14 Supply Chain Management und Customer Relationship Management − Prozessmodellierung für Extended Enterprises Martin Kugeler 14.1 Extended Enterprise – von der inner- zur überbetrieblichen Sichtweise Die Suche nach Effizienzsteigerung und Verbesserung der Kundenorientierung führt bei den Unternehmen zunehmend zu einer erweiterten Sichtweise. Die wertschöpfenden Prozesse beginnen und enden nicht an der Unternehmensgrenze, sondern erstrecken sich über die gesamte Lieferkette (Supply Chain) bis hin zum Kunden. Erhebliches Optimierungspotenzial besteht durch eine ganzheitliche Koordination der überbetrieblichen Leistungsverflechtung mit Hilfe des Supply Chain Managements. Zudem zwingt der erhöhte Marktdruck und Wettbewerb (beispielweise auf Grund von Globalisierung und Deregulierung der Märkte) die Unternehmen, sich stärker an den Kundenwünschen auszurichten. Das Customer Relationship Management als integraler Bestandteil des Supply Chain Managements (vgl. Abbildung 14.1) gestaltet aktiv die Kundenbeziehungen und soll zu einer erhöhten Kundenbindung und daraus folgend einer verbesserten Rentabilität des Unternehmens führen. SCM CRM 456 Martin Kugeler Supply Chain Management Unternehmen 1 Customer Relationship Management Unternehmen 2 Customer Relationship Management Unternehmen 3 Unternehmen 4 Customer Relationship Management E N D K U N D E Customer Relationship Management Abb. 14.1. Zusammenhang zwischen SCM und CRM IuK-Technologie als Enabler CRM und SCM knüpfen an bekannte betriebswirtschaftliche Konzepte des Kunden-, Produktions- und Logistikmanagements an und bringen sie in unternehmensübergreifenden Zusammenhängen zur Anwendung. Das CRM greift dabei klassische Marketingansätze kundenfokussierter Branchen (z. B. Maschinenbau). Auch das SCM stützt sich größtenteils auf seit längerem diskutierte Konzepte der überbetrieblichen Koordination wie just-in-time oder Total Quality Management. Die seit einigen Jahren zu beobachtende Fokussierung dieser Ansätze wird dabei einerseits durch die Potenziale der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie (z. B. die gestiegene Datenverarbeitungskapazität und innerbetriebliche Systemintegration sowie die einfache und kostengünstige Übermittlung von Informationen) ermöglicht, andererseits auch durch die weitgehende Ausreizung innerbetrieblicher Optimierungspotenziale erzwungen. 14.1.1 Effektive und effiziente Kundenbeziehungen durch Customer Relationship Management Ordnungsrahmen des CRM Der Ordnungsrahmen für das CRM als Strukturierungshilfe für die CRM-Prozesse ist in Abbildung 14.2 dargestellt. Kern des operativen CRM ist der Customer Buying Cycle430 mit den Teilprozessen Akquisition, Verkauf, Service Die Instrumente und Maßnahmen, _________________ 430 Vgl. Muther (2000), S. 15ff. und die dort angegebene Literatur. Die Phase der Evaluation wird hier vernachlässigt, da es sich dabei nicht um Aktivitäten handelt, die das CRM-durchführende Unternehmen wahrnimmt. Vgl. auch Rosemann, Rochefort, Behnck (1999), S. 107ff. Supply Chain Management und Customer Relationship Management die im operativen CRM durchgeführt werden, werden im Marketing-Mix-Management geplant und hinsichtlich ihres Erfolges überprüft Das CRM-Controlling plant und überprüft die Erfolge durch CRM hinsichtlich ihres Beitrags zum Unternehmensziel. Anregungsinformationen zur Umstrukturierung können dadurch erarbeitet werden. Das Informationsmanagement gestaltet die Organi-sation und die Informationssysteme für ein effizientes CRM Der hier vorgestellte Ordnungsrahmen stellt die grundsätzliche Struktur des CRM dar. Die konkrete Ausgestaltung der CRM-Prozesse und CRM-Informationssysteme ist jedoch unternehmensindividuell zu definieren. Daher gibt es auch unterschiedliche Ausprägungen des CRM abhängig von • der Wertschöpfungsstufe, auf dem das Unternehmen tätig ist (CRM für den Business-to-business- oder für Business-to-consumer-Bereich), • der Anzahl und Größe der Marktteilnehmer (Angebots-/Nachfrage-Polypol, -Oligopol oder -Monopol), • der Branche und • dem Fertigungstyp (z. B. Auftragsfertigung oder Fertigung für den anonymen Markt). CRM-Controlling Verkauf Kunde Marketing-MixManagement Akquisition Service Informationsmanagement Prozessmanagement Abb. 14.2. CRM-Ordnungsrahmen Das Marketing-Mix-Management plant die einzusetzenden Marketinginstrumente und kontrolliert den Erfolg der umgesetzten 457 Individuelle CRMAusgestaltung 458 Martin Kugeler MarketingMixManagement Maßnahmen. Die Planung der Marketinginstrumente vollzieht sich sowohl auf strategischer als auch auf taktischer und operativer Ebene. Zunächst müssen alternative Marketingstrategien gegeneinander abgewogen werden. Dabei gilt es, erste Hinweise für eine geeignete Stoßrichtung für Produkte und Märkte zu erfassen (vgl. Abbildung 14.3).431 Märkte gegenwärtig neu gegenwärtig Marktdurchdringung Marktentwicklung neu Produktentwicklung Diversifikation Produkte Abb. 14.3. Produkt-Markt-Matrix zur Festlegung strategischer Stoßrichtungen (Quelle: Meffert (2000), S. 244) Produktprogramm Marktsegmentierung Aus den unterschiedlichen Strategiealternativen wird deutlich, dass beim Marke-ting-Mix-Management nicht nur der Markt durch geeignete Instrumente bearbeitet wird (Marktdurchdringung bzw. -entwicklung), sondern auch Entscheidungen über das Produktprogramm, wie zum Beispiel das Schaffen von Innovationen oder die Variation vorhandener Produkte, getroffen werden. Bevor der Marketing-Mix festgelegt und konkrete MarketingMaßnahmen abge-leitet werden können, müssen eine Marktsegmentierung und die Auswahl der relevanten Kunden erfolgen. Bei der Marktsegmentierung soll der Gesamtmarkt in Käufergruppen eingeteilt werden. Diese Segmente müssen in sich homogen, aber untereinander heterogen sein.432 Sie dienen in einem ersten Schritt dazu, die relevanten Kunden(gruppen) auszuwählen und danach aus den Charakteristika der einzelnen Segmente Hinweise für eine erfolgreiche differenzierte Marktbear-beitung ziehen zu können. _________________ 431 432 Vgl. Ansoff (1966), S. 13ff. Vgl. z. B. Meffert (2000), S. 181. Supply Chain Management und Customer Relationship Management Die Auswahl der relevanten Kunden (-gruppen) soll sich am Customer Lifetime Value, d. h. dem (erwarteten) diskontierten Deckungsbeitrag, der über die gesamte Lebensdauer der Beziehung mit dem Kunden über alle Produkte und Sparten erzielt wird433, orientieren.434 Insbesondere zu Beginn einer Kundenbeziehung stellt die Akquisition eine Investition in neue Kunden dar. Diese Investition muss sich durch Aufträge in der Folgezeit rentieren. Dazu reicht häufig nicht nur ein Auftrag aus, sondern über die Kundenbindung müssen im Zeitablauf mehrere Verkäufe an den Kunden realisiert werden (vgl. Abbildung 14.4). Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass durch die Maßnahmen der Kundenbindung weniger Kosten verursacht werden als bei der Neuakquisition entstehen.435 kumulierter Deckungsbeitrag Kundenloyalität Akquisition Zeit Abb. 14.4. Entwicklung des kumulierten Deckungsbeitrags eines Kunden im Zeitablauf Die Schwierigkeit liegt jedoch in der Bestimmung des Customer Lifetime Value. Dazu müssen Hypothesen zum Kundenverhalten in der Zukunft und dessen wertmäßige Beurteilung aufgestellt werden. Zu den Komponenten, die den Kundenwert bestimmen, gehören:436 _________________ 433 434 435 436 Vgl. auch Herrmann, Fürderer (1997), S. 351f. Zu unterschiedlichen Ansätzen der Kundenbewertung vgl. Rapp (2000), S. 81ff. Vgl. Peppers, Rogers (1993), S. 51ff. Vgl. Herrmann, Fürderer (1997), S. 357ff. 459 Customer Lifetime Value 460 Martin Kugeler Komponenten des Customer Lifetime Value • • • • • • MarketingMix 1:1 Marketing die potenzielle Deckungsbeitragssumme gekaufter Produkte, die Kundenakquisitionskosten, die Kundenbindungskosten, der Wert übermittelter Informationen, das Cross- und Upselling-Potenzial und der Wert durch Empfehlungen durch den Kunden. Die Bewertung dieser Komponenten ist jedoch mit z. T. erheblicher Planungsun-sicherheit behaftet und daher ist die Selektion der Kunden(gruppen) anhand dieses Kriteriums mit Risiko verbunden. Nach Selektion und Charakterisierung der