Fehlerrechnung und Datenauswertung

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Teil I
Fehlerrechnung und
Datenauswertung
1
1.1
Elementare Fehlerrechnung
Standardabweichung als Maß für die Streuung
Eine Messung werde  mal durchgeführt. Als P
Maß für die Streuung einer
1
Messgröße  bezüglich ihres Mittelwertes ̄ =  =1  dient die empirische
Standardabweichung
s
P
2
=1 ( − ̄)
(1)
−1 =
−1
1.2
Der mittlere quadratische Fehler
Je größer die Anzahl der Messungen ist, desto vertrauenswürdiger ist der
arithmetische Mittelwert. Diese Tatsache wird berücksichtigt, wenn man anstelle der Standardabweichung −1 den mittleren statistischen Fehler
sP

2
=1 ( − ̄)
(2)
 =
 ( − 1)
verwendet (Standardabweichung des Mittelwertes).
1.3
Fehlerfortpflanzung
Es sei  =  (1  2    ) eine Größe, die aus den Messwerten 1  2   
mit den jeweiligen Messfehlern ∆1  ∆2   ∆ zu berechnen ist. Die maximale Größe des Fehlers |∆| von  schätzt man mit der Beziehung
¯
¯
¯
¯
¯
¯
¯  ¯
¯  ¯
¯  ¯
¯ |∆1 | + ¯
¯
¯
¯
|∆| = ¯¯
(3)
¯ 2 ¯ |∆2 | +  + ¯  ¯ |∆ |
1 ¯
1
ab. Wenn die Fehler der verschiedenen Messwerte  voneinander statistisch
unabhängig sind, dann gilt auch das Fehlerfortpflanzungsgesetz von Gauss
v
u  µ
¶
q
uX  2
2
(∆) = t
(∆ )2
(4)

=1
1.4
Ausgleichsrechnung: Anpassung einer Funktion an
eine Messreihe
Im einfachsten Fall, der linearen Regression, besteht ein linearer Zusammenhang
 =  + 
(5)
zwischen den verschiedenen Messwerten  und . Es besteht die Aufgabe, die
unbekannten Parameter  und  zu bestimmen. Sind  Wertepaare
[[1  1 ]  [2  2 ]   [   ]]
gegeben, dann erhält man  und  aus einer Minimierung der Fehlerquadratsumme

X
( −  − )2 ⇒ min
(6)
 ( ) =
=1
Die notwendigen Bedingungen  ( )  = 0 und  ( )  = 0 für ein
Minimum von  ( ) führen auf die Gleichungen
P P
P
   −  
(7)
=
P
P
 2 − (  )2
und
=
2
X ´
1 ³X
 − 


