Fallbeispiel •! Susanne (6 Jahre) hat sich im Kindergarten die Kleider aufgeschnitten oder diese auch schon zu Hause angezündet. Die Eltern beschreiben sie als wenig folgsam und aggressiv gegenüber den Geschwistern. Susanne wirkt schüchtern, sucht aber keinen Kontakt zu den Eltern. Auf eine Trennung in der Untersuchungssituation reagiert sie emotionslos. Sie bleibt apathisch auf dem Stuhl sitzen. Bindungsstörungen/ Vernachlässigung Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 1 Die Bindungstheorie - Kernannahmen Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 2 Bindung: Definitionen •! hypothetisches Konstrukt (nicht direkt beobachtbar), das sich auf die innere Organisation eines Menschen bezieht. •! relativ dauerhafte emotionale Orientierung an einer anderen Person, die sich in vier Aspekte aufgliedern lässt: 1.! Es gibt ein tiefes emotionales Band zwischen einem Kind und einer spezifischen Bindungsperson. 2.! Diese emotionale Band basiert auf einem endogenen, evolutionär entstandenen, Bindungssystem des Kindes. 3.! Durch die Erfahrungen eines Individuums mit seiner/n Bindungsperson/en, bildet sich ein Konzept (Internes Arbeitsmodell, IAM) über sich und andere. 4.! Dieses Konzept prägt wie Individuen ihre Umwelt entdecken und interpretieren. 5.! Somit ist das IAM die Basis für die Entwicklung von Selbstwertgefühl und Beziehung zu anderen. •! •! •! •! Nähe einer anderen Person suchen unter der Trennung von der Person leiden sich freuen bei der Rückkehr der Person sich auch dann an der Person orientieren, wenn sie nicht in unmittelbarer Nähe ist. Bowlby, J. (1958). Bowlby, J. (1969). Attachment and loss. Vol. 1: Attachment. New York: Basic Books. Dt.: (1975). Bindung. Eine Analyse der Mutter-KindBezichung. München: Kindler. Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 3 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 4 Harlow: The Nature of Love (1958) Harlow: The Nature of Love (1958) •! Plüschmutter und nicht Drahtmutter wird bei Stress (laute Geräusche, fremde Dinge) aufgesucht •! Ausbildung der ElternKind-Bindungen an kritische Phasen in der frühen Kindheit gebunden. Harlow, H.F. (1958). The nature of love. American Psychologist, 13, 673-685. Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 5 Bindungsverhalten: Definitionen 6 Fürsorge und Bindungsverhalten Kind •! Klasse von variablen Verhaltensweisen oder Signalen (z.B. anklammern, nachfolgen, weinen, rufen), die sich je nach Entwicklungsstand des Individuums verändern) •! dient dem Zweck des Schutzes vor Gefahren und Bedrohungen aus der Umwelt. Die Bindung an die Bezugsperson hat eine große Bedeutung für die Sicherung des Überlebens des Kindes in einer bedrohlichen Umwelt. Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Bindungsverhalten Signalverhalten - Schreien - Lächeln - Arm-Ausstrecken - ... Annäherungsverhalten - Anklammern - Saugen - Nachfolgen - ... 7 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Bezugsperson Pflegeverhalten -!Emotionale Wärme -!Zuwendung -!Zurückholen -!Körperkontakt 8 Zusammenfassung: Bindungs- und Führsorgesystem Bindungssystem des Kindes Hemmung Circle of Security (Cooper et al., 2000) Fürsorgeverhalten der Eltern Aktivierung Unvertraute Situation Emotionen Motivationen Verhalten Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 9 ANTAGONISMUS ZWISCHEN BINDUNGS- UND EXPLORATIONSVERHALTEN Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 10 Fremde Situation Test Erhebung individueller Unterschiede in der Bewältigung von Trennungsstress bei Kindern im 1. Lebensjahr Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 11 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 12 Bindungsstile Wie entstehen Bindungsstile? •! Sichere Bindung: Elterliche Feinfühligkeit (Prompte, angemessene Reaktion auf kindliche Bedürfnisse) •! Unsicher-ambivalente Bindung: inkonsistente Reaktionen auf Seiten der Bezugsperson •! Unsicher-vermeidene Bindung: indifferente, emotional nicht ansprechbare Bezugsperson •! Desorganisierte Bindung: Bezugsperson als Bedrohung, obwohl sie Schutz bieten sollte !