Logbuch zur Vorlesung Einführung in das mathematische Arbeiten im WS 16/17 Christian Schmeiser1 Das Material der Vorlesung ist dem Buch Einführung in das mathematische Arbeiten von H. Schichl und R. Steinbauer (2. Auflage, Springer, 2012) entnommen. Dieses Logbuch dient dem Vortragenden als Gedächtnisstütze, aber auch den Studierenden als Hinweis auf die in der Vorlesung behandelten Teile, die (zusammen mit dem Schulstoff) den Prüfungsstoff bilden. Contents 1 Einleitung 2 2 Grundlagen 2.1 Beweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Indices . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Summen- und Produktzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2 3 3 3 Logik 4 4 Mengenlehre 6 4.1 Naive Mengenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 4.2 Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 4.3 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 5 Grundlegende Algebra 5.2 Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 11 12 13 6 Zahlenmengen 6.1 Die natürlichen Zahlen N 6.2 Die ganzen Zahlen Z . . . 6.3 Die rationalen Zahlen Q . 6.4 Die reellen Zahlen R . . . 6.5 Die komplexen Zahlen C . 6.6 Andere Zahlenmengen . . 13 13 14 14 14 16 18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Institut für Mathematik, Universität Wien, Oskar-Morgenstern-Platz http://homepage.univie.ac.at/christian.schmeiser/ 1 . . . . . . . . . . . . 1, . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1090 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wien, . . . . . . . . . . . . . . . . . . Austria. 7 Analytische Geometrie 18 2 7.2 Die Ebene – R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 7.3 Höhere Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1 Einleitung Sprache: Was bedeutet einen in den folgenden Sätzen? • Ich habe einen Bruder, der Koch ist. • Ich habe einen Bruder und drei Schwestern. • Ich habe einen Bruder. Was bedeutet wissen üblicherweise in der deutschen Sprache und für uns MathematikerInnen? 2 2.1 Grundlagen Beweise Was ist ein Axiom, eine Definition, ein Satz (auch Theorem, Proposition, Lemma, Hauptsatz, Fundamentalsatz, Satz von . . . , Korollar), der nur dann einer ist, wenn er von einem Beweis begleitet wird? Wir verwenden ohne nähere Beschreibung die Zahlenmengen N, Z, Q, R (Genaueres in Kapitel 6). Definition. Eine gerade Zahl n ist eine natürliche Zahl, die durch 2 teilbar ist, d.h. es gibt eine andere natürliche Zahl k, sodass n = 2k. Die Menge der geraden Zahlen wird mit G bezeichnet. Satz. n ∈ G ⇒ n2 ∈ G. Beweis: Definition. Eine Primzahl ist eine natürliche Zahl, die größer als 1 und nur durch 1 und sich selbst teilbar ist. Die Menge der Primzahlen wird mit P bezeichnet. Satz. (Euklid) Es gibt unendlich viele Primzahlen. Beweis: Lemma. Jede natürliche Zahl besitzt eine Primfaktorenzerlegung. Beweis: Indirekt 2 2.2 Indices Beispiele: • Obige Beweise. • Doppelindices: Die, von rechts gezählt, j-te StudentIn in der i-ten Reihe bezeichnen wir mit Sij . • Durch 1 für i = j , 0 für i 6= j , δij := wird das Kronecker-Delta definiert. Indices können auch hoch- oder linksgestellt sein. 2.3 Summen- und Produktzeichen Polynome, mit dem Summenzeichen geschrieben. Begriffe: Summenzeichen (großes Sigma), Summationsindex, untere und obere Grenze, Summand P 1 Beispiel: 3i=1 i+1 =? Indexverschiebung Herausheben Teleskopsummen Allgemeine Indexmengen Produktzeichen Definition. Fakultät, rekursiv. Darstellung der Fakultät mit Produktzeichen. Weg zum binomischen Lehrsatz: (ACHTUNG: Anders als im Buch, vollständige Induktion und daher ordentlicher Beweis des binomischen Lehrsatzes erst in Kapitel 6). Was ergibt Ausmultiplizieren von (a + b)n ? n = 1, 2, 3 (a + b)n ist Summe vonAusdrücken der Form Koeffizient mal ak bl mit k + l = n, also, mit der Bezeichnung nk für die Koeffizienten (Binomialkoeffizienten), n X n k n−k (a + b) = a b k n k=0 n k A) Bestimmung von mit Methoden der Kombinatorik: Permutationen. n k = Anzahl der Möglichkeiten, aus n Elementen k auszuwählen, wobei es auf die Reihenfolge nicht ankommt (warum?). n n(n − 1) · · · (n − k + 1) n! =⇒ = = , für k = 1, . . . , n. k! k!