(8)
Beschreibende Statistik
Es besteht die Aufgabe, statistische Aussagen über eine "Grundgesamtheit
Ω "von Personen oder Objekte (bzw. auch Fehler bei der Fehlerrechnung)
zu treffen. Bei der Datenerhebung wird eine Person oder ein Objekt der
Grundgesamtheit als Untersuchungseinheit  bezeichnet ( ∈ Ω). Untersucht man soziale Verhältnisse der Einwohner eines Landes, so besteht die
2
Grundgesamtheit Ω aus allen Einwohnern des Landes; eine Untersuchungseinheit  ∈ Ω ist dann ein einzelner Einwohner. Im Falle von Messwerten,
die in einer Fehlerrechnung beurteilt werden sollen, ist die Grundgesamtheit
Ω die Menge aller Messwerte und  ein einzelner Messwert. Die Grundgesamtheit Ω kann auch aus der Aufzeichnung von einer größeren Anzahl an
Münzwürfen hervorgehen. Ein Münzwurf ist dann eine Untersuchungseinheit
.
©
ª
Die Merkmale  (z.B.  Eigenschaften (1)   () ), die an den Personen
oder Objekten  ∈ Ω der Grundgesamtheit auftreten und deren Häufigkeit
mit statistischen Methoden untersucht werden, bezeichnet man als Merkmalsausprägungen. Hierzu zwei Beispiele, entnommen aus Knöpfel et al. [1]:
1. Erhebung zur Altersverteilung der Bevölkerung eines Landes: Ω sei die
Menge aller Einwohner,  = 0 = {1 2 3 } (Altersangabe in Jahre) und
es wird eine Zuordnung Ω → 0 erfasst. Hierdurch wird jedem einzelnen
Einwohner  sein Alter als "Merkmalsausprägung" zugewiesen.
2. Ist man an der Augenfarbe der Studierenden einer Vorlesung interessiert, so ist Ω = { |  ist Studierender der Vorlesung},  = {blau, grün,
braun, . .} und die Abbildung Ω →  weist jedem Studierenden  die Augenfarbe zu. Dieses Beispiel zeigt, dass Merkmalsausprägungen nicht immer
auf einer metrischen Skala liegen müssen.
2.1
Darstellung der Daten
Die  Daten der Grundgesamtheit oder einer Stichprobe davon (nummeriert
durch  von 1 bis ) können in einer Urliste
[[ 1  1 ]  [ 2 2 ]   [    ]   [    ]]
(9)
ª
©
zusammengefasst werden, wobei  ∈ Ω und  ∈  = (1)   () gilt.
Es ist instruktiv, Daten in Diagrammen darzustellen. Wenn
© (1)  groß
ª ist, wird
()
die Darstellung bei sehr vielen Merkmalsausprägungen    
unübersichtlich. Deshalb teilt man in der Regel die Merkmalsausprägungen in Klassen ein. Bei endlichem  wird folgende Regel häufig befolgt: Klassenanzahl
√
'  für kleine  (etwa   100), Klassenanzahl ' log2  für große .
Anstelle von  verschiedenen Merkmalsausprägungen kann  für ein Intervall von möglichen Werten einer Größe stehen. So z.B. kann in der Liste
9  ein bestimmtes Fahrzeug und  (0 ≤   ∞) dessen Geschwindigkeit
sein. Dann hat  überabzählbar viele Elemente. In diesen Fällen lassen sich
3
die Merkmalsausprägungen entlang einer metrischen Skala ordnen. Hierbei
kann man Reihenfolgen (Ordnen nach der Größe) und sogar Abstände zwischen Merkmalsausprägungen definieren, im vorliegenden Beispiel sind dies
die Geschwindigkeitsdifferenzen. Liegen eine größere Anzahl () an Geschwindigkeitsmessungen vor, ist für Diagrammdarstellungen eine Klasseneinteilung
durch Aufteilung in  Geschwindigkeitsintervalle erforderlich. Messfehler liegen ebenfalls auf einer metrischen Skala. Der zufällige Messfehler kann durch
eine größere Anzahl an Wiederholungsmessungen reduziert werden. In diesem
Fall führt man für Darstellungen in Diagrammen ebenfalls  Klassen
für die
©
ª
Messfehlergröße ein. Bei derartigen Klassenaufteilungen  = (1)   ()
sind () ∈  die Teilintervalle, in denen die Messfehler liegen.
2.2
Wahrscheinlichkeit als relative Häufigkeit
Häufigkeitsverteilungen, die aus Stichproben gewonnen wurden, sind sogenannte empirische Verteilungen, im Gegensatz zu den theoretischen Wahrscheinlichkeitsverteilungen, die als mathematische Modelle von Grundgesamtheiten aufgefasst werden können. Aus den Daten der Stichprobe lassen sich
Wahrscheinlichkeiten näherungsweise empirisch bestimmen. Wenn eine Stichprobe  Elementen enthält, dann ist die Wahrscheinlichkeit für eine bestimmte Merkmalsausprägung  ∈  näherungsweise durch die relative Häufigkeit
 ( )
 ( ) '
(10)

