Ess- und Fütterstörungen im Kindes- und Jugendalter •! Frühkindliche Gedeihstörung •! Fütterstörung im frühen Kindesalter •! Psychosozialer Kleinwuchs •! Pica im Kindesalter •! Adipositas Essstörungen im Kindes und Jugendalter •! Anorexia nervosa •! Atypische Anorexia nervosa •! Bulimia nervosa •! Atypische Bulimia nervosa •! Nicht näher bezeichnete Essstörungen (z.B. Night Eating Syndrom) Essattacken bei anderen psychischen Störungen Erbrechen bei anderen psychischen Störungen Sonstige Ess-Störungen (z.B. psychogener Appetitverlust) Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 1 Gemeinsame Symptome von Essstörungen 2 Körperschemastörung •! Für Betroffene hat eigenes Körperschema zentrale, extrem verzerrte Bedeutung. Dick-sein bedeutet, ekelhaft und nicht-liebens-wert zu sein. •! Mit Zustand ihres Körpers unzufrieden und in hohem Ausmaß beschäftigt. •! Diskrepanz zwischen persönlichem Idealgewicht und realem Idealgewicht guter Indikator für Schwere der Störung. •! Oft richtet sich Sorge besonders auf das Aussehen mancher Körperteile. •! Verzerrungen in Beurteilung des eigenen Körpers bei Wahrnehmungsaufgaben deutlich, in denen Umfang des eigenen Körpers bzw. einzelner Körperteile deutlich überschätzt wird. •! Bedeutung des Körperschemas auch aus Angabe ersichtlich, dass sich viele Magersüchtige nur unter bestimmter Gewichtsgrenze gut fühlen. •! Störung der Körperwahrnehmung •! gestörtes Essverhalten •! häufig komorbide Störungen (z.B. affektive Störungen) Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 3 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 4 Exkurs: Der Body Mass Index Epidemiologie von Essstörungen •! Berechnung: Körpergewicht in Kilogramm •! Körpergröße in Meter zu Quadrat •! Beispiel: 67kg/1,7m x 1,7m = 23,18 BMI •! •! •! •! •! Pathologisches Untergewicht Untergewicht Normalgewicht Übergewicht Adipositas < 17,5 kg/m2 < 20 kg/m2 20 bis 24,9 kg/m2 25 bis 29,9 kg/m2 30 und mehr kg/m2 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 5 Essstörungen und ihre Folgen Anorexia Nervosa (AN) Bulimia Nervosa (BN) Binge Eating Störung (BED) Nicht näher bezeichnete Essstörungen Erstmanifestation (Median) 14 bis 15 Jahre 18-20 Jahre 3. Adoleszenz Lebensjahrzehnt Prävalenz (Lebenszeit) 0,3-2% 1-5% 3% (w) 2% (m) Bis 5% Geschlechterverhältnis 10:0,5-1 10:0,5-1 3:2 Überwiegend weiblich Soziale Schicht höhere Alle Alle alle Risikogruppen Gymnasiastinnen, Studentinnen, Sportlerinnen, Models, Tendenz zu übergewicht Wie AN & BN Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 6 Psychologische Folgen von Mangelernährung Folge des Gewichtsverlustes und der Mangelernährung ! zahlreiche somatische Symptome wie z. B. : •! Auswirkung von kalorischer Mangelernährung (bei Wehrdienstverweigerer Keys et al., 1950): •!Hypothermie (geringere Körperwarme) •!Hypotonie (Erniedrigung des Blutdrucks) •!Bradykardie (persistierender Ruhepuls von 60 und darunter) •!Lanugo (Flaumhaarbildung) und Ödeme •!weitreichende metabolische und neuroendokrine Veränderungen •!(Pseudo-)Atrophie des Gehirns •! •! •! •! •! •! depressive Verstimmung Irritierbarkeit emotionale Instabilität sozialer Rückzug Einengung der Interessen Verschwinden des sexuellen Interesses •!Ausbleiben der Regelblutung aus (Amenorrho) •!Haarausfall •!Ödeme •!Osteoporose •!Karies Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 7 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 8 Neuropsychologische Folgen von Essstörungen I Neuropsychologische Folgen von Essstörungen •! Defizite in den Aufmerksamkeitsleistungen (Signalentdeckungsaufgaben) •! insbesondere die Diskriminierungsfähigkeit zwischen Signal und Rauschen signifikant eingeschränkt (Lässle et al. 1989; Seed et al., 2000) •! Gedächtnis •! Problemlösefähigkeit •! Intelligenz a) Aufmerksamkeitsleistung essgestörter Patientinnen, Trefferquote bei Signalentdeckungsaufgabe (M ! SD). (aus Laessle et al. 1989) Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 9 b) Gedächtnisfunktion von