(n − k)! k 3 Definition: n0 = nn =1. B) Bestimmung von nk durch Schluss von n auf n + 1: (a + b) n+1 n n n+1 n n+1 X n n = (a + b) (a + b) = . . . = a + b + + ak bn+1−k n 0 k−1 k n k=1 =⇒ n+1 n+1 n = , n n+1 0 n , 0 n+1 k = n n + , k−1 k k = 1, . . . n. Vergleich mit A). Pascalsches Dreieck. 3 Logik Eine Aussage kann wahr (1) oder falsch (0) sein. Eine logische Verknüpfung ist eine Regel, wie man aus 2 Aussagen eine dritte macht. Seien a, b, c Aussagen. UND (∧): Wahrheitstafel (alle Fälle) Kommutativgesetz, Assoziativgesetz (Beweis mit Wahrheitstafel) Absorptionsgesetz: a ∧ 0 = 0 Neutralitätsgesetz: a ∧ 1 = a ODER (∨): natürliche Sprache vs. Logik Wahrheitstafel, Kommutativgesetz, Assoziativgesetz, Absorptionsgesetz, Neutralitätsgesetz Distributivgesetze NICHT (¬) Komplementarität: a ∧ ¬a = 0, a ∨ ¬a = 1 Doppelnegation De Morgansche Regeln (eine beweisen) Bemerkung: ({0, 1}, ∧, ∨, ¬) ist eine Boolesche Algebra. IMPLIKATION (⇒): natürliche Sprache vs. Logik a ⇒ b := ¬a ∨ b Sprechweisen: Aus a folgt b. Wenn a, dann b. a ist hinreichend für b. b ist notwendig für a. Satz. (Umkehrschluss) a ⇒ b = ¬b ⇒ ¬a Beweis: Wahrheitstafel ÄQUIVALENZ (⇔) Definition mit Wahrheitstafel Sprechweise: a ⇔ b: a gilt genau dann, wenn b gilt. b ⇒ a: a gilt, wenn b gilt. 4 Lemma. a ⇔ b (a ⇒ b) ∧ (b ⇒ a) = Äquivalenz ist eigentlich dasselbe wie bisher =. Satz. n ∈ N gerade ⇔ n2 gerade. EXKLUSIVES ODER ( XOR ) a XOR b := (a ∨ b) ∧ ¬(a ∧ b) Andere Darstellung: a XOR b = (a ∨ b) ∧ (¬a ∨ ¬b) ((a ∨ b) ∧ ¬a) ∨ ((a ∨ b) ∧ ¬b) = = ((a ∧ ¬a) ∨ (b ∧ ¬a)) ∨ ((a ∧ ¬b) ∨ (b ∧ ¬b)) = (b ∧ ¬a) ∨ (a ∧ ¬b) Lemma. a ⇔ b = ¬(a XOR b) Quantoren: Sei M = {x1 , . . . , xn } und a(x1 ), . . . , a(xn ) Aussagen. Statt a(x1 ) ∧ · · · ∧ a(xn ) sagt man: Für alle Elemente x von M gilt a(x), in Zeichen: ∀x ∈ M : a(x) . Man nennt ∀ den Allquantor. Analog: Statt a(x1 ) ∨ · · · ∨ a(xn ) sagt man: Es gibt ein x in M , sodass a(x), in Zeichen: ∃x ∈ M : a(x) . Man nennt ∃ den Existenzquantor. Auch: Es gibt mindestens ein . . . Schreibweise für Es gibt genau ein x ∈ M , sodass a(x) gilt: ∃! x ∈ M : a(x) Beide Quantoren werden auch verwendet, wenn die Menge M unendlich ist. Mehrere Quantoren in einer Aussage: ∀x ∈ M : ∀y ∈ N : a(x, y) ⇔ ∀y ∈ N : ∀x ∈ M : a(x, y) Man schreibt dann auch ∀x ∈ M, y ∈ N : a(x, y) Analog für ∃. VORSICHT: All- und Existenzquantor dürfen nicht vertauscht werden. Beispiel: Sei M die Menge aller Männer und F die Menge aller Frauen, sowie h(m, f ) die Aussage ´ m ist verliebt in f ´ . Was bedeuten die beiden Aussagen ∀m ∈ M : ∃f ∈ F : h(m, f ) und ∃f ∈ F : ∀m ∈ M : h(m, f ) De Morgansche Regeln: ¬(∀x ∈ M : a(x)) ⇔ ∃x ∈ M : ¬a(x) ¬(∃x ∈ M : a(x)) ⇔ ∀x ∈ M : ¬a(x) 5 4 Mengenlehre 4.1 Naive Mengenlehre Cantor (19 Jhdt.): Eine Menge ist eine Zusammenfassung von wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die Elemente der Menge genannt werden) zu einem Ganzen. (Vergleich mit einem Sack) Hilbert: Aus dem Paradies, das Cantor uns geschaffen hat, soll uns niemand mehr vertreiben können. Poincaré: Spätere Generationen werden die Mengenlehre als Krankheit ansehen, die man überwunden hat. Schreibweisen: x ∈ M bzw. M 3 x. ¬(x ∈ M ) ⇔ x ∈ / M. Statt x ∈ M ∧ y ∈ M ∧ z ∈ M auch x, y, z ∈ M . Angabe von Mengen durch 1) Aufzählen, z.B. M = {0, 2, 5, 9}, 2) Beschreiben, z.B. P = {p ∈ N : p > 1 ∧ ∀m ∈ N : (m|p ⇒ (m = 1 ∨ m = p))} , oder auch (teilweise) verbal: P = {p ∈ N : p > 1 und p besitzt nur die Teiler 1 und p} Der Doppelpunkt wird ausgesprochen als: für die gilt. Manchmal wird stattdessen ein vertikaler Strich gemacht. Die leere Menge: Manchmal ∅, manchmal {}. Es gilt: ∀x : x ∈ / {}. Definition. Seien A und B Mengen. A ist eine Teilmenge von B, wenn alle Elemente von A auch in B liegen, d.h. A ⊆ B ⇔ ∀x : (x ∈ A ⇒ x ∈ B) . Man sagt dann auch: B ist eine Obermenge von A. Alternative Schreibweisen. Man nennt A echte Teilmenge von B, wenn A ⊆ B und A 6= B. Triviale Teilmengen: Für jede Menge M gilt ∅ ⊆ M und M ⊆ M . Definition. Seien A und B Mengen. Man