ausprägung der Muskelschwäche und durch die Geschwindigkeit des Verlaufes. Die
Muskeldystrophie ist eine unheilbare Erkrankung.
normal
neuromuskuläre Erkrankungen
absolute und/oder relative
Vermehrung von Grenzflächen
wenig Grenzflächen im Gewebe
Muskelfaser
Primärbündel
Sekundärbündel
Faszie
[1] Mikroskopisches Bild eines Muskels im Querschnitt
184
3
Muskelsystem
Muskeldystrophie Duchenne
Die Muskeldystrophie Duchenne ist die häufigste Form der Muskeldystrophien und Dystrophin
betrifft mit 1 : 3500 Kindern fast ausschließlich Jungen zwischen dem ersten und Protein, das Bestandteil
sechsten Lebensjahr. Ursache ist ein defektes Gen für |Dystrophin auf dem X-Chromo­ des Sarkolemm ist
som. Dies führt zu einem Dystrophinmangel und damit zu einem Abbau der Skelett-, Hyperlordose
Herz- und Atemmuskulatur.
verstärkte Lordose
Betroffen von der Muskelschwäche ist zuerst der Beckengürtel, wodurch die Kinder
spät laufen lernen, einen unsicheren Gang aufweisen, stolpern und oft stürzen.
­Typisches Merkmal ist, dass die Kinder beim Aufstehen den Vierfüßlerstand einneh­
men und sich mit den Händen zunächst an den Unter-, dann an den Oberschenkeln
abstützen [Abb. 2]. Im Verlauf entwickeln sich eine |Hyperlordose im Bereich der Lenden­
wirbelsäule, Spitzfüße, eine Hypertrophie der Waden sowie im späteren Verlauf ein
Muskelabbau im Schultergürtelbereich. Zwischen dem neunten und zwölften Lebens­
jahr geht die Geh- und Stehfähigkeit verloren und die Betroffenen sind auf den Rollstuhl
angewiesen. In dieser Phase entwickelt sich eine |Skoliose, die zur Einschränkung der Skoliose | 100
Sitzfunktion führt und zusätzlich die Herz- und Lungenfunktion beeinträchtigt. Gleich­ Atemvolumina | 42
zeitig nehmen die |Atemvolumina durch den Abbau der Atemmuskulatur ab. Die Herz­ Eigenreflex | 202
muskulatur ist erst in späten Stadien betroffen und weist dann Herz-Rhythmus-Stö­
rungen auf. Bis zu 30 % der Kinder zeigen eine Intelligenzminderung.
Hinweise auf die Diagnose geben Anamnese, klinische und neurologische Unter­
suchungen (Fehlen der |Muskeleigenreflexe), erhöhte Werte des Muskelenzyms Krea­
tinkinase im Blut sowie strukturelle Veränderungen des Muskels in MRT.
Da die Erkrankung genetisch bedingt ist, kann die Therapie nur symptomatisch
erfolgen. Für die effektive Behandlung ist eine konsequente interdisziplinäre Zusam­
menarbeit u. a. zwischen Physio- und Ergotherapeuten nötig. Im Vordergrund steht
der möglichst lange Erhalt der Geh- und Stehfähigkeit sowie das Verhindern von Be­
wegungseinschränkungen durch:
π frühzeitige operative Eingriffe zur Behandlung von Kontrakturen
π Kortisongabe, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern
π Hilfsmittelangebote zum Ermöglichen der Teilnahme am Leben
π Beatmung bei zunehmender Schwäche der Atemmuskulatur
π eiweiß- und vitaminreiche, aber fett- und kohlenhydratarme Ernährung
zur Vermeidung von Übergewicht
π psychosoziale Betreuung
Etwa 75 % der Betroffenen versterben im zweiten Lebensjahrzehnt, überwiegend
durch Ateminsuffizienz, weniger durch Herzversagen.
[2] Typischer Bewegungsablauf beim Aufstehen aus dem Liegen bei Kindern mit einer Muskeldystrophie Duchenne
185
Bewegungssystem
Praxis Physiotherapie
Die Arbeit mit und an der Muskulatur bildet einen der Hauptschwerpunkte physiotherapeutischer Tätigkeiten. In
der Prävention kräftigen Physiotherapeuten Muskulatur, um z. B. Fehlhaltungen und Überbelastungen zu regu­
lieren. In der Therapie und Rehabilitation regulieren Physiotherapeuten Muskelspannungen, aktivieren und trai­
nieren Muskulatur oder verlängern bzw. dekontrahieren diese.