relevanten Zielgruppen kann der Marketing-Mix definiert werden. Dazu müssen die Instrumente für die vier Teilbereiche des Marketing-Mix437 geplant werden: • Produkt-Mix (z. B. Sortiment, Produktqualität, Marke, Servicelevel), • Kontrahierungs-Mix (z. B. Preis, Kredit, Rabatt, Skonto), • Distributions-Mix (z. B. Absatzkanal, Logistik) und • Kommunikations-Mix (z. B. Werbung, Public Relations, Verkaufsförderung,). Der erstellte Marketing-Mix hat neben strategischen Komponenten auch operative Inhalte.438 Zum Beispiel können im Rahmen des Campaign-Managements konkrete Werbekampagnen geplant werden, die dann in der Akquisitionsphase durchgeführt werden können. Die Umsetzung der unterschiedlichen Marketing-Mix-Instrumente im operativen CRM muss anschließend bez. des erreichten Erfolges kontrolliert werden. Dazu werden gesetzte Ziele, wie z. B. der Marktanteil, die Rücklaufquote bei bestimmten Werbemaßnahmen, der Bekanntheitsgrad oder auch der Customer Lifetime Value, mit dem erreichten Ist-Niveau verglichen. Notwendige Anpassungsmaßnahmen können auf diese Weise entdeckt und initiiert werden. Auf Grund neuer technologischer Möglichkeiten wird im Zusammenhang des CRM das One-to-one (1:1) Marketing439 propagiert. Dabei werden die Kundensegmente bis auf Einzelkunden heruntergebrochen, um diese einzeln analysieren, auswählen, ansprechen und betreuen zu können. Zusätzlich werden die MarketingMix-Instrumente entsprechend der individuellen Bedürfnisse auf die einzelnen Kunden zugeschnitten. Das bedeutet nicht nur eine _________________ 437 438 439 Vgl. z. B. Meffert (2000), S. 972. Vgl. Meffert (2000), S. 1108f. Vgl. z. B. Peppers, Rogers (1993). Supply Chain Management und Customer Relationship Management Abkehr von der Massenwerbung, sondern auch von den Massenprodukten. Dem Kunden sollen individuelle Produktlösungen angeboten werden. Das 1:1 Marketing stößt dabei auf folgende Probleme: • erhöhte Kosten für Analyse und Marketing-Mix-Planung für einzelne Kunden, • Schwierigkeit aus der Menge potenzieller und bestehender Kunden genau die richtigen auszuwählen440, • Komplexitätserhöhung bei der Auswertung der Produktpalette zur Erfüllung der individuellen Kundenwünsche441 und • Vernachlässigung der Kernkompetenzen bei stark diversifizierender Produktpalette. Der Customer Buying Cycle bildet die operativen Prozesse des CRMs ab. Darin ist die Akquisition die erste Phase, welche die Anbahnung des Absatzes mit neuen oder aber auch bestehenden Kunden zum Ziel hat. Der Prozess der Anbahnung beginnt mit der Werbung und der Kontaktaufnahme mit den Kunden. Das Interesse für das Produktsortiment oder einzelne Produkte, insbesondere auch Neuprodukte, muss geweckt werden. Die Reaktionen der Kunden müssen analysiert und ausgewertet werden, was ggf. zu einer Veränderung im Marketing-Mix-Management führen kann (z. B. Modifikation des Produktsortiments, Änderung der Markenstrategie, Anpassung der Werbemaßnahmen). Zeigt der Kunde Interesse an den angebotenen Produkten, so können eine Beratung und ein Angebot folgen. Dabei sollte auf die individuellen Wünsche und Probleme des Kunden eingegangen werden. Das kann je nach Produkt zu einem individuellen Angebot mit spezifischen Bestandteilen (Produktkomponenten, -varianten, Preis, Vertragsgestaltung) führen. Zur Verringerung der Komplexität sollten jedoch möglichst standardisierte Bestandteile verwendet werden, denn sonst wird der Angebotsprozess durch das Erarbeiten immer neuer Angebote, die Entwicklung und Produktion neuer Produktvarianten und das Verwalten unterschiedlichster Verträge sehr kostenintensiv. Der Kunde soll zwar das Gefühl haben, ein für ihn zugeschnittenes Angebot zu bekommen, aber dies sollte so kostensparend wie möglich geschehen. Nach Abschluss des Angebotsprozesses beginnt die Phase des Verkaufs, welche den Vertragsabschluss, die Auslieferung, die Installation und die Fakturierung samt Zahlungsabwicklung bein_________________ 440 441 20% - 80% der Kundenbasis sind unprofitable Kunden, wobei nicht alle unprofitablen Kunden „uninteressante“ Kunden sind. Vgl. dazu Rapp (2000), S. 83ff. Vgl. Rosemann, Rochefort, Behnck (1999), S. 106f. 461 Probleme des 1:1 Marketing Customer Buying Cycle Akquisition Verkauf 462 Service CRMControlling Balanced Scorecard Martin Kugeler haltet. Während dieser ganzen Phase sollte der Kunde die Möglichkeit haben, Statusinformationen zu den Aufträgen, Lieferung und auch Zahlungen bekommen zu können. In der letzten Phase des operativen CRM, dem Service, wird gezielt versucht, nach Abwicklung des Verkaufs durch eine gute Betreuung den Kunden an das Unternehmen zu binden. Zwar kann Teil der Betreuung auch vertraglich vereinbart sein (z. B. Schulung, Wartung), aber auch zusätzliche Serviceleistungen können dem Kunden angeboten werden (z. B. kostenlose Updates). Einen zentralen Punkt nimmt in dieser Phase das Beschwerdemanagement442 ein. Reklamationen müssen effektiv behandelt werden. Die Reaktion des Unternehmens auf Beschwerden des Kunden beeinflussen in großem Maße die Kundenzufriedenheit und damit die Bindung an das Unternehmen. Dazu müssen Reklamationen schnell und transparent bearbeitet werden. Der Kunde muss über alle Maßnahmen und deren Gründe informiert und aufgeklärt werden. Auch ist es häufig wirtschaftlicher, kulant auf Reklamationen zu reagieren, um den Kunden langfristig an das Unternehmen zu binden und Folgeaufträge zu generieren. Teil dieser letzten Phase sind zudem die Entsorgung und das Recycling. Im Zuge des verstärkten Umweltbewusstseins und der verschärften Gesetzgebung zum Recycling und zur Entsorgung muss auch dieser Prozess effizient gestaltet werden, damit dem Kunden keine unnötige Belastung bei der Beseitigung des Produkts nach Ende seiner Lebensdauer entsteht. Das CRM-Controlling stellt die Verbindung zwischen Unternehmenszielen und CRM-Zielen her. Abgeleitet aus den strategischen Unternehmenszielen werden die CRM-Ziele festgelegt und durch ein entsprechendes Berichtsystem kontinuierlich überprüft. Die CRM-Ziele werden dann im Marketing-Mix-Management konkretisiert, um so die CRM-Maßnahmen in Bezug auf die Unternehmensstrategie koordinieren zu können. Als Steuerungsinstrument für das CRM-Controlling kann die Balanced Scorecard (BSC) verwendet werden.443 Die BSC verwendet klassischerweise vier unterschiedliche Perspektiven zur Unterteilung der Zielkategorien.444 Die ökonomischen Ziele werden in der finanziellen Perspektive erfasst. Dies ist zugleich die Hauptperspektive der BSC. Die externe Absatzmarktsicht wird durch Ziele in der Kundenperspektive konkretisiert und die Ziele für die internen Abläufe werden in der Prozessperspektive definiert. In der Lern- und Wachstumsperspektive werden unterschiedlichste Ziele _________________ 442 443 444 Vgl. z. B. Stauss (2003). Vgl. Kiesel, Neuser, Auerbach (2000). Vgl. Kaufmann (1997), S. 425. Supply Chain Management und Customer Relationship Management zu Mitarbeiterqualifikation und -zufriedenheit, Informationssystemen und Innovationsfähigkeit zusammengefasst. Innerhalb jeder Perspektive werden den jeweiligen Zielen Messgrößen, Zielwerte und Maßnahmen zugeordnet.445 Zur Verknüpfung der Unternehmens-BSC und der CRM-BSC bietet sich die Ableitung von Wirkungsketten an.446 Zudem müssen die strategisch und übergreifend formulierten Ziele anhand der Prozesse hierarchisiert und verfeinert werden.447 Dadurch ergibt sich ein BSC-System, das zur effektiven Steuerung der CRMMaßnahmen dienen kann. Das Prozess- und Informationsmanagement448 stellt Supportprozesse innerhalb des CRM dar, deren Aufgabe es ist, die Organisation (d. h. Aufbau- und Ablauforganisation) und die Anwendungssysteme für ein effektives und effizientes CRM zu gestalten. Für die Organisationsgestaltung bietet sich eine Orientierung an den Prozessen des CRM an. Diese Prozesse samt Schnittstellen zum Kunden und die von diesem durchgeführten Abläufe müssen anhand von Prozessmodellen geeignet dargestellt werden, um interne und externe Optimierungspotenziale ausschöpfen zu können. Die technologische Unterstützung der CRM-Informationsversorgung ist der zweite Kernbereich des Informationsmanagements. In der IT-Architektur