#45%& '()*+,-.# !"#$"%& 1-.0-*6-(6& '()*+,-.# /01*1/2-(3& Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Feinfühligkeit nach Ainsworth (1978) Eine feinfühlige Mutter.... •! nimmt kindliche Signale wahr, •! deutet diese richtig, •! reagiert angemessen und •! prommt darauf 13 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Elterliche Sensitivität und Emotionen •! Sensitivität = wichtige Bedingung für intuitive elterlichen Didaktik •! Bell u. Ainsworth (1972): Säuglinge, deren Mütter auf ihr Weinen in den ersten Lebensmonaten sehr feinfühlig reagiert hatten, weinten Ende des 1. Lebensjahres weniger und verfügten über differenziertere Kommunikationsfähigkeiten 14 Frühkindliche Lernerfahrungen Frühkindliche Lernerfahrungen •! Frühkindliche Lernerfahrungen bewirken eine grundlegende Reorganisation von ursprünglich noch unspezifisch organisierten neuronalen Verschaltungen und neuroendokrinen Systeme im Gehirn •! Dadurch kommt es allmählich zur Ausformung eines synaptischen Netzwerks, das die neuronale Basis für spätere Verhaltensweisen bildet (Bock & Braun, 2002). Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten •! Diese neuronalen und neuroendokrinen Anpassungsmechanismen sollen dem heranwachsenden Individuum ein Überleben in zu erwartenden widrigen Lebensumständen ermöglichen. •! In einem "normalen" sozialen Umfeld, können diese Anpassungsmechanismen unangemessen sein ! Missmatching zwischen Individuum und Umwelt •! Folgen können Verhaltensprobleme oder sogar psychischer Erkrankungen sein. 17 Bindung, Stress und Emotionen Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 18 Mütterliche Fürsorge und Stressreaktivität Nachkommen von Rattenmüttern mit stark ausgeprägter mütterlicher Pflege zeigten unter Stressbedingungen eine deutlich geringere Stressreaktivität als Nachkommen von Rattenmüttern mit geringer mütterlicher Fürsorge. Biologisch determiniertes Bindungsbedürfnis des Säuglings Responsive Mimik der Mutter, mütterliche Feinfühligkeit, adäquates Bindungsverhalten Aktivierung von dopaminergen Fasern im Hirnstamm ! Ausschüttung von Endorphinen, Oxytocin Erleben von sozialer Interaktion und sozialen Affekten als angenehm Sicheres Bindungsverhalten, Schutz des Gehirns vor Schädigung durch erhöhte Glukocortikoid-Spiegel Hippocampus, orbitaler Cortex präfrontalis Davidson, 1994; Gunnar et al., 1996, 1998 Gerinere Stressreaktivität (HPA-/LC-NE-Achse), bessere kognitive und affektive Stressbewältigung Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Francis et al. (1999), Science 19 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 20 Mütterliche Fürsorge und Stressreaktivität Zusammenfassung Bindungstheorie Reziprokes “cross-fostering” innerhalb von 12 h nach der Geburt) zeigt, dass dieser Effekt nicht genetisch ist. •! Bindung ist ein beziehungsbezogenes Konstrukt •! die Fremde Situation erfasst individuell unterschiedliche Bindungsstile: •! Sichere und unsichere Bindungsstrategien sind normale Entwicklungsvarianten •! Desorganisierte Bindung wird entwicklungspsychopathologisch diskutiert Bindungsforschung Francis et al. (1999), Science Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten sicher 21 Bindungsstörungen unsicher ICD-10/DSM-IV-TR desorganisiert Bindungsstörung Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 22 Bindungsstörungen nach ICD-10 •! Bindungsstörung ! unsichere Bindung •! Erheblicher abweichendes Verhalten in der Interaktion mit Bezugspersonen •! Stabiles Muster über längeren Zeitraum In den meisten Bereichen deutlich gestörte und entwicklungsmässig unangemessene soziale Bindungsowie pathologische