Beispiel 8.14: Die Länge bestimmter Werkstücke sei normalverteilt mit den Parametern µ = 20 (in cm) und σ 2 = 0.04 (in cm2 ). Der Sollwert für die Länge beträgt 20 cm. a) Mit welcher Wahrscheinlichkeit beträgt die Länge eines solchen Werkstücks höchstens 20.5 cm ? b) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Länge eines solchen Werkstücks zwischen 19.7 und 20.3 cm liegt? c) Welche Genauigkeitsangabe für die Länge der Werkstücke kann mit einer Wahrscheinlichkeit von 0.95 garantiert werden? zu a): Die ZV X sei die Länge eines Werkstücks. Dann gilt: X ∼ N (20, 0.04) (der Einfachheit halber werden die Maßeinheiten zunächst weggelassen). Mit Hilfe der Formel (130) (hier mit x = 20.5, µ = 20 und σ 2 = 0.04, d.h. σ = 0.2) und der Tabelle für die Verteilungsfunktion Φ(x) ergibt sich: 20.5 − 20 P (X ≤ 20.5) = F (20.5) = Φ = Φ(2.5) = 0.99379, 0.2 d.h. mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 99.4 % hat ein Werkstück eine Länge von höchstens 20.5 cm. zu b): Bei dieser Berechnung ist zusätzlich die Formel (131) zu beachten: 19.7 − 20 20.3 − 20 −Φ = Φ(1.5) − Φ(−1.5) P (19.7 < X < 20.3) = F (20.3) − F (19.7) = Φ 0.2 0.2 = Φ(1.5) − (1 − Φ(1.5)) = 2Φ(1.5) − 1 = 2 · 0.93319 − 1 = 0.86638. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Länge eines Werkstücks zwischen 19.7 und 20.3 cm liegt, beträgt ca. 86.6 %. zu c): Zu ermitteln ist eine reelle Zahl c derart, dass die Länge des Werkstücks (in cm) mit einer Wahrscheinlichkeit von 0.95 innerhalb des Intervalls (20 − c, 20 + c) liegt, d.h. es soll gelten: P (20 − c < X < 20 + c) = 0.95 mit noch zu ermittelndem c. Gemäß (130) und (131) gilt: 20 + c − 20 20 − c − 20 P (20 − c < X < 20 + c) = F (20 + c) − F (20 − c) = Φ −Φ = 0.2 0.2 c c c c −c = Φ −Φ =Φ − 1−Φ = 2Φ − 1 = 0.95 0.2 0.2 0.2 0.2 0.2 Eine einfache Umformung im letzten Teil dieser Gleichung liefert: c = 0.975. Φ 0.2 Bisher (siehe a) und b)) lag immer die Situation vor, dass für eine bestimmte reelle Zahl (hier allgemein x genannt) der Wert Φ(x) aus der Tabelle abgelesen werden musste. Jetzt ist die Situation jedoch umgekehrt: in der letztgenannten Gleichung ist der Funktionswert von Φ jetzt bekannt (nämlich: 0.975), aber das zugehörige Argument der Funktion Φ nicht. Daher ist die Tabelle der Funktion Φ(x) jetzt umgekehrt“ zu lesen: der Funk” tionswert (d.h. in diesem Fall: 0.975) muss aufgesucht und durch Zuordnen der Zeile und Spalte herausgefunden werden, zu welcher Zahl x dieser Funktionswert gehört1 . Man erhält: Φ(x) = 0.975 ⇒ x = 1.96 und somit: c = 1.96 ⇒ c = 0.392 ≈ 0.39. 0.2 Die Genauigkeitsangabe: 19.61 cm < X < 20.39 cm kann mit einer Wahrscheinlichkeit von 0.95 garantiert werden. Beispiel 8.15: siehe nächste Seite 1 Unter Verwendung der Aussage von Defintion 8.3 kann man auch sagen: Es wird das 0.975-Quantil der ZV X ermittelt. Beispiel 8.15: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmter Gerätetyp einer Zuverlässigkeitsprüfung nicht standhält, betrage p = 0.06. Insgesamt 200 Geräte werden unabhängig voneinander geprüft. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass von diesen Geräten mindestens 10 und höchstens 15 dieser Zuverlässigkeitsprüfung nicht standhalten? Die ZV X = Anzahl der Geräte, die der Zuverlässigkeitsprüfung nicht standhalten“ (bezogen auf die Anzahl ” von 200 Stück) ist binomialverteilt mit den Parametern n = 200 und p = 0.06. Nun wird überprüft, ob eine Approximation dieser Binomialverteilung durch eine geeignete Normalverteilung möglich ist. Es gilt: n · p · (1 − p) = 200 · 0.06 · 0.94 = 11.28 > 9, d.h. gemäß der obigen Aussage kann eine Approximation durch eine Normalverteilung mit µ = np = 200 · 0.06 = 12 und σ 2 = np(1 − p) = 200 · 0.06 · 0.94 = 11.28, d.h. √ σ = 11.28 vorgenommen werden. Dazu wird die Formel (134) verwendet, mit den genannten Werten für µ und σ sowie mit a = 10, b = 15. Man