für CRM können drei Hauptkomponenten unterschieden werden (Vgl. Abbildung 14.5):449 • analytische CRM-Systeme • operative CRM-Systeme und • kollaborative CRM-Systeme. Die analytischen CRM-Systeme dienen der Analyse von Kunden-, Produkt- und Aktionsdaten. Auf der Basis dieser durch ein Data Warehouse ermöglichten Analysen soll die Planung und Kontrolle sämtlicher CRM-Maßnahmen unterstützt werden. Daher liefern die analytischen CRM-Systeme wichtige Daten für das CRM-Controlling, Marketing sowie die Produktentwicklung. Auch für das Prozess- und Informationsmanagement sind die analytischen CRMSysteme eine Informationsquelle, um Schwachstellen und Verbesserungspotenziale erkennen zu können. _________________ 445 446 447 448 449 Vgl. Kaplan, Norton (1996), S. 76. Vgl. z. B. Kiesel, Neuser, Auerbach (2000), S. 72. Vgl. Wiese (2000), S. 101ff. Zum Prozessmanagement vgl. ausführlich Kapitel 1 bis Kapitel 9. Zum Begriff des Informationsmanagement vgl. beispielsweise Becker (1999), S. 556ff. Vgl. dazu Schwede (2000), S. 8f. 463 Prozess- und Informationsmanagement IT-Architektur des CRM Analytische CRM-Systeme 464 Martin Kugeler Operatives CRM Analytisches CRM Business Operations Mgmt. Business Performance Mgmt. Back Office Supply Chain Mgmt. Order Mgmt. Order Promising Kundenservice Marketing Automation Mobile Office Customer Interaction Audio (IVR, CTI, ACD) Data Warehouse Altsysteme Vertriebsautomation Produktkonfigurator Aussendienst Konferenz E-Mail WebKonferenz Datenqualitätssicherungsmaßnahmen Front Office ERP/ERM KundenAktionsData Mart Kunden Data Mart Produkt Data Mart Vertikale Apps. Marketing Automation Category Mgmt. Kampagnen Mgmt. Web Portals Fax/Brief Direkte Interaktion E-Resp.Mgmt. Kollaboratives CRM Business Collaboration Mgmt. Abb. 14.5. IT-Architektur für das CRM (Quelle: Schwede (2000), S.8) Operative CRM-Systeme Kollaborative CRM-Systeme Die operativen CRM-Systeme bestehen vornehmlich aus den unternehmensinternen ERP-Systemen, die um lieferantenorientierte IV-Unterstützung für das Supply Chain Management erweitert werden. Diese Erweiterung des ERP-System wird benötigt, um Liefer- und Terminzusagen für die Kunden machen zu können sowie für eine reibungslose Auftragsabwicklung zu sorgen. Zusätzlich umfassen die operativen Systeme Anwendungen für die Bereiche Vertriebs- und Service-Automatisierung (inkl. Mobile Sales und Mobile Service). Diese Applikationen sollen sämtliche operativen CRM-Prozesse, d. h. Akquisition (z. B. Campaign-Management), Verkauf (z. B. Mobile Sales, Auftragsabwicklung) und Service (z. B. Mobile Service, Beschwerdemanagement) unterstützen. Die kollaborativen CRM-Systeme stellen die Kommunikation mit den Kunden sicher und müssen zwingend mit den operativen CRM-Systemen integriert werden, um reibungslose Abläufe (z. B. für die Auftragsabwicklung oder das Beschwerdemanagement) zu Supply Chain Management und Customer Relationship Management 465 gewährleisten. Die Kommunikation soll möglichst über alle Kanäle (Fax, E-Mail, World Wide Web, Telefon und Direktkontakt) konsistent und redundanzfrei sein. Dazu müssen die In- und Outputdaten aller Kommunikationskanäle entsprechend synchronisiert und abgestimmt werden. Hierbei dient das Customer Interaction Center als technische Lösung und soll die einzige Schnittstelle zum Kunden für sämtliche Kundenkontakte von der Akquisition (z. B. E-Mail-Kampagne) bis zum Service (z. B. Beschwerdeannahme und Telefon-Service) sein. Zudem ist es die Aufgabe des Customer Interaction Centers, den CRM-Prozessen und beteiligten Mitarbeitern eine integrierte und konsistente Sicht auf alle kundenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen. Customer Interaction Center 14.1.2 Koordination der überbetrieblichen Leistungsverflechtungen mit Supply Chain Management Das Supply Chain Management erweitert die Sicht der Logistik um die explizite überbetriebliche Betrachtungsweise und integriert die Kunden und Lieferanten in die operativen und planerischen Prozesse (vgl. Abbildung 14.6). Funktionsintegration Kundenservice Marketing Lieferantenintegration Lieferantenintegration Kundenintegration Kundenintegration Auftragsabwicklung Auftragsabwicklung Auftragsabwicklung Beschaffung Beschaffung Beschaffung Herstellung Herstellung Herstellung Lagerhaltung Lagerhaltung Lagerhaltung Lagerhaltung Transport Transport Transport Transport physikal. Distributionsmanagement Logistikmanagement Supply Chain Management Abb. 14.6. Funktionale Integration für das SCM (In Anlehnung an: Metz (1998)) Die Logistik beschäftigt sich vornehmlich mit der innerbetrieblichen Auftragsabwicklung und der Distribution, folglich mit den Funktionen Beschaffung, Produktion, Lagerung und Transport. Konzepte 466 Martin Kugeler Das SCM integriert die Lieferanten und Kunden in das Logistikkonzept sowie Funktionen wie Marketing, Service und Produktentwicklung. Dabei werden zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen sowohl die Material- als auch die Informations- und Finanzflüsse (vgl. Abbildung 14.7) betrachtet. Besondere Bedeutung haben dabei die Informationsflüsse, welche zur Planung und Steuerung der Supply Chains benötigt werden. SCM vs. Logistik Informationsfluss Informationsfluss Unternehmen Materialfluss Informationsfluss Unternehmen Finanzfluss Materialfluss Unternehmen Finanzfluss Abb. 14.7. Die drei Flüsse des SCM Ziel des SCM SCOR-Modell Unter dem SCM kann somit die Planung, Steuerung, Durchführung und Kontrolle der gesamten Wertschöpfungskette, idealerweise von der Rohstoffgewinnung bis zum Endkunden, unter Beachtung der Material-, Informations- und Finanzflüsse verstanden werden. Ziel des SCM ist dabei, durch die erhöhte Koordination sowohl einen erhöhten Mehrwert für den Kunden als auch eine höhere Rentabilität für alle Mitglieder der Wertschöpfungskette zu erreichen.450 Das Supply-Chain Council hat in Zusammenarbeit mit über 500 Mitgliedern ein Referenzmodell für SCM und dessen Einführung erarbeitet. Das Supply-Chain Operations Reference-model (SCOR)451 umfasst fünf Kernprozesse: Planung, Beschaffung, Produktion, Distribution und Retouren (vgl. Abbildung 14.8).452 _________________ 450 451 452 Vgl. Anderson, Britt, Favre (1997), S. 1. Vgl. Supply-Chain Council (2000a). Neu ist in der Version 4.0 der Kernprozess „Retouren“. Supply Chain Management und Customer Relationship Management 467 Plan Deliver Source Return Suppliers´ Supplier Make Deliver Return Source Supplier Make Deliver Return Your Company internal or external Source Make Deliver Source Return Customer internal or external Customers´ Customer Abb. 14.8. SCOR-Modell – Ebene 1 (Quelle: Supply-Chain Council (2000a), S. 2) Hierarchisch ist das SCOR-Modell in vier Ebenen mit unterschiedlichem Detaillierungsgrad eingeteilt (vgl. Abbildung 14.9). Level # Description Schematic Comments Supply Chain Operations Reference-model 1 Not in scope Top Level (Process Types) Plan Source Make Deliver Return A company´s supply chain can be "configured-to-order" at Level 2 from 26 core "process categories." Companies implement their operations strategy through the configuration they choose for the supply chain. 