gegeben, wobei  ( ) die Anzahl der Elemente mit der Merkmalsausprägung
 in der Stichprobe ist.
2.3
Empirische Maße für Merkmalausprägungen
Es sei nun immer vorausgesetzt, dass den Merkmalsausprägungen sinnvoll
Zahlen zugeordnet werden können, d.h. eine metrische Skala existiert. Hierzu
ist es manchmal erforderlich, eine Funktion  einzuführen, die jeder möglichen Merkmalsausprägung  ∈  eine Zahl  zuordnet [1]. Aus jedem Datenelement [ ] der Liste 9 wird somit jeweils eine Zahl  ([ ]) =  erhalten.
Eine Stichprobe (Datenliste 9) liefert die Zahlenwerte
1 =  ([ 1  1 ])  2 =  ([2  2 ])    =  ([    ])
(11)
Die Indizes (1 2  ) nummerieren wieder die Untersuchungseinheiten (  ∈
Ω sind Personen oder Objekte) und  ∈  bezeichnet die zutreffende Merk4
malsausprägung für  . Dann lassen sich verschiedene Maße definieren, die
aus der Stichprobe 11 gewonnen werden können:
Empirischer Mittelwert
1X
1
̄ =
 = (1 +  +  )
 =1


(12)
Streumaß: Empirische Varianz
1 X
=
( − ̄)2
 − 1 =1

2−1
(13)
Empirische Standardabweichung
−1
v
u

q
u 1 X
2
t
= −1 =
( − ̄)2
 − 1 =1
(14)
Korrelation von zwei verschiedenen Merkmalen
Es seien  und  zwei verschiedene Merkmale und es stellt sich die Frage,
in wieweit die beiden Merkmale zueinander korreliert sind. Anstelle Liste 9
seien zwei Listen
[1 =  ([1  1 ])  2 =  ([ 2  2 ])    =  ([    ])]
[1 =  ([ 1  1 ])  2 =  ([ 2  2 ])    =  ([    ])]
(15)
bezogen auf die Stichprobe Ω = {1  2     } vorgegeben. Man kann die
beiden Listen 15 auch durch eine Liste
[[1  1 ]  [2  2 ]   [   ]]
(16)
ersetzen. Der empirische Korrelationskoeffizient ist dann durch
1
−1
=

X
=1
( − ̄) ( − ̄)
()
()
−1 −1
5
(17)
definiert, wobei die empirischen Mittelwerte (̄ bzw. ̄) mit Vorschrift
12 und die empirischen Standardabweichungen im Nenner entsprechend der
Vorschrift 14 berechnet werden.
Teil II
Wahrscheinlichkeitsrechnung
Seit dem Axiomensystem von Kolmogorov (1933) ist die Wahrscheinlichkeitstheorie streng axiomatisch aufgebaut. Mathematische Grundlagen dazu
liefern auch die Mengenlehre und die Maßtheorie. Die Existenz eines Wahrscheinlichkeitsmaßes für ein Mengensystem, welches z.B. die Mengen von
möglichen Ereignissen umfasst, wird als vorgegeben vorausgesetzt. Die Interpretation der Wahrscheinlichkeiten als relative Häufigkeiten einer Vielzahl
von Versuchsausgängen oder der relativen Häufigkeiten von Merkmalsausprägungen ist hierbei nicht mehr zwingend erforderlich.
3
3.1
Axiomensystem von Kolmogorov
Menge der Elementarereignisse Ω
Man bezeichnet mit Ω die Menge aller möglichen Versuchsausgänge eines
Zufallsexperiments. Diese Versuchsausgänge werden auch als Elementarereignisse bezeichnet.
3.2
System von Teilmengen von Ω, die eine eine Algebra bilden
Ein System  von Teilmengen von Ω heißt −Algebra, wenn gilt:
1) Ω ∈ ,
2)  ∈  =⇒  ∈ , d.h. wenn Menge  in  enthalten ist, dann gilt
dies auch für die Komplementärmenge 
S
3) Wenn 1 , 2      ∈ , dann gilt auch ∞
=1  ∈ 
Die Mengen  ∈  heißen Ereignisse oder messbare Mengen.
Anmerkung: Mit der Definition der −Algebra kann auch gezeigt werden,
dass die Durchschnittsmenge beliebiger Mengen  von  zu  gehört.
6
3.3
Axiomensystem von Kolmogorov
Ein Wahrscheinlichkeitsraum (Ω   ) ist besteht aus einer nichtleeren Menge Ω der Elementarereignisse, einer −Algebra über Ω und einer Funktion
 :  ⇒ [0 1], genannt Wahrscheinlichkeitsverteilung, mit den Eigenschaften
1)  () ≥ 0 für alle Teilmengen  aus  (Nichtnegativität)
2)  (Ω) = 1 (Normiertheit)
3) für abzählbar viele, paarweise disjunkte Teilmengen  aus  gilt
µ∞ ¶
∞
S
P