Fürsorgemerkmale •! Reaktive Bindungsstörung (F94.1) •! Hemmung des Bindungsverhaltens: keine Nähe- und Kontaktsuche bei der Bezugsperson unter Belastung •! Insbesondere bei jüngeren Kindern •! Bindungsstörung mit Enthemmung (F94.2) •! relative Überaktivität des Bindungssystems •! Unvermögen differenziertes Bindungsverhalten gegenüber einer Bezugsperson bzw. Fremden zu zeigen •! entwickelt sich in der Regel aus der reaktiven Bindungsstörung im 5. Lebensjahr Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 23 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 24 Kriterien der reaktiven Bindungsstörung des Kindesalters gemäss ICD-10 Kriterien der reaktiven Bindungsstörung des Kindesalters gemäss ICD-10 •! Ein abnormes Beziehungsmuster zu Betreuungspersonen, das sich vor dem Alter von fünf Jahren entwickelt: •! Emotionale Störung: •! •! •! •! •! •! •! •! stark widersprüchliche oder ambivalente soziale Reaktionen, die bei Verabschiedungen oder Wiederbegegnungen am Besten sichtbar wird •! Mischung aus Annäherung; Vermeidung und Widerstand gegen Zuspruch •! Beziehungsunsicherheit Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten •! Gedeihstörung mit Wachstumsverzögerung (fakultativ) •! Nahezu immer im Kontext von Vernachlässigung und •! Misshandlung (keine diagnostische Bedingung!) 25 Kriterien der reaktiven Bindungsstörung des Kindesalters gemäss ICD-10 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 26 Reaktive Bindungsstörung (ICD-10, F94.1) •! widersprüchliche oder ambivalente Reaktionen in unterschiedlichen sozialen Situationen •! emotional belastet und/oder zurückgezogen •! sowie atypisches interaktives Verhalten (massiv gehemmt, übermässig wachsam, hoch ambivalent, vermeidend oder aggressiv) •! Diffusität im selektiven Bindungsverhalten während der ersten fünf Lebensjahre, gefolgt von: •! allgemeinen Anklammerungsverhalten im Kleinkindalter oder •! freundlichem, aufmerksamkeitssuchenden Verhalten in der frühen und mittleren Kindheit •! Schwierigkeiten beim Aufbau enger, vertrauensvoller Beziehungen zu Gleichaltrigen •! Evtl. begleitende emotionale Störungen bzw. Störungen des Sozialverhaltens •! In der Vorgeschichte meistens mangelnde Kontinuität der Betreuungspersonen •! oder mehrfacher Wechsel in der Familienplazierung Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Mangel an Ansprechbarkeit Apathie Unglücklichsein Rückzugsreaktionen Furchtsamkeit Übervorsichtigkeit Beeinträchtigung des sozialen Spielen 27 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 28 Bindungsstörung mit Enthemmung (ICD-10, F94.2) DSM-IV-TR Kriterien: Reaktive Bindungsstörung A.! Eine deutlich gestörte und entwicklungsmässig inadäquate soziale Bindung, die in den meisten Bereichen auftritt und vor dem Alter von 5 Jahren beginnt. Die Störung drückt sich in Punkt 1 oder 2 aus: 1. Andauernde Unfähigkeit, in entwicklungsmässig angemessener Weise auf die meisten zwischenmenschlichen Beziehungen zu reagieren oder solche anzuknüpfen. Zeigt sich durch übermässig gehemmte, überaus wachsame oder stark ambivalente und widersprüchliche Reaktionen •! diffuse bzw. mangelnde exklusive Bindungen •! Nähe- und Trostsuche unterschiedslos gegenüber vertrauten und fremden Menschen •! Aggressiv (anklammernd, emotional flach, oberflächlich und wenig emotional bezogen •! wenig modulierte, distanzlose Interaktionen mit Fremden Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 29 DSM-IV-TR Kriterien: Reaktive Bindungsstörung 2. Diffuse Bindungen, die sich durch unkritische Zutraulichkeit mit einer deutlichen Unfähigkeit, angemessene selektive Bindungen zu zeigen, manifestieren B. Die in Kriterium A beschriebene Störung ist nicht lediglich auf einen Entwicklungsrückstand zurückzuführen Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 30 DSM-IV-TR Kriterien: Reaktive Bindungsstörung C. Pathologische