2 Configuration Level (Process Categories) 3 Process Element Level (Decompose Processes) P1.1 Identify, Prioritize and Aggregate Supply-Chain Requirements P1.2 Identify, Asses and Aggregate Supply-Chain Requirements 4 Implementation Level (Decompose Process Elements) Level 1 defines the scope and content for the Supply Chain Operations Referencemodel. Here basis of competition performance targets are set. P1.3 P1.4 Balance Production Ressources with SupplyChain Requirements Establish and Communicate SupplyChain Plans Level 3 defines a company´s ability to compete succesfully in its chosen markets, and consists of: Process element definitions Process element information inputs, and outputs Process performance metrics Best practices, where applicable System capabilities required to support best practices Systems/tools Companies "fine tune" their Operations Strategy at Level 3. Companies implement specific supplychain management practices at this level. Level 4 defines practices to achieve competitive advantage and to adapt to changing business conditions. Abb. 14.9. Die vier Ebenen des SCOR-Modells (Quelle: Supply-Chain Council (2000a), S. 3) 468 Martin Kugeler Ebene 1 und 2 des SCORModells Auf der höchsten Ebene werden die unterschiedlichen Kernprozesse definiert. Diese werden auf der zweiten Ebene in Prozesskategorien unterteilt (vgl. Abbildung 14.10). Zusätzlich zu den detaillierteren Kernprozessen werden noch sog. Enabler beschrieben. Diese Enabler sind Supportprozesse des Informations- und Relationship Managements, die für die Durchführung der Kernprozesse notwendig sind.453 Plan P1 Plan Supply Chain Suppliers P4 Plan Delivery Make Source S1 Source Stocked Product Deliver D1 Deliver Stocked Product M1 Make-to-Stock S2 Source Make-toOrder-Product D2 Deliver Make-to Order Product M2 Make-to-Order S3 Source Engineerto-Order Product P5 Plan Return Customers P3 Plan Make P2 Plan Source D3 Deliver Engineer-toOrder Product M3 Engineer-to-Order Return Enable Plan 1) Establish and Manage Rules 2) Asses Performance 3) Manage Data 4) Manage Inventory 5) Manage Capital Assets 6) Manage Transportation 7) Manage Supply Chain Configuration 8) Manage Regulatory Compliance 9) Process Specific Elements AlignSC/ Financials Source Make Supplier Agreements Deliver R1 Return Product Manage Retains Abb. 14.10. SCOR-Modell – Ebene 2 (Quelle: Supply-Chain Council (2000a), S. 10) Ebene 3 des SCORModells Die detaillierteste Beschreibung innerhalb des SCOR-Modells erfolgt auf der dritten Ebene. Hier werden die Prozesskategorien durch Prozesselemente verfeinert. Diese Prozesselemente werden mit ihrer Reihenfolgebeziehung als Prozessmodell beschrieben. Des Weiteren werden die erforderlichen Inputs und die geschaffenen Outputs bei jedem Prozesselement dargestellt. Ferner wird durch das vorgestellten Kürzel die Herkunft des Inputs bzw. die _________________ 453 Vgl. Supply-Chain Council (2000b), S. 8. Supply Chain Management und Customer Relationship Management 469 weitere Verwendung des Outputs erfasst. Ein Beispiel für eine modellierte Prozesskategorie ist der Abbildung 14.11 zu entnehmen. S1: Source Stocked Products (P2.4) Sourcing Plans (ES.2) Source Execution Data (M1.1, M2.1, M3.2) Production Schedule (M1.2, M2.2, M3.3, D1.3) Replenishment Signals (Supplier) Sourced Products S1.1 S1.2 S1.3 Schedule Product Deliveries Reveice Product Verify Product Procurement Signal (Supplier) Sourced Product on Order (P2.2), (ES.9) Scheduled Receipts (M1.1, M2.1, M3.2, D1.8) Receipt Verification (ES.1, ES.2, ES.6, ES.8) (M) (D) Product Pull Signals (ES.4) Product Inventory Location (EM) WIP Inventory Location (ED) Finished Goods Inventory Location Receipt Verification (ES.1, ES.2) (ES.9) Payment Terms S1.4 S1.5 Transfer Product Authorize Supplier Payment Inventory Availability (P2.2, ES.4, M1.2, M2.2, M3.3, D1.8) Abb. 14.11. SCOR-Modell – Ebene 3 (Quelle: Supply-Chain Council (2000a), S. 49) Zusätzlich zu der grafischen Notation werden die Prozesselemente tabellarisch detailliert. Dazu wird das Element definiert und mögliche Kennzahlen für die unterschiedlichen Leistungsmerkmale (Flexibilität, Reaktionsfähigkeit, Kosten, Zuverlässigkeit, Vermö- Prozesselemente 470 Martin Kugeler genswerte) werden aufgeführt. Unter den ‚Best Practice’ werden Maßnahmen zur Optimierung dieses Prozesselements vorgeschlagen, deren IT-Komponenten für eine systemtechnische Umsetzung als ‚Features’ beschrieben werden. Schließlich werden auch in der Tabelle nochmals die In- und Outputs mit Quelle bzw. Senke aufgezählt. Ein Beispiel für die Beschreibung eines Prozesselements ist in Tabelle 14.1 dargestellt. Tabelle 14.1. Beschreibung eines Prozesselements im SCOR-Modell (Quelle: Supply-Chain Council (2000a), S. 51) Process Element: Schedule Product Deliveries Process Element Definiton Process Element Number: S1.1 Scheduling and managing the execution of the individual deliveries of products against an existing contract or purchase order. The requirements for product release are determined based on the detailed sourcing plan or other types of product pull signals. Performance Attributes Metric Flexibility and Responsiveness Total Source Lead Time % of EDI Transactions Product management and Planing Costs as a % of Product Acquisition Costs % Defective, Defective parts per million (dppm) Completion to budget and scope of service description Cost Reliability Asset Raw Material or product Days of Supply Best practice Features Utilized EDI transaction to reduce cycle time and costs EDI interface for 830, 850, 856 & 862 transactions VMI agreements allow suppliers to manage (replenish) inventory Mechanical (Kanban) pull signals are used to notify suppliers of the need to deliver product Consignment agreements are used to reduce assets and cycle time while increasing the availability of critical items Supplier managed inventories with scheduling interfaces to external suppliers systems Electronic Kanban support Consignment inventory management Advanced ship notices allow for right synchronization between source and make processes Banket order support with scheduling interfaces to external supplier systems Inputs Plan Sourcing Plans Source Execution Data Logistic Selection Production Schedule Replenishment Signals P2.4 Outputs Plan Source Procurement Signal (Supplier) Sourced Product on Order Scheduled receipts P2.2 ES.9 Nachteile des SCORModells Source Make Deliver M1.1, M2.1, M3.2 M1.2, M2.2, M3.3 D1.3 Make Deliver ES.2 ES.6 M1.1, M2.1, M3.2 Nachteilig ist an dem SCOR-Modell in der aktuellen Form, dass die Produktentwicklung als determinierender Faktor für die Ausgestaltung der SC und der operativen Prozesse vernachlässigt wird. Auch kommen die Pflege der Kundenbeziehung und die Koordinationsmechanismen bei unterschiedlichen Produktionsstrategien in dem Referenzmodell zu kurz. Beispielsweise kann ein Unternehmen teilweise für ein Produkt eine Lagerfertigung betreiben, bei Supply Chain Management und Customer Relationship Management 471 besonderen Varianten aber eine Auftragsfertigung durchführen. Die Darstellung der Prozesse ist sehr oberflächlich und die verwandte Notationsart kann keine komplexen Prozesse darstellen. Daher muss bei einer Detaillierung der Prozesse für eine Implementierung eine andere Notation gewählt werden und es entsteht ein unnötiger Methodenbruch. Im folgenden Ordnungsrahmen des SCM (vgl. Abbildung 14.12) wird diese Kritik am SCOR-Modell aufgegriffen. Kern des SCM sind drei Teilbereiche: die Führungsprozesse (SCM-Controlling), die operativen SCM-Prozesse (Produktentwicklung, Beschaffung, Produktion, Distribution, Recycling und Relationship Management) und die Supportprozesse (Prozess- und Informationsmanagement). Ordungsrahmen des SCM SCM-Controlling Produktentwicklung Beschaffung Produktion Distribution Recycling Relationship Management Informationsmanagement Prozessmanagement .... Kunde (Level n) Unternehmen Kunde (Level 1) Lieferant (Level 1) Lieferant (Level n) .... Abb. 14.12. SCM-Ordnungsrahmen Das SCM-Controlling umfasst sämtliche Planungs- und Kontrollaktivitäten zum Aufbau und zur Durchführung des operativen SCM. Dabei muss diese Managementaufgabe unternehmensintern SCMControlling 472 Strategische Planungsaufgaben Taktische Planungsaufgaben Operative Planungsaufgaben Martin Kugeler und -übergreifend durchgeführt werden. Das Zielsystem für das SCM muss aus den Unternehmenszielen abgeleitet werden. Die besondere Schwierigkeit liegt darin, dass die Ziele der beteiligten SCM-Partner z. T. konfliktär sind. Besonders erschwert wird das Planungsproblem dadurch, dass es sich bei einer SC in Wirklichkeit nicht um eine Kette, sondern um ein komplexes Netzwerk handelt und jeder SCM-Partner in unterschiedliche SC eingebunden werden kann (insbesondere auch Unternehmen, die ein diversifiziertes Produktsortiment besitzen). Ein weiteres Problem liegt in der Gewinnaufteilung zwischen den einzelnen Partnern. Das SCM erfordert zunächst Investitionen von allen Partnern, die von der Kooperation langfristig profitieren wollen. Jedoch gibt es keine betriebswirtschaftlich fundierten Modelle, nach denen die Gewinnaufteilung vorgenommen werden