 =
 ( )
( − Additivität)
=1
=1
Aufgabe
Veranschaulichen Sie anhand von Venn-Diagrammen folgende Beziehungen:
 (1 ∪ 2 ) =  (1 ) +  (2 ) −  (1 ∩ 2 ) ;  () +  ( ) = 1;
3.4
Zufallsvariable und Erwartungswert
Eine Zufallsvariable ist eine Abbildung von einer Menge von Versuchsausgängen (oder Ereignissen) Ω in die Menge der reellen Zahlen. Eine genauere
Definition geht von einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω   ) aus:
Eine Zufallsvariable auf einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω   ) ist eine
Funktion
 :Ω⇒
so dass für jedes Paar   ∈  ( Menge der reellen Zahlen) mit   
gilt: { ∈ Ω |    (  ) ≤ } ∈ 
Beispiel für eine Zufallsvariable: Geschwindigkeit der Moleküle  bei der
Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilung.
3.5
Wahrscheinlichkeitsverteilungen von Zufallsvariablen
Die Wahrscheinlichkeitsverteilung  des Wahrscheinlichkeitsraumes (Ω   )
kann auf die Zufallsvariable  übertragen werden, so dass eine Verteilung für
 resultiert. Für eine Zufallsvariable , die nur diskrete Werte annehmen
kann, gilt
P
 (   ≤ ) =
 ( = )
(18)
∈(Ω) mit ≤
7
Diese Verteilung kann auch in der Form
 (   ≤ ) =
P
 ()
(19)
≤
dargestellt werden. Ein einfaches Beispiel ist die Bernoullische Verteilung
zum Parameter  mit  ∈ [0 1]. Hierbei nimmt die Zufallsvariable  die
beiden Werte 0 und 1 an und es gilt
 ( = 1) =  und  ( = 0) = 1 − 
(20)
Im Falle einer stetigen Zufallsvariablen , die beliebige Werte auf der Zahlengeraden annehmen kann, erhält man
Z 
 (   ≤ ) =
()
(21)

wobei () die Dichte der Verteilung für die Zufallsvariable  ist. Es gilt für
() die Normierungsbedingung
Z ∞
() = 1
(22)
−∞
Anstelle der Verteilungsdichte () verwendet man häufig die Verteilungsfunktion  (), die sich bei einer Integration über () ergibt
Z 
 () =
 () 
(23)
−∞
Somit folgt aus der Beziehung 21
 (   ≤ ) =  () −  ()
(24)
Offenbar ist  () eine monoton wachsende Funktion und es gilt  (−∞) = 0
und  (∞) = 1. Eine häufig auftretende Verteilung ist die Normalverteilung
(Gauss-Verteilung)
Ã
!
( − )2
1
(25)
 () = √ exp −
2 2
 2
mit dem Erwartungswert () =  und der Varianz  () =  2 . Durch
Standardisierung entsteht die Standardnormalverteilung mit der Wahrscheinlichkeitsdichte
µ 2¶