Fürsorgemerkmale, die durch mind. einen der folgenden Punkte deutlich werden: 1. andauernde Missachtung der grundlegenden emotionalen Bedürfnisse des Kindes nach Geborgenheit, Anregung und Zuneigung 2. Andauernde Missachtung der grundlegenden körperlichen Bedürfnisse des Kindes 3. Wiederholter Wechsel der wichtigsten Pflegeperson des Kindes D. Es besteht die Vermutung, dass die unter C genannten Merkmale für das gestörte Verhalten, dass unter A beschrieben wird, verantwortlich sind 31 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 32 Bindungsstörungen: Epidemiologie Bindungsstörungen: Prognose Prävalenz •! extrapolierte Schätzungen zur Prävalenz (Vernachlässigung, Misshandlung) ca. 1% •! die wenigen vorhandenen Studien beziehen sich (fast) ausschließlich auf den Subtyp Bindungsstörung mit Enthemmung Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten •! eher ungünstige Prognose •! insbesondere Bindungsstörung mit Enthemmung scheinen zu persistieren (Rushton et al., 1995; O‘Connor, 2003) •! Bindungsstörung mit Enthemmung gehen häufig mit einer Persönlichkeitsstörung im späten Jugendalter oder jungen Erwachsenenalter einher 33 Bindungsstörungen: Komorbiditäten Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 34 Bindungsstörungen: Entwicklungsverlauf Wenig Forschung!!! •! Störung des Sozialverhaltens •! Emotionale Störungen •! Hyperkinetische Störungen •! Angststörungen •! Intelligenzminderung •! Symptomatik einer Bindungsstörungen ist altersabhängig: •! Schulalter: •! Schulangst •! Aggression •! Leistungsverweigerung •! Erwachsenenalter: •! Borderline Symptomatik •! Psychotische Symptomatik •! Narzistische Symptomatik Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 35 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 36 Deprivationsstörungen •! •! •! •! •! Definition von Vernachlässigung Kindesmisshandlung Sexueller Missbrauch Frühkindliche Gedeihstörung Psychosozialer Kleinwuchs Münchhausen - Stellvertreter - Syndrom Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten •! Fehlende Befriedigung der Bedürfnisse der körperlichen und seelischen Entwicklung des Kindes •! Mangel hinsichtlich: •! •! •! •! •! 37 Misshandlung/Missbrauch I 38 •! Vernachlässigung - physisch und/oder psychisch •! zusammenschlagen, verprügeln, würgen, treten, beißen •! absichtliche Verbrennungen •! Bedrohungen oder Angriff mit Waffen (Messer, Schusswaffen) •! Ignorieren des körperlichen Wohls des Kindes •! Ignorieren der psychischen Bedürfnisse des Kindes •! wenig/keine Stimulierung des Kindes •! sexueller Missbrauch •! psychische / emotionale Misshandlung •! Berühren und Streicheln der primären und sekundären Sexualorgane •! orale, anale und vaginale Penetration •! Veranlassen von Berührungen am eigenen Körper •! Veranlassen sexueller Handlungen am Körper des Opfers •! Fotografieren des Opfers nackt oder in "sexuellen Posen" •! Vorzeigen von Bildern, Filmen, Situationen sexuellen Inhalts um sich (oder das Kind) zu erregen emotionale Unerreichbarkeit der Bindungsperson keine Reaktion auf Signale, Wünsche, Bedürfnisse kein Trösten, Ablehnung des Kindes, depressives Verhalten extreme Drohungen Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Misshandlung/Missbrauch II •! physische Misshandlung •! •! •! •! Ernährung, Kleidung, Unterkunft emotionaler Zuwendung erzieherischer Leitung und Anregung Schutz vor Gefahren der Umwelt und Gesundheitsfürsorge. 