Patientinnen mit Anorexia nervosa (n = 18) im Vergleich zu normalen Kontrollpersonen (M ! SD). (Seed et al. 2000) Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 10 Zyklusfunktion essgestörter Patientinnen am Beispiel Östradiol Neuropsychologische Folgen von Essstörungen II a Normaler Zyklus b Lutealphasenstörung bei Bulimia Nervosa c Follikelreifungsstörung bei Anorexia Nervosa c) Fehleranzahl bei einer Problemlöseaufgabe (M ! SD). (aus Szmukler et al. 1992) Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 11 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 12 Neuroendokrine Veränderungen bei Essstörungen Strukturelle Hirnveränderungen bei Essstörungen •! Noradrenalin und Serotonin sind an der Regulation wesentlicher Bereiche des Erlebens und Verhaltens beteiligt. •! Ein veränderter Stoffwechsel dieser Transmitter – bedingt durch Esstörungen – beeinflusst folgende Funktionen (Van Praag 1986): •! •! •! •! •! •! Bei ca. 80% der anorektischen und ca. 50% der bulimischen Patientinnen finden sich morphologische Veränderungen des Gehirns, die als Pseudoatrophie bezeichnet werden (Krieg et al. 1989) •! Atrophie des Zentralnervensystems mit Erweiterung der inneren und äusseren Liquorräume (Krieg et al. 1989) ! Folge der erhöhten Cortisolsekretion •! Einschränkung kognitiver Funktionen affektive Funktionen (z. B. Stimmung), vegetative Funktionen (z. B. Schlaf) und kognitive Funktionen (z. B. Aufmerksamkeit). Regulation von Hunger und Sättigung (Blundell & Hill 1987) Steuerung anderer neuroendokriner Systeme Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 13 Computertomographie bei zwei Patientinnen mit Anorexia Nervosa im akuten Krankheitsstadium Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 14 Störungsmodell für anorektische und bulimische Essstörungen (aus Lässle & Kim, 2009) oben: Erweiterung der lateralen Ventrikel unten: Vergrösserung der äusseren Liquorraume Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 15 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 16 Einfluss der Gesellschaft Die Einstellung zum Essen wird beeinflusst... Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 17 Wer ist zufrieden mit seinem Gewicht? Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 18 Schönheitsideale verändern sich.... 90 von 100 Jugendlichen wollen abnehmen Venus von Willendorf (Steinzeit) 45 von 100 Mädchen machen ab und zu Diäten Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 19 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Barbie (heute) 20 Schlankheitswahn Von 100 Menschen, wie häufig ist.. Schönheitsköniginnen •! In den 20er Jahren: BMI 20-25 •! In den 90er Jahren: BMI 18,5 Magersucht Schauspielerinnen •! Körperfett ca. 10 % (empfohlen 25%) Bulimie Models •! 70er Jahre 8% leichter als 50 Prozent der Bevölkerung •! aktuell: 20 % leichter als 50 Prozent der Bevölkerung Essanfälle Schaufensterpuppen (im Vergleich zu 1925) •! Hüftumfang: -20 cm •! O-Schenkel: -5cm Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Diäterfahrung (7-10 Jährige) 21 Hi!! Ich bin 1,60m groß und wiege fast 45(!)kg!!!Habt ihr irgendwelche wirksamen Tipps für mich,um abzunehmen?! Ich quäle mich schon täglich zu 100 Sit-ups. Danach hab ich immer totalen Muskelkater...Aber das ist es mir wert, wenn es nur was bringen würde. Meine Oberschenkel sind nicht gerade, sondern werden nach oben immer dicker!!!! Was kann ich tun???! Hallo Leute,! ich bin heute zum ersten mal hier. Ich hatte vor wenigen Minuten erneut eine Fressattacke. Ich habe 16 Lebkuchen, der übelsten Schokoladensorte in mich hinein gestopft. Ich fühle mich so mies. Soetwas mache ich fast jeden Tag !!! Ich kann einfach nicht anders. Hat jemand Erfahrungen mit einer Terapie gemacht Mein Freund braucht dringend die Kilos drauf und ich runter. Was kann ich tun ! Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 22 Multifaktorielle Ätiologie von Ess-Störungen Vollbild Anorexia nervosa/Bulimia nervosa Hi! Ich war vor 6 Jahren magersüchtig, hab mich von 70kg auf 43kg heruntergehungert, dann jahrelang ein Gewicht von 55kg halten können. Vor einem Jahr musste ich mit Herztabletten anfangen, und nahm 10kg also auf 65 wieder zu. Die hab ich heuer (seit Jänner) wieder abgenommen... und seither hab ich auch ständig diese Heißhungerund Fressattacken. Bin gerade aber dabei, das irgendwie wieder in den Griff zu bekommen... schreibe mir zB jeden Tag auf was ich gegessen habe. Gestern konnte ich dadurch eine Fressattacke vermeiden, weil dieses "Tagebuch" mein Verlobter auch liest und ich mich zu mies gefühlt hätte, wenn ich hineinschreibe dass ich wieder kiloweise Schoko in mich hineingestopft habe... also blieb es gestern bei 4 Schokokeksen.! Nehme aber trotzdem ständig zu und bin zur Zeit total am Boden!! Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Übergewicht Atypische Anorexia/Bulimia/EDNOS/BED Unspezifische, subklinische ES Diäten als Auslöser Soziokulturelle Faktoren Geschlechtsspezifische Faktoren Familiäre/Persönlichkeitsmerkmale Spezifische Vulnerabilität für ES Allgemeine psychiatrische Vulnerabilität 23 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 24 Geschlechtsspezische Entwicklung von Essstörungen Daten des Kinder- und Jugendsurvey, unveröffentlichte Daten 2006; www.kiggs.de •!Bei 21,9 % aller 11-17-jährigen •!Bei 11-jährigen kein Geschlechtsunterschied •!30% der 17-jährigen Mädchen •!12,8% der 17-jährigen Jungen Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 25 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 26 Kandidatengene für Essstörungen •! Liegen an den Schnittstellen der Regulation von Stimmung, Befinden und Essverhalten •! Serotoninrezeptoren (5-HT1b, 5-HT2a) bzw. 5-HTTransporter •! Corticotropin Releasing Hormone (CRH) •! Leptin •! Neuropeptid-Y •! Agouti-related Protein •! Melanin-Concentrating Hormone •! Orexine •! Galanin •! "-Melanozyten-stimulating hormone Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Anorexia Nervosa 27 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 28 Aus einem Bericht einer Patientin mit Anorexia Nervosa Anorexia Nervosa: Symptomatologie •! «Am Anfang habe ich einfach weniger gegessen und dann bald auch die Kalorien gezahlt und Fett vermieden. Schlieslich habe ich irgendwann aufgehört warme Mahlzeiten zu essen, an manchen Tagen esse ich auch gar nichts. Ich trinke sehr viel und wenn ich esse, zerteile ich das Essen in winzige Stücke und esse es anschliessend mit einer Kuchengabel. Wahrend des Essens habe ich Schuldgefühle, Essen ist eine Strafe für mich, ich habe panische Angst davor. Jeden Tag stelle ich mich mehrmals auf die Waage, wenn sich mein Körpergewicht nur um 100 g erhöht, habe ich Panik, fühle mich als Versager und wertlos. Ich treibe fast jeden Tag Sport,mehrere Stunden lang. Und wenn mein Magen dann vor Hunger schmerzt und mein Bauch sich nach innen wölbt, fühle ich mich stark und überlegen. Inzwischen wiege ich 38 kg. Mein Ziel ist es noch 3 kg abzunehmen, dann wäre ich zufrieden. Hobbys habe ich sonst keine, Freunde treffe ich auch kaum noch.« Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten •! •! •! •! •! •! •! 29 Diagnostische Kriterien für Anorexia Nervosa (AN) (nach DSM-IV) Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 30 AN Subtypus nach DSM-IV-TR Restriktiver Typus: Während der aktuellen Episode der Anorexia Nervosa hat die Person keine regelmasigen Fressanfalle gehabt oder kein Purgingverhalten (d. h. selbstinduziertes Erbrechen oder Missbrauch von Laxanzien, Diuretika oder Klistieren) gezeigt. A)! Weigerung das Minimum des für Alter und Körpergrösse normalen Körpergewichtes zu halten (z. B. der Gewichtsverlust führt dauerhaft zu einem Körpergewicht von weniger als 85% des zu erwartenden Gewichtes; oder das Ausbleiben einer während der Wachstumsperiode zu erwartenden Gewichtszunahme führt zu einem Körpergewicht von weniger als 85% des zu erwartenden Gewichtes) B)! Ausgeprägte Ängste vor einer Gewichtszunahme oder davor, zu dick zu werden, trotz bestehenden Untergewichtes C)! Störung in der Wahrnehmung der eigenen Figur und des Körpergewichtes, übertriebener Einfluss des Körpergewichtes oder der Figur auf die Selbstbewertung oder Leugnen des Schweregrades des gegenwartigen geringen Körpergewichtes D)! Bei postmenarchalen Frauen Vorliegen einer Amenorrho, d. h. das Ausbleiben von mindestens drei aufeinanderfolgenden Menstruationszyklen. Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Hervorstechendes psychisches Merkmal der Anorexia Nervosa ist das beharrliche Streben, dünner zu werden! Stark reduzierten Kalorienaufnahme und Angst vor Gewichtszunahme Bizarre Verhaltensweisen im Umgang mit Nahrung, z. B. •! Essen verkrümeln und in der Kleidung verreiben oder in den Taschen verschwinden lassen. Körpersignale werden kaum beachtet (Unempfindlichkeit gegenüber Hunger, Kälte oder sich selbst zugefügten Verletzungen) fortwährende Beschäftigung mit dem Thema «Essen» oder Zwangsrituale: •! Patienten lesen oft stundenlang in Kochbüchern •! Lernen Rezepte auswendig •! Bereiten umfangreiche Mahlzeiten für andere zu Zum Teil auch Erbrechen oder Laxanzien- und Diuretikaabusus Hyperaktivität (z. B. stundenlange Spaziergänge oder exzessives Sporttreiben Trotz ihres kritischen Zustandes verleugnen oder minimalisieren die meisten Patienten lange Zeit die Schwere ihrer Krankheit ! Ablehnung einer Therapie Binge-Eating/Purging/Bulimischer Typus: Während der aktuellen Episode des Anorexia Nervosa hat die Person regelmässig Fressanfalle gehabt und hat ein Purgingverhalten (d. h. selbstinduziertes Erbrechen oder Missbrauch von Laxanzien, Diuretika oder Klistieren) gezeigt. 31 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 32 Erkrankungsbeginn bei Anorexia nervosa (nach Caspar 1996) Epidemiologie von Essstörungen Anorexia Nervosa (AN) Bulimia Nervosa (BN) Binge Eating Störung (BED) Erstmanifestation (Median) 14 bis 15 Jahre 18-20 Jahre 3. Adoleszenz Lebensjahrzehnt Prävalenz (Lebenszeit) 0,3-2% 1-5% 3% (w) 2% (m) Bis 5% Geschlechterverhältnis 10:0,5-1 10:0,5-1 3:2 Überwiegend weiblich Soziale Schicht höhere Alle Alle alle Risikogruppen Gymnasiastinnen, Studentinnen, Sportlerinnen, Models, Tendenz zu übergewicht Wie AN & BN Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Nicht näher bezeichnete Essstörungen 33 Veränderung der Inzidenz (nach Lucas et al. 1999) Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 34 AN bei Jungen •! Anorexia beginnt bei Jungen oft vor der Pubertät. •! Bulimische Symptome entwickeln sich erst später •! Auslösende Bedingungen sind vielfach ein Übergewicht sowie negative Bemerkungen anderer •! Bei einigen Patienten lässt sich auch eine Angst vor Sexualität feststellen •! Symptome sind sehr ähnlich wie bei weiblichen Patienten •! Es kommt auch zu ähnlichen endokrinen Auswirkungen (z.B. Abnahme des Testosteron-Spiegels) •! Soweit bekannt, dürfte sich Prognose nicht wesentlich von jener bei Mädchen unterscheiden Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 35 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 36 AN: Komorbide psychische Störungen (Lebenszeitprävalenz) •! •! •! •! •! Depressionen Angststörungen Zwangsstörungen Substanzmissbrauch Persönlichkeitsstörungen •! Ängstlich vermeidend •! Zwanghaft •! PTSD Esstörungen Ätiologie 50% 25% 24% 17% Genetische Faktoren (Wade et al. 2000, Am J Psychiatry) •! Konkordanzraten für MZ Zwillinge 52 – 56 % •! Konkordanzraten für DZ Zwillinge 5 – 11 % Organische Ursachen •! Dysregulation hypothalamischer Kontrollzentren Soziokulturelles 14% 15% •! gesellschaftlicher Druck, familiäre Struktur Persönlichkeit 12% Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten •! •! •! 