2 Medizinisch relevante Pilze

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Medizinisch relevante Pilze
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
Dermatophyten . . . . . .
Sprosspilze . . . . . . . . .
Schimmelpilze . . . . . . .
Zygomyzeten. . . . . . . .
Dimorphe Pilze . . . . . .
Außergewöhnliche Pilze.
2.1
Dermatophyten
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2.1
Bedeutung: Dermatophyten sind Fadenpilze, die Keratin verwerten und daher fast
ausschließlich verhornte Haut, Haare und Nägel, sowie selten auch Dermis und Subkutis von Mensch und Tier befallen. Obwohl die exakte molekularbiologische Typisierung heute möglich ist, werden die Dermatophyten in der Praxis aufgrund der
mikroskopisch unterscheidbaren Formen der ungeschlechtlichen Fortpflanzungsorgane (Makro- und Mikrokonidien) in folgende Gattungen unterteilt (Abb. E-2.1):
■ Trichophyton
■ Microsporum
■ Epidermophyton.
⊙ E-2.1
Mikroskopische Diagnostik der häufigsten Erreger von Dermatomykosen
Trichophyton interdigitale
Makrokonidie
Hyphen:
1–3 μm breit, septiert, gerade, gebogen, spiralig
Makrokonidien:
keulenförmig, 6–8 x 20–50 μm, dünn und
glattwandig, mehrkammerig
Mikrokonidien:
überwiegend rund bis keulenförmig, 3–20 μm,
traubenförmige Anordnung, polymorph gestaltet
Microsporum canis
Makrokonidien:
dickwandig, stachelige, spindelförmige Gebilde,
bis 40 μm groß
Mikrokonidien:
rund bis elliptisch, ≤ 3–5 μm groß
Epidermophyton floccosum
Makrokonidien:
dünnwandig, 6–10 x 8–15 μm,mit abgerundeten
distalen Enden, keine Mikrokonidien, bei älteren
Kulturen zahlreiche Chlamydosporen (7–5 μm)
Hyphen: Pilzfäden
Makrokonidien: große Sporen
Mikrokonidien: kleine Dauersporen
Chlamydospore
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Dermatophyten
Bedeutung: Dermatophyten sind Fadenpilze.
Sie verwerten Keratin und können somit nur
in Haut, Haaren und Nägeln wachsen. Man
unterscheidet 3 Gattungen (Abb. E-2.1):
■ Trichophyton
■ Microsporum
■ Epidermophyton.
⊙ E-2.1
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2
476
E
Eine weitere Unterteilung erfolgt in geophile,
zoophile bzw. anthropophile Dermatophyten (Tab. E-2.1).
Zur Typisierung können dann noch weitere mikromorphologische Merkmale und
das Aussehen der Kolonie herangezogen werden.
Eine weitere Unterteilung in geophile, zoophile bzw. anthropophile Dermatophyten
berücksichtigt u. a. Eigenschaften wie Habitat, Erregerreservoir, Infektketten bzw.
Anpassung an tierisches oder menschliches Keratin (Tab. E-2.1).
Zoophile Dermatophyten werden von Tier zu
Mensch übertragen (Abb. E-2.3).
Die anthropophilen Dermatophyten werden
direkt von Mensch zu Mensch übertragen.
▶ Exkurs.
≡ E-2.1
Pathogenese: Die geophilen Dermatophyten leben als Saprophyten in der Erde. Zur
Kontamination kommt es z. B. bei Gartenarbeiten, was jedoch nicht unweigerlich zu
einer Infektion führt. Lokale prädisponierende Faktoren, wie Durchblutungsstörungen („kalte Füße“), mechanische Belastung (enge Schuhe), Feuchtigkeit durch
Schweiß etc. erleichtern das Angehen einer Infektion.
Zoophile Dermatophyten haben ihren natürlichen Standort auf felltragenden Tieren
und werden bei Kontakt übertragen, z. B. von einem infizierten Meerschweinchen
(Abb. E-2.3a) auf ein Kind, das damit geschmust hat (Abb. E-2.3b). Manche Dermatophyten sind an bestimmte Tierarten adaptiert und für Menschen wenig infektiös.
Andere Arten, etwa Trichophyton verrucosum, befallen Rinder („Rinderflechte“)
und sind auch auf Menschen übertragbar.
