Wem nichts einfällt, der kann keinen Walzer machen, – hingegen

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»Wem nichts einfällt, der kann
keinen Walzer machen, –
hingegen sind Messen und
Motetten bekanntlich in diesem
Zustand schon geschrieben
worden«
Eduard Hanslick (1850)
B10: Do, 06.06.2013, 20 Uhr | A10: So, 09.06.2013, 11 Uhr | Hamburg, Laeiszhalle
L8: Fr, 07.06.2013, 19.30 Uhr | Lübeck, Musik- und Kongresshalle
Thomas Hengelbrock Dirigent | Mojca Erdmann Sopran | NDR Chor
Johannes Brahms Akademische Festouvertüre op. 80
Liebeslieder-Walzer für Sopran, Chor und Orchester | Ungarische Tänze (Auswahl)
Johann Strauß (Sohn) „An der schönen blauen Donau“ für Männerchor und Orchester
„Frühlingsstimmen“ – Walzer für Sopran und Orchester
Ouvertüre und Couplet der Adele aus „Die Fledermaus“
„Seid umschlungen Millionen“ – Walzer für Orchester | Csárdás aus „Ritter Pásmán“
DAS ORCHESTER DER ELBPHILHARMONIE
NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
Das Konzert am 09.06.2013 wird live
auf NDR Kultur gesendet.
Donnerstag, 6. Juni 2013, 20 Uhr
Sonntag, 9. Juni 2013, 11 Uhr
Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal
Johann Strauß (Sohn)
Frühlingsstimmen
Walzer op. 410 für Sopran und Orchester
(1883)
Gesangstexte auf S. 20
Freitag, 7. Juni 2013, 19.30 Uhr
Lübeck, Musik- und Kongresshalle
Pause
Johann Strauß (Sohn)
Dirigent:
Solistin:
Thomas Hengelbrock
Mojca Erdmann Sopran
NDR Chor (Einstudierung: Philipp Ahmann)
Aus der Operette „Die Fledermaus“ (1873):
– Ouvertüre
– „Ein Souper heut’ uns winkt“ (Chor zu Beginn des II. Akts)
– „Mein Herr Marquis“ (Couplet der Adele im II. Akt)
Gesangstexte auf S. 21
Johannes Brahms
(1833 – 1897)
Akademische Festouvertüre op. 80
(1880)
Allegro – L’istesso tempo, un poco maestoso – animato – Maestoso
Liebeslieder
Walzer für Chor, Solo-Sopran und Orchester
(1868/69; ausgewählt und orchestriert vom Komponisten 1870)
I. Rede, Mädchen, allzu liebes (op. 52 Nr. 1)
II. Am Gesteine rauscht die Flut (op. 52 Nr. 2)
III. Wie des Abends schöne Röte (op. 52 Nr. 4)
IV. Ein kleiner, hübscher Vogel nahm den Flug (op. 52 Nr. 6)
V. Die grüne Hopfenranke (op. 52 Nr. 5)
VI. Nagen am Herzen fühl ich ein Gift mir (op. 65 Nr. 9)
VII. Nein, es ist nicht auszukommen (op. 52 Nr. 11)
VIII. Wenn so lind dein Auge mir (op. 52 Nr. 8)
IX. Am Donaustrande, da steht ein Haus (op. 52 Nr. 9)
Gesangstexte auf S. 16 – 17
Johann Strauß (Sohn)
(1825 – 1899)
An der schönen blauen Donau
Walzer op. 314 für Männerchor und Orchester
(1866/67)
Gesangstexte auf S. 18 – 19
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Seid umschlungen Millionen
Walzer op. 443 für Orchester
(1892)
Johannes Brahms
Ungarische Tänze
(1869/1880)
- Nr. 2 d-Moll (orchestriert von Johan Andreas Hallén)
Allegro assai – Vivace
- Nr. 10 F-Dur (orchestriert von Johannes Brahms)
Presto
- Nr. 13 D-Dur (orchestriert von Albert Parlow)
Andantino grazioso – Vivace
- Nr. 19 h-Moll (orchestriert von Antonín Dvořák)
Allegretto
Johann Strauß (Sohn)
Csárdás aus der Oper „Ritter Pásmán“ op. 441
(1892)
Einführungsveranstaltungen mit Thomas Hengelbrock und Friederike Westerhaus
am 06.06.2013 um 19 Uhr und am 09.06.2013 um 10 Uhr im Großen Saal
der Laeiszhalle.
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NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
Thomas Hengelbrock
Mojca Erdmann
Dirigent
Sopran
Thomas Hengelbrock ist seit 2011 Chefdirigent
des NDR Sinfonieorchesters. Spannende Werkkombinationen und besondere Dramaturgiekonzepte prägen seine Konzertprogramme.
Drei glänzende Tourneen durch Deutschland,
Europa und Japan sowie das gefeierte Eröffnungskonzert des Schleswig-Holstein Musik
Festivals im Juli 2012 haben auch bundesweit
und international ein großes Echo gefunden.
Dokumente der Zusammenarbeit Hengelbrocks
mit dem NDR Sinfonieorchester sind u. a. zwei
bei Sony erschienene CDs mit Werken von
Mendelssohn, Schumann und Dvořák.
Die in Hamburg geborene Sopranistin Mojca
Erdmann studierte Gesang und Violine in Köln.
Sie gewann mehrere prestigeträchtige Preise
und wurde bereits während des Studiums
Ensemblemitglied der Komischen Oper Berlin.
Parallel dazu gastierte sie in Rollen von Mozart
bis Takemitsu. Nach ihrem Debüt bei den
Salzburger Festspielen 2006 mit der Titelpartie
von Mozarts „Zaide“ unter Ivor Bolton war sie
bereits 2007 dort wieder zu Gast: Als Zelmira in
Haydns „Armida“ wurde sie von Publikum und
Presse als die „Überraschung der Festspiele“
gefeiert. Die Produktion wurde 2009 wiederholt. Im gleichen Jahr gab sie ihr Rollendebüt
als Sophie in Strauss’ „Rosenkavalier“ an der
Stuttgarter Staatsoper und gestaltete die Uraufführung der Oper „Dionysos“ von Wolfgang
Rihm bei den Salzburger Festspielen.
