Einführung in die elementare Zahlentheorie

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Einführung in die elementare Zahlentheorie
Sascha Trostorff
19. Oktober 2017
Inhaltsverzeichnis
I.
Zahlenbereiche
3
1. Die natürlichen Zahlen
4
2. Die ganzen Zahlen
12
3. Die rationalen Zahlen
18
4. Die reellen Zahlen
25
5. Stellenwertsysteme
28
II. Teilbarkeit
37
6. Teilbarkeit in kommutativen Monoiden mit Kürzung
38
7. Teilbarkeit in N und Primzahlen
45
8. Der größte gemeinsame Teiler im Polynomring Q[X].
51
III. Restklassenringe
58
9. Der Ring Zn
59
10.Teilbarkeitsregeln
63
11.Lineare Kongruenzen
65
12.Elementare Sätze der Zahlentheorie
69
2
Teil I.
Zahlenbereiche
3
1. Die natürlichen Zahlen
Definition (Peano-Axiome). Es existiert eine Menge N, die Menge der natürlichen Zahlen, mit folgenden Eigenschaften:
(P1) Es existiert eine injektive1 Abbildung σ : N → N, die Nachfolgerabbildung.
(P2) Es existiert ein Element in N - wir nennen es 0 -, das kein Nachfolger ist. Es gilt also
∀n ∈ N : σ(n) 6= 0.
(P3) Ist M ⊆ N eine Teilmenge mit den Eigenschaften:
(a) 0 ∈ M ,
(b) ∀n ∈ M : σ(n) ∈ M,
so gilt M = N (Induktionsaxiom).
Bemerkung 1.1. In der Literatur wird das Element, dass gemäß (P2) existiert, häufig 1 genannt.
Satz 1.2. Es gilt
{m ∈ N | ∃k ∈ N : m = σ(k)} ∪ {0} = N.
Insbesondere ist 0 das einzige Element in N, das kein Nachfolger ist.
Beweis. Wir setzen
M := {m ∈ N | ∃k ∈ N : m = σ(k)} ∪ {0}.
Zunächst gilt 0 ∈ M per Definition. Ist weiter n ∈ M so gilt σ(n) ∈ {m ∈ N | ∃k ∈ N : m = σ(k)} ⊆ M .
Somit gilt nach (P3) M = N. Ist nun n ∈ N = M ein Element, das kein Nachfolger ist, d.h.
n∈
/ {m ∈ N | ∃k ∈ N : m = σ(k)} = M \ {0},
so folgt n = 0.
Sehr eng verknüpft mit dem Induktionsaxiom ist das Prinzip der Rekursion. Bevor wir dieses Prinzip
diskutieren können, benötigen wir einige grundlegende Begriffe.
1
Eine Abbildung f : M → N zwischen zwei Mengen M, N heißt injektiv, falls
∀x, y ∈ M : f (x) = f (y) ⇒ x = y.
4
1. Die natürlichen Zahlen
Definition. Es seien M, N nichtleere Mengen. Eine Teilmenge R ⊆ M × N heißt binäre Relation
zwischen M und N . Wir definieren den Definitionsbereich von R durch
D(R) := {x ∈ M | ∃y ∈ N : (x, y) ∈ R} .
Ferner nennen wir R eine Funktion, falls R rechtseindeutig ist, d.h.
∀x ∈ M, y, z ∈ N : (x, y) ∈ R ∧ (x, z) ∈ R ⇒ y = z.
Somit ist bei einer Funktion R für x ∈ D(R) das Element y ∈ N mit (x, y) ∈ R eindeutig bestimmt
und wir schreiben R(x) := y. Ist R eine Funktion, so schreiben wir auch R : D(R) ⊆ M → N und falls
D(R) = M auch kurz R : M → N.