sollte.454 Das SCM-Controlling muss sowohl strategisch als auch taktisch und operativ planen. Strategische Planungsaufgaben sind z. B.: • Auswahl der SCM-Partner, • Standort- und Layoutplanung, • Festlegung des Produktprogramms, • Beschaffungsstrategie, • Wahl der Distributionskanäle, • langfristige Absatzplanung, • langfristige Kapazitätsplanung und • Entscheidung über die Fertigungstiefe. Die taktischen Aufgaben der Planung umfassen: • mittelfristige Absatzplanung, • mittelfristige Produktionsprogrammplanung und • mittelfristige Kapazitätsplanung. Die operativen Planungsaufgaben sind beispielsweise: • Personaleinsatzplanung, • kurzfristige Produktionsprogrammplanung, • kurzfristige Materialbedarfsplanung, • Maschinenbelegungsplanung und • Tourenplanung. Es wird häufig versucht, diese Planungsprobleme mittels Optimierungsmodellen und Heuristiken samt informationstechnischer Un_________________ 454 Beispielsweise fällt der gesamte Gewinn bei einer engpassbezogenen Planung mit Hilfe von Verrechnungspreisen beim Unternehmen mit dem Engpass an. Vgl. Adam (2000), S. 34. Supply Chain Management und Customer Relationship Management terstützung (Advanced Planning Systems455) zu lösen. Die Komplexität ist jedoch z. T. so groß, dass nur dezentrale Koordinationsmechanismen in der Lage sind, die SC effizient zu steuern. Beispielsweise kann versucht werden, das dezentrale Produktionssteuerungskonzept „Kanban“ auf das überbetriebliche SCM zu übertragen. Die Produktentwicklung verursacht im Vergleich zu den operativen Prozessen Beschaffung, Produktion und Distribution verhältnismäßig geringe Kosten, jedoch werden durch die Produktspezifizierung und die damit verbundenen Anforderungen an Produktions- und Transportprozesse ein Großteil der Kosten determiniert (vgl. Abbildung 14.13).456 473 Produktentwicklung Kosten 100 ∑ kf ∑ kv festgelegte Kosten kf verursachte Kosten kv 50 Konstruktion AV Einkauf Fertigung Verwaltung Vertrieb Auftragsabwicklungsbereiche Abb. 14.13. Determinierte und verursachte Kosten (Quelle: Opitz (1970), S. 525) Daher kommt es bei der Produktentwicklung darauf an, die Produkte oder einzelne Module zu standardisieren und auch zu vereinfachen, da dieses den Produktionsprozess erheblich rationalisiert. Zudem sollte das Produkt möglichst einfach zu verpacken und transportieren sein, damit die Handhabung und Transportabwicklung effizient durchgeführt werden kann. Neben der Form sind dafür die verwandten Materialen, Ausmaße und Gewichte entscheidend. Zudem sollten kapitalintensive Materialien möglichst spät _________________ 455 456 Vgl. Stadtler, Kilger (2000). Vgl. Opitz (1970), S. 525; Klaus (1999), S. 112ff. Ziele der Produktentwicklung 474 Überbetriebliche Produktentwicklung Beschaffung Produktion Martin Kugeler im Produktionsprozess zugeführt werden können, damit die Kapitalbindung im Umlaufvermögen reduziert werden kann. Bei der Produktentwicklung sind auch bereits die Auswirkungen auf das Recycling zu beachten. Die Konstruktion des Produkts sollte deshalb zum einen so sein, dass die Transportabwicklung einfach vorgenommen werden kann. Zum anderen sollten möglichst viele und insbesondere die kostenintensiven Materialien wiederverwendbar oder recyclebar sein, die Komponenten einfach zerlegbar sein bzw. sollte die Entsorgung der anderen Materialien günstig vorgenommen werden können. Die gemeinsame Produktentwicklung der SCM-Partner birgt das Potenzial, dass durch die Parallelisierung von Aktivitäten die Dauer des Entwicklungsprozesses verkürzt werden kann. Der Informationsaustausch und insbesondere das Teilen von Markt- und Kundenkenntnissen verringert das Risiko eines Flops beim Produktentwurf und der Produkteinführung. Bringen zudem alle SCM-Partner ihr Know-how und ihre Kernkompetenzen in den Entwicklungsprozess mit ein, können Produktqualität verbessert und Fertigungs- und Transportprozesse vereinfacht werden. Die Beschaffung hat zum Ziel, die Beschaffungskosten und das Risiko von Fehlmengen zu reduzieren. Zur Senkung der Beschaffungskosten können beispielsweise Materialkosten (Bündelung von Beschaffungsmaßnahmen zum Erreichen von Skaleneffekten, z. B. durch Single-Sourcing), Lagerbestände, Wareneingangsprüfungen, Einlagerungsaktivitäten, Transportwege oder die Anzahl der Bestellungen verringert werden. Z. T. konfliktär demgegenüber ist das Ziel der Risikominimierung von Fehlmengen. Die Vermeidung von Engpässen in der Beschaffung kann durch einen hohen Sicherheitsbestand im Lager, alternative Lieferanten für die gleichen Materialien und eine intensive Wareneingangsprüfung zur Sicherstellung von Qualität erreicht werden. Während der Produktion werden verschiedene, konkurrierende Zielsetzungen verfolgt.457 Erstens soll die Durchlaufzeit minimiert werden, um die Kapitalbindung zu reduzieren. Zweitens muss der Auslastungsgrad der Ressourcen maximiert werden, damit fixe Kosten für Personal und Maschinen auf eine möglichst große Outputmenge umgerechnet werden können und somit der Fixkostenanteil sinkt. Drittens sollen die Zwischen- und Endlagerbestände reduziert werden, um wiederum Kapitalbindungskosten, aber auch Ein- und Auslagerungskosten zu verringern. Das vierte Ziel der Produktion ist die Einhaltung der Fertigstellungstermine. Bei vorzeitiger Fertigstellung wird der Endlagerbestand erhöht, eine zu späte Fertigstellung kann beim Kunden Unzufriedenheit auslösen _________________ 457 Vgl. Adam (1998), S. 548ff. Supply Chain Management und Customer Relationship Management oder es fallen sogar Kosten durch eine Konventionalstrafe für die Verspätung an. Zur Erreichung der Ziele insbesondere im SC-Verbund ist eine effektive Integration der Produktionsplanung und -steuerung unternehmensübergreifend zu gewährleisten. Zudem müssen Gedanken des Total Quality Managements aufgegriffen werden und die Fehlerraten im Produktionsprozess gering gehalten werden. Denn bei einer engen Verzahnung der verschiedenen Unternehmen kann jede Störung im Produktionsprozess fatale Auswirkungen auf die in der SC nachgelagerten Unternehmen besitzen. Die Distribution umfasst die Aktivitäten für das Lagern der Fertigprodukte, die Kommissionierung, das Verpacken für den Transport, die Etikettierung und das Ausliefern an den Kunden. Dabei gilt es zum einen die Transportkosten zu reduzieren. Dazu müssen innerhalb der Tourenplanung die Routen optimiert und die Auslastung der Transportmittel maximiert werden. Zum anderen müssen neben der Minimierung der Kosten für das Endlager die Produktbeschädigungen beim Transport minimiert und die Liefertreue maximiert werden. Innerhalb der SC muss die Distribution möglichst gut auf den Beschaffungsprozess der Kunden abgestimmt werden, um überbetriebliche Nutzenpotenziale zu erschließen. Durch das immer stärker werdende Umweltbewusstsein und die Kopplung von Ökologie und Ökonomie (beispielsweise durch ein ökologisch beeinflusstes Steuerrecht oder Umweltgesetze) nimmt der Stellenwert des Recycling permanent zu.458 Dabei umfasst das Recycling sämtliche Aktivitäten zur umweltgerechten Entsorgung bzw. Beseitigung von Gütern am Schluss der jeweiligen Gebrauchsphase. Hauptziel des Recycling ist die Erhaltung von möglichst vielen Komponenten und Materialmengen für eine erneute Produktion desselben, eines ähnlichen oder aber auch völlig anderen Produkts. Für das Recycling ist eine Demontage des Produkts in einzelne Module oder Bestandteile notwendig, damit diese nach ihrer Trennung aufgearbeitet, aufbereitet oder deponiert werden können. Zudem müssen für das Recycling die damit verbundenen logistischen Prozesse unternehmensübergreifend geplant und abgewickelt werden. Insbesondere das intrabetriebliche (Verwertung von Entsorgungsgütern anderer Unternehmen) und das extrabetriebliche Recycling (Abgabe von Recyclaten oder aufbereiteten Produkten an andere Unternehmen bzw. an den Konsumsektor), vgl. Abbildung 14.14, bedürfen einer abgestimmten überbetrieblichen Logistik samt Austausch der notwendigen Informationen. _________________ 458 Vgl. zum Folgenden insbesondere Schneider (1999). 