In Wilhelmshaven geboren, begann Hengelbrock
seine Karriere als Violinist in Würzburg und
Freiburg. Grundlegende Impulse erhielt er
durch seine Assistenztätigkeiten bei Witold
Lutosławski, Mauricio Kagel und Antal Doráti,
ebenso durch seine Mitwirkung in Nikolaus
Harnoncourts Concentus musicus. Neben frühen Begegnungen mit zeitgenössischer Musik
war Hengelbrock maßgeblich daran beteiligt,
das Musizieren mit Originalinstrumenten in
Deutschland dauerhaft auf den Konzertbühnen
zu etablieren. In den 1990er Jahren gründete
er mit dem Balthasar-Neumann-Chor und
-Ensemble Klangkörper, die zu den international
erfolgreichsten ihrer Art zählen. Führende
Positionen hatte Hengelbrock daneben bei der
Deutschen Kammerphilharmonie Bremen,
dem Feldkirch Festival sowie an der Wiener
Volksoper inne. Im Jahr 2012 wurde ihm der
Praetorius Musikpreis Niedersachsen verliehen.
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Thomas Hengelbrock ist heute gleichermaßen
als Opern- wie auch als Konzertdirigent international gefragt. Er dirigiert an Opernhäusern
wie der Opéra de Paris, dem Royal Opera House
in London und dem Teatro Real in Madrid. Mit
herausragenden Produktionen ist er im Festspielhaus Baden-Baden zu einem der wichtigsten Protagonisten geworden; kürzlich leitete
er dort Mozarts „Don Giovanni“. Gastdirigate
führen Hengelbrock wiederholt zum Symphonieorchester des BR, zu den Münchner Philharmonikern, zum Chamber Orchestra of Europe
sowie zum Orchestre de Paris. Mit einer Neuproduktion von „Tannhäuser“ debütierte er
im Juli 2011 bei den Bayreuther Festspielen.
Im Januar 2013 sorgten Hengelbrock und seine
Balthasar-Neumann-Ensembles in Dortmund,
Essen und Madrid mit konzertanten Aufführungen von Wagners „Parsifal“ auf authentischen
Instrumenten für Aufsehen.
2010 war Erdmann als Pamina in Mozarts
„Zauberflöte“ in Köln zu erleben. 2011 sang sie
die Partie der Zerlina in konzertanten Aufführungen des „Don Giovanni“ am Festspielhaus
Baden-Baden an der Seite von Ildebrando
D’Arcangelo, Rolando Villazón, Joyce DiDonato
und Diana Damrau. Die von Yannick NézetSéguin geleitete Produktion wurde im Sommer
2012 als erster Teil einer Serie der sieben
letzten Opern Mozarts von der Deutschen
Grammophon veröffentlicht. 2013 folgt „Così
fan tutte“ mit Mojca Erdmann als Despina.
Als Zerlina gab sie 2011 ihr Debüt an der
Metropolitan Opera New York, wo sie auch als
Waldvogel im „Siegfried“ zu hören war. Die
gesamte Produktion des „Ring des Nibelungen“
erschien im September 2012 auf DVD.
Ein weiterer Höhepunkt dieser Spielzeit war
die Interpretation von Alban Bergs „Lulu“ an
der Staatsoper Berlin unter Daniel Barenboim.
Im Herbst 2012 kehrte Mojca Erdmann als
Susanna in Mozarts „Le nozze di Figaro“ an
die Metropolitan Opera New York zurück. In
dieser Partie war sie auch im Frühjahr 2013
in Baden-Baden zu erleben. Ihr Debüt am
Teatro Real Madrid gab sie im April 2013 als
Zerlina in Mozarts „Don Giovanni“.
Mojca Erdmann ist eine erfolgreiche Konzertund Liedsängerin und arbeitet regelmäßig mit
den bedeutendsten Orchestern und Dirigenten
zusammen. Seit 2009 verbindet sie ein Exklusivvertrag mit der Deutschen Grammophon,
ihre erste Solo-CD „Mozart’s Garden“ erschien
im Frühjahr 2011.
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NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
NDR Chor
„Leider nicht von Brahms“?
Zum Programm des heutigen Konzerts
In der Spielzeit 2012/2013 zeigt der NDR Chor
unter der Leitung seines Chordirektors Philipp
Ahmann die ganze Weite seines Repertoires
und seiner Möglichkeiten. Im Mittelpunkt steht
die Abonnementreihe mit thematisch geprägten A-cappella-Konzerten und attraktiven
Gastsolisten oder Ensembles.
Der NDR Chor ist als der professionelle Konzertchor des Nordens mit einer großen Programmvielfalt im gesamten Sendegebiet des NDR und
darüber hinaus präsent – zu seinen Partnern
zählen alle anderen Ensembles des NDR bis
hin zur Big Band. Einladungen führen ihn zum
SWR Sinfonieorchester Stuttgart und zum
WDR Sinfonieorchester Köln. Konzerte sind u. a.
mit dem Concertgebouworkest Amsterdam,
mit dem Philharmonia Orchestra London und
mit dem Mahler Chamber Orchestra geplant.
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Regelmäßig gastiert das Ensemble bei zahlreichen Festivals. In dieser Spielzeit u. a. beim
Schleswig-Holstein Musik Festival, beim
Usedomer Musikfestival, bei den internationalen Händelfestspielen in Göttingen, den
Händel-Festspielen in Halle, den Niedersächsischen Musiktagen, dem Festival MecklenburgVorpommern und dem Beethovenfest in Bonn.
Es gibt ein Foto aus dem Jahr 1894, auf dem
Johann Strauß (Sohn) und Johannes Brahms
zu sehen sind. Etwas distanziert stehen sie
nebeneinander und machen schon äußerlich
einen überaus unterschiedlichen Eindruck.
Strauß hat sich mit seinen 69 Jahren gut gehalten. Schwarz gefärbte Haare, ein markanter
Schnurrbart und elegante Kleidung weisen ihn
als weltläufigen Mann aus, dem der Schein
seriöser Makellosigkeit offenbar ein wichtiges
Bedürfnis ist. Ganz im Gegensatz zu seiner
Musik und seinem Wesen verkneift er sich jegliches Lachen. Genauso ernst dreinschauend –
was in diesem Fall jedoch weniger überrascht –
steht daneben der brummige, vollbärtige, acht
Jahre jüngere (!) Brahms. Man sieht nicht nur
seiner schlichten Kleidung an, dass ihn gesellschaftlicher Glamour wenig interessiert.
Nicht zufällig erinnerte sein Aussehen Peter
Tschaikowsky immer an „einen seelensguten,
ältlichen russischen Geistlichen“ ...