nennt sie gleich, wenn sie die selben Elemente haben, d.h. A = B ⇔ ∀x : (x ∈ A ⇔ x ∈ B) ⇔ (A ⊆ B) ∧ (B ⊆ A) . Venn-Diagramme. Verknüpfungen von Mengen: Vereinigung: A ∪ B := {x : x ∈ A ∨ x ∈ B}. x ∈ A ∪ B ⇔ x ∈ A ∨ x ∈ B. Beruht auf ∨. Daher kommutatives Gesetz, assoziatives Gesetz. A1 ∪ · · · ∪ An = n [ Aj = {x : ∃j ∈ {1, . . . , n} : x ∈ Aj } j=1 6 Beispiele: {1, 3, 6} ∪ {2, 6} = {1, 2, 3, 6} M S ∪∅=M n∈N {−n, n} = Z Duchschnitt: A ∩ B := {x : x ∈ A ∧ x ∈ B}. x ∈ A ∩ B ⇔ x ∈ A ∧ x ∈ B. Beruht auf ∧. Daher kommutatives Gesetz, assoziatives Gesetz. n \ A1 ∩ · · · ∩ An = Aj = {x : ∀j ∈ {1, . . . , n} : x ∈ Aj } j=1 Beispiele: {1, 3, 6} ∩ {2, 6} = {6} M ∩∅=∅ Z ∩ {x ∈ R : x ≥ 0} = N Mengendifferenz: A \ B := {x ∈ A : x ∈ / B} oder x ∈ A \ B ⇔ x ∈ A ∧ x ∈ /B Beispiel: {2, 3, 6} \ {2, 5, 7} = {3, 6} Symmetrische Mengendifferenz: A∆B := (A \ B) ∪ (B \ A) = (A ∪ B) \ (A ∩ B) (2. Gleichung beweisen) Beispiel: {2, 3, 6}∆{2, 5, 7} = {3, 5, 6, 7} Komplement: Grundmenge, Universum U : quasi ∀A : A ⊆ U . Ac := U \ A (verschiedene Bezeichnungen werden verwendet) x ∈ Ac ⇔ ¬(x ∈ A) Da Durchschnitt, Vereinigung bzw. Komplement durch ∧, ∨ bzw. ¬ definiert sind, gelten dieselben Rechenregeln wie für letztere, und die Menge aller Teilmengen von U mit den Verknüpfungen Durchschnitt, Vereinigung und Komplement bildet eine Boolesche Algebra. Beispiele: Neutralität: A ∪ ∅ = A, A ∩ U = A Absorption: A ∪ U = U , A ∩ ∅ = ∅ Doppelkomplement: (Ac )c = A Komplementarität: A ∪ Ac = U , A ∩ Ac = ∅ De Morgan: (A ∪ B)c = Ac ∩ B c , (A ∩ B)c = Ac ∪ B c Definition. Die Potenzmenge PM einer Menge M ist die Menge aller Teilmengen von M . (PU, ∩, ∪, ·c ) ist eine Boolesche Algebra. Beispiele: P{0, 1, 2} = {∅, {0}, {1}, {2}, {0, 1}, {0, 2}, {1, 1}, {0, 1, 2}}, P∅ = {∅} Die Elemente einer Menge müssen verschieden sein, und es kommt auf die Reihenfolge nicht an. Anders bei geordneten Paaren (a, b) bzw. bei geordneten k-Tupeln (a1 , . . . , ak ). (a1 , . . . , ak ) = (b1 , . . . , bl ) ⇔ k = l ∧ (∀j ∈ {1, . . . , k} : aj = bj ) Es ist z.B. (1, 1, 2) ein erlaubtes geordnetes 3-Tupel, und es gilt (1, 2) 6= (2, 1). Definition. 1) Seien A und B Mengen. Dann ist die Produktmenge (auch genannt das Cartesische Produkt) von A und B definiert durch A × B := {(a, b) : a ∈ A ∧ b ∈ B} . 7 2) Seien A1 , . . . , Ak Mengen. Dann ist das Cartesische Produkt dieser Mengen definiert durch A1 × · · · × Ak := {(a1 , . . . , ak ) : ∀j : aj ∈ Aj } . 3) A2 := A × A , Ak analog. Beispiele: 1) A = {1, 2}, B = {a, b}. A2 = {(1, 1), (1, 2), (2, 1), (2, 2)} . A × B = {(1, a), (1, b), (2, a), (2, b)} , 2) Rn = {(x1 , . . . , xn ) : xi ∈ R für i = 1, . . . , n}. In diesem Fall nennt man die n-Tupel auch Vektoren. Historischer Einschub: Naive Mengenlehre (Georg Cantor, zwischen 1874 und 1884). Weiterentwicklung z.B. durch Giuseppe Peano. Russellsche Antinomie (Bertrand Russell, 1902): Die Menge aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten. Eliminiert durch geeignete Axiomensysteme, z.B. durch Ernst Zermelo, Adolf Fraenkel, Kurt Gödel und andere. Traum der Reduktion der gesamten Mathematik auf die formale Logik (David Hilbert, 1900), zerstört durch Gödels Unvollständigkeitssatz (1931). 4.2 Relationen Motivation: hat ein Kind mit, wohnt im selben Bezirk wie, ist größer als, ist nicht kleiner als. Definition. Seien A, B Mengen und R ⊆ A × B. Dann nennt man R eine Relation auf A × B. Statt (a, b) ∈ R schreibt man aRb. Eine Relation auf A2 nennt man auch eine Relation auf A. Definition. (Eigenschaften von Relationen): Eine Relation R auf A heißt 1) transitiv, wenn ∀a, b, c ∈ A : (aRb ∧ bRc) ⇒ aRc . 2) reflexiv, wenn ∀a ∈ A : aRa . Motivationsbeispiele. Definition. Eine transitive und reflexive Relation ∼ auf A heißt Äquivalenzrelation, wenn sie außerdem symmetrisch ist, d.h. ∀a, b ∈ A : (a ∼ b ⇒ b ∼ a) . Beispiel: Auf der Menge Z wird ∼ definiert durch x∼y x − y gerade :⇔ Definition. Sei ∼ eine Äquivalenzrelation auf A und a ∈ A. Dann heißt Ca := {b ∈ A : a ∼ b} die Äquivalenzklasse von a. Jedes b ∈ Ca heißt ein Repräsentant der Äquivalenzklasse. 