Satz 1.3 (Rekursion). Sei M eine nichtleere Menge und x ∈ M . Ferner seien für n ∈ N Funktionen
fn : M → M gegeben. Dann existiert genau eine Funktion g : N → M, so dass
(a) g(0) = x,
(b) ∀n ∈ N : g(σ(n)) = fn (g(n)).
Beweis. Wir beweisen zunächst die Eindeutigkeit. Angenommen es gebe zwei Funktionen g, ge : N → M
mit den gewünschten Eigenschaften. Wir betrachten die Menge
K := {n ∈ N | g(n) = ge(n)} .
Offenbar gilt 0 ∈ K, da g(0) = x = ge(0). Sei nun n ∈ K. Dann gilt
g(σ(n)) = fn (g(n)) = fn (e
g (n)) = ge(σ(n)),
und daher σ(n) ∈ K. Nach (P3) folgt daher K = N und somit g = ge.
Kommen wir nun zur Existenz einer solchen Funktion g. Dazu betrachten wir die folgende Menge von
binären Relationen zwischen N und M :
R := {R ⊆ N × M | (0, x) ∈ R, ∀n ∈ N : (n, y) ∈ R ⇒ (σ(n), fn (y)) ∈ R} .
Diese Menge ist nichtleer, da N × M ∈ R gilt. Wir definieren nun die Relation
\
g :=
R = {(n, y) ∈ N × M | ∀R ∈ R : (n, y) ∈ R} .
Ziel ist es zu zeigen, dass g eine Funktion mit den gewünschten Eigenschaften ist.
Wir zeigen zunächst g ∈ R :
• (0, x) ∈ g : Ist klar, da (0, x) ∈ R für alle R ∈ R.
• (n, y) ∈ g ⇒ (σ(n), fn (y)) ∈ g : Ist (n, y) ∈ g, so gilt (n, y) ∈ R für alle R ∈ R. Damit folgt
(σ(n), fn (y)) ∈ R für alle R ∈ R und damit (σ(n), fn (y)) ∈ g.
5
1. Die natürlichen Zahlen
Es gilt also g ∈ R.
Außerdem gilt D(g) = N : Da g ∈ R folgt 0 ∈ D(g). Sei nun n ∈ D(g). Dann existiert y ∈ M mit
(n, y) ∈ g und somit (σ(n), fn (y)) ∈ g da g ∈ R. Damit ist σ(n) ∈ D(g) und aus (P3) folgt D(g) = N.
Wir zeigen nun abschließend, dass g eine Funktion ist. Betrachte dazu die Menge
K := {n ∈ N | ∀y, z ∈ M : (n, y), (n, z) ∈ g ⇒ y = z} .
Es gilt 0 ∈ K: Wir wissen bereits (0, x) ∈ g. Annahme: Es gibt y 6= x mit (0, y) ∈ g. Dann betrachten
wir die Relation ge := g \ {(0, y)}. Dann folgt ge ∈ R und ge ( g, was der Definition von g widerspricht.
Somit gilt also (0, y) ∈ g ⇒ y = x, also 0 ∈ K.
Sei n ∈ K. Dann gibt es genau ein Element y ∈ M mit (n, y) ∈ g (da n ∈ D(g) = N). Da g ∈ R, folgt
(σ(n), fn (y)) ∈ g. Somit genügt es (σ(n), z) ∈ g ⇒ z = fn (y) zu zeigen. Annahme: Es gibt z 6= fn (y)
mit (σ(n), z) ∈ g. Dann betrachten wir die Relation ge := g \ {(σ(n), z)}. Dann folgt ge ∈ R (beachte
hierbei, dass σ(n) 6= 0 nach (P2), somit also (0, x) ∈ ge gilt) mit ge ( g. Das widerspricht der Definition
von g und damit folgt σ(n) ∈ K.
Mit (P3) folgt nun K = N und daher ist g eine Funktion.
Somit ist g : N → M und es gilt g(0) = x und g(σ(n)) = fn (g(n)) für alle n ∈ N.
