Signori Presidenti della Repubblica, Signori Capi di

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Romano Prodi
Präsident der Europäischen Kommission
Unterzeichnung der Europäischen Verfassung
Rom, 29. Oktober 2004
Durch die Unterzeichnung der Europäischen Verfassung beweisen die Staats- und Regierungschefs
politische Weitsicht und gehen über ihre eigenen nationalen Interessen hinaus. Über 50 Jahre,
nachdem die Gründerväter Europas die ersten Schritte unternahmen, die zur Unterzeichnung des
Vertrags von Rom hier in diesem Raum, dem Saal der Horatier und Curiatier, führten, wird das
europäische Einigungswerk durch die politische Vision, die am heutigen Tage deutlich wird, auf
eine neue Ebene gehoben.
Am 25. März 1957 antwortete Europa auf die Schrecken des modernen Krieges und den
anhaltenden Kalten Krieg mit einem nie dagewesenen Vorhaben zum Aufbau einer übernationalen
Demokratie. Heute bestätigt Europa den einzigartigen Charakter seiner politischen Organisation,
indem es sich den Herausforderungen der Globalisierung stellt, seine Werte geltend macht und die
ihm zustehende Rolle auf der Weltbühne ausübt. Die neue Verfassung beschränkt sich nicht auf
eine Konsolidierung des durch den Vertrag von Rom errichteten politischen und institutionellen
Systems. Sie führt zu Neuerungen, die die Union demokratischer, effizienter und transparenter
machen wird.
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Die Union wird demokratischer werden, weil fast alle europäischen Rechtsvorschriften
gemeinsam vom Europäischen Parlament und vom Ministerrat verabschiedet werden
müssen, und zum ersten Mal bei einer übernationalen Struktur können die europäischen
Bürger direkt ein europäisches Gesetz fordern.
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Die Union wird effizienter werden, weil mehr Entscheidungen mit Mehrheit getroffen
werden, obwohl diese Neuerung nicht so weit geht, wie ich mir erhofft hatte. Gleichzeitig
erleichtert das System der doppelten Mehrheit die Arbeit des Rates und entspricht der
doppelten Legitimität der Union, die eine Union von Völkern und Staaten ist.
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Dank der neuen Mechanismen zur Förderung der partizipatorischen Demokratie wird die
Union transparenter werden.
Gleichzeitig wurde der Rechtsetzungsprozess der Union vereinfacht und mit größerer Legitimität
ausgestattet.
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Er ist einfacher geworden, weil die Gemeinschaftsmethode mittlerweile auf fast alle
Rechtsetzungsakte ausgedehnt wurde, während die Zahl der Verfahren und
Rechtsinstrumente reduziert wurde. Ein europäisches Gesetz wird in Form und Inhalt
europäisch sein.
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Er ist legitimer geworden, weil die Rechtsetzungsbefugnisse zwischen Union und
Mitgliedstaaten stärker abgegrenzt sind, und die nationalen Parlamente die Beachtung des
Subsidiaritätsprinzips weiterhin gewährleisten.
In den letzten Monaten gab es eine lebhafte Debatte darüber, wie weit die Europäische Verfassung
geht. Obgleich ich die Meinungen der verschiedenen politischen Lager respektiere, muss ich
nachdrücklich hervorheben, dass die neue Verfassung gegenüber den bestehenden Verträgen einen
Fortschritt darstellt. Die Einbeziehung der Sozialrechte, die nun als Primärrecht anerkannt werden,
und die neuen, in die Verfassung eingeführten Sozialklauseln sind gegenüber der jetzigen Situation
ein eindeutiger Fortschritt.
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Die Unterzeichnung der Europäischen Verfassung bedeutet nicht, dass wir die Ziellinie
überschritten haben. In den nächsten Monaten müssen die Regierungen der 25 Mitgliedstaaten der
Union ihre Parlamente oder ihre Bürger überzeugen, den neuen Verfassungsvertrag zu ratifizieren.
Hierbei handelt es sich um Entscheidungen, die wir nicht als selbstverständlich ansehen können.
Diese Verfassung ist das Ergebnis der Arbeit des Europäischen Konvents, der neue, transparentere
und demokratischere Arbeitsmethoden angewandt hat. Aufgrund dieser Methoden können die
europäischen Bürger erwarten, in den verbleibenden Phasen dieses Prozesses stärker einbezogen zu
werden.
Auch wenn die Hauptverantwortung für die Ratifizierung der Verfassung bei den unterzeichnenden
Regierungen liegt, ist es Aufgabe der europäischen Organe, die europäischen Bürger objektiv über
den Inhalt der Verfassung zu informieren. Natürlich müssen die nationalen politischen Parteien ihre
Meinungen über den Verfassungsvertrag austauschen, aber es ist Aufgabe der Regierungen,
Parlamentsdebatten und Volksabstimmungen über die Verfassung durchzuführen und dafür zu
sorgen, dass sie nicht von Fragen der nationalen Politik überdeckt werden.
Unter Bezugnahme auf eine berühmte Passage der Schuman-Erklärung vom 9. Mai 1950 muss
erneut darauf verwiesen werden, dass Europa keine leeren Worte braucht, sondern mutiges und
konstruktives Handeln. Die Staats- und Regierungschefs, die die Europäische Verfassung
unterzeichnen werden, haben mutig und konstruktiv gehandelt. Die Folgen ihres Handelns können
weitreichend sein. Ich bin sicher, dass sie es sein werden, weil das neue Europa mit seiner eigenen
Verfassung die treibende Kraft für das wirtschaftliche und soziale Wohlergehen seiner Völker und
für den Frieden in der Welt werden muss.
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