8 Satz. Zwei Äquivalenzklassen Ca und Cb einer Äquivalenzrelation ∼ auf A sind entweder disjunkt oder gleich, d.h. Ca ∩ Cb 6= ∅ ⇔ Ca = Cb . Beweis. Lemma. 1) Äquivalenzklassen sind nichtleer. S 2) a∈A Ca = A. Definition. Eine Familie disjunkter, nichtleerer Teilmengen einer Menge A, deren Vereinigung gleich A ist, heißt eine Partition von A. Korollar. Die Äquivalenzklassen einer Äquivalenzrelation auf A bilden eine Partition von A, die von der Äquivalenzrelation induzierte Partition. Lemma. Sei Ui , i ∈ I eine Partition von A. Dann wird durch a∼b :⇔ ∃i ∈ I : a, b ∈ Ui eine Äquivalenzrelation definiert. Beweis. Definition. Sei ∼ eine Äquivalenzrelation auf A. Dann nennt man die Menge A/∼ (sprich A modulo Tilde) der Äquivalenzklassen bezüglich ∼ die Quotientenmenge oder auch Faktormenge. Beispiel: Sei 2 ≤ n ∈ N fest gewählt. Die Relation k ∼n l :⇔ ∃m ∈ Z : k = l + mn (sprich: k ist kongruent l modulo n) ist eine Äquivalenzrelation. Wir schreiben auch k ≡ l(m). Die Äquivalenzklassen nennt man Restklassen modulo n. Schreibweise: Zn := Z/∼n . Definition. 1)Eine transitive und reflexive Relation auf A heißt Ordnungsrelation oder Halbordnung, wenn sie außerdem antisymmetrisch ist, d.h. ∀a, b ∈ A : (a b ∧ b a ⇒ a = b) . 2) Gilt entweder a b oder b a, dann sagt man, a und b sind vergleichbar. 3) Sind beliebige a und b vergleichbar, dann nennt man eine Totalordnung. Schreibweise: a b ⇔ b a. Beispiele: 1) (R, ≤) 2) (Menge aller Menschen, ist Vorfahre von) 3) (PU, ⊆) Definition. Sei eine Halbordnung auf A und B ⊆ A. Ein Element m ⊆ A mit der Eigenschaft ∀x ∈ B : x m heißt obere Schranke von B. Ein Element m ⊆ A mit der Eigenschaft ∀x ∈ B : m x heißt untere Schranke von B. Hat B eine obere (untere) Schranke, dann heißt es nach oben (unten) beschränkt. Hat es eine obere und eine untere Schranke, dann heißt es beschränkt. 9 Beispiel: Intervalle Definition. Sei B ⊆ A und eine Totalordnung auf A. Gibt es eine obere (untere) Schranke α (α) von B mit der Eigenschaft m obere Schranke von B ⇒ α m, (m untere Schranke von B ⇒ m α,) dann heißt α Supremum (α Infimum) von B. Da das Supremum (Infimum), wenn es existiert, eindeutig ist, ist die folgende Schreibweise gerechtfertigt: α = sup B (α = inf B). Gilt sup B ∈ B (inf B ∈ B), dann nennt man es Maximum (Minimum) von B und schreibt sup B = max B (inf B = min B). 4.3 Abbildungen Definition. Eine Relation G ⊆ A × B mit den Eigenschaften ∀a ∈ A : ∃b ∈ B : (a, b) ∈ G , (a, b1 ) ∈ G ∧ (a, b2 ) ∈ G ⇒ b1 = b2 , definiert eine Funktion oder Abbildung f : A → B, die jedem a ∈ A genau ein b = f (a) ∈ B zuordnet durch b = f (a) ⇔ (a, b) ∈ G . Eine Abbildung wird festgelegt durch Angabe der Definitionsmenge A, der Zielmenge oder Bildmenge B und der Abbildungsvorschrift a 7→ f (a). Man nennt f (a) den Funktionswert an der Stelle a. Gilt b = f (a), dann heißt a ein Urbild von b. Die Menge G = {(a, f (a)) : a ∈ A} ⊆ A × B heißt Graph der Funktion. Beispiele Pfeildiagramme Definition. Sei f : A → B eine Funktion, sowie M ⊆ A, N ⊆ B. 1) Die Menge f (M ) := {b ∈ B : ∃a ∈ M : f (a) = b} heißt Bild von M unter f . 2) Die Menge f −1 (N ) := {a ∈ A : f (a) ∈ N } heißt Urbild von N unter f . Definition. Eine Funktion f : A → B heißt 1) injektiv, wenn f (a1 ) = f (a2 ) ⇒ a1 = a2 , 2) surjektiv, wenn ∀b ∈ B : ∃a ∈ A : f (a) = b , 3) bijektiv, wenn f injektiv und surjektiv ist. 10 Pfeildiagramme. Man nennt f (A) den Wertebereich von f . Surjektiv: Wertebereich = Bildmenge. Sprechweise: Abbildung von A auf B. Herstellung von Injektivität bzw. Surjektivität durch Einschränkung der Definitions- bzw. Bildmenge. (Bsp.: f (x) = x2 ) Die Identität auf A: idA : A → A, idA (x) = x. Definition. Seien f : A → B und g : B → C Abbildungen. Die Verknüpfung g ◦ f : A → C ist definiert durch (g ◦ f )(a) := g(f (a)) . Beispiel: A = B = C = N, f (n) = n2 , g(m) = 5m. Definition. Sei f : A → B bijektiv. Die inverse Abbildung (auch Umkehrfunktion) f −1 : B → A von f ist definiert durch f −1 (b) = a :⇔ f (a) = b . Es gilt f −1 ◦ f = idA , f ◦ f −1 = idB . Beobachtung: Ist f : A → B bijektiv und hat A 5 Elemente, dann hat auch B 5 Elemente. Definition. Zwei Mengen A und B heißen gleichmächtig, wenn es eine bijektive Abbildung f : A → B gibt. Beispiel: Hilberts Hotel Lemma. Gleichmächtig ist eine Äquivalenzrelation. Definition. Die Äquivalenzklasse von A bezüglich der Relation gleichmächtig heißt die Kardinalzahl von A und wird mit card(A) oder mit |A| bezeichnet. Auch: card({1, . . . , n}) = n. Definition. Existiert ein n ∈ N, sodass card(A) = N , dann heißt A endlich. Gilt card(A) = card(N), dann heißt A abzählbar. Schreibweise: card(N) = ℵ0 (sprich: Aleph-Null). Satz. 1) Q ist abzählbar. 