Stress als Risikofaktor für kardiovaskuläre

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Stress als Risikofaktor für
kardiovaskuläre Erkrankungen
Herzgruppen-Forum 2009
Dr. Ch. Weber
Clienia Psychiatriezentrum Männedorf PZM
Übersicht
• Psychosoziale Risikofaktoren und kardiovaskuläre Erkrankung
• Was ist Stress?
• Chronischer Stress und Herzkrankheit
• Therapeutische Aspekte
Stress-Management
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Psychosoziale Risikofaktoren und kardiovaskuläre
Erkrankung
• Chronischer oder subakuter Lebensstress
• Negative Emotionen (Angst, Ärger, Depressivität)
• Persönlichkeitsmerkmale: Feindseligkeit, Misstrauen, gehemmter
Ausdruck (Typ D Denollet, Typ A-Verhalten)
• Depression
• Soziale Isolation
• Niedriger sozioökonomischer Status
(Interheart-study 2004, Whitehall-study 1995)
Stress-Management
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Psychosoziale Risikofaktoren und kardiovaskuläre
Erkrankung
• Akuter Stress: Arrhythmien oder akute Ischämie
• Chronischer Stress als anhaltender psycho-biologischer
Erregungszustand: 2- bis 4-fach erhöhtes Risiko für koronare
Herzerkrankung
• Stress und Depression zusammen: 3-fach erhöhtes Risiko für
Herzinfarkt (Interheart)
• Depression und Angst erhöhen Mortalitätsrisiko nach Infarkt um
Faktor 2.2
Stress-Management
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Was ist Stress?
214‘100‘000
Einträge zum Stichwort „Stress“
im Internet (Google, Mai 2007)
Stress-Management
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Martin Suter: Business Class
„Als Glaser dreissig war galt es in Kreisen des mittleren Jungmanagements als
unmännlich, mehr als fünf Stunden zu schlafen. In der Euphorie eines anständigen
Schlafmankos wirkte alles was man tat viel effizienter. Stress war ein Stimulans.
Man prahlte, wie viel man davon vertrug und versuchte, sich gegenseitig unter den
Tisch zu stressen.
Später, auf der oberen Führungsebene, war Stress zwar
nicht mehr Modedroge Nummer eins, aber immer noch
gesellschaftsfähig. Wer nicht unter Stress stand, wirkte halt
doch irgendwie ersetzlich...
Aber heute, wo es Glaser in die Führungsspitze geschafft
hat, gilt Stress als uncool. Manager, die unter Stress leiden,
sind ihrer Aufgabe nicht gewachsen. Glaser wird also zum
heimlichen Stresser.“
Martin Suter: Business Class. Zürich: Diogenes, 2000
Stress-Management
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Zahlen und Fakten zu Stress
in der Arbeitswelt
Volkswirtschaftliche Folgen
• Kosten von Stress: CHF 4.2 Mia/Jahr = 1,2% BIP*
• Gut 1/4 fühlt sich häufig oder sehr häufig gestresst*
• 1/8 kann den Stress nicht bewältigen*
• Über 1/3 der IV-Renten infolge psychischer Störungen**
Betriebswirtschaftliche Folgen
• Mehr Absenzen (Absentismus)
• Höhere Fluktuation
• Reduzierte Produktivität der Anwesenden (Präsentismus)
*: seco-Studie 2002, **: IV-Statistik 2004
Stress-Management
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Stressdefinition
Ungleichgewicht zwischen inneren und
äusseren Anforderungen und Belastungen
und verfügbaren inneren und äusseren BewältigungsRessourcen auf körperlicher, psychischer und sozialer
Ebene.
Quelle: R.M. Steinmann, Psychische Gesundheit – Stress, 2005, 42
Stress = grundlegender Adaptationsmechanismus:
Dient der erfolgreichen Anpassung an die Umwelt!
Stress-Management
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Beanspruchung, Leistung und Stress:
Auf das Mass kommt es an!