1
 () = √ exp −
(26)
2
2
8
wobei der Erwartungswert  () = 0 und die Varianz  () = 1 ist.
Es können auch gemeinsame Verteilungen  ( ) zweier Zufallsgrößen
 und  (oder auch beliebig vieler Zufallsgrößen) eingeführt werden [1].
Zwei Zufallsgrößen  und  sind unabhängig voneinander, wenn für die
gemeinsame Verteilungsfunktion die Gleichung
 ( ) =  ()  ()
erfüllt ist, wobei  () die Verteilungsfunktion von  und  () die Verteilungsfunktion von  ist. Entsprechend gilt dann für die Wahrscheinlichkeitsdichte der gemeinsamen Verteilung  ( ) =  ()  ().
3.6
Erwartungswert, Varianz und Kovarianz
Der Erwartungswert einer diskreten Zufallsvariablen  ist durch
P
 () =   ( )
(27)

gegeben, wobei  ( ) die Wahrscheinlichkeit für den Wert  der Zufallsvariablen  ist. Dementsprechend gilt für eine kontinuierlichen Zufallsvariable
(−∞    ∞)
Z ∞
 () =
()
(28)
−∞
Die Varianz der Zufallsvariablen  ist durch
¡
¢
 () =  [ −  ()]2
(29)
p
definiert. Die Wurzel aus der Varianz  =  () wird als Standardabweichung bezeichnet. Die Kovarianz zweier Zufallsvariablen  und  wird
aus
 (  ) =  [( −  ()) ( −  ( ))]
(30)
erhalten.
Teil III
Wahrscheinlichkeitsrechnung
und Statistik
Die Wahrscheinlichkeitsrechnung schließt von der Grundgesamtheit auf die
Stichprobe, hingegen die beurteilende Statistik von der Stichprobe auf die
9
Grundgesamtheit. Allerdings werden die grundlegenden Beziehungen der beschreibenden Statistik mit den mathematisch fundierten Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung hergeleitet. Eine große Rolle spielen Grenzwertsätze
über Summen von Zufallsvariablen, wobei in vielen Fällen die Gausssche Verteilung (Normalverteilung) eine zentrale Rolle spielt.
4
Der zentrale Grenzwertsatz
Es seien die Zufallsvariablen 1 , 2    voneinander unabhängig und sie
besitzen die gleiche Verteilung. Der zentrale Grenzwertsatz trifft dann eine
Aussage über die Summe

X
=

(31)
=1
von Zufallsvariablen.
Zentraler Grenzwertsatz: Für jedes  seien die Zufallsvariablen 1 , 2   
voneinander unabhängig und sie besitzen die gleiche Verteilung. Bezeichnet man den Erwartungswert und die Varianz der Zufallsvariablen  mit
 =  ( ) bzw.  2 =  ( ), dann gilt
µ
¶
µ 2¶
Z 
 − 
1

  √

(32)
  =⇒ √
exp −
2
2 
 2
für den Grenzübergang  =⇒ ∞.
Beispiel: Wenn  einer Bernoulliverteilung mit dem Parameter  genügt,
dann gilt wegen  =  und 2 =  (1 − ) für  =⇒ ∞
Ã
!
µ 2¶
Z 
 − 

1
  p
exp −

(33)
  =⇒ √
2
2 
 (1 − )
5
Vertrauensintervall bei der Fehlerrechnung
In der Fehlerrechnung, zur Bewertung experimenteller Daten, kann man häufig die Größe von zufälligen Messfehlern von Einzelmessungen aus Plausibilitätsbetrachtungen abschätzen und damit Standardabweichungen sinnvoll
vorgeben. Wenn eine genügende Anzahl von Wiederholungsmessungen vorliegen, kann auch die empirische Varianz verwendet werden. Es besteht die Frage, wie groß das Vertrauen darin ist, dass ein erwartbares Fehlerintervall eine
10
bestimmte Größe nicht überschreitet, nachdem mehrere Wiederholungsmessungen durchgeführt und die Mittelwerte der Messwerte bestimmt worden
sind. Durch die Mittelwertbildung wird der zufällige Fehler reduziert. Unter
sehr allgemeinen Voraussetzungen sind die Messfehler der Einzelmessungen
normal verteilt (Gauss-Verteilung).
Es werden  Messungen einer Größe  durchgeführt. Da zufällige Messfehler bei den Messungen auftreten, soll jede Messung der Größe  auch als
Realisierung einer Zufallsvariable  aufgefasst werden. Der empirische Mittelwert und die empirische Varianz sind wieder mit der Stichprobe (bestehend
aus den Werten  für die  Messungen) aus den Beziehungen
1X