Vertraute man allein der Aussagekräftigkeit von
Bildern, dann könnte man meinen, das ungleiche Paar sei hier nur zu irgendeinem billigen
Anlass widerwillig abfotografiert worden. Wie
soll das auch zusammen passen: der fieberhaft
vornehmlich nachts arbeitende Walzer-König
und der grüblerisch-selbstkritische, nach festem Tagesplan vorgehende Komponist von Sinfonien und Kammermusik? Wie sollen Strauß,
dessen „echte Liebenswürdigkeit, vom Wiener
Grundton durchzogen, sein Lächeln, sein
schalkhaft blitzendes Auge, sein bezaubernder
Humor alle Nichtigkeiten des Alltags übersonnten“ (so seine dritte Gattin Adele), und
Johann Strauß (Sohn) mit Johannes Brahms auf der Veranda
seines Hauses in Bad Ischl (1894)
Brahms, dessen norddeutsch spröde Direktheit
sogar so manchen Freund verletzen konnte,
überhaupt im Temperament zusammengefunden haben? – Man muss wohl einmal mehr die
Binsenweisheit bemühen: „Gegensätze ziehen
sich an“. Tatsächlich nämlich entstand das Foto
in durchaus privatem Rahmen: auf der Veranda
von Strauß’ luxuriöser Villa in Bad Ischl, wo
Brahms zu den Stammgästen gehörte. Und dies
war nur die Fortsetzung einer langen Reihe
von geselligen Treffen in Strauß’ Wiener Wohnung. Zwar entwickelte sich zwischen den
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NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
beiden nie eine wirklich enge persönliche
Freundschaft, aber sie waren sich in aufrichtiger künstlerischer Wertschätzung verbunden.
Brahms und Strauß auf einem Foto – damit
wird zugleich jeder dünkelhafte Spötter über
die angeblich seichte und niveaulose Unterhaltungskunst eines Strauß Schachmatt gesetzt! So wie andere musikalische Kapazitäten
auch (Liszt, Wagner, Bruckner, Tschaikowsky,
Strauss, Schönberg …) bewunderte und beneidete Brahms an Strauß nicht nur den Charme
und die scheinbar unproblematische Leichthändigkeit bei der Arbeit. „Brahms verehrte und
liebte in Strauß den verkörperten Inbegriff der
reich beanlagten Wiener Natur, das musikalische Genie, das sich in der quellenden Erfindung, nicht weniger in dem instinktiv richtigen
Gebrauch der Ausdrucksmittel so unzweideutig offenbarte“, fasste der Brahms-Freund und
-Biograf Max Kalbeck einmal zusammen.
„Geradezu entzückt sprach er sich oft über den
Klang seines Orchesters, über seine, an Mozart
erinnernde Kunst des Instrumentierens aus,
und es gereichte ihm zu hoher Freude, als ihm
Strauß einmal die Partituren von drei seiner
schönsten Walzer aus den Stimmen zusammenschreiben ließ.“
Das Verhältnis zwischen Strauß und Brahms
war freilich recht einseitig. Während Strauß,
„der von Brahms so gut wie gar nichts wußte,
voll scheuer Bewunderung zu ihm aufsah als
zu einer allgemein beglaubigten Autorität,
mit der nicht gut Kirschen essen sei“ (Kalbeck),
war Brahms ein wahrhaft fanatischer Strauß8
ten Teilnehmern bei den gigantischen Festlichkeiten zu Strauß’ 50-jährigem Künstlerjubiläum.
Wenige Tage vor seinem Tod sah man Brahms
zum letzten Mal in der Öffentlichkeit ausgerechnet bei der Uraufführung von Strauß’ letzter
Operette „Die Göttin der Vernunft“. Für den
dritten Akt reichte die Kraft des sichtlich Geschwächten schon nicht mehr aus, dennoch
hatte er sich noch einmal ins Theater an der
Wien geschleppt. Kann es einen besseren
Beweis für Brahms’ unstillbares Interesse an
Strauß geben?
Musik vom gut gelaunten
Doktor Brahms
„Johann Strauß, der Walzerkönig“ (zeitgenössische Karikatur;
im Hintergrund sind u. a. Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert,
Wagner, Brahms, Offenbach, Verdi und Bruckner zu sehen)
Anhänger: In der Sommerfrische von BadenBaden und Bad Ischl gehörte er bei dessen
Konzerten zu den dankbarsten Zuhörern.
Während eines Aufenthalts in Thun pilgerte er
ins Berner „Schänzli-Theater“, um sich eine
Aufführung der „Fledermaus“ anzusehen. Im
Kreise seiner Freunde und als Konzert-Zugaben
spielte Brahms am liebsten Strauß-Walzer
auf dem Klavier. In Wien versäumte er keine
Operetten-Premiere seines „liebsten Kollegen“.
Und selbstverständlich gehörte er im Jahr 1894
zu den ersten Gratulanten und unermüdlichs-
Oft wird behauptet, ausgelassene Heiterkeit
und ungetrübter Optimismus habe Brahms’
Naturell im Grunde fern gelegen. Dabei verstand
er sich durchaus auf anspruchsvolle „Musik
der guten Laune“! In Kombination mit Werken
von Strauß zeigt das heutige Konzert den
Meister einmal von seiner beschwingten Seite.
Bei der Arbeit an der „Akademischen Festouvertüre“ beispielsweise wird Brahms einen
schelmischen Spaß gehabt haben. Anlass war
die Verleihung der Ehrendoktorwürde durch
die philosophische Fakultät der Universität
Breslau. „Doktor Brahms“ – so nannte ihn ab
sofort auch Johann Strauß in ehrfürchtiger
Anerkennung – bedankte sich musikalisch mit
einem „Potpourri à la Suppé“, wie er in Anspielung auf den anderen großen Wiener
Operettenkomponisten witzelte. Zwar sind in
die Ouvertüre vier Studentenlieder (darunter
als feierlicher Höhepunkt das bekannte
„Gaudeamus igitur“) eingearbeitet, doch ist
die Bezeichnung „Potpourri“ eine von Brahms’
typischen ironischen Untertreibungen. Denn
tatsächlich sind die vier Melodie-Zitate derart
geschickt und organisch in die Sonatenform
eingegliedert, dass das Werk wie aus einem
Guss von Brahms erfunden wirkt. Mit einem für
den gewissenhaften Meister recht untypischen
Tschingderassabum geht die Ouvertüre zu
Ende – dass sie zu seinen „weniger gelungenen“
Werken gehöre, sagen nur diejenigen, die nicht
glauben mögen, dass Brahms auch an solcher
Musik seine Freude hatte.