Die anthropophilen Dermatophyten, wie Trichophyton rubrum, Trichophyton interdigitale (früher: Trichophyton mentagrophytes) und Trichophyton tonsurans, sind
an den Menschen angepasst und können direkt von Mensch zu Mensch, aber auch
indirekt über kontaminierte Gegenstände, z. B. in Fitnessbereichen, übertragen werden. Ihre Infektiosität ist also von vornherein hoch, die Krankheitsfolgen sind jedoch
meist nur gering.
▶ Exkurs. T. rubrum stammt aus Afrika. Offensichtlich haben Sklaven die Erreger nach Nordamerika eingeschleppt. Dort haben sich diese Pilze auch in der kaukasischen Bevölkerung ausgebreitet. Im 2. Weltkrieg wurden diese Dermatophyten dann in den Stiefeln der Soldaten nach
Europa exportiert und heute ist T. rubrum mit Abstand der häufigste Dermatophyt. Er hat
T. interdigitale (T. mentagrophytes) ziemlich verdrängt.
≡ E-2.1
Einteilung der Dermatophyten nach epidemiologischen Gesichtspunkten
Standort
Beispiel
Erdboden (geophil)
■
Microsporum gypseum
■
Trichophyton terrestre
■
Trichophyton gypseum
■
Microsporum canis
■
Microsporum equinum
■
Microsporum gallinae
■
Epidermophyton floccosum
■
Trichophyton interdigitale
■
Trichophyton rubrum
■
Trichophyton tonsurans
Tier (zoophil)
Mensch (anthropophil)
Klinik: Tinea ist der Sammelbegriff für oberflächliche Dermatomykosen (Abb. E-2.2).
▶ Merke.
Infektkette
Erde → Mensch
Tier → Mensch
Mensch → Mensch
Klinik: In der Dermatologie wird der Begriff Tinea als Sammelbegriff für oberflächliche Dermatomykosen verwendet, wobei die Lokalisation in die Beschreibung mit
eingeht und unabhängig von der verursachenden Pilzspezies ist (Abb. E-2.2).
■ Tinea pedis: Mykose im Fußbereich.
■ Tinea capitis: Mykose im Kopfbereich.
■ Tinea inguinalis: Mykose in der Leistenbeuge.
■ Tinea corporis: Mykose des Stammbereiches.
■ Tinea barbae: Mykose im Bartbereich.
▶ Merke. Tinea pedis, der „Fußpilz“, ist die häufigste Dermatomykose in den Indus-
trienationen. 75 % der Bevölkerung leidet zeitweise an diesen juckenden Infektionen z. B. in den Zehenzwischenräumen (Abb. E-2.2a), wo es bei ungeeignetem
Schuhwerk feucht, warm und dunkel ist. Gleichzeitig findet man auch oft einen Befall der Fußnägel, eine Onychomykose (Abb. E-2.2b). Eine traumatische Schädigung
der Nägel durch Sport oder enge Schuhe begünstigt die Enstehung einer Nagelmykose.
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Pathogenese: Geophile Dermatophyten leben in der Erde. Die Kontamination führt jedoch nicht unweigerlich zur Infektion, prädisponierende Faktoren müssen hinzukommen.
2 Medizinisch relevante Pilze
E
⊙ E-2.2
a
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2.1 Dermatophyten
Verschiedene Dermatomykosen
b
Die klinischen Erscheinungen hängen auch vom Erreger ab:
■ Trichophytie: Durch Trichophyton-Arten hervorgerufene Infektionen der Haut,
Haare und Nägel (Abb. E-2.3). Die Infektion kann eine tiefe (Trichophytia profunda)
oder oberflächliche (Trichophytia superficialis) entzündliche Reaktion der Haut
auslösen. Die Symptome können sich entsprechend nur als trockene, schuppende,
hyperkeratotische Areale zeigen oder als schwere, granulomatöse Entzündung der
Haut imponieren.
■ Mikrosporie: Verschiedene Arten von Microsporum verursachen Haarinfektionen;
dabei umgeben Massen von Pilzsporen außen mantelförmig den Haarschaft, der
an Elastizität verliert und schließlich wenige Millimeter über der Kopfhaut abbricht (Zerstörung des Haares von außen = ektothrix). Die Haut darunter kann gerötet sein.