Mithilfe der Rekursion können wir nun die Addition auf den natürlichen Zahlen definieren.
Definition. Sei k ∈ N. Wir definieren die Abbildung (k+) : N → N durch (M = N und fn = σ für
n ∈ N)
(a) (k+) (0) := k,
(b) ∀n ∈ N : (k+) (σ(n)) := σ ((k+) (n)) .
Statt (k+)(n) schreiben wir üblicherweise k + n. Es ist also k + 0 = k und k + σ(n) = σ(k + n). Ferner
setzen wir 1 := σ(0) und erhalten so für k ∈ N
σ(k) = σ(k + 0) = k + σ(0) = k + 1.
Wir wollen nun einige Rechenregeln für die Addition beweisen.
Satz 1.4 (Rechenregeln für die Addition). Es gilt:
(a) ∀k, m, n ∈ N : k + (m + n) = (k + m) + n (Assoziativität),
(b) ∀k, n ∈ N : k + n = n + k (Kommutativität),
(c) ∀k, m, n ∈ N : k + n = m + n ⇒ k = m (Kürzbarkeit).
(d) ∀k, m ∈ N : k + m = 0 ⇒ k = m = 0.
Beweis. (a) Seien k, m ∈ N und betrachte M := {n ∈ N | k + (m + n) = (k + m) + n} . Es gilt 0 ∈ M,
da
k + (m + 0) = k + m = (k + m) + 0.
6
1. Die natürlichen Zahlen
Sei n ∈ M. Dann gilt
k + (m + σ(n)) = k + (σ(m + n))
= σ (k + (m + n))
= σ ((k + m) + n)
= (k + m) + σ(n),
also σ(n) ∈ M .
(b)
(c) Seien k, m ∈ N. Wir betrachten die Menge M := {n ∈ N | k + n = m + n ⇒ k = m} . Es ist 0 ∈ M
da k = k +0 = m+0 = m. Sei n ∈ M und gelte k +σ(n) = m+σ(n). Damit ist σ(k +n) = σ(m+n)
und somit k + n = m + n nach (P1). Da n ∈ M folgt k = m und somit σ(n) ∈ M.
(d) Seien k, m ∈ N mit k + m = 0. Wir nehmen an m 6= 0. Dann existiert ein n ∈ N mit m = σ(n)
nach Satz 1.2. Damit gilt
0 = k + m = k + σ(n) = σ(k + n).
Dies widerspricht (P2) und somit ist m = 0. Daher gilt auch 0 = k + m = k + 0 = k.
Über die Addition können wir nun die Ordnungsrelation ≤ auf N definieren.
Definition. Seien m, n ∈ N. Wir definieren
m ≤ n : ⇔ ∃k ∈ N : m + k = n.
Wir beweisen zunächst, dass ≤ tatsächlich eine Ordnungsrelation auf N definiert. Dazu wiederholen
wir kurz, was wir unter einer Ordnungsrelation verstehen.
Definition. Sei M eine Menge und R ⊆ M × M . R heißt Ordnungsrelation auf M , falls
(a) R reflexiv ist, d.h. ∀x ∈ M : (x, x) ∈ R,
(b) R antisymmetrisch ist, d.h. ∀x, y ∈ M : (x, y) ∈ R ∧ (y, x) ∈ R ⇒ x = y,
(c) R transitiv ist, d.h. ∀x, y, z ∈ M : (x, y) ∈ R ∧ (y, z) ∈ R ⇒ (x, z) ∈ R.
Eine Ordnungsrelation R auf M heißt Totalordnung, falls ∀x, y ∈ M : (x, y) ∈ R ∨ (y, x) ∈ R.
Satz 1.5. Die Relation ≤⊆ N × N ist eine Totalordnung auf N.
Beweis. ≤ reflexiv: Es gilt für n ∈ N stets n ≤ n, da n + 0 = n.