̄ =
 =1

1 X
=
( − ̄)2
 − 1 =1

bzw.
2−1
(34)
bestimmbar. Daraus erhält man Schätzwerte für Mittelwert  =  () und
Varianz  2 =  () der Zufallsvariablen :
1X

 ≡  () ' ̄ =
 =1

und
1 X
=
( − ̄)2
 − 1 =1
(35)

2
 ≡  () '
2−1
(36)
Aus dem zentralen Grenzwertsatz [2] folgt, dass für genügend große Werte
von  die Verteilung der standardisierte Zufallsgröße
P
 − 
 = =1√
(37)
 2
gleich der Normalverteilung mit dem Erwartungswert 0 und der Varianz 1 ist.
Die Zufallsgröße  dient dazu, die erwartbaren Abweichungen des empirisch
bestimmten Mittelwertes vom wahren Messwert zu bestimmen. Es sei nun
die Zahl  gleich der Wahrscheinlichkeit  (−    ) dafür, dass die
normierte Fehlerabweichung innerhalb eines gewählten Intervalls [− ] liegt.
Mit dem zentralen Grenzwertsatz folgert man
Z 
1
√ exp(− 2 2) = 
 (−    ) =
(38)
2
−
Für  (−    ) können wir offenbar auch alternative Bezeichnungswei-
11
sen
¶
µ


 (−    ) =  − √  ̄ −   + √


¶
µ


=   −  √  ̄   +  √


¶
µ


=  ̄ −  √    ̄ +  √


verwenden. Mit Gleichungen 38 und 23 zeigt man leicht die folgende Beziehung zwischen  und :
1+
 () =
(39)
2
mit
Z 
1
√ exp(− 2 2)
(40)
 () =
2
−∞
In der Praxis wählt man für  häufig die Werte 095 oder 099 (Konfidenzniveau). Dann wird mit Gleichung 40 der Wert von  für das gewählte Konfidenzniveau bestimmt. Schließlich können mitPder Beziehung 37 die Fehlerschranken für den erhaltenen Mittelwert ̄ = ( =1  )  angegeben werden.
Bei einer vorgegebenen Zuverlässigkeit (Vorgabe des Parameters  für das
Vertrauensniveau) liegt dann der ’wahre Wert’  der Messgröße  innerhalb
eines Intervalls