■ Epidermophytie: Der Pilz befällt nur die glatte, unbehaarte Haut und die Nägel
(nicht die Haare).
Der Krankheitswert der genannten Infektionen ist meistens gering, aber die kosmetischen Folgen können erheblich sein. Außerdem kann es zu einer bakteriellen Superinfektion kommen, da die infizierte Stelle die Eintrittspforte für andere Krankheitserreger bildet, z. B. Erysipel durch A-Streptokokken (S. 331) bei Tinea pedis.
Dermatophyten können auch allergische Reaktionen hervorrufen; manche Infektionsverläufe werden durch allergische Reaktionen gegen die Pilze verstärkt, vgl. Kap.
„Allergie“ (S. 463).
Nachweis: Verdächtige Haare werden mit der Epilationspinzette herausgezupft. Nägel und Hautareale werden zunächst mit 70 %igem Alkohol gründlich abgerieben,
um vorhandene Bakterien zu beseitigen. Dann werden von der befallenen Hautstelle
mittels scharfem Löffel oder Skalpell Hautschuppen abgekratzt. Dies sollte möglichst am Übergang von gesunden zu infizierten Arealen geschehen, also in der Peripherie und nicht im Zentrum, da dort kaum lebende Pilze zu erwarten sind
(Abb. E-2.3c).
Infizierte Nägel sind aufgequollen und verdickt, sie werden zunächst kurz geschnitten (distale Anteile enthalten nur tote Pilze); dann erst wird Material zur Untersuchung gewonnen (Abb. E-2.2b). Die Hautschuppen bzw. Nagelstücke werden in
sterilen Gefäßen aufgefangen. Für die mikroskopische Untersuchung der Proben
werden die menschlichen Zellen und das Keratin mit 30 %iger Natronlauge aufgelöst
(Abb. E-2.3d); danach kann man im Mikroskop die beständigen Pilzelemente erkennen (Abb. E-2.3f). Lactophenolblau oder Calcofluor können die Darstellbarkeit ggf.
noch verbessern.
Der kulturelle Nachweis gelingt auf Sabouraud-Agar und anderen Pilznährböden,
die zur Selektion von Dermatophyten zusätzlich noch Antibiotika zur Unterdrückung der bakteriellen Begleitflora und Actidione zur Unterdrückung der Schimmelpilze enthalten; allerdings dauert es unter Umständen mehrere Wochen bis sichtbare Kolonien wachsen. Größe, Beschaffenheit und Farbe der Kolonien sowie mikromorphologische Kriterien der Form und Lagerung von Mikro- und Makrokonidien
■
Trichophytie: Durch Trichophyton-Arten
hervorgerufene Infektionen der Haut, Haare
und Nägel (Abb. E-2.3).
■
Mikrosporie: Auslöser von Haarinfektionen.
■
Epidermophytie: Befall von Nägeln und
Haut.
Der Krankheitswert ist meist gering, aber die
kosmetischen Folgen können gravierend sein.
Außerdem kann die infizierte Stelle Eintrittspforte für andere Krankheitserreger sein.
Dermatophyten können auch allergische Reaktionen induzieren.
Nachweis: Auf die mikroskopische Untersuchung von Hautschuppen, Haaren und Nagelmaterial folgt der kulturelle Nachweis,
der allerdings einige Wochen dauert. Da die
Infektion zentrifugal fortschreitet, sollten Proben vom Rand der Läsion entnommen werden (Abb. E-2.3c).
Der kulturelle Nachweis gelingt auf speziellen Pilznährböden. Zur Selektion sind zusätzlich noch Antibiotika zur Unterdrückung der
bakteriellen Begleitflora und Actidione zur
Unterdrückung der Schimmelpilze enthalten
(Abb. E-2.3e).
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a Tinea pedis („Fußpilz“, oberflächlich). (Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. Thieme; 2010)
b Nagelmykose: Zum Pilznachweis Nägel erst kurz schneiden, Desinfektion mit 70 % Alkohol, mit scharfem Löffel Material abkratzen und in steriler
Schale auffangen.