2) R ist nicht abzählbar. 5 Grundlegende Algebra Ursprung des Wortes Algebra: al-jabr (arab.: Auffüllen, Vervollständigen), Al-Khwarizmi (ca. 780–850) → Algorithmus 5.2 Gruppen Definition. Sei G 6= ∅. Dann nennt man eine Abbildung ◦ : G × G → G eine Verknüpfung auf G. Schreibweise: ◦(g, h) =: g ◦ h. Das geordnete Paar (G, ◦) heißt Gruppoid. Beispiel: Addition und Multiplikation von Restklassen. Definition. Ein Gruppoid (G, ◦), dessen Verknüpfung assoziativ ist, d.h. ∀g, h, k ∈ G : (g ◦ h) ◦ k = g ◦ (h ◦ k) , heißt Halbgruppe. 11 Definition. Eine Halbgruppe (G, ◦) mit neutralem Element, d.h. ∃e ∈ G : ∀g ∈ G : e ◦ g = g ◦ e = g , heißt Monoid. Definition. Ein Monoid (G, ◦) mit inversem Element, d.h. ∀g ∈ G : ∃g −1 ∈ G : g −1 ◦ g = g ◦ g −1 = e , heißt Gruppe. Gilt außerdem das kommutative Gesetz, d.h. ∀g, h ∈ G : g ◦ h = h ◦ g , dann heißt (G, ◦) eine kommutative oder abelsche Gruppe. Beispiele: (Z, +), (R \ {0}, ·), (Z2 , +) Satz. (Rechenregeln für Gruppen): Sei (G, ◦) eine Gruppe. 1) ∀g ∈ G : (g −1 )−1 = g 2) (g ◦ h)−1 = h−1 ◦ g −1 3) k ◦ g = k ◦ h ⇒ g = h 4) g ◦ x = h ⇒ x = g −1 ◦ h Definition. Sei (G, ◦) eine Gruppe und H ⊆ G. Ist (H, ◦) eine Gruppe, dann nennt man sie eine Untergruppe von G. Strukturerhaltende Abbildungen nennt man Homomorphismus bzw. (wenn sie bijektiv sind) Isomorphismus. Definition. Seien (G, ◦), (H, ) Gruppen und f : G → H eine Abbildung, sodass ∀g1 , g2 ∈ G : f (g1 ◦ g2 ) = f (g1 )f (g2 ) . Dann heißt f ein Gruppenhomomorphismus von G nach H. Ist f zusätzlich bijektiv, dann heißt es Gruppenisomorphismus, und die Gruppen (G, ◦) und (H, ) heißen isomorph. Beispiel: f : (R, +) → (]0, ∞[, ·), f (x) = ax , a > 0 fest gewählt. 5.3 Ringe Definition. Ist (R, +) eine abelsche Gruppe und gibt es auf R eine zweite Verknüpfung ·, sodass (R, ·) eine Halbgruppe ist und die distributiven Gesetze gelten, d.h. ∀a, b, c ∈ R : a · (b + c) = a · b + a · c ∧ (a + b) · c = a · c + b · c , dann heißt das Tripel (R, +, ·) ein Ring. Das neutrale Element bezüglich + nennt man Nullelement und bezeichnet es mit 0, das inverse Element von a mit −a. Gibt es außerdem ein neutrales Element bezüglich ·, dann nennt man es das Einselement 1 und spricht von einem Ring mit Einselement. Beispiele: Z, die Menge der Polynome und Zn sind kommutative Ringe mit Einselement, weil auch die Multiplikation kommutativ ist. 12 Lemma. (Rechenregeln): Sei (R, +, ·) ein Ring. Dann gilt a) ∀a ∈ R : a · 0 = 0 · a = 0, b) ∀a, b ∈ R : a · (−b) = −(a · b). Beweis: Beispiel: In Z6 gibt es die Nullteiler C2 , C3 , weil C2 · C3 = C6 = C0 . Welche Zn sind nullteilerfrei? 5.4 Körper Definition. Ein Ring (K, +, ·) mit der zusätzlichen Eigenschaft, dass (K \ {0}, ·) eine abelsche Gruppe ist, heißt Körper. Das inverse Element von a ∈ K bezüglich der Multiplikation nennt man a−1 . Beispiele: 1) Q, R, C. 2) (Zn , +, ·) ist genau dann ein Körper, wenn n eine Primzahl ist. (Z2 , +, ·) ist bis auf Isomorphie der einzige Körper mit zwei Elementen. Lemma. (Rechenregeln) Sei (K, +, ·) ein Körper. Dann gilt a) ∀a ∈ K : (−a)−1 = −a−1 , b) Nullteilerfreiheit. 6 6.1 Zahlenmengen Die natürlichen Zahlen N Die Peano-Axiome (Definition der natürlichen Zahlen?): Die natürlichen Zahlen sind eine Menge N, für die gilt: (PA1) 0 ∈ N (bzw. ein spezielles Element, das wir Null nennen). (PA2) Es gibt eine Abbildung S : N → N, die jedem n ∈ N seinen Nachfolger S(n) zuordnet. (PA3) 0 ist kein Nachfolger, d.h. ∀n ∈ N : S(n) 6= 0. (PA4) Verschiedene Zahlen haben verschiedene Nachfolger, d.h. ∀m, n ∈ N : S(m) = S(n) ⇒ m = n. (PA5) (Induktionsaxiom) Enthält eine Menge M ⊆ N die 0 und mit jeder Zahl auch ihren Nachfolger, dann ist M = N, in Formeln: 0 ∈ M ⊆ N ∧ (n ∈ M ⇒ S(n) ∈ M ) Lemma. ∀n ∈ N : n X (2k − 1) = n2 . k=1 Beweis: Vollständige Induktion Beweis des binomischen Lehrsatzes. Rekursive Definition. Beispiel: Fakultät. 