Leistungsfähigkeit,
Wohlbefinden
Stress
Stress
Gesunde
Herausforderung
Unterforderung
Überforderung
Beanspruchung
Stress = Fehlendes Gleichgewicht resultiert aus:
Unterforderung oder Überforderung
Stress-Management
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Akute Stresseffekte
Adrenalin 
Noradrenalin 
Glukokortikoide 
Hans Selye
Stress-Management
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Stressreaktion des Jägers...
Vester 1976
Stress-Management
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Unsere Entwicklung
Jäger und Sammler
Landwirtschaft
120‘000
500
Industrie
10
TV + PC
1
100 Generationen
5‘000 Generationen
120‘000
Generationen
Stress-Management
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Wirkungskette Stress
Stressoren
StressReaktion
Coping
Was
verursacht
Stress?
Welche
Reaktionen löst
Stress aus?
Wie kann
Stress bewältigt
werden?
Stressfolgen
Welche Folgen
kann Stress
haben?
Stress-Management
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Auslöser von Stress 1
Alltagsbelastungen, physikalisch-sensorische Umwelt
• Zeit- und Termindruck, Lärm, Monotonie
Körperliche Stressoren
• Gewalt, Schmerz, Hunger, Behinderung
Leistungsstressoren
• Über- und Unterforderung
Psychosoziale Stressoren
• niedrige Selbstachtung, soziale Isolation
• mangelnde Kontrolle über Arbeits- und Privatleben
• psychische Störungen
• zwischenmenschliche Konflikte, familiäre/persönliche Krisen
Stress-Management
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Auslöser von Stress 2
Sozioökonomische Stressoren
• tiefes Bildungsniveau, niedriges Einkommen, Armut
Belastende Lebensereignisse
• Verlust, Trennung und Scheidung
Chronische Spannungen und Belastungen
• dauerhafte und wiederkehrende „kleine“ Alltagsprobleme
• dauerhafte Arbeitsüberlastung
• mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie bzw. Privatleben
• chronische Krankheiten, Pflege von chronisch kranken Angehörigen
Biografische Übergänge mit Krisen-Potenzial
• Pubertät, junges Erwachsenenalter
• Ein- und Ausstieg in Beruf, Ruhestand
• Auszug der Kinder, Übergang in die Fragilität
Stress-Management
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Die Wirkung von Stressoren
hängt ab von ...
• Intensität und Dauer
• Subjektive Bewertung
- Wichtig?
- Bewältigbar?
- Vorhersagbar?
- Kontrollierbar?
Stress-Management
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Anstieg
Str
ess
o
r
Chronische Stresseffekte
0
normal
Zeit
Anstieg
0
krankhaft
Zeit
Anstieg
0
deutlich krankhaft
Zeit
Stress-Management
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Neurobiologie von chronischem Stress
Dopamin-Entleerung
Anhaltend hohe Stresshormone können das Depressionsrisiko durch Senkung des Dopaminspiegels
erhöhen. Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff im körpereigenen Belohnungssystem, der u.a. im
präfrontalen Cortex aktiv ist.
Noradrenalin-Entleerung
Da bei chronischem Stress die Stimulation durch den RapheKern sinkt, produziert der Locus Coeruleus weniger
Noradrenalin, was zu einer Verringerung der Aufmerksamkeit
führt.
Cortex
Locus Coeruleus
Serotonin-Entleerung
Raphe-Kern
Stress reduziert die Freisetzung von Serotonin (wichtiger
Botenstoff für die Gefühlsregulation) im Raphe-Kern, der mit
dem Locus Coeruleus und dem Cortex in Verbindung steht.
Hippocampus
Schrumpfung des Hippocampus
Stress bewirkt Zelltod im Hippocampus, der für Gedächtnisprozesse von Bedeutung ist
(bei Depressiven ist der Hippocampus 10-20% kleiner).