37 Ätiologiemodell der Anorexia nervosa. (Aus Herpertz-Dahlmann u. Hebebrand 2008) Gefühl der Minderwertigkeit gestörte Wahrnehmung der eigenen Persönlichkeit problematische Zwischenmenschlichkeit Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 38 Anorexia nervosa: Pathogenetisch bedeutsame Faktoren Persönlichkeits-/Temperamentsmerkmale: •! •! •! •! Introvertiertheit Defizite in der Emotionserkennung und -regulation mangelnde Autonomie Probleme in der sozialen Kontaktaufnahme Familiäre Merkmale: •! behütend, einengend, ängstlich vermeidend Soziokulturelle Faktoren: •! westliches Schönheitsideal als Trigger für Diäten (1/3 bis 2/3 aller Mädchen) als Auslöser für Ess-Störungen Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 39 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 40 0 Jahre genetische Vulnerabilität für psychatr. Erkrankungen Störungsmodell AN Beeinträchtigung der Autonomieentwicklung 5 Konflikte um Selbstwert, Autonomie und Weiblichkeit •! hormonelle Umstellung 10 15 20 Gefühl von Besonderheit, Überlegenheit und Unabhängigkeit Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Psychiatrische Komorbidität Abmagern auf präpubertären Zustand Entgleisung der HungerSättigungs-Regulation Verzerrte Körperwahrnehmung Stimmungsschwankungen Soziale Isolation chronischer Abhängigkeitsstress Neurotransmitterveränderung CRH , Hyperaktivität „Rewardsystem“ •! anorektische Phase •! katabole Spirale •! körperliche Veränderung •! psychosoziale Entwicklungsanforderungen •! berufliche Anforderungen •! Partnerwahl Verlauf 41 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 42 Heilungsraten bei AN •! Heilungsraten: 70-80% neuere Studien, insbesondere bei Jugendlichen •! Mortalitätsraten: •! •! •! •! Bulimia Nervosa 16% (Zipfel et al. 2000, 21 Jahre Verlauf) 6% (Fichter & Quadflieg 1999, 6 Jahre Verlauf) 8% (Steinhausen et al. 2000) 5% (Steinhausen 2002) •! langfristig wirksame prognostische Faktoren •! Krankheitsdauer •! Ausmaß des Gewichtsverlustes vor Krankheitsbeginn Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 43 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 44 Aus einem Bericht einer Patientin mit Bulimia Nervosa Bulimia nervosa (BN) Ich bin alleine zu Hause und langweile mich. Ich bin unruhig angespannt, nervös. Plötzlich kommt diese unendliche Gier über mich, ich habe keine Kontrolle, es ist einfach nicht aufzuhalten. Ich bin in der Küche. Zuerst esse ich die Tomatensosse, damit ich später weiss, wann alles wieder draussen ist. Dann stopfe ich mir wahllos alles in den Mund. Die Reste von gestern, koche mir Nudeln, esse dabei die Packung Fleischsalat, löffle Marmelade und Nugatcreme, esse Cornflakes mit Milch, Babybrei – der kommt auch gut wieder raus. Eine Packung Eiscreme. Ich schlinge nur noch, stopfe alles in mich hinein. Meine Anspannung und der Druck vom Tag weichen allmählich. Nun bin ich ganz bei mir, spüre mich. Mein Magen beginnt zu schmerzen, ich kann mich kaum noch bewegen. Dass Zeug muss raus, sofort, sonst werde ich fett. Ganz automatisch steuere ich zur Toilette. Ich brauche nichts mehr in den Hals zu stecken. Ich stehe neben mir, sehe, was ich tue, wie alles wieder herauskommt. Es ist anstrengend. Die Tränen stehen mir in den Augen,mein Hals brennt. Ganz kurz fühle ich mich gut und erleichtert. Aber nur ganz kurz. Dann übermannen mich Ekel, Scham und Schuldgefühle. Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Bulimia «Ochsenhunger» (von griechisch !limos" = Hunger, !bous" = Stier, Ochse) •!Wiederholte Heißhungerattacken •! Sehr schnelles Essen •! bis zu 10.000 Kalorien ! 20 Tafeln Schokolade •! mit hohem Fett- und Kohlehydratanteil (Pommes Frites, Pizza) •! Wöchentlich bis mehrmals täglich •! Meist heimlich •!Krankhafte Angst vor Gewichtszunahme •!Übertriebene Beschäftigung mit dem eigenen Gewicht und der Figur •!Befreiung durch Gegenmassnahmen (Erbrechen, Appetitzügler, Abführmittel) •!meist normalgewichtig •!andauernde Beschäftigung mit dem Essen •!Bei 50% der Fälle ging eine Magersucht voraus 45 Diagnostische Kriterien für Bulimia Nervosa (BN) (nach DSM-IV) I •! 46 Diagnostische Kriterien für Bulimia Nervosa (nach DSM-IV) II A) Wiederholte Episoden von !Fressattacken«. Eine !Fressattackenepisode« ist gekennzeichnet durch beide der folgenden Merkmale: •! Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten C) Die !Fressattacken« und das unangemessene Kompensationsverhalten kommen drei Monate lang im Durchschnitt mindestens zweimal pro Woche vor. D) Figur und Körpergewicht haben einen übermässigen Einfluss auf die Selbstbewertung. E) Die Störung tritt nicht ausschliesslich im Verlauf von Episoden einer Anorexia Nervosa auf. Verzehr einer Nahrungsmenge in einem bestimmten Zeitraum (z. B. innerhalb eines Zeitraumes von 2 h), wobei diese Nahrungsmenge erheblich grösser ist, als die Menge, die die meisten Menschen in einemvergleichbaren Zeitraum und unter vergleichbaren Bedingungen essen würden. Das Gefühl, wahrend der Episode die Kontrolle über das Essverhalten zu verlieren (z. B. das Gefühl, weder mit dem Essen aufhören zu können, noch Kontrolle über Art und Menge der Nahrung zu haben). B) Wiederholte Anwendung von unangemessenen, einer Gewichtszunahme gegensteuernden Masnahmen, wie z. B. selbstinduziertes Erbrechen, Missbrauch von Laxanzien, Diuretika, Klistieren oder anderen Arzneimitteln, Fasten oder übermässige körperliche Betätigung Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 47 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 48 BN Subtypus nach DSM-IV-TR Epidemiologie von Essstörungen 1. Purgingtypus: Die Person induziert während der aktuellen Episode der BN regelmässig Erbrechen oder missbraucht Laxanzien, Diuretika oder Klistiere. 2. Nichtpurgingtypus: Die Person hat während der aktuellen Episode der BN andere unangemessene, einer Gewichtszunahme gegensteuernde Massnahmen gezeigt wie z. B. Fasten oder übermässige körperliche Bestätigung, hat aber nicht regelmässig Erbrechen induziert oder Laxanzien, Diuretika oder Klistiere missbraucht. Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 49 BN: Komorbide psychische Störungen (Lebenszeitprävalenz) Depressionen Angststörungen Zwangsstörungen Substanzmissbrauch Persönlichkeitsstörungen 60% 40% 18% 38% •! Ängstlich vermeidend •! Borderline 19% 21% •! PTSD Bulimia Nervosa (BN) Binge Eating Störung (BED) Nicht näher bezeichnete Essstörungen Erstmanifestation (Median) 14 bis 15 Jahre 18-20 Jahre 3. Adoleszenz Lebensjahrzehnt Prävalenz (Lebenszeit) 0,3-2% 1-5% 3% (w) 2% (m) Bis 5% Geschlechterverhältnis 10:0,5-1 10:0,5-1 3:2 Überwiegend weiblich Soziale Schicht höhere Alle Alle alle Risikogruppen Gymnasiastinnen, Studentinnen, Sportlerinnen, Models, Tendenz zu übergewicht Wie AN & BN Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 50 Verlauf von BN •! Erwachsene Patienten •! •! •! •! •! Anorexia Nervosa (AN) •! 30-60% Heilungsrate (Fairburn et al. 2000, Fichter & Quadflieg 1977; 5- 6 Jahre Katamnese) •! häufig chronische Verläufe (nur vereinzelte Langzeitstudien) •! Mortalitätsraten: 0,5-1% (Keel et al. 1999, Fichter & Quadflieg 1997) 45% •! langfristig wirksame prognostische Faktoren •! Krankheitsdauer •! Ausmaß des Gewichtsverlustes vor Krankheitsbeginn Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 51 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 52 Teufelskreis Bulimie Medien/! Gesellschaft! BN: Folgen körperlich •! Verdauungsprobleme und Entzündungen der Speiseröhre •! Zahnschäden •! Nierenfunktionsstörungen •! Herzrhythmusstörungen, Kreislaufstörungen •! Osteoporose •! Ödeme, rissige Haut/Nägel •! Haarausfall Schlankheitsideal Sehr starke Kontrolle des Essverhaltens (Fasten, Diät, Erbrechen) Körperlicher Mangelzustand Angst vor Gewichtszunahme Stress Körper reagiert mit „Panik“ (Verhunge rn droht!) Körper produziert Heisshunger und Essanfall Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 53 Essstörungen: Diagnostik Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 54 Essstörungen: Somatische Diagnostik •! Strukturierte Interviews für Anorexia und Bulimia nervosa (SIAB; Fichter & Quadflieg 1999) •! körperlicher Status: Gewicht, Größe, BMI-Perzentile •! Echokardiographie •! eingehende neurologische Untersuchung einschl. Augenhintergrund •! EEG, evtl. MRT •! Abdomen-Sono (einschl. Ovarien und Nieren) •! Urinstatus, Ca-Ausscheidung •! Laborparameter: •! DSM-IV-TR &ICD-10 Kriterien der Essstörungen •! Komorbidität •! Schweregrad der Essstörung •! Selbstbeurteilungsfragebögen •! Eating Disorder Inventory II; Thiel et al. 1997 •! Eating Attitudes Test, EAT, Garner et al. 1982 •! Anorexia nervosa Inventar zur Selbstbeurteilung, ANIS, Fichter & Keeser 1980) •! Eating Disorder Examination, EDE; Cooper u. Fairburn, 1987 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten seelisch •! Ständige Beschäftigung mit Essen •! Sozialer Rückzug •! Selbstekel, Schuld-, Schamgefühle •! Konzentrations- und Schlafstörungen, Müdigkeit •! Leistungsabfall •! Depression •! Suizidgefahr •! •! •! •! 55 Elektrolytentgleisung, Hypercholesterinämie, Kreatinin/Bilirubin metabolische Alkalose etc. Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 56 Essstörungen: Differentialdiagnose Therapie bei Essstörungen •! Strukturierte Interviews/Fragebogenverfahren für die Diagnostik komorbider Störungen (depressiver, zwanghafter und ängstlicher Symptome) •! •! •! •! •! •! Das wesentlichste Ziel der Behandlung von Patienten mit Anorexia Nervosa und Bulimia Nervosa ist die langfristige Aufrechterhaltung eines normalisierten Essverhaltens. anorektische Reaktionen bei anderen Störungen/Belastungen Zwangsstörung Schizophrenien affektive Störungen Hyperthyreose Tumorerkrankungen Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 57 AN: Therapie stationär wenn… •! •! •! •! •! Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 58 AN: Therapie I > 75 % Normalgewicht somatische Folgeerscheinungen depressive Verstimmung, Suizidgefahr “maligne“ familiäre Interaktionen soziale Isolation 1. Körperliche Stabilisierung •! •! •! •! Behandlung körperlicher Komplikationen kontrollierte Nahrungszufuhr (individueller Ernährungsplan) Gewichtszunahme (500-) 1000g pro Woche Gewichtsziel = 25. (mindestens 10.) BMI-Perzentile 2. Psychotherapie •! •! •! •! •! Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 59 Einzel- und Gruppentherapie Familienorientierte Therapie Körpertherapie Kunst- und Musiktherapie Heilpädagogische Betreuung Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 60 Dysfunktionale kognitive Bewertungsprozesse bei essgestörten PatientInnen I AN: Therapie - Somatische Erstbehandlung Dichotome Denkweise („Alles-oder- Nichts-Prinzip“) „Wenn ich das jetzt esse, kann ich nie mehr aufhören zu essen, deshalb esse ich heute gar nichts mehr.“ Beispiel bei Anorexie: „Nur wenn ich so dünn bin wie jetzt und perfekte Leistungen erbringe, bin ich wertvoll. Nehme ich auch nur ein bisschen zu, bin ich das Letzte.“ Beispiel bei Bulimie: „Ich wollte heute nichts mehr essen. Jetzt, nachdem ich ein Stück Brot gegessen habe, ist ohnehin alles egal. Der Tag ist verloren. Ich esse jetzt alles, worauf ich Lust habe.“ •! •! •! •! ggf. Infusionstherapie (Elektrolytverschiebung, Exsikkose) kontrollierte Nahrungszufuhr, ggf. Sondenernährung kontinuierliche Überwachung Ernährungsfahrplan mit/ohne „Astronautennahrung“ (z.B. Bioni), anfangs i.d.R. 1500 kcal, steigern je nach Gewichtsverlauf (empfohlen ca. 1 kg Zunahme pro Woche) •! Osteoporoseprophylaxe (600 mg Calcium und 400 IE Vitamin D3) •! Aktivitäten und Mobilisierung je nach Verlauf Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Magisches und abergläubisches Denken „Wenn ich dieses Gewicht erreiche, werde ich endlich glücklich sein. Die Probleme mit meinen Kollegen in der Arbeit werden sich lösen und ich werde selbstbewusst alle privaten Probleme in den Griff bekommen.“ 61 Dysfunktionale kognitive Bewertungsprozesse bei essgestörten PatientInnen II 62 Häufige Denkschemata bei essgestörten Patientinnen I Egozentrismus Interpretation des Verhaltens und der Reaktionen anderer nach ausschließlicher Berücksichtigung eigener Wünsche, vor allem aber eigener Befürchtungen. „Wenn jemand in meiner Umgebung lacht, dann sicher deshalb, weil er mich so dick und unattraktiv findet.