13 ⇔ M =N Definition. Die Addition und die Multiplikation auf N können rekursiv definiert werden: Sei n ∈ N. Addition: ∀k ∈ N : n + S(k) := S(n + k) , n + 0 := n , n · 0 := 0 , Multiplikation: ∀k ∈ N : n · S(k) := n · k + n Nun kann man die Rechengesetze jeweils mit vollständiger Induktion beweisen. (N, +) und (N, ·) sind kommutative Halbgruppen mit neutralem Element. Distributivgesetz. 6.2 Die ganzen Zahlen Z In (N, +) gibt es kein inverses Element. Die Gleichung n + x = m (gesucht x ∈ N) kann nur für m ≥ n gelöst werden (dann aber eindeutig). Erweiterung von N durch Hinzunahme von neu erfundenen inversen Elementen −n für alle n ∈ N. Erweiterung der Addition: m + (−n) := (−n) + m := x ∈ N mit n + x = m für m ≥ n, m + (−n) := (−n) + m := −x mit m + x = n für m < n, (−m) + (−n) := −(m + n). Ähnlich für die Multiplikation. 6.3 Die rationalen Zahlen Q Sei Z+ := N \ {0}. Definition. Die Relation ∼ auf Z × Z+ wird definiert durch (p1 , q1 ) ∼ (p2 , q2 ) :⇔ p1 q2 = p2 q1 Das ist eine Äquivalenzrelation. Es gilt ∀(p, q) ∈ Z × Z+ : ∀n ∈ N : (p, q) ∼ (np, nq). Definition. Die Menge der rationalen Zahlen wird definiert durch Q := Z × Z+ / ∼. Schreibweise: p p np q := C(p,q) , wobei q = nq , n ∈ N. Definition der Rechenoperationen: C(p1 ,q1 ) + C(p2 ,q2 ) := C(p1 q2 +p2 q1 ,q1 q2 ) bzw. pq11 + pq22 := C(p1 ,q1 ) · C(p2 ,q2 ) := C(p1 p2 ,q1 q2 ) bzw. pq11 · pq22 := pq11 pq22 . Definition der Ordnung: C(p1 ,q1 ) ≤ C(p2 ,q2 ) :⇔ p1 q2 ≤ p2 q1 ⇔: pq11 ≤ pq22 . p1 q2 +p2 q1 . q1 q2 Satz. (Q, +, ·, ≤) ist ein geordneter Körper, d.h. (Q, +, ·) ist ein Körper, ≤ ist eine Totalordnung auf Q und es gilt ∀a, b, c ∈ Q : (O1) a ≤ b ⇒ a + c ≤ b + c, (O2) a > 0 ∧ b > 0 ⇒ a · b > 0. 6.4 Die reellen Zahlen R Pythagoräischer Lehrsatz (graphischer Beweis). Identifikation von Punkten auf der Gerade mit Zahlen. Es gibt einen Punkt, der einer Zahl x mit x2 = 2 entspricht. 14 Lemma. (Hippasos v. Metapont, ca. 500 v.Chr.) Es gibt keine rationale Zahl x mit x2 = 2. Beweis: Definition. Eine totalgeordnete Menge M heißt ordnungsvollständig, wenn jede nichtleere, nach oben beschränkte Menge E ⊆ M ein Supremum sup E ∈ M besitzt, bzw. wenn jede nichtleere, nach unten beschränkte Menge E ⊆ M ein Infimum inf E ∈ M besitzt. Lemma. Q ist nicht ordnungsvollständig. Beweis: Die Menge {x ∈ Q : x2 < 2} ist nach oben beschränkt (z.B. durch 2) und besitzt kein Supremum, weil dessen Quadrat gleich 2 sein müsste. R wird konstruiert durch Hinzunahme der fehlenden Suprema. Definition. Eine Menge S ⊆ Q heißt (Dedekindscher) Schnitt, wenn (S1) ∀q ∈ Q \ S : ∀s ∈ S : q < s , (S2) ∀s ∈ S : ∃s0 ∈ S : s0 < s . Sei A eine nichtleere, nach oben beschränkte Menge. Dann ist die Menge S der oberen Schranken ohne das möglicherweise existierende sup A ein Schnitt. Existiert sup A, dann gilt sup A = inf S. Beispiel: S = {x ∈ Q : x2 > 2}, @ inf S ∈ Q. Lemma. Die Menge der Schnitte mit der Totalordnung ⊇ ist ordnungsvollständig. Definition. (Mengentheoretische Konstruktion von R) Die Menge R der rellen Zahlen ist die Menge der Schnitte, wobei man diese mit ihren Infima identifiziert, insbesonder wird durch folgende Definition die Ordnung von Q auf R erweitert: Für zwei Schnitte S, T gilt inf S ≤ inf T :⇔ S⊇T. Auch die Rechenoperationen können über Schnitte definiert werden, z.B. S + T := {s + t : s ∈ S, t ∈ T } bzw. inf S + inf T := inf(S + T ) . Es ist leicht zu sehen, dass S + T ein Schnitt ist. Lemma. (n-te Wurzeln) Sei 0 < a ∈ R, n ∈ N. Dann gibt es genau ein positives x ∈ R, sodass √ xn = a. Schreibweise: x = n a. Beweis: Mit vollständiger Induktion zeigt man x < y ⇒ xn < y n , woraus die Eindeutigkeit folgt. Die Menge S = {s ∈ R : sn < a} ist nichtleer und nach oben beschränkt. Analog zu Beispiel 2) oben: (sup S)n = a, also x = sup S. Definition. Eine reelle Zahl heißt algebraisch, wenn sie Nullstelle eines Polynoms mit rationalen Koeffizienten ist. Alle anderen reellen Zahlen heißen transzendent. Lemma. Es gibt abzählbar viele algebraische Zahlen. 