39 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 40 In welchen Kontexten gehen parentale Kompetenz und Verantwortlichkeit verloren? Statistik und Zahlen •! Traumatische Erfahrungen in der Ursprungsfamilie •! Die Tabelle zeigt die jährliche Zahl der Todesfälle von Kindern unter 15 Jahren durch Misshandlungen und Vernachlässigung pro 100.000 Kindern in der Altersgruppe. UNICEF Studie 2003. •! Misshandlungserfahrungen eines Elternteils durch die eigenen Eltern (Missbrauch, Gewalt, Vernachlässigung etc.) •! Frühe Bindungs- bzw. schwere Beziehungsstörungen eines Elternteils zu den eigenen Eltern •! Chronisch traumatisierende Belastungen in der Eltern- Kind- Beziehung •! Sensorische oder motorische Entwicklungsbehinderung des Kindes •! Ungewollte Schwangerschaft mit Ablehnung des Kindes •! Vorausgegangene schwere (oder chronische) Krankheit des Kindes •! Pflege- und Adoptivverhältnisse bei Kindern mit frühen Störungen Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 41 Risikofaktoren im sozialen Bereich für Kindesmisshandlung und Vernachlässigung •! •! •! •! •! •! 42 In welchen Kontexten gehen parentale Kompetenz und Verantwortlichkeit verloren? Armut Sehr junge Elternschaft Alleinerziehender Elternteil Psychosozialer Stress Sozial verarmte Nachbarschaft Erkrankung der Eltern, insbesondere Suchterkrankungen. Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten •! Andere belastende Faktoren (Stressoren) •! Anhaltend verunsichernde Einwirkung durch „Helfer“ oder helfende Institutionen •! Verlusterfahrungen wie Tod, Trennungen, Ablösungen, etc. •! Chronische Disqualifikation der parentalen Funktion bzw. störende Eingriffe durch Partner oder Familienmitglieder •! Beeinträchtigung durch schwere oder andauernde •! Krankheit eines Elternteils •! Wirtschaftliche Not/ ungünstige Wohnverhältnisse 43 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 44 Bindungsstörungen: Diagnostik Bindungsstörungen: Therapie •! Genaue Beobachtung des Bindungsverhaltens (bei Trennung und Wiedervereinigung mit der Bezugsperson) •! Differentialdiagnose (Ausschluss von) •! •! •! •! •! •! wenig Information über Art und Wirksamkeit der Intervention bei Bindungsstörungen •! klinische Erfahrung hoher Veränderungsresistenz •! keine medikamentöse Behandlung (ggf. bei komorbiden Auffälligkeiten) •! bindungstheoretisch konzeptualisiert •! begrenzte Zahl von Sitzungen (< 5) •! Verhaltensorientiert •! gezielte Förderung elterlicher Feinfühligkeit (Bakermans-Kranenburg, van IJzendoorn & Juffer, 2003) Entwicklungsverzögerungen Intelligenzniveau Kindeswohlgefährdung Abklärung der Komorbidität Somatische Abklärung (Kleinwuchs) Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 45 Bindungsstörungen: Therapie Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 46 Bindungsstörungen: Therapie •! Entwicklungspsychologische Beratung •! videogestützte Förderung feinfühligen Verhaltens der Eltern (Ziegenhain, Fries, Bütow & Derksen, 2004) •! Vermittlung von Ausdrucks-, Belastungs- und Bewältigungsverhaltensweisen von Säuglingen und Kleinkindern( Brazelton, 1984; Als, 1982) •! Vermittlung allgemein entwicklungspsychologischen Wissens •! Sensibilisierung für die individuellen Fähigkeiten des Kindes •! Stärkung des elterlichen Selbstwertgefühls •! Information und Lösungsfindung •! Niedrigschwellig •! zeitlich begrenzt •! flexibel in unterschiedliche Praxisfelder und •! institutionelle Hilfestrukturen integrierbar Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 47 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 48 Videogestützes Interaktionstraining Take-home messages •! Bindungsstörungen stehen in engem Zusammenhang mit Beziehungsabbrüchen, Missbrauch/Misshandlung und Deprivation •! Bindungsstörungen haben weitereichende Folgen für die Kindliche Entwicklung und gehen mit einer Reihe weiterer Störungen einher •! Noch keine Diagnostik nach DSM/ICD -> Misshandlung ist keine Störung Intervention: •!Entlastung •!Entwicklungsberatung •!Sensitivitätstraining •!Problemlösetraining •!Selbstmanagement Video-Sequenzen gelungener Interaktion Video-Sequenzen nicht gelungener Interaktion Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 49 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 51 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 50