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2 Medizinisch relevante Pilze
Hautpilz (Trichophyton interdigitale) bei einem 10-jährigen Kind
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a Das Meerschweinchen war frisch vom Händler gekauft und hatte am Auge eine schuppige Entzündung.
b Das Mädchen hatte engen Kontakt und entwickelte 3–4 Wochen später eine oberflächliche Tinea (amerikanischer Begriff: Ringworm). In der
Mitte ist die Infektion schon beendet und die Rötung abgeblasst. Der rote Randsaum ist progressiv.
c Mit einem scharfen Löffel wird im entzündeten Gebiet etwas Material ganz oberflächlich angekratzt, so dass es nicht blutet, und in einer sterilen
Petrischale aufgefangen. Die Hautschuppen werden für 30 Minuten in 30 % KOH gelegt. So werden die Körperzellen fast vollständig lysiert.
d Die (pflanzlichen) Pilzelemente überstehen die Prozedur. Man sieht im Mikroskop doppelbrechende Fäden. Eine Unterscheidung zwischen
Dermatophyt und Sprosspilz ist so aber nicht möglich.
e Von den Hautschuppen wurde eine Pilzkultur angelegt. Nach 4 Wochen waren diese flauschigen, trockenen Kolonien gewachsen.
f Das mikroskopische Bild der Kolonie zeigt feine Hyphen, aus denen sich nur ganz vereinzelt kleine, runde Mikrokonidien abschnüren und
zwischen den Hyphen liegen. Weiterhin sieht man charakteristische Makrokonidien (keulenförmig, mehrkammerig).
Diagnose: Trichophyton interdigitale (früher: mentagrophytes).
Im Prinzip ist der Nachweis im Untersuchungsmaterial der häufigsten Dermatophyten auch mittels PCR in wenigen Stunden
möglich.
Therapie: Nach einer mechanischen Entfernung des toten Materials kann man lokale
oder auch systemische Antimykotika einsetzen, oft über längere Zeit.
Alternativ oder auch zusätzlich kann eine systemische Gabe von Antimykotika nützlich
sein. Mit Rezidiven muss gerechnet werden.
Prophylaxe: Wichtiges Ziel ist die Reduktion
der Sporenlast in der Umgebung und die Verhinderung eines weiteren Pilzwachstums, z. B.
durch sorgfältige Reinigung oder Desinfektion.
werden zur Differenzierung der Pilze herangezogen (Abb. E-2.3e). Viel Erfahrung ist
dazu notwendig!
Neuerdings gibt es die Möglichkeit, direkt im Untersuchungsmaterial mittels PCR
Dermatophyten zu detektieren. Zumindest die 5 wichtigsten, häufigsten Erreger
können so in wenigen Stunden erkannt werden.
Therapie: Als lokale Therapie kommen neben Desinfektionsmitteln antimykotische
Mittel als Lotio, Salbe oder Lack zum Einsatz. Bei Nagelmykosen ist eine mechanische oder chemische Vorbehandlung hilfreich, um das tote Material wegzuräumen
und den Antimykotika, darunter Azole, Allylamine und Ciclopiroxolamin, den Zutritt
zu erleichtern. Eine längere Behandlung von 4–6 Wochen ist erforderlich.
Alternativ oder auch zusätzlich kann eine systemische Gabe von Antimykotika nützlich sein. Bis die Medikamente wie Griseofulvin in der Keratinschicht angereichert
sind, vergehen allerdings Wochen. Folglich muss von vorneherein eine lange und regelmäßige Medikamenteneinnahme gewährleistet sein. Azole, wie Fluconazol und
Itraconazol, müssen in der Regel nur 1–2 Wochen gegeben werden, was die Compliance erleichtert. Mit Rezidiven muss gerechnet werden.
Prophylaxe: Dermatophytensporen sind in der Natur weit verbreitet, sodass eine sichere Expositionsprophylaxe nur schwer zu realisieren ist. Man sollte aber zur Primär- und Sekundärprophylaxe die Masse der Sporen reduzieren, indem z. B. Strümpfe und Schuhe gereinigt und ggf. desinfiziert werden. Umsichtiges Verhalten, z. B. in
Schwimmbädern, Sauna und Fitnessbereichen, ist ratsam. Da Pilze auch ein geeignetes Milieu benötigen, bevor eine Besiedelung in eine Infektion übergeht, sollten
Haut, Haare und Nägel gepflegt werden. Personen mit bestimmten Grunderkrankungen, z. B. periphere arterielle Verschlusskrankheit oder Diabetes mellitus, sind besonders anfällig und müssen entsprechend sorgfältig bei der Prophylaxe sein.
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