(41)
̄ − √    ̄ + √


6
Aufgaben
1) Eine Zellspannung  wurde 12-mal bestimmt (Angaben in Millivolt):
[110] , [103] , [102] , [107] , [101] , [102] , [106] , [104] , [105] , [106] , [105] , [106]
a) Bestimmen Sie Mittelwert und empirische Varianz der Zellspannung.
b) Geben Sie die Vertrauensintervalle für  = 90% und  = 95% an. (Mit
der Wahrscheinlichkeit  soll die ’wahre Zellspannung’ innerhalb des jeweiligen Vertrauensintervalls [min  max ] liegen.)
2) Der elektrische Widerstand  =  eines Drahtes wird durch 6 Messungen [   ] der Spannung  in mV und der Stromstärke  in mA bestimmt:
[512 212] , [530 201] , [501 208] , [525 203] , [508 202] , [523 205]
12
Es wird vorausgesetzt, dass die Messungen von  und  voneinander unabhängig sind.
a) Schätzen Sie aus den Daten die mittleren Fehlerquadrate (∆)2 und
(∆)2 mit Hilfe der empirischen Varianz ab.
b) Verwenden Sie das Gausssche Fehlerfortpflanzungsgesetz
und die Erq
gebnisse für (∆)2 und (∆)2 , um (∆)2 bzw. (∆)2 abzuschätzen (Fehler
von ).
3) Eine Zufallsvariable  ist im Intervall  ≤  ≤  gleich verteilt. Bestimmen Sie Erwartungswert  = () und Varianz  2 =  () von .
4) Bestimmen Sie Erwartungswert  = () und Varianz  2 =  ()
für die Bernoullische Verteilung (siehe Definitionsgleichungen 20).
5) Bei einer Bürgermeisterwahl mit zwei Kandidaten  und  werden
mehr als 7000 Stimmen abgegeben. Vor der Auszählung wurde eine Stichprobe von 200 Stimmzetteln zufällig ausgewählt. Dabei zeigte sich, dass für
Kandidat  insgesamt 110 und für Kandidat  die restlichen 90 Stimmen
abgegeben wurden.
a) Wie genau ist eine Prognose des Wahlausganges mit der Stichprobe,
wenn eine Vertrauenswahrscheinlichkeit von  = 095 zugrunde gelegt wird?
b) Schätzen Sie aus den Angaben der Stichprobe die Wahrscheinlichkeit
dafür ab, dass Kandidat  doch noch die Bürgermeisterwahl gewinnt!
6) In einer repräsentativen Umfrage haben 400 von 1200 Befragten für
eine Partei  votiert.
Wie genau ist der Schätzwert für das Wahlergebnis dieser Partei, wenn
die Befragten rein zufällig ausgewählt und Vertrauenswahrscheinlichkeiten
von a)  = 090 und von b)  = 095 zugrunde gelegt werden?
7) Bestimmen Sie die Ausgleichsgerade für einen vermuteten linearen Zusammenhang  =  +  der Größen  und  unter Verwendung folgender
Daten [   ]:
[1 4]  [2 2]  [3 1]  [4 4]
Wie groß ist der empirische Korrelationskoeffizient zwischen den Größen 
und , wenn man die vorliegenden Daten zugrunde legt? Ist eine Korrelation
zwischen  und  zu erwarten?
13
8) Bestimmen Sie Erwartungswert  = () und Varianz  2 =  ()
für die Binomialverteilung und die Poisson-Verteilung.
9) In einem klassischen Gas sei die Teilchengeschwindigkeit  (in km/s)
folgendermaßen verteilt (Maxwell-Verteilungsdichte bei einer bestimmten Temperatur):
4
 () = √ 2 exp(−2 ) für 0 ≤   ∞

a) Bestimmen Sie Erwartungswert und Varianz für die Zufallsvariable
Geschwindigkeit!
b) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Geschwindigkeit
eines Teilchens größer als 05 (in km/s) ist?
¡
¡ √ ¢¢
Anmerkung: Es gilt mit der Fehlerfunktion erf :  () = 12 1 + erf  2 .
Gleichung 39 kann mit Marlab durch
 (@()12 ∗ (1 + erf((2))) − (1 + )2 1)
gelöst werden, wobei für  der gewünschte Zahlenwert (Wahrscheinlichkeitswert) des Vertrauensintervalls eingesetzt werden muss.
[1] H. Knöpfel, M. Löwe, Stochastik-Struktur im Zufall, Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH 2007, ISBN 978-3-486-58448-6
[2] J. A. Rosanow, Stochastische Prozesse, Akademie-Verlag, Berlin 1975
[3] B. W. Gnedenko, Lehrbuch der Wahrscheinlichkeitsrechnung,
Akademie-Verlag, Berlin 1979
[4] Henze, Stochastik für Einsteiger, Vieweg Verlag,Wiesbaden
2006
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