Ein zentrales Thema in der Behandlung stellen die myofaszialen Triggerpunkte (TrP) dar. Triggerpunkte sind
Maximalschmerzpunkte in Muskeln, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie in andere Gebiete ausstrahlen und
ganze Funktionsstörungen hervorrufen können.
Beispiel Ein Patient kommt zu Ihnen in die Praxis und klagt über einen Kopfschmerz, der sich wie ein Helm vom
Nacken bis in die Schläfen zieht. Der Physiotherapeut behandelt die TrP im M. trapezius. Der Patient verspürt
eine sofortige Wirkung, der Kopfschmerz ist weg.
Neben der Behandlung von Triggerpunkten beeinflussen Krankengymnastik, Massage, Elektro- und Wärmethe­
rapie Verspannungen in der Muskulatur positiv:
π Physiotherapeuten aktivieren z. B. inaktivitätsatrophierte Muskulatur und trainieren geschwächte Muskula­
tur, indem sie krankengymnastische Techniken anwenden sowie Widerstände und Übungswiederholungen
befundgerecht einsetzen. Zudem erhalten Physiotherapeuten die Kontraktionsfähigkeit von Muskeln, die
z. B. durch eine periphere Nervenläsion nicht mehr angesteuert werden können.
π Physiotherapeuten verlängern bzw. dekontrahieren Muskeln durch aktive, assistive oder passive Techniken.
Ziele können dabei die Erweiterung der Dehnfähigkeit der Muskulatur, die Erweiterung des aktiven und
­passiven Bewegungsausmaßes eines Gelenkes und die Förderung der Entspannungsfähigkeit sein. Tech­
niken zur Muskeldehnung sowie deren Effektivität werden in der physiotherapeutischen Fachwelt kritisch
diskutiert.
In der Behandlung beachtet der Physiotherapeut die Funktion und die Arbeitsweise der Muskulatur und sieht den
einzelnen Muskel stets im Zusammenspiel mit anderen Muskeln und Körperabschnitten im Rahmen funktio­
neller Zusammenhänge und kinematischer Ketten.
Praxis Ergotherapie
Hier treffen Ergotherapeuten auf Klienten aus dem pädiatrischen, neurologischen und orthopädischen Bereich.
Probleme bezüglich der Muskulatur werden individuell behandelt.
In der Pädiatrie liegt der Schwerpunkt in der Regel auf Schwierigkeiten in der Tonusregulation, vereinzelt sind
auch Klienten mit Muskelatrophie oder -dystrophie anzutreffen. Die Kinder mit Tonusregulationsstörung haben
Probleme in der Erzeugung und Aufrechterhaltung einer ihrer Tätigkeit angemessenen Körperspannung. Zum
Beispiel sinken solche Kinder bei den Hausaufgaben am Tisch innerhalb weniger Minuten in sich zusammen oder
können bestimmte Bewegungsfolgen wie einen Hampelmannsprung nicht ausführen. Hier wenden Ergothera­
peuten das Konzept der sensorischen Integrationstherapie (SI) an, damit die Kinder ihre täglichen Aktivitäten
angemessen ausführen können.
Bei Kindern mit Muskelatrophien und -dystrophien ist es das Ziel, das Bewegungsausmaß zu erhalten, die
Muskulatur zu kräftigen und Alltagsaktivitäten zu ermöglichen, ggf. durch den Einsatz von Hilfsmitteln.
In der Neurologie und Orthopädie handelt es sich meist um Erwachsene, die auf Grund verschiedener Erkran­
kungen Schwierigkeiten im muskulären Bereich haben. Dies können Atrophien, Myogelosen oder auch Tonusre­
gulationsstörungen sein, die teilweise auch mit Schmerzen verbunden sind. Gerade im neurologischen Bereich,
z. B. bei Apoplex, kommt es oftmals zur Ausbildung einer pathologischen Tonusveränderung in Form einer Spa­
stik. Alle Aktivitäten des täglichen Lebens können bei muskulären Problemen massiv eingeschränkt sein, sodass
Ergotherapeuten verschiedene Maßnahmen zur Kräftigung, De-/Tonisierung der Muskulatur wie Dehnung, ther­
mische Anwendung, postisometrische Relaxation nach K. Lewit und Konzepte wie Bobath, Perfetti und Affolter
anwenden, um die Handlungsfähigkeit wiederherzustellen.
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