15 Bemerkung: π und e sind transzendent. Definition. 1) Absolutbetrag: |x| := x für x ≥ 0, |x| := −x für x < 0. 2) Abstand zwischen x und y: |x − y|. 3) Signum: −1 für x < 0, sign(x) := 0 für x = 0, 1 für x > 0. Lemma. (Eigenschaften des Absolutbetrags) 1) Definitheit: |x| ≥ 0. |x| = 0 ⇔ x = 0. 2) Dreiecksungleichung: |x + y| ≤ |x| + |y|. 3) Multiplikativität: |xy| = |x| |y|. Lemma. (Eigenschaften des Abstandes) 1) Definitheit: |x − y| ≥ 0. |x − y| = 0 ⇔ x = y. 2) Dreiecksungleichung: |x − z| ≤ |x − y| + |y − z|. 3) Symmetrie: |x − y| = |y − x|. 6.5 Die komplexen Zahlen C Mit Hilfe der reellen Zahlen kann die Potenzabbildung x 7→ xn mit n ∈ N, x > 0 invertiert werden. Die einfache quadratische Gleichung x2 + 1 = 0 hat aber immer noch keine Lösung. Wie bei der Einführung von Z, Q und R ergänzen wir einfach das Fehlende und erfinden eine neue Zahl i (die imaginäre Einheit) mit der Eigenschaft i2 = −1. Ergänzt man R durch i und fordert Abgeschlossenheit bezüglich der Addition und der Multiplikation so ergibt sich: Definition. Sei a, b ∈ R. Dann heißt das Paar (a, b) ∈ R2 , geschrieben als z = a + bi, eine komplexe Zahl. a = <(z) (auch a = Re(z)) heißt der Realteil und b = =(z) (auch b = Im(z)) der Imaginärteil von z. Auf der Menge C der komplexen Zahlen definieren wir Addition und Multiplikation durch (a1 + b1 i) + (a2 + b2 i) := (a1 + a2 ) + (b1 + b2 )i , (a1 + b1 i) · (a2 + b2 i) := (a1 a2 − b1 b2 ) + (a1 b2 + b1 a2 )i . Satz. (C, +, ·) ist ein Körper. Beweis: Alles leicht. Neutrale Elemente bezüglich Addition und Multiplikation: 0 = 0 + 0i und 1 = 1 + 0i. Interessant ist nur das inverse Element bezüglich der Multiplikation. Formale Rechnung: 1 a − bi a − bi a −b = = 2 = 2 + 2 i 2 2 a + bi (a + bi)(a − bi) a +b a +b a + b2 Man rechnet leicht nach, dass für a + bi 6= 0 (d.h. a 6= 0 und b 6= 0) die komplexe Zahl auf der rechten Seite wirklich inverses Element von a + bi bezüglich der Multiplikation ist. Definition. Die konjugiert komplexe Zahl zu z = a + bi ist z := a − bi. 16 Geometrische Interpretation von C: Gaußsche Zahlenebene. Reelle, imaginäre Achse. √ Definition. Der Betrag einer komplexen Zahl z = a + bi ist definiert durch |z| := a2 + b2 . Er ist also der Abstand vom Ursprung in der Gaußschen Zahlenebene. Lemma. (Rechenregeln) 1) zz = |z|2 , 2) z1 = |z|z 2 , 3) z = z, 4) z1 + z2 = z1 + z2 , z1 z2 = z1 z2 Komplexes Polynom: Polynom mit komplexen Koeffizienten. Nullstelle z0 von p(z): p(z0 ) = 0. Satz. (Fundamentalsatz der Algebra) Jedes komplexe Polynom der Ordnung n ≥ 1 besitzt mindestens eine komplexe Nullstelle. Beweis: Zu schwierig für diese Vorlesung. Kommt später in Komplexe Analysis. Lemma. (Abspaltung eines Linearfaktors) Sei z0 Nullstelle eines komplexen Polynoms p der Ordnung n ≥ 1. Dann gibt es ein komplexes Polynom q der Ordnung n − 1, sodass p(z) = (z − z0 )q(z) . Beweis: Verwendung von k z − z0k = (z − z0 ) k−1 X z j z0k−1−j j=0 (Beweis durch Ausmultiplizieren der rechten Seite) in p(z) = p(z) − p(z0 ). Korollar. (Faktorisierung von Polynomen) Sei p ein komplexes Polynom der Ordnung n. Dann besitzt es Nullstellen z1 , . . . , zn (nicht notwendigerweise verschieden), sodass n Y p(z) = an (z − zj ) . j=1 Lemma. Reelle Polynome besitzen eine gerade Zahl nichtreeller Nullstellen, die paarweise konjugiert komplex sind. Beweis: Beweisidee: p(z) = p(z). Reelle Faktorisierung reeller Polynome in Linearfaktoren und quadratische Faktoren: (z − z0 )(z − z0 ) = z 2 − 2Re(z0 )z + |z0 |2 . Einführung der Winkelfunktionen Sinus und Cosinus am Einheitskreis. Eigenschaften: sin2 ϕ + cos2 ϕ = 1, Der Sinus ist eine gerade, der Cosinus eine ungerade Funktion. Beide sind periodisch mit Periode U (frei wählbar, entspricht dem vollen Winkel, z.B. U = 360 oder U = 2π), sin(ϕ + U/4) = cos ϕ, Summensätze (graphischer Beweis, siehe Fig. 1): cos(α + β) = cos α cos β − sin α sin β . sin(α + β) = sin α cos β + cos α sin β , 17 Figure 1: Graphischer Beweis der trigonometrischen Summensätze für 0 ≤ α, β, α + β ≤ U/4. Polarkoordinaten vs. Real- und Imaginärteil. Multiplikation in Polarkoordinaten. Formel von Moivre. n-te Wurzeln: Sei w = r(cos ϕ + i sin ϕ). Dann hat das Polynom z n − w die n verschiedenen Nullstellen √ ϕ + kU ϕ + kU n zk = r cos + i sin , k = 0, . . . , n − 1, n n genannt die n-ten Wurzeln von w. Satz. (Abel) Für die Nullstellen von Polynomen mit Grad 5 oder größer gibt es im Allgemeinen keine expliziten Formeln (bestehend aus rationalen Zahlen, Grundrechnungsarten, n-ten Wurzeln). 6.6 Andere Zahlenmengen Quaternionen (Hamilton, 1843): Addition und Multiplikation auf R4 bzw. C2 , allerdings mit nichtkommutativer Multiplikation. 7 7.2 Analytische Geometrie Die Ebene – R2 Identifikation von R2 (Vektoren) mit Punkten in der Ebene: Beliebige Gerade = x1 -Achse, beliebiger Punkt darauf (der Ursprung) = (0, 0) (der Nullvektor), beliebiger anderer Punkt darauf = (1, 0), durch (0, 0) normale Gerade = x2 -Achse, darauf (1, 0) gegen den Uhrzeigersinn gedreht = (0, 1), Punkt mit den Koordinaten x1 und x2 ist (x1 , x2 ). 18 Figure 2: Zum Beweis des Cosinussatzes. Die Länge oder (euklidische) Norm kxk eines Vektors x = (x1 , x2 ) ist definiert als der Abstand des entsprechenden Punktes in der Ebene vom Ursprung: q kxk := x21 + x22 . Satz. (Cosinussatz) Seien a, b, c die Kantenlängen eines Dreiecks und γ der Winkel gegenüber der Seite mit Länge c. Dann gilt a2 + b2 − 2ab cos γ = c2 . Beweis: Seien d, e, h definiert gemäß Fig. 2. Dann gilt e + d = a, nach Pythagoras h2 + e2 = b2 und h2 + d2 = a2 , sowie nach der Definition des Cosinus e = b cos γ. Elimination von d, e, h liefert das Resultat. Betrachten wir nun ein Dreieck mit den Eckpunkten 0, x, y, und bezeichnen den Innenwinkel beim Eckpunkt 0 mit γ. Laut Cosinussatz gilt dann 2kxkkyk cos γ = kxk2 + kyk2 − ((x1 − y1 )2 + (x2 − y2 )2 ) = 2(x1 y1 + x2 y2 ) . Das motiviert die Definition des Skalarproduktes: hx, yi := x1 y1 + x2 y2 . Konsequenz: cos γ = hx, yi . kxkkyk Lemma. (Cauchy-Schwarzsche Ungleichung) |hx, yi| ≤ kxkkyk . Beweis: Wir verwenden 2ab ≤ a2 + b2 (weil (a − b)2 ≥ 0): hx, yi2 = x21 y12 + x22 y22 + 2(x1 y2 )(x2 y1 ) ≤ x21 y12 + x22 y22 + x21 y22 + x22 y12 = kxk2 kyk2 Bemerkungen: 1) Zwei Vektoren x, y stehen normal aufeinander (Sprechweise: x und y sind orthogonal, y ist ein Normalvektor zu x), wenn hx, yi = 0 gilt. (−x2 , x1 ) ist ein Normalvektor zu (x1 , x2 ). 2) kxk2 = hx, xi, d.h. die Norm kann aus dem Skalarprodukt berechnet werden. 3) Der Abstand zwischen zwei Punkten x, y kann mit Hilfe der Norm berechnet werden: kx − yk. 19 7.3 Höhere Dimensionen Geometrie im Rn , n > 3? Translation um y = (y1 , . . . , yn ): Ty (x) = Ty (x1 , . . . , xn ) = (x1 + y1 , . . . , xn + yn ) =: x + y . Damit ist die Addition von Vektoren definiert. Führt man die Translation zweimal aus, dann ergibt sich (Ty ◦ Ty )(x) = Ty (Ty (x)) = T2y (x) mit 2y = (2y1 , . . . , 2yn ) . Das motiviert die Definition des Produktes eines Vektors x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Rn mit einem Skalar λ ∈ R: λx := (λx1 , . . . , λxn ) . Definition. Sei (V, +) eine abelsche Gruppe und K ein Körper. Für alle v ∈ V , λ ∈ K sei λv ∈ V definiert und es gelte ∀λ, µ ∈ K, v, w ∈ V : 1) 1v = v, 2) λ(µv) = (λµ)v, 3) λ(v + w) = λv + λw, 4) (λ + µ)v = λv + µv. Dann heißt V ein Vektorraum über K. Korollar. Rn ist ein Vektorraum über R. Definition. Skalarprodukt: 1) Symmetrie 2) Definitheit 3) Bilinearität P Korollar. Durch hx, yi := ni=1 xi yi ist ein Skalarprodukt auf Rn definiert. Definition. Norm: 1) Definitheit 2) Homogenität 3) Dreiecksungleichung Lemma. Sei V ein Vektorraum mit Skalarprodukt. Dann ist durch ∀v ∈ V : kvk := Norm definiert. p hv, vi eine Definition. Abstand bzw. Metrik: 1) Symmetrie 2) Definitheit 3) Dreiecksungleichung Lemma. Sei V ein Vektorraum mit Norm. Dann ist durch ∀v, w ∈ V : d(v, w) := kv − wk eine Metrik definiert. 20