Typisch für Brahms ist es allerdings, dass ein
vergnügtes Werk wie die „Akademische Festouvertüre“ nicht isoliert und unkompensiert
stehen blieb. „Bei der Gelegenheit konnte ich
meinem melancholischen Gemüt die Genugtuung nicht versagen – auch eine TrauerspielOuvertüre zu schreiben!“, ließ er seinen Verleger Simrock wissen und schob gleich noch die
„Tragische Ouvertüre“ hinterher. Eine solche
Konstellation nun liegt – in umgekehrter Reihenfolge – auch im Fall der „Liebeslieder-Walzer“
vor: Diese entstanden im August 1868 direkt
nach dem „Deutschen Requiem“ – gleichsam
so, wie in der Antike auf die Tragödie das
Satyrspiel folgte. Die unbeschwerten Walzer
sind dabei unmittelbares Resultat aus Brahms’
Interesse an der Volksmusik des österreichischen Vielvölkerstaats, eine persönliche Antwort auf seine Studien an Schuberts Tänzen
und seine Liebe für Johann Strauß. In den
Walzern op. 39 für Klavier zu vier Händen hatte
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NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
sich bereits offenbart, wie gerne sich Brahms
durch den vorgegebenen, streng ¾-taktigen
Aufbau eines Walzers zu variabler, gesanglicher
Melodik verführen ließ. Nun fand er in Georg
Friedrich Daumers „Polydora“ Liebesgedichte,
die man vorzüglich zu solchen Melodien
singen konnte. Denn Daumer hatte in seinem
„weltpoetischen Liederbuch“ internationale
„Liederchen, die zu den Tanzbelustigungen der
Völker gehören“, zusammengetragen. Und wenn
schon Strauß in seinen Walzern zahlreiche
im „Wiener Klima“ eingefangene slawische
und zigeunerische Elemente absorbiert hatte,
so brachte nun auch Brahms, „indem er den
Dreiviertel-Takt in Permanenz erklärt, die
Russen, Polen, Magyaren alle unter einen Hut“
(Max Kalbeck).
Die Arbeit an den „Liebeslieder-Walzern“ erfüllte Brahms mit einem seltenen Glücksgefühl.
„Ich will gestehen“, schrieb der sonst so zweifelhafte Komponist an seinen Verleger Simrock,
„daß ich bei der Gelegenheit zum ersten Male
gelächelt habe beim Anblick eines gedruckten
Werkes – von mir! Übrigens möchte ich doch
riskieren ein Esel zu heißen, wenn unsere Liebeslieder nicht einigen Leuten Freude machen.“
Welche Zielgruppe damit gemeint war, das hielt
die Originalausgabe der Walzer für Klavier zu
vier Händen „und Gesang ad libitum“ aus verkaufstechnischen Gründen offen. Dass die
Gesangstexte indes nicht nur überflüssiges
Beiwerk waren, sondern die Komposition wesentlich bestimmten, ließe sich an einigen den
Text musikalisch charakterisierenden Details
beweisen. Brahms selbst betonte: „Die Walzer
10
müssen eben so erscheinen, wie sie sind. Wer
sie ohne Gesang spielen will, muß doch fürs
erste aus der Partitur spielen. Und hoffentlich
ist es ein Stück Hausmusik und wird rasch viel
gesungen …“ Diese Hoffnung konnte sich freilich kaum erfüllen: Bei all ihrer scheinbaren
Einfachheit waren die „Liebeslieder-Walzer“
dann doch zu komplex in der Stimmführung,
Harmonik und Rhythmik, um sie ad hoc im
Soloquartett zu Hause zu singen. In der Praxis
setzte sich daher bald der von Brahms zunehmend tolerierte Vortrag im Chor durch. Und
nicht zufällig hatte Brahms schon dem eben
zitierten Schreiben hinzugesetzt: „Auch passen
Johannes Brahms: „Liebeslieder-Walzer“ op. 52,
Titelseite der Erstausgabe (Berlin 1869)
manche [der Walzer] trefflich für Kleinchor
und Orchester als zierliche Konzertnummern.“
Gesagt, getan: Im Jahr 1870 erstellte er die
im heutigen Konzert erklingende Fassung für
Orchester mit Gesang, die allerdings zu Lebzeiten nicht im Druck erschien und erst 1938
von Wilhelm Weismann herausgegeben wurde.
Bemerkenswert ist, dass in dieser Orchesterfassung bereits ein Lied auftaucht (hier Nr. 6),
das Brahms erst 1875 in die Sammlung „Neue
Liebeslieder“ op. 65 aufnahm. Vermutlich hatte
er die aufgrund des Erfolgs der „LiebesliederWalzer“ nachgeschobene Folge op. 65 also
zum Teil schon 1868/69 in einem Zuge mit
seinem Opus 52 entworfen!
Das Jahr 1869 sah neben der Erstausgabe
der „Liebeslieder-Walzer“ op. 52 sogar noch
eine weitere Sammlung populärer Stücke,
die Brahms als echten Tanzmusik-Liebhaber
ausweisen: die „Ungarischen Tänze“. Vielfach
ist bezeugt, wie sehr sich Brahms – genau wie
Strauß – für alles Ungarische begeisterte.
Bereits in jungen Jahren erlebte er Zigeunerkapellen am Hamburger Hafen, später ging er
mit dem ungarischen Geiger Eduard Reményi
auf Tournee und besorgte sich bei seinen Aufenthalten in Budapest alle möglichen Ausgaben
ungarischer „Volksmusik“ (für die man solche
schmissigen Tänze damals hielt). Brahms spielte
diese Stücke schon seit längerer Zeit in improvisierten Arrangements auf dem Klavier, bevor
er sich 1869 dazu entschloss, zehn von ihnen
in einer vierhändigen Klavierfassung herauszugeben (1880 folgten elf weitere Tänze). Wie er
nachdrücklich gegenüber dem Verleger Simrock
betonte, handelte es sich dabei um „echte
Pußta- und Zigeunerkinder. Also nicht von mir
gezeugt, sondern nur mit Milch und Brot großgezogen.“ Auf dem Titelblatt stand denn auch
völlig korrekt: „Ungarische Tänze für das Piano
zu vier Händen gesetzt von Johannes Brahms“.