Stress-Management
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Stress und Stressfolgeerkrankungen
Stress-Management
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Somatische
Folgeerkrankungen
• Herz-Kreislauferkrankungen
• Kopfschmerz
• Rückenschmerzen
• Magen-Darmbeschwerden
• Erhöhte Infektionsanfälligkeit
• Diabetesneigung
• Osteoporose
• Hauterkrankungen
• Bösartige Neubildungen
Stress-Management
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Typische psychische Folgeerkrankungen bei
chronischem Stress
• „Burnout“
• Depression
• Angststörungen
• Missbrauch von Alkohol, Tabak und Beruhigungsmitteln
• Schlafstörungen
Stress-Management
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Einfluss von Emotionen auf
Blutdruck/Herzfrequenz
Stress-Management
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Stress  Dauerstress mit negativer individueller Bewertung  Depression
Stress-Management
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*
Depression
Stress
Verhaltensebene
Pathophysiologische Ebene
Rauchen
Alkohol
Sozialer Rückzug
Bewegungsverhalten
Fehlernährung
Thrombozytenaktivierung
Zytokinfreisetzung
Endothelfunktion
HHNS-Dysregulation
SAS-Dysregulation
Diabetes
Adipositas
Hypertonus
HLP
KHK
Stress-Management
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Therapeutische Aspekte
Was tun?
Stress-Management
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Was hält uns psychisch gesund,
was macht uns krank?
Gesundheitsfördernde
Faktoren
Krankmachende
Faktoren
Psychische
Gesundheit
Psychische
Störung
Stress-Management
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Schutzfaktoren beim Individuum
• gute Bewältigungsfähigkeiten (Priorisierung, Affektregulation,
Abgrenzungsfähigkeit, realistische Einschätzung der Ressourcen)
• allgemeine Widerstandsfähigkeit und innere Autonomie
• ein stabiles Selbst (positives Selbstbild, Selbstwertgefühl,
Kontrollüberzeugungen)
• soziale Kompetenz und Problemlösefähigkeiten
• Flexibilität
• ausgewogene Ernährung, regelmässige Bewegung, ausreichende
Entspannung
• Verstehbarkeit und Sinnhaftigkeit der Lebenserfahrungen
Stress-Management
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Schutzfaktoren in der Umwelt
• soziale Unterstützung und Integration
• tragfähige zwischenmenschliche Beziehungen
• Identifikationspersonen und positive Rollenmodelle
• psychisch gesundes Umfeld
• sozialer Frieden, Solidarität, Chancengleichheit
• sinnstiftende Arbeits- und Tätigkeitsfelder
• Handlungsspielräume in allen Lebensphasen und Lebensfeldern
• stabile Gesellschaft mit gutem Bildungs- und Gesundheitssystem
Stress-Management
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Therapeutische Aspekte: Grundsätze
• Am Anfang steht eine sorgfältige Diagnostik
Wo und wie drückt der Schuh?
• Beachtung der Motivationslage/Abwehr
Wo und wie steht der Patient? Wie kommunizieren wir mit den
Patienten?
• Individueller Behandlungsplan
• Multimodaler Behandlungsansatz
Stress-Management
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Multimodaler Behandlungsansatz
• Medizinische Basisbetreuung
• Wissensvermittlung (z.B. Seminare ambulante Kardiorehabilitation)
• Sport- und Bewegungstherapie (z.B. Herzgruppen)
• Spezifische psychosoziale Interventionen
Stress-Management
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Spezifische Psychosoziale Interventionen
• Stress“management“
- Ursachen klären/beseitigen
- Arbeit an inneren Einstellungen
- Strategien entwickeln
- Arbeit am Lebensstil (Entspannungstechniken, Ernährung, worklife-balance, Nichtrauchertraining, etc.)
• Gesprächsgruppen zur Krankheitsbewältigung
• Sozialmedizinische Beratung
• Psychotherapeutische Behandlung
Stress-Management
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Sedendo et quiescendo anima efficitur prudens
Aristoteles
„Sitzend und ruhend wird die Seele klug“
Stress-Management
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