erhält: 15 + 0.5 − 12 10 − 0.5 − 12 √ √ P (10 ≤ X ≤ 15) = Φ −Φ = Φ(1.042) − Φ(−0.744) 11.28 11.28 = Φ(1.042) − (1 − Φ(0.744)) = 0.8513 − 1 + 0.7716 = 0.6229. Die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens 10 und höchstens 15 Geräte der Zuverlässigkeitsprüfung nicht standhalten, beträgt 62.3 %. Beispiel 8.16: Die Reihenschaltung von drei ohmschen Widerständen R1 , R2 und R3 ergibt bekanntlich den Gesamtwiderstand Rges = R1 + R2 + R3 . Im vorliegenden Fall werden die Widerstände Ri (i = 1, 2, 3) als unabhängige ZV angesehen, mit den folgenden Erwartungswerten und Standardabweichungen: µ1 = µR1 = 20 Ω, σ1 = σR1 = 0.5 Ω µ2 = µR2 = 30 Ω, σ2 = σR2 = 0.5 Ω µ3 = µR3 = 10 Ω, σ3 = σR3 = 0.25 Ω. Der Gesamtwiderstand Rges bei Reihenschaltung dieser Widerstände ist ebenfalls eine ZV. Nach dem Additionssatz für Erwartungswerte und dem Additionssatz für Varianzen (da es sich um unabhängige ZV handelt) gilt: µRges = µ1 + µ2 + µ3 = 20 Ω + 30 Ω + 10 Ω = 60 Ω sowie 2 σR = σ12 + σ22 + σ32 = 0.25 Ω2 + 0.25 Ω2 + 0.0625 Ω2 = 0.5625 Ω2 ges und damit σRges = 0.75 Ω. Hinweis: Man beachte, dass in diesem Beispiel zwar die Erwartungswerte und Varianzen der ZV R1 , R2 , R3 und Rges bekannt waren bzw. ermittelt werden konnten, aber keine Informationen über den Typ der Verteilungsfunktion vorlagen. Beispiel 8.17: Es wird nochmals der Sachverhalt aus Beispiel 8.16 (Reihenschaltung von drei ohmschen Widerständen R1 , R2 und R3 ) betrachtet. Jetzt wird zusätzlich vorausgesetzt, dass die ZV Ri (i = 1, 2, 3) normalverteilt sind, d.h. es gilt z.B.: R1 ∼ N (20 Ω, 0.25Ω2 ). Gemäß der oben genannten Aussage unterliegt der Gesamtwiderstand Rges = R1 + R2 + R3 ebenfalls einer Normalverteilung. Die Parameter dieser Normalverteilung wurden bereits im Beispiel 8.16 bestimmt, d.h. es gilt: Rges ∼ N (60 Ω, 0.5625Ω2 ). Unter Verwendung dieser Aussage kann nun beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, dass Rges ≤ 58.5 Ω gilt, ausgerechnet werden: 58.5 Ω − 60 Ω P (Rges ≤ 58.5 Ω) = F (58.5 Ω) = Φ = Φ(−2) = 1 − Φ(2) = 1 − 0.99725 = 0.02275 0.75 Ω (für die Berechnung wurden die Formeln (130) und (131) sowie eine Tabelle der Verteilungsfunktion Φ verwendet). 2 Beispiel 8.18: siehe nächste Seite Beispiel 8.18: Es wird vorausgesetzt, dass die Lebensdauer einer bestimmten Sorte von Kühlaggregaten exponentialverteilt mit einem Erwartungswert von 2 ZE (Zeiteinheiten) ist. Gesucht ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Gesamtlebensdauer von 400 derartigen Kühlaggregaten höchstens 750 ZE beträgt. Um diese Frage zu beantworten, wird die Lebensdauer des i-ten Kühlaggregates (1 ≤ i ≤ 400) als ZV Xi angesehen. Des weiteren wird davon ausgegangen, dass es sich bei den ZV Xi um unabhängige ZV handelt. Auf Grund der Eigenschaften exponentialverteilter Zufallsvariablen (siehe Abschnitt 8.4.6) folgt aus 1 µi = E(Xi ) = 2 ZE = µ für den Parameter λi der Exponentialverteilung: λi = µ1i = 2 ZE = λ und damit für 2 1 2 2 die Varianz: σi = λ2 = 4 ZE = σ (alle ZV Xi besitzen denselben Erwartungswert und dieselbe Varianz). i Die Gesamtlebensdauer von 400 Kühlaggregaten wird als Zufallsvariable Z400 betrachtet. Dann gilt: Z400 = X1 + X2 + . . . + X400 . Da die Voraussetzungen für die Anwendung des Zentralen Grenzwertsatzes erfüllt sind, unterliegt die ZV Z400 annähernd einer Normalverteilung mit den Parametern n · µ = 400 · 2 ZE = 800 ZE und n · σ 2 = 400 · 4 ZE2 = 1600 ZE2 . Die gesuchte Wahrscheinlichkeit kann dann folgendermaßen berechnet werden: 750 ZE − 800 ZE √ P (Z400 ≤ 750 ZE) = F (750 ZE) = Φ = Φ(−1.25) = 1 − Φ(1.25) = 1 − 0.89435 = 0.10565 2 1600 ZE (für die Berechnung wurden die Formeln (130) und (131) sowie eine Tabelle der Verteilungsfunktion Φ verwendet). Die Wahrscheinlichkeit, dass die Gesamtlebensdauer von 400 Kühlaggregaten höchstens 750 ZE beträgt, liegt somit bei ca. 10.6 %. 3