Dass Simrock auf dem Umschlag in Hinblick auf
bessere Verkaufszahlen allerdings das wichtige
Wörtchen „gesetzt“ wegließ, brachte Brahms
einige Jahre später einen Prozess wegen Plagiatsverdachts ein, in dessen Zusammenhang
er nun daranging, seine Quellen minutiös zu
rekonstruieren. „Nr. 1, 8 und 10 sind ganz so,
wie sie bei mir sich finden, ungarische Tänze“,
unterstrich er. „Bei den übrigen sind Melodien
aus verschiedenen zu jedem einzelnen Tanze
benutzt ... Ich habe mir einzig Mühe gegeben,
das Spielen der Zigeuner, soweit es unsere
zivilisierten Ohren vertragen, nachzumachen.“
Die Orchesterfassungen der „Ungarischen
Tänze“ (die nur zum kleinen Teil von Brahms
selbst stammen) sind dann also noch eine
weitere Stufe im Umbildungsprozess eines
ohnehin schwer bestimmbaren „Originals“ …
„Von den Füßen ins Herz und in
die Kehle“ – Strauß-Walzer mit und
ohne Gesang
„Er ist ein geborener Walzer!“ – Mit diesem
Ausruf begeisterte sich die Presse im Jahr 1844
über das öffentliche Debüt von Johann Strauß
(Sohn) im „Casino Dommayer“ im Wiener Vorort Hietzing. Von seinem Vater war ihm das
europäische Imperium des Walzers gleichsam
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in die Wiege gelegt worden. Und so brauchte
es nicht lange, bis der Sohn dem Vater den
Rang abgelaufen hatte und zum unbestrittenen
Walzer-König aufstieg. „Wahrlich, das ist der
verkörperte Dreivierteltakt, der in einen schwarzen Anzug gefahren ist!“, hieß es 1864 in der
Wiener Zeitschrift „Die Heimat“. Dabei hatte
Strauß zu diesem Zeitpunkt nicht einmal seinen
berühmtesten Hit „An der schönen blauen
Donau“ komponiert! Dies gelang ihm erst im
Jahre 1867, auch wenn die Entstehungsum-
stände zunächst gar keinen Welterfolg vermuten
ließen. Denn der „Donauwalzer“ war ursprünglich eine rein lokalpolitische Angelegenheit.
Für die Faschings-Liedertafel des Wiener Männergesangsvereins hatte dessen Leiter Johann
Herbeck (der spätere Hofkapellmeister) bei
Strauß einen Walzer bestellt. Strauß, der bis
dahin fast nichts für Gesang geschrieben hatte,
lieferte freilich nur die Melodien, zu denen dann
Josef Weyl, der „Hausdichter“ des Männergesangsvereins, den Text erfand. Der schön
Johann Strauß: „An der schönen blauen Donau“, Manuskript der originalen Fassung mit Männerchor
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malende Titel (Franz Lehár traf die Realität
viele Jahre später mit seinem Walzer „An der
grauen Donau“ sehr viel besser!) schien auf
den ersten Blick weder etwas mit dem Inhalt
des zeitkritischen Gesangstextes, noch mit der
brisanten politischen Situation des Jahres 1867
zu tun zu haben. Im Jahr zuvor hatte Österreich
bei Königgrätz den Deutschen Krieg gegen
Preußen verloren, und die Niederlage überschat tete auch den Fasching 1867. In echt
wienerischer Haltung tat man dennoch so, als
ob nichts geschehen sei: „Glücklich ist, wer
vergisst, was doch nicht zu ändern ist“, sollte es
später einmal in Strauß’ „Fledermaus“ heißen.
Nun dichtete Josef Weyl „Wiener, seid froh!“ –
und porträtierte damit auf bitter ironische Weise
eine Wegguck-Gesellschaft, wie sie sich wohl
bis heute kaum verändert hat ... In diesem Sinne
durfte dann auch die Donau jetzt und für alle
Zeit „schön blau“ sein! Dabei konnte Strauß
natürlich nicht ahnen, dass er mit seinem später
in der Orchesterfassung (oder mit neuem,
belanglosen Text von Franz von Gernerth) so
ungeheuer berühmt werdenden Walzer ein
„patriotisches Volkslied“ schöpfen sollte, eine
Art „Schlagwort für alles, was es Schönes,
Liebes, Lustiges in Wien gibt“ (Eduard Hanslick).
Brahms liebte keine Strauß-Melodie mehr als
diese. Als der Komponist des „Donauwalzers“
einmal dessen erste vier Takte auf einen Fächer
schrieb, notierte Brahms darunter: „Leider
nicht von Johannes Brahms!“
Hatte Strauß bereits in seinen Gesangswalzern
gezeigt, wie die Musik „von den Füßen ins Herz
und in die Kehle“ gelangen konnte (H. E. Jacob),
so musste sein Talent irgendwann auch auf die
Operettenbühne streben. „Sie sollten Operetten
komponieren, Sie haben das Zeug dazu!“, hatte
ihn schließlich kein Geringerer als Jacques
Offenbach animiert. So konnte man 1871 im
Theater an der Wien Strauß’ allererste Operette
„Indigo“ vor ausverkauftem Haus erleben.
Seinen Durchbruch allerdings feierte er mit
seiner dritten Operette „Die Fledermaus“, die
er ausgerechnet im wirtschaftlichen Krisenjahr
1873 komponierte – eine ähnliche Konstellation
wie beim „Donauwalzer“! Von dem Libretto,
das Carl Haffner und Richard Genée nach einer
französischen Vorlage angefertigt hatten, war
Strauß sofort begeistert. Vor allem gab es in
dieser Verkleidungs- und Verwechslungskomödie um lauter reiche Nichtstuer einen großen
Maskenball im II. Akt, wo der Walzer-König sich
natürlich voll in seinem Element fühlen konnte.
Auf jenem „Souper“ in der Villa des Grafen
Orlofsky versammeln sich illustre Gäste, die sich
hier besser nicht begegnet wären. Auch Adele,
eine typisch kokette und gewiefte Zofe, hat sich
als „Künstlerin Olga“ eingefunden. Ihr Dienstherr von Eisenstein ist wiederum unter dem
Namen „Marquis Renard“ erschienen. In der
berühmten „Lach-Arie“ macht sich Adele nun –
natürlich im Walzertakt! – darüber lustig, dass
der „Marquis“ sie doch tatsächlich für ein
Stubenmädchen hält ...
Strauß’ enorme Walzer-Produktion ließ zwar
nach, seitdem er für die Operette entflammt
war, dennoch behauptete er sich auch in späteren Jahren immer wieder in seinem angestammten Machtbereich. Der „Frühlingsstim13
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men-Walzer“ wurde vermutlich von Franz Liszt
angeregt, mit dem Strauß 1883 in Budapest
vierhändig Klavier und Whist gespielt hatte.