475 Distribution Recycling 476 Martin Kugeler Unternehmen A Innerbetriebliches Recycling Konsumsektor Extrabetriebliches Recycling Unternehmen B Intrabetriebliches Recycling Abb. 14.14. Recycling-Kreislaufarten (Quelle: Schneider (1999), S. 25) Relationship Management Prozess- und Informationsmanagement Das Relationship Management umfasst neben dem Customer Relationship Management459 das Beziehungsmanagement mit den Lieferanten. Das CRM als Bestandteil des SCM koordiniert die gesamten Unternehmensaktivitäten in Bezug auf die Kunden. Beim überbetrieblichen CRM gehören dazu eine aufeinander abgestimmte Marketingstrategie und -maßnahmen, koordinierte Akquisitionsmaßnahmen (Efficient Promotion, aber auch gemeinsam wahrgenommene Akquisitionsaktivitäten), eine effiziente Auftragsabwicklung (Quick Response) und angepasste Serviceleistungen. Voraussetzungen für ein effektives Beziehungsmanagement mit den Lieferanten sind Loyalität und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Der Informationsbedarf der Lieferanten muss identifiziert und befriedigt werden. Dabei werden umso mehr Informationen ausgetauscht desto länger, intensiver und zuverlässiger die Beziehung zu den Lieferanten ist. Wie beim CRM stellt das Prozess- und Informationsmanagement des SCM einen Supportprozess dar, der die Organisationsund Anwendungssysteme gestaltet. Methodisch kann diese Gestal_________________ 459 Vgl. dazu ausführlich Kapitel 14.1.1. Supply Chain Management und Customer Relationship Management 477 Advanced Planning Systems Enterprise Systems IT für SCM SC-Execution SC-Planning tungsaufgabe durch eine überbetriebliche Prozessmodellierung unterstützt werden.460 Das SCM muss durch geeignete IT-Systeme unterstützt werden. Dazu werden die innerbetrieblichen betriebswirtschaftlichen Anwendungen (Enterprise Systems) um überbetriebliche Komponenten zur Einbindung von Kunden und Lieferanten in die Planung und operative Durchführung erweitert (Extended Enterprise Systems). SCM-Systeme müssen Funktionalitäten der Planung (SCPlanning) und operativen Abwicklung (SC-Execution) beinhalten.461 Dazu können drei Komponenten unterschieden werden (vgl. Abbildung 14.15): • Enterprise Systems, • Advanced Planning Systems und • Collaborative Systems. Collaborative Systems Abb. 14.15. IT-Architektur für das SCM Enterprise Systems bieten Funktionalitäten zur Abwicklung von innerbetrieblichen Prozessen und bilden somit die Grundlage der SC-Execution. Es werden operative Prozesse der Materialwirtschaft, der Produktion, des Verkaufs, der Distribution sowie des Rechnungswesens und der Finanzen unterstützt. Aber Enterprise Systems besitzen auch Planungsfunktionalitäten für die operativen Prozesse. Diese sind jedoch auf innerbetriebliche Planungs- und Steuerungsaufgaben beschränkt. Zunehmend werden sogenannte Advanced Planning Systems (APS) am Markt angeboten, die für verbesserte Planungsergeb_________________ 460 461 Vgl. Kapitel 14.2. Vgl. Knolmayer, Mertens, Zeier (2000), S. 21. Enterprise Systems 478 Advanced Planning Systems Martin Kugeler nisse – durch vermehrte Simultanplanung statt Sukzessivplanung wie bei den Enterprise Systems – sorgen sollen. Die APS zeichnen sich durch eine deutlich erhöhte Rechenleistung aus, um komplexere Planungsprobleme lösen und dabei Interdependenzen zwischen verschiedenen Teilplanungen berücksichtigen zu können. Zudem werden in den APS vielfältige Heuristiken für die unterschiedlichen SC-Planungsprobleme angeboten. Ferner werden durch die APS überbetriebliche Planungs- und Steuerungsaufgaben explizit berücksichtigt. Die APS beinhalten dazu sowohl langals auch mittel- und kurzfristig ausgerichtete Module (vgl. Abbildung 14.16).462 Beschaffung longterm Produktion Distribution Verkauf Strategische Netzwerk-Planung midterm Grobplanung Bedarfsplanung Materialbedarfsplanung shortterm Produktionsplanung Distributionsplanung Terminierung Transportplanung Auftragsabwicklung & ATP Abb. 14.16. Module von Advanced Planning Systems (Quelle: Meyr, Wagner, Rohde (2000), S. 75) Strategische NetzwerkPlanung Grob- und Bedarfsplanung Die strategische Netzwerk-Planung463 nimmt sämtliche langfristigen Planungsfunktionen wahr. Insbesondere wird der Materialfluss zwischen den SC-Partnern determiniert. Dazu werden die Standortplanung, die Planung der Distributionsstruktur und die langfristige Absatzplanung unterstützt. Die mittelfristige Planung übernehmen die Module Bedarfsplanung464 und Grobplanung465. Aufbauend auf der Absatzplanung der Bedarfsplanung werden in der Grobplanung Maschinen- und Personalkapazitäten festgelegt. Ferner werden Eckwerte der Trans_________________ 462 463 464 465 Vgl. dazu Meyr, Wagner, Rohde (2000). Vgl. Goetschalckx (2000). Vgl. Wagner (2000). Vgl. Rohde, Wagner (2000). Supply Chain Management und Customer Relationship Management portkapazitäten für die Distribution sowie der Materialbedarfe für die Beschaffung bestimmt. Die Module für die kurzfristige Planung ergänzen bzw. ersetzen die Planungskomponenten der Enterprise Systems. In der Materialbedarfsplanung wird die Beschaffungsnachfrage geplant. Die Produktionsplanung und Terminierung466 übernimmt die Losgrößen-, Reihenfolge- und Maschinenbelegungsplanung. Die Distributionsund Transportplanung467 determiniert die Transportmittel- und Routenplanung. Die Auftragsabwicklung und ATP468 plant die Erfüllung für konkrete Kundenaufträge. Dazu wird durch das Available-to-promise (ATP) eine realistische Terminzusage für die Fertigstellung und Auslieferung der Produkte möglich. Diese Terminplanung schafft für den Kunden Transparenz und Planungssicherheit. Die Collaborative Systems stellen die Kommunikationsverbindung zu Kunden und Lieferanten her. Dazu werden wie im CRM unterschiedliche Kommunikationskanäle (z. B.: E-Mail, Telefon, Word Wide Web) verwendet. Die Collaborative Systems haben zur Aufgabe einen möglichst effizienten Datenaustausch zwischen den SCM-Partnern zu ermöglichen, um einerseits die operativen SCM-Prozesse als auch die SCM-Planung zu unterstützen. Wichtig ist dabei auch, dass die Daten, die über unterschiedliche Kommunikationskanäle ausgetauscht werden, konsistent und ständig aktuell gehalten werden. Die Implementierung des Supply Chain Management ist mit einer Reihe von Problemen und Hemmnissen verbunden:469 • Die hohe Komplexität der Planung und Koordination ist auf Grund der vielfältigen Interdependenzen schwer zu bewältigen. Auch rechnergestützte Planungsheuristiken können bisher nicht komplette SCs, deren gesamte Material-, Informations- und Finanzflüsse abbilden und zufriedenstellend lösen. • Die bestehenden Softwareprodukte zum SCM-Planning (Advanced Planning Systems) bieten größtenteils keine Möglichkeit der kurzfristigen überbetrieblichen Materialbedarfs-, Produktions- und Distributionsplanung. Die verfügbaren Heuristiken und Prognosemodelle lösen vornehmlich innerbetriebliche Planungs- und Optimierungsprobleme. • Die Nutzenpotenziale des SCM lassen sich nur in der gesamten SC in Zusammenarbeit mit allen Partnern realisieren. Es ist nicht gewährleistet, dass alle SC-Partner (gleichermaßen) vom _________________ 466 467 468 469 Vgl. Stadler (2000). Vgl. Fleischmann (2000). Vgl. Kilger, Schneeweiss (2000). Vgl. auch Knolmayer, Mertens, Zeier (2000), S. 19f. 479 Komponenten der kurzfristigen Planung Collaborative Systems Probleme und Hindernisse bei der SCMImplementierung 480 Martin Kugeler • • • • SCM profitieren. Daher stellt die Gewinnverteilung zwischen den Partnern ein erhebliches Konfliktpotenzial dar. Verschiedene Unternehmen verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen. Diese Zielkonflikte sind in der betrieblichen Praxis schwer zu lösen. Daher ist bei der Wahl der SC-Partner insbesondere auf kompatible Ziele zu achten. Der Aufbau eines SCM ist mit erheblichem Aufwand verbunden. Daher ist der Wechsel der SC-Partner sowie der Austritt und Eintritt in alternative SC auf Grund von prohibitiv hohen Kosten schwer oder gar nicht möglich. Die zentrale Planung für das SCM ist i. d. R. unrealistisch. Sämtliche SC-Partner müssen unternehmenskritische Daten für eine zentrale Planung zur Verfügung stellen. Dies wird jedoch nur gemacht, wenn die SC-Partner sich in einer starken Abhängigkeit zum zentral planenden Unternehmen befinden oder sich durch eine langfristige Geschäftsbeziehung das notwendige Vertrauen zwischen den SC-Partnern gebildet hat. Dann muss jedoch auch der zusätzliche Nutzen durch ein koordiniertes SCM für alle Partner offensichtlich werden. Die Verringerung der Lagerbestände in der SC erhöht die Störanfälligkeit der gesamten Lieferkette. Produktions- oder Transportschwierigkeiten eines SC-Partners wirken sich durch die Minimierung von Sicherheitsbeständen direkt auf sämtliche Unternehmen in der SC aus (insbesondere auf die in der Wertschöpfungskette nachgelagerten). 