“ Katastrophisieren «Jetzt habe ich 48kg, ab einem Körpergewicht von 50kg gehe ich nicht mehr aus dem Haus und sage alle Einladungen ab.» Dysfunktionales Denken «Ich muss die Sachen aus dem Kühlschrank aufessen, damit ich nicht in Gefahr komme, einen weiteren Heisshungeranfall zu bekommen.» «Wenn ich abends eine normale Mahlzeit zu mir nehme, nehme ich noch schneller zu.» Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Übergeneralisierung: !Solange ich noch !normal" gegessen habe, war ich fett. Wenn ich damit wieder anfange, werde ich wieder fett werden." !Als ich normales Gewicht hatte, war ich auch nicht glücklich. Also wird es mir nicht besser gehen,wenn ich jetzt wieder zunehme." Selektive Abstraktion: !Ich weis, dass es unsinnig ist, dass ich mich übergebe. Wenn ich es trotzdem tue, bedeutet es, dass ich schwach und haltlos bin." !Ich bin nur dann etwas Besonderes, wenn ich dünn bin." 63 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 64 Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT) bei Essstörungen AN: Therapie II 3. Psychopharmakotherapie (falls indiziert): •! Essstörungsspezifische Gruppentherapie •! Fertigkeitentraining mit den Modulen: •! Antidepressiva z.B. Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) •! ggf. Neuroleptika •! •! •! •! 4. zunehmende Eigenverantwortung: •! Lockerung des Ernährungsplanes •! vermehrte Beurlaubung 5. Einleitung ambulanter Therapiemaßnahmen: •! Bezugsgruppe (Patienten alleine) •! Bearbeitung Essprotokolle (mit Bezugsbetreuer) •! Einzeltherapie/Gruppentherapie •! Familientherapie •! Somatische und Gewichtskontrollen/Ernährungsberatung Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 65 Zwangsbehandlung bei Anorexia Nervosa Thiel & Paul, Psychother Psych Med 2007 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 66 Zwangsbehandlung bei Anorexia Nervosa Thiel & Paul, Psychother Psych Med 2007 •! Indikation z.B. bei BMI # 13 (kein klarer „cut-off“), Zusatzindikation Suizidalität, internistische Komplikationen •! Zwangsmaßnahmen behutsam einsetzen und dosieren, Fixierungen z.B. auf das notwendige Mindestmaß reduzieren •! Essen mit möglichst wenig Zwang unter Einbeziehung des Patienten •! Zwang ersetzt keine Psychotherapie, schließt sie aber auch nicht aus •! Behandlung nach dem Betreuungsrecht beantragen (Anmerkung: im KiJu-Alter analog §1631b BGB auf Antrag der Eltern mit ärztlichem Gutachten beim Familiengericht) Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Stresstoleranz Achtsamkeit Umgang mit Gefühlen Zwischenmenschliche Fertigkeiten •! Gewichtszunahme ist nicht alles, aber ohne Gewichtszunahme ist alles nichts •! Behandlung mit Respekt , jeweils genaue Aufklärung und Information des Patienten •! Einbeziehung der Familie •! Indikation für Psychopharmaka prüfen •! Ziel: Fortsetzung der Behandlung ohne Zwang 67 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 68 AN: Evidenz für verschiedene Therapien (aus de Zwaan & Herpertz-Dahlmann, 2006) Take-home massages •! Bei AN kommt es durch strenge Kalorienreduktion zu einem gravierenden Gewichtsverlust mit einer Vielzahl somatischer Symptome. Charakteristisch auf psychologischer Ebene ist eine übermässige Angst vor Gewichtszunahme und ein verzerrtes Körperschema. •! Die BN geht mit häufigen, unkontrollierbaren Essanfälle, denen meist selbstinduziertes Erbrechen folgt einher. Psychologisch auffällig sind eine übertriebene Beschäftigung mit der eigenen Figur und dem Körpergewicht und die übersteigerte Bedeutung der Figur für das Selbstwertgefühl. •! Das Störungsmodell beider Störungen berücksichtigt prädisponierende Faktoren (wie z. B. familiäre Bedingungen oder biologische Disposition), auslosende Ereignisse (z. B. Trennung, Verlust) und Faktoren der Aufrechterhaltung (z. B. psychologische Auswirkung von Mangelernährung). Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 69 13:00 geht es weiter Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 71 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 70