Der Text stammt von Richard Genée, dem Kapellmeister des Theaters an der Wien, der auch
für das „Fledermaus“-Libretto verantwortlich
gewesen war. Den wie Vogelgesang in der Frühlingsluft mit zahlreichen Koloraturen gespickten
Gesangspart übernahm bei der Premiere die
Sopranistin Bianca Bianchi. Sie sang den Walzer
später sogar als Einlage in Léo Delibes’ Oper
„Le Roi l’a dit“, wodurch den „Frühlingsstimmen“
die Ehre zukommt, als erstes Strauß-Werk in der
Wiener Hofoper erklungen zu sein. Der Walzer
„Seid umschlungen Millionen“ wiederum erlebte seine Uraufführung 1892 im Goldenen
Saal des Wiener Musikvereins und zeigt allein
schon dadurch, wie weit es Strauß mit seinen
Konzertwalzern gebracht hatte. Durch Brahms
war er zudem an dessen Verleger Fritz Simrock –
eine Auszeichnung auf dem Gebiet der „seriösen“ Musik! – vermittelt worden. Seinem geschätzten Kollegen wollte er sich nun erkenntlich zeigen: „Brahms muß mit einer Dedication,
einem Walzer meiner Composition bedacht
werden“, schrieb Strauß an Simrock. „Ich will
diesen Walzer populär, aber dennoch gewürzt
und gepfeffert ohne Einbuße des Zweckes eines
Walzers, haltend auf einem Simrockschen Präsentierteller seiner Zeit ihm unterbreiten.“ Ob
der auf das berühmte Schiller-Wort anspielende
Titel im Sinne eines Verbrüderungslieds gedacht war, sei dahingestellt. Brahms jedenfalls
nahm die Widmung dankbar entgegen und zeigte sich bei der Uraufführung gegenüber Strauß
als „Ihr vergnügtester u. stolzester Zuhörer!“
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Weniger Gefallen hatte Brahms dagegen an der
rund zwei Monate zuvor uraufgeführten Oper
„Ritter Pásmán“ gefunden. „Es wurstelt u.
zottelt immer fort u. fort u. kommt zu Nichts“,
kommentierte er Strauß’ Bemühungen um einen
ernsten Opernstil. Immerhin hatte Strauß
seinen Traum einer Premiere an der Wiener
Hofoper endlich erreicht. Und trotz seiner
Detailkritik nahm Brahms an diesem Projekt
aufrichtig Anteil: „Die ganze Begebenheit
interessiert mich doch recht herzlich, und ich
wünschte, der gute Strauß käme gut durch.“
Zwar wurde die Oper ein Misserfolg, doch er
wäre vielleicht noch fataler ausgefallen, hätte
es im III. Akt nicht ein großes Ballett gegeben,
in dem sich Strauß einmal mehr als Spezialist
für Csárdás & Co. präsentieren konnte.
„Der Duft von Wien“
Einige Wochen nach der Premiere des „Ritter
Pásmán“, im Februar 1892, feierte der französische Komponist Jules Massenet mit seinem
„Werther“ in Wien große Erfolge. Zusammen
mit Brahms und Strauß war er vom Herausgeber einer Wiener Zeitung zum Abendessen
eingeladen. Massenets Bericht von diesem Zusammentreffen verdanken wir die vielleicht
schönsten Worte zum heutigen Konzertabend:
„Brahms und Strauß ... ich sah sie mir genau
an und sagte mir, daß es zwischen diesen
beiden großen Komponisten eigentlich keine
weitreichenden Unterschiede gab [!], da sie
doch beide, jeder in irgendeiner Art, symbolisieren: Wien, die große Stadt, Wien, die schöne
„Heut spielt der Strauß!“, Karikatur in Scherenschnittmanier von Otto Böhler (1899). Strauß dirigiert im Himmel,
berühmte Komponisten tanzen Walzer dazu. Das zweite Paar von rechts stellt Brahms und Hans von Bülow dar.
Stadt. Brahms schien mir die Verkörperung
der Wiener Seele in ihrer entwickeltsten Art,
ein Denker, dessen Ideen sich in Grazie einhüllen; selbst in seinen strengsten und ernstesten
Schöpfungen offenbart sich, was man eine süße
Fülle nennen könnte. Johann Strauß – aus seinen Werken atmet der Duft von Wien. Ich betrachtete seine Hände, die in so vielen Konzerten
dirigiert hatten, zu denen sich die reizenden
Wienerinnen drängten. Ich beneidete ihn: denn
wer soviel zarte Herzen unter so schönem
Busen höher schlagen macht, verdient Bewunderung. Ich wiederhole es: Brahms und Strauß,
das ist die Schönheit und die Verführungskunst
von Wien.“
Julius Heile
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NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
Brahms: „Liebeslieder-Walzer“
Gesangstexte
I.
IV.
VI.
IX.
Rede, Mädchen, allzu liebes,
das mir in die Brust, die kühle,
hat geschleudert mit dem Blicke
diese wilden Glutgefühle!
Ein kleiner, hübscher Vogel nahm den Flug
zum Garten hin, da gab es Obst genug.
Wenn ich ein hübscher, kleiner Vogel wär’,
ich säumte nicht, ich täte so wie der.
Willst du nicht dein Herz erweichen,
willst du, eine Überfromme,
rasten ohne traute Wonne,
oder willst du, daß ich komme?
Leimruten-Arglist, lauert an dem Ort;
der arme Vogel konnte nicht mehr fort.
Wenn ich ein hübscher, kleiner Vogel wär’,
ich säumte doch, ich täte nicht wie der.
Nagen am Herzen
fühl’ ich ein Gift mir.
Kann sich ein Mädchen,
ohne zu frönen
zärtlichem Hang,
fassen ein ganzes
wonneberaubtes
Leben entlang?
Am Donaustrande, da steht ein Haus,
da schaut ein rosiges Mädchen aus.
Das Mädchen, es ist wohl gut gehegt,
zehn eiserne Riegel sind vor die Türe gelegt.
Zehn eiserne Riegel – das ist ein Spaß;
die spreng’ ich, als wären sie nur von Glas.
Rasten ohne traute Wonne –
nicht so bitter will ich büßen.
Komme nur, du schwarzes Auge,
komme, wenn die Sterne grüßen.
Der Vogel kam in eine schöne Hand,
da tat es ihm, dem Glücklichen, nicht and.
Wenn ich ein hübscher, kleiner Vogel wär’,
ich säumte nicht, ich täte doch wie der.
II.
V.
Am Gesteine rauscht die Flut,
heftig angetrieben:
Wer da nicht zu seufzen weiß,
lernt es unterm Lieben.
Die grüne Hopfenranke,
sie schlängelt auf der Erde hin. –
Die junge, schöne Dirne,
so traurig ist ihr Sinn!
III.
Wie des Abends schöne Röte
möcht’ ich arme Dirne glühn,
einem, einem zu gefallen,
sonder Ende Wonne sprühn.