14.2 Die überbetriebliche Prozessmodellierung 14.2.1 Anforderungen an die überbetriebliche Prozessmodellierung Auch für die überbetriebliche Prozessmodellierung gelten die Grundsätze ordnungsmäßiger Modellierung470. Darüber hinaus werden spezielle Anforderungen an die Techniken zur Darstellung überbetrieblicher Abläufe gestellt:471 • Der Bekanntheitsgrad von Darstellungstechniken ist besonders bei der überbetrieblichen Prozessmodellierung wichtig. Mitarbeiter aus unterschiedlichen Unternehmen müssen die Modelle erstellen und verstehen können. Als effektives Kommunika_________________ 470 471 Vgl. dazu ausführlich Kapitel 3.1.2. Vgl. auch Schüppler (1998), S. 75f. und die dort angegebene Literatur. Supply Chain Management und Customer Relationship Management 481 tionsmittel können die modellierten Abläufe nur verwendet werden, wenn die Modellierungstechnik in den Unternehmen bekannt ist und akzeptiert wird. • Die Akzeptanz steigt einerseits mit dem Bekanntheitsgrad der Notation, andererseits mit der Einfachheit der Darstellung (-stechnik). Da viele Mitarbeiter aus unterschiedlichen Unternehmen, Branchen und Kulturen die Prozessmodelle verstehen und umsetzen sollen, muss die Darstellung übersichtlich, verständlich und möglichst selbsterklärend sein. Dazu sind auf die gleichen Modelle unterschiedliche Sichten zu definieren. Eine Sicht auf die Prozessmodelle stellt dabei sämtliche für eine Benutzergruppe relevanten Informationsobjekte und Sachverhalte dar und verringert die Komplexität durch Ausblenden der übrigen Modellobjekte. Zur Verwaltung und Darstellung der unterschiedlichen Sichten ist ein mächtiges Modellierungstool notwendig. • Für die unterschiedlichen überbetrieblichen Prozesse ist eine einheitliche Darstellungstechnik zu wählen. Problematisch ist die Verwendung einer einheitlichen Methode für inner- und überbetriebliche Prozessmodelle, da verschiedene Unternehmen zumeist unterschiedliche Methoden für ihr jeweiliges Informationsmanagement einsetzen. Wenn es nicht möglich ist, die Methodenvielfalt in allen beteiligten Unternehmen einzuschränken und eine einheitliche Darstellungstechnik für alle Unternehmen zu wählen, dann ist für die überbetriebliche Modellierungsmethode zu fordern, dass sie einfach in die unterschiedlichen innerbetrieblichen Methoden überführbar ist. • Die Modellierungstechnik muss brachenneutral verwendbar sein, da gerade bei der überbetrieblichen Modellierung Prozesse von Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette, d. h. aus unterschiedlichen Branchen dargestellt werden müssen. Die Darstellungstechnik muss folgende Informationsobjekttypen zur umfassenden Beschreibung überbetrieblicher Prozesse enthalten: • Funktionen, um die durchzuführenden Aktivitäten zu dokumentieren. • Entscheidungsregeln für den Prozess, damit komplexe, nichtlineare Abläufe (z. B. alternative und parallele Prozesszweige) dargestellt werden können. • Organisationseinheiten/Stellen, die einerseits darstellen, welches Unternehmen welche Funktion wahrnimmt und die darüber hinaus innerhalb eines Unternehmens genau spezifizieren, welche Organisationseinheit bzw. Stelle die Funktion durch- Informationsobjektypen 482 Martin Kugeler führt. Ggf. kann anhand der Zuordnung die Art der Verantwortlichkeit bzw. Mitwirkung genau festgelegt werden.472 • In- und Outputs, welche die Leistungen bzw. Daten definieren, die für die Durchführung einer Funktion notwendig sind bzw. welche durch sie geschaffen werden. Die Definition der Daten bzw. Leistungen ist insbesondere an den Prozessschnittstellen zwischen Unternehmen genau zu spezifizieren, um einen reibungslosen überbetrieblichen Ablauf zu gewährleisten. Bei der Übermittlung von Daten sollte zusätzlich der Kommunikationskanal modelliert werden, über den dieser Datenaustausch standardmäßig erfolgen soll. 14.2.2 Darstellungstechniken im Vergleich Informationsflussmodelle Es existiert eine Vielzahl von Darstellungsarten für überbetriebliche Daten-/Leistungsaustausche und Prozesse. Im Wieteren sollen nur drei Techniken exemplarisch diskutiert und ihre Schwachstellen aufgezeigt werden. Informationsflussmodelle erfassen die Informations-Austauschbeziehungen zwischen der (den) Informationsquelle(n) und der (den) Informationssenke(n).473 Quelle und Senke sind die am überbetrieblichen Prozess beteiligten Unternehmen bzw. deren Organisationseinheiten. Ein Modell für einen überbetrieblichen Informationsfluss ist in Abbildung 14.17 dargestellt. _________________ 472 473 Vgl. Kapitel 7.3. Vgl. BIFOA (1997). Supply Chain Management und Customer Relationship Management (Produkt-) Information (Produkt-) Information Bestellung Produzent Bestellung Anbieter Rechnung Kunde Rechnung Zahlungsauftrag Gutschriftsanzeige ZV-Abwicklung Bank 1 483 Zahlungsauftrag Gutschrifts- u. Belastungsanzeige ZV-Abwicklung Bank 2 Belastungsanzeige Bank 3 Abb. 14.17. Überbetriebliches Informationsflussmodell (Quelle: Schüppler (1998), S. 154) Rechnung (11) Melde Vordisposition (4) Aktionsinitiative (1) Aktionslieferung (9) Ergebnis Nachverhandlung (6) Einkaufskooperation Aktionsbestellung (8) Ergebnis Nachverhandlung (6) Nachverhandlung Konditionen (5) Aktionslieferung (9) Lieferant Lastschriftanzeige (12) Lastschrift (12) Lastschrift (12) Hausbank Lieferant Hausbank Handelskontor Hausbank Handelszentrale Lastschriftanzeige (12) Lastschrift (12) Rechnung (11) Handelsfiliale Typ 1 WE-Beleg (10) Vordisposition (3) Aktionslieferung (9) Abfrage Bedarf (2) Abfrage Bedarf (2) Vordisposition (3) WE-Beleg (10) Handelszentrale Handelsfiliale Typ 2 Abb. 14.18. Überbetriebliches Informations-, Waren- und Zahlungsflussmodell (Quelle: Schüppler (1998), S. 157) Die Informationsflussmodelle bzw. die Informations-, Waren und Zahlungsflussmodelle haben den Vorteil einfach erstellbar, über- Handelskontor 484 E-Business Szenarios Martin Kugeler sichtlich und leicht verständlich zu sein. Jedoch ist anhand dieser Modelle keine überbetriebliche Prozessanalyse möglich, da die durchgeführten Prozesse samt ihrer Ablauflogik nicht dargestellt werden.474 Anhand dieser Modelle können keine detaillierten Ansätze zur Prozessoptimierung, wie z. B. die Eliminierung redundanter Tätigkeiten, Parallelisierung von Prozesszweigen oder die Reduktion von Medienbrüchen erkannt werden. Daher kann diese Technik nur für eine erste Vorstrukturierung des überbetrieblichen Betrachtungsbereichs dienen. Die von SAP verwandte Technik zur Darstellung der E-Business Szenarios475 erfasst nicht nur die überbetrieblich kooperierenden Unternehmen und deren Waren-, Informations- und Zahlungsflüsse, sondern stellt auch Funktionen und ihre (grobe) Reihenfolgebeziehung dar (vgl. Abbildung 14.19). Customer Retailer Manufacturer Data provider external data provision panel segmentation Product introduction Product introduction buying Business Documents Sales Data point of sales product launch data gathering decision customer interview external data update Abb. 14.19. E-Business Szenario Technik (Quelle: SAP (o. J.)) Prozessmodellierung auf hohem Abstraktionsniveau Mit der E-Business Szenario-Technik können jedoch keine komplexen Prozessstrukturen dargestellt werden, da diese Notation keine Entscheidungsregeln erfasst. Daher kann diese Modellierungstechnik auch nur für eine Prozessmodellierung auf hohem _________________ 474 475 Die Nummerierung ermöglicht zwar eine rudimentäre Reihenfolgedarstellung, jedoch ist es nicht möglich Entscheidungsregeln zu modellieren. Damit kann eine umfassende Beschreibung der Ablauflogik nicht gewährleistet werden. Im Folgenden E-Business