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Du höre, grüne Ranke!
Was hebst du dich nicht himmelwärts?
Du höre, schöne Dirne!
Was ist so schwer dein Herz?
Wie höbe sich die Ranke,
der keine Stütze Kraft verleiht?
Wie wäre die Dirne fröhlich,
wenn ihr der Liebste weit?
VII.
Verse aus „Polydora“ nach russischen, polnischen
und ungarischen Tanzliedern, übersetzt von
Georg Friedrich Daumer
Nein, es ist nicht auszukommen
mit den Leuten;
alles wissen sie so giftig
auszudeuten.
Bin ich heiter, hegen soll ich
lose Triebe;
bin ich still, so heißt’s, ich wäre
irr, aus Liebe.
VIII.
Wenn so lind dein Auge mir
und so lieblich schauet –
Jede letzte Trübe fliehet,
welche mich umgrauet.
Dieser Liebe schöne Glut,
laß sie nicht verstieben!
Nimmer wird, wie ich, so treu
dich ein andrer lieben.
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Strauß: „An der schönen blauen Donau“
Gesangstext
Wiener seid froh,
Oho, wieso?
no so blickt nur um!
I bitt’, warum?
Ein Schimmer des Lichts.
Wir seh’n noch nichts.
Ei! Fasching ist da!
Ah so, na ja!
D’rum trotzet der Zeit
O Gott, die Zeit
der Trübseligkeit.
Ah! Das wär g’scheidt!
Was nützt das Bedauern,
das Trauern,
d’rum froh und lustig seid.
Ehrt das Faschingsrecht,
wenn auch noch so schlecht
die Finanzen,
laßt uns tanzen;
heut zu Tage schwitzt,
wer im Zimmer sitzt,
g’rad so wie der Tänzer Schwall
auf’n Ball.
Der Bauer kratzt sich sehr,
daß die Zeiten gar so schwer;
nimmt sich an Rand mit G’walt,
zum Steueramt rennt er halt hin und zahlt.
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Das Geld ist jetzt hin, das is g’wiß,
das geb‘ns nit mehr heraus,
so weil jetzt der Fasching g’rad is,
ist Ball im G’moanwirtshaus;
s’gibt saub’re Dearndl’n noch,
an G’strampften tanz’n wir doch,
wann uns das Geld auch fehlt.
Es hat ja fast d’ganze Welt
kein Geld!
Ein dicker Hausherr, der ärgert sich sehr,
es steh’n im Haus alle Wohnungen leer,
s’macht nix, er geht trotz seiner Gall
halt doch auf’n Maskenball.
Fehl’n auch sechs Zinspartei’n,
g’steigert wer’n d’Andern halt;
morg’n zieht a Künstler ein,
der aber g’wiß nix zahlt;
pfänd’t man, ist’s ärgerlich,
d’Leut hab’n nix hint und vorn,
so denkt der Hausherr sich
und tanzt voll Zorn.
Der Künstler fühlt in der Grazien Näh’
wohl sich und weh
wie’s Fischlein im See;
verkörpert sieht er im heitersten Strahl
sein längst schon geträumt’ Ideal.
Er ist’s, dem die Musen die Stirne geküßt,
s’Leben versüßt,
den d’Schönheit begrüßt.
Wo Freude und Liebe erblühen im Keim,
fühlt sich der Künstler daheim.
Rasch im Schwung,
frisch und jung
kündet meisterlich
jeder Künstler sich,
d’rum mit Recht steht die Kunst
bei den Damen in so hoher Gunst.
D’rum nur zu
tanzt ohne Rast und Ruh’,
nützet den Augenblick,
denn sein Glück
kehrt nicht zurück.
Nein, nein, nein, nein, nein
Nützt in Eil’,
was Euch heut wird zu Teil,
denn die Zeit entflieht
und die Rose der Freude verblüht,
d’rum tanzt, ja tanzt, ja tanzt!
Josef Weyl (1867)
Selbst die politischen, kritischen Herr’n
Ha, ha, ha, ha, ha, ha
drehen weise im Kreise sich gern,
Ha, ha, ha, ha, ha, ha
wenn auch scheinbar bewegend sich keck,
kommen doch sie niemals vom Fleck.
Wie sie so walzen, versalzen sie meist
Ha, ha, ha, ha, ha, ha
trotz der Mühen die Brühen im Geist,
Ha, ha, ha, ha, ha, ha
wie’s auch Noten schreib’n so exakt,
kommen’s leider Gott stets aus dem Takt.
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NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
Strauß: „Frühlingsstimmen“
Strauß: Auszüge aus „Die Fledermaus“
Gesangstext
Gesangstexte
Da strömt auch der Liederquell,
der zu lang schon schien zu schweigen;
klingen hört dort wieder rein und hell
süße Stimmen aus den Zweigen!
Ah, leis’ läßt die Nachtigall
schon die ersten Töne hören,
um die Kön’gin nicht zu stören,
schweigt, ihr Sänger all!
Voller schon klingt bald ihr süßer Ton.
Ach ja bald, ah, ah ja bald!
Ah, ah, ah, ah!
O Sang der Nachtigall, holder Klang, ah ja!
Johann Strauß: „Frühlingsstimmen-Walzer“
(Titelblatt der Ausgabe für Klavier)
Die Lerche in blaue Höh’ entschwebt,
der Tauwind weht so lau;
sein wonniger milder Hauch belebt
und küßt das Feld, die Au.
Der Frühling in holder Pracht erwacht,
ah, alle Pein zu End mag sein,
alles Leid, entfloh’n ist es weit!
Schmerz wird milder, frohe Bilder,
Glaub’ an Glück kehrt zurück;
Sonnenschein, ah, dringt nun ein,
ah, alles lacht, ach, ach, erwacht!
Die Lerche in blaue Höh’ usw.
Liebe durchglüht, ah, ah , ah,
tönet das Lied, ah, und der Laut,
süß und traut, scheint auch Klagen zu tragen,
ah, ah, wiegt das Herz in süße Träumerein,
ah, ah, ah, ah, leise ein!
Kaum will entschwinden die Nacht,
Lerchensang frisch erwacht,
ah, Licht kommt sie künden,
Schatten entschwinden! Ah!
Die Lerche in blaue Höh’ entschwebt,
der Tauwind weht so lau;
sein wonniger milder Hauch belebt
und küßt das Feld, die Au.
Der Frühling in holder Pracht erwacht,
ah, alle Pein zu End mag sein,
alles Leid, entfloh’n ist es heut’ gar weit!