Szenario-Technik genannt. Supply Chain Management und Customer Relationship Management Abstraktionsniveau sinnvoll sein. Die Darstellung detaillierter Prozessstrukturen muss anhand anderer Modellierungsmethoden vorgenommen werden. Eine detaillierte Möglichkeit die überbetrieblichen Prozesse zu modellieren bieten die Ereignisgesteuerten Prozessketten (EPK)476. SCHÜPPLER verwendet bei seiner Darstellungstechnik eine Spaltendarstellung, wobei jede Spalte die Prozesse einer Unternehmung symbolisiert (vgl. Abbildung 14.20).477 _________________ 476 477 Vgl. Kapitel 3.4.2. Schüppler (1998), S. 161ff. 485 486 Martin Kugeler Marktpartner 1 (Lieferant) Marktpartner 2 (Kunde) Auftrag ist eingegangen Prüfungen durchzuf. Kundendaten Artikelbestand Verfügbarkeitsprüf. durchführen Kreditlimitprüf. durchführen Auftrag Verfügbarkeitsprüf. erfolgt Kreditlimitprüf. erfolgt Auftrag ist zu kommissionieren Auftrag ist zu kommissionieren Kundendaten Auftrag Lieferantendaten Bestellung ist anzulegen Bezugsnachweis Bestellung anlegen Artikeldaten Bestellung ist angelegt Best. ist zu übermitteln Artikelbestand Bestellung übermitteln Bestellung Artikeldaten Auftrag kommision. Auftrag Ware am WE vorhanden Best. ist übermittelt WE erfassen WE wird erwartet Auftrag ist kommisioniert Kundendaten Auftrag ist auszuliefern Auftrag Auftrag ausliefern Bestellung WE abwickeln Wareneingang Artikelbestand Auftrag ist ausgeliefert Rechnung ist eingegangen WE ist erfolgt Rechnung ist zu schreiben Rechnung ist zu prüfen Rechnung ist zu prüfen Auftrag Rechnung schreiben Rechnung Wareneingang Rechnung ist geschrieben Rechnung ist zu übermitteln Rechnung Kundendaten Rechnung übermitteln Rechnung Rechnungsprüfung vornehmen Rechnungsprüfung erfolgt Zahlung ist anzuweisen Rechnung Zahlung anweisen Rechnung ist übermittelt Zahlung ist eingegangen Zahlungseingang Wird erwartet OP ist auszuziffern Kreditorenkonto Zahlung ist angewiesen Rechnung Offenen Posten ausziffern Debitorenkonto Off. Posten ist ausgeziffert Abb. 14.20. Überbetriebliche EPK nach SCHÜPPLER (Quelle: Schüppler (1998), S. 163) Supply Chain Management und Customer Relationship Management Die EPK mit den Konnektoren ermöglicht es, auch komplexe Prozesse darstellen zu können. Die modellierten In- und Outputbeziehungen führen zu einer erhöhten Transparenz der Abläufe. Jedoch hat die von SCHÜPPLER vorgeschlagene Art der Modellierung auch Nachteile folgende Nachteile: • Die Prozessobjektmigration und die korrespondierenden Daten werden nicht ausreichend deutlich. Prozessobjektmigration bedeutet, dass ausgetauschte Daten bei Kunden bzw. Lieferanten eine andere Bezeichnung besitzen, z. B. Auftrag und Bestellung oder Lieferung und Wareneingang. In der Modellierungstechnik nach Schüppler wird die Beziehung zwischen den unterschiedlichen Objekten nur indirekt durch die Benennung der Ereignisse deutlich (‚Bestellung ist übermittelt’ korrespondiert mit ‚Auftrag ist eingegangen’, so dass die Prozessobjektmigration nur anhand des Kontrollflusses festgelegt wird). Daher schlägt Schüppler noch einen weiteren Modelltyp, das Prozessobjektmigrationsmodell vor.478 Dieser Ansatz wird hier verworfen, da es sinnvoll ist, die Prozessobjektmigration direkt im Prozessmodell zu verdeutlichen. • Es wird nicht zwischen einer Pull- oder Push-Informationsaustauschbeziehung unterschieden.479 Es ist aber wichtig diese Aufgabe zu differenzieren, um eindeutige Verantwortlichkeiten zuordnen zu können. • Die Organisationssicht wird vernachlässigt. Eine Zuweisung von Aufgaben zu Aufgabenträgern wird nicht vorgenommen, sondern durch die Spaltendarstellung nur einem Unternehmen zugeordnet. Welche Organisationseinheit bzw. Stelle im Unternehmen verantwortlich ist, wird nicht modelliert. Dies ist aber einerseits für die innerbetriebliche Koordination notwendig, andererseits muss auch dem Geschäftspartner aus dem Prozessmodell deutlich werden, welche Stelle oder Organisationseinheit für ihn innerhalb eines Prozesses der relevante Ansprechpartner ist. • Das Kommunikationsmedium zum Austausch der relevanten Informationen und Daten wird nicht spezifiziert. • Die beteiligten Informationssysteme werden nicht definiert. Aus den aufgezählten Nachteilen ergeben sich folgende Veränderungen für die Modellierung überbetrieblicher Prozesse anhand von EPK. _________________ 478 479 Vgl. Schüppler (1998), S. 166. SCHÜPPLER expliziert dies in einem Szenario anhand der Positionierung der Daten in den Spalten und der verwendeten Kantenart. Vgl. Schüppler (1998), S. 176. 487 488 Martin Kugeler Marktpartner 1 (Lieferant) Marktpartner 2 (Kunde) Bestellung ist abzurufen FB Bestellung abrufen führt durch Bestellung Lieferantendaten SB Auftragsmgmt. Bezugsnachweis FB Auftrag Internet Artikeldaten FB Auftrag ist abgerufen Kundendaten FB Artikelbestand FB Verfügbarkeitsprüf. durchführen Artikelbestand SB Auftragsmgmt. führt durch Kundendaten führt durch SB Auftragsmgmt. Kreditlimitprüf. durchführen Bestellung anlegen führt durch SB MaWi FB SAP MM FB Bestellung FB FB Auftrag FB Auftrag FB Bestellung ist anzulegen FB Verfügbarkeitsprüf. ist erfolgt Ware am WE vorhanden WE wird erwartet Kreditlimitprüf. ist erfolgt Bestellung Artikeldaten FB führt durch Auftrag kommissionieren SB Auftragsmgmt. FB Wareneingang WE abwickeln führt durch MA Lager FB Auftrag FB Kundendaten Auftrag ist kommissioniert Auftrag FB Artikelbestand Rechnung ist eingegangen WE ist erfolgt FB Auftrag ausliefern führt durch MA Logistik Rechnungsprüfung vornehmen FB Auftrag FB Rechnung schreiben .... Auftrag ist ausgeliefert führt durch Rechnung führt durch SB MaWi SAP MM SB Auftragsmgmt. SAP SD FB Kundendaten FB Rechnung übermitteln Rechnung führt durch Rechnung ist geschrieben SB Auftragsmgmt. Fax FB .... Rechnung ist übermittelt Abb. 14.21. Notationsempfehlung für eine überbetriebliche Prozessmodellierung anhand der EPK Supply Chain Management und Customer Relationship Management Die Prozessobjektmigration wird anhand einer explizierten Funktion480 dargestellt, deren Input der Ausgangsbegriff und deren Output der Zielbegriff ist. Da es sich bei diesem Informationsaustausch um eine Tätigkeit handelt, die Ressourcen und Zeit verbraucht, ist auch die Modellierung einer besonderen Funktion gerechtfertigt. Die unterschiedlichen Informationsstrategien werden anhand der (standardisierten) Benennung dieser Funktion deutlich. Für einen Push-Informationsaustausch sollte die Funktion ‚[Prozessobjekt]481 übermitteln’ und für eine Pull-Beziehung ‚[Prozessobjekt]482 abrufen’ bezeichnet werde. Zudem wird diesen Funktionen auch das verwendete Kommunikationsmedium, die ausführende Stelle/Organisationseinheit483 sowie die verwendeten Informationssysteme zugeordnet. Ein Beispiel für eine solche Modellierung ist in Abbildung 14.21 dargestellt. Die im Prozessmodell anhand von Fachbegriffen dargestellten Daten für den Informationsaustausch müssen innerhalb der Datensicht mit Hilfe von Entity-Relationship-Modellen konkretisiert werden. Zum technischen Informationsaustausch im operativen Betrieb müssen diese Modelle in konkrete Nachrichtenformate transformiert werden (z. B. XML-Nachrichtendefinition484). Dies zeigt, dass die überbetriebliche Prozessmodellierung durch eine geeignete überbetriebliche Datenmodellierung ergänzt werden muss. Denn ohne eine exakte Definition von Formaten zum Austausch der relevanten Daten ist die Implementierung reibungsloser überbetrieblicher Abläufe, wie sie für das SCM und CRM benötigt werden, nicht möglich. _________________ 480 481 482 483 484 Ggf. kann diese Funktion noch farblich gekennzeichnet werden, um die Informationsaustauschbeziehungen im überbetrieblichen Prozess noch deutlicher zu machen. Das Prozessobjekt entspricht hierbei dem Ausgangsobjekt (Input). Das Prozessobjekt ist in diesem Fall das Zielobjekt (Output). Die Stellen und Organisationseinheiten sind im Prozess durchgängig den Funktionen mit differenzierten Kantentypen zuzuordnen. Vgl. Kapitel 7.3 und Kugeler (2000), S. 169f. Zur Umsetzung von EDI hat sich die Extensible Markup Language (XML) als Sprache etabliert. Vgl. dazu Buxmann (1999). 489 Notationsempfehlungen Überbetriebliche Datenmodellierung