Ah, des Frühlings Stimmen klingen traut,
ah ja, ah ja, ah o süßer Laut,
ah, ah, ah, ah, ach ja!
Richard Genée (1883)
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Ein Souper heut’ uns winkt
CHOR
Ein Souper heut’ uns winkt,
wie noch gar kein’s dagewesen!
Delikat, auserlesen
immer hier man speist und trinkt.
Alles, was mit Glanz die Räume füllt,
erscheint uns wie ein Traumgebild’.
Wie in einen Zauberkreis gebannt,
ruft alles: Ha, charmant!
Ja, charmant, amüsant!
Ein Souper heut’ uns winkt usw.
Gefror’nes! – Mir ein wenig her! –
Limonade! – Hier, ich bitte sehr!
Konfitüren! – Hier! – Schokolade! – Mir!
Mir eine Tasse Tee! – Ich bitte um Kaffee!
Sogleich! – Hier Kaffe! Hier ein Tee!
Wie fliehen schnell die Stunden fort!
Die Zeit wird sicher keinem lang,
es heißt ja hier das Losungswort:
Amusement, Amusement, nur Amusement!
Mein Herr Marquis
ADELE
Mein Herr Marquis,
ein Mann wie Sie
sollt’ besser das versteh’n!
Darum rate ich
nur genauer sich
die Leute anzuseh’n!
Die Hand ist doch wohl gar zu fein, ach!
Dies Füßchen, so zierlich und klein, ach!
Die Sprache, die ich führe,
die Taille, die Tournüre,
dergleichen finden Sie
bei einer Zofe nie!
Gestehen müssen Sie fürwahr:
sehr komisch dieser Irrtum war!
Ja, sehr komisch,
ha ha ha,
ist die Sache,
ha ha ha,
d’rum verzeih’n Sie,
ha ha ha,
wenn ich lache,
ha ha ha ...
ADELE + CHOR
Ja, sehr komisch usw.
ADELE
Ach, sehr komisch, Herr Marquis,
sind Sie!
Mit dem Profil
im griech’schem Stil
beschenkte mich Natur.
Wenn nicht dies Gesicht
schon genügend spricht,
dann seh’n Sie die Figur!
Schau’n durch die Lorgnette dann, ha,
sich diese Toilette nur an, ha!
Mir scheinet wohl, die Liebe
macht Ihre Augen trübe,
der schönen Zofe Bild
hat ganz Ihr Herz erfüllt!
Nun sehen Sie sie überall;
sehr komisch ist fürwahr der Fall!
Ja, sehr komisch,
ha ha ha usw.
ADELE + CHOR
Ja, sehr komisch usw.
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Konzertvorschau
Impressum
NDR Sinfonieorchester
Saison 2012 / 2013
AUF KAMPNAGEL
KA3 | Fr, 14.06.2013 | 20 Uhr
Kampnagel, Jarrestraße 20
GRUBINGER AUF KAMPNAGEL
Andrés Orozco-Estrada Dirigent
Martin Grubinger Percussion
HK Gruber
„into the open …“
für Percussion und Orchester (UA)
Silvestre Revueltas
Sensemayá
Sergej Rachmaninow
Sinfonische Tanze op. 45
ZU GAST BEI
SOMMERFESTIVALS 2013
Sa, 15.06.2013 | 18 Uhr
Neubrandenburg, Konzertkirche
Eröffnungskonzert der
Festspiele Mecklenburg-Vorpommern
Andrés Orozco-Estrada Dirigent
Martin Grubinger Percussion
HK Gruber
„into the open …“
für Percussion und Orchester (UA)
Maurice Ravel
Alborada del gracioso
Sergej Rachmaninow
Sinfonische Tänze op. 45
KAMMERKONZERT
Di, 11.06.2013 | 20 Uhr
Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio
FAURÉ, FRANÇAIX, MOZART
Brigitte Lang Violine
Jan Larsen Viola
Katharina Kühl Violoncello
Yvonne Lang Klavier
Wolfgang Amadeus Mozart
Klavierquartett g-Moll KV 478
Jean Françaix
Streichtrio
Gabriel Fauré
Klavierquartett c-Moll op. 15
Sa, 06.07.2013 | 20 Uhr
So, 07.07.2013 | 20 Uhr
Lübeck, Musik- und Kongresshalle
Eröffnungskonzerte des
Schleswig-Holstein Musik Festivals
Thomas Hengelbrock Dirigent
Hélène Grimaud Klavier
Robert Schumann
Klavierkonzert a-Moll op. 54
Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 4 Es-Dur „Romantische“
Fr, 16.08.2013 | 20 Uhr
Hamburg, Laeiszhalle
Im Rahmen des
Schleswig-Holstein Musik Festivals
Herbert Blomstedt Dirigent
Frank Peter Zimmermann Violine
Johannes Brahms
· Violinkonzert D-Dur op. 77
· Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98
Herausgegeben vom
NORDDEUTSCHEN RUNDFUNK
PROGRAMMDIREKTION HÖRFUNK
BEREICH ORCHESTER UND CHOR
Leitung: Rolf Beck
Redaktion Sinfonieorchester:
Achim Dobschall
Redaktion des Programmheftes:
Julius Heile
Sa, 24.08.2013 | 20 Uhr
Lübeck, Musik- und Kongresshalle
So, 25.08.2013 | 20 Uhr
Kiel, Schloss
Abschlusskonzerte des
Schleswig-Holstein Musik Festivals
Andris Nelsons Dirigent
Kristine Opolais Sopran
Richard Wagner
· Ouvertüre zu
„Der fliegende Holländer“
· Wesendonck-Lieder
· Orchesterauszüge aus
„Der Ring des Nibelungen“
· Vorspiel und Liebestod aus
„Tristan und Isolde“
Der Einführungstext von Julius Heile
ist ein Originalbeitrag für den NDR.
Fotos:
Gunter Gluecklich (S. 4)
Felix Broede (S. 5)
Michael Müller | NDR (S. 6)
akg-images (S. 7, S. 10, S. 20)
culture-images/Lebrecht (S. 12, S. 15)
akg-images | Erich Lessing (S. 15)
NDR | Markendesign
Gestaltung: Klasse 3b, Hamburg
Litho: Otterbach Medien KG GmbH & Co.
Druck: Nehr & Co. GmbH
Nachdruck, auch auszugsweise,
nur mit Genehmigung des NDR gestattet.
Karten im NDR Ticketshop im Levantehaus,
Tel. 0180 – 1 78 79 80 (bundesweit zum Ortstarif,
maximal 42 Cent pro Minute aus dem Mobilfunknetz),
online unter ndrticketshop.de
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