≤ antisymmetrisch: Seien n, m ∈ N mit m ≤ n und n ≤ m. Dann existieren k, ℓ ∈ N mit m + k = n
und n + ℓ = m. Somit gilt aber
m+k+ℓ=n+ℓ=m=m+0
7
1. Die natürlichen Zahlen
und damit nach Satz 1.4 (c) k + ℓ = 0. Aus Satz 1.4 (d) folgt nun k = ℓ = 0 und daher m = m + 0 =
m + k = n.
≤ transitiv: Seien k, m, n ∈ N mit k ≤ m und m ≤ n. Dann existieren j, ℓ ∈ N mit k + j = m und
m + ℓ = n. Damit folgt n = m + ℓ = k + j + ℓ, also k ≤ n.
≤ total: Sei n ∈ N und betrachte die Menge
M := {m ∈ N | m ≤ n ∨ n ≤ m} .
Wir müssen M = N zeigen. Es gilt 0 ∈ M, da n = n + 0 = 0 + n, also 0 ≤ n gilt. Sei nun m ∈ M.
1.Fall: m ≤ n, m 6= n : Es existiert k ∈ N mit m + k = n. Ferner ist k =
6 0, da sonst m = n. Daher
existiert ein ℓ ∈ N mit k = σ(ℓ). Dann gilt
σ(m) + ℓ = ℓ + σ(m) = σ(ℓ + m) = m + σ(ℓ) = m + k = n,
also σ(m) ≤ n, also σ(m) ∈ M.
2. Fall: n ≤ m : Es existiert k ∈ N mit n + k = m. Damit folgt σ(m) = σ(n + k) = n + σ(k), also
n ≤ σ(m) und daher σ(m) ∈ M.
Aus (P3) folgt nun M = N.
Satz 1.6. Seien k, m, n ∈ N. Dann gilt k ≤ m genau dann wenn k + n ≤ m + n.
Beweis. Sei k ≤ m. Dann gibt es ℓ ∈ N mit k + ℓ = m. Demnach gilt k + n + ℓ = m + n und somit
k + n ≤ m + n. Gilt umgekehrt k + n ≤ m + n, so existiert ein ℓ ∈ N mit k + n + ℓ = m + n. Nach
Satz 1.4 (c) folgt hieraus k + ℓ = m, also k ≤ m.
Definition. Für n ∈ N definieren wir die Mengen
N≥n := {k ∈ N | n ≤ k} ,
N>n := {k ∈ N | n ≤ k, k 6= n} = N≥n \ {n} = N≥σ(n) ,
N≤n := {k ∈ N | k ≤ n} = N \ N>n ,
N<n := {k ∈ N | k ≤ n, k 6= n} = N≤n \ {n}.
Wir können nun auch zeigen, dass ≤ eine Wohlordnung auf N definiert, d.h. das jede nichtleere Teilmenge von N ein kleinstes Element besitzt.
Satz 1.7 (Prinzip des kleinsten Täters). Sei M ⊆ N nichtleer. Dann existiert ein kleinstes Element in
M , d.h.
∃m ∈ M ∀n ∈ M : m ≤ n
oder mit anderen Worten
∃m ∈ M : M ⊆ N≥m .
Beweis. Wir nehmen an, dass so ein Element nicht existiert. Es gilt also
∀m ∈ M : N<m ∩ M 6= ∅.
8
(1.1)
1. Die natürlichen Zahlen
Betrachten wir die Menge K := {n ∈ N | N≤n ⊆ N \ M }. Dann ist 0 ∈ K, da sonst 0 ∈ M gelten würde,
was (1.1) widerspräche, da N<0 = ∅. Sei nun n ∈ K. Wir nehmen an σ(n) ∈
/ K. Das bedeutet, es gibt
ein k ∈ N≤σ(n) mit k ∈ M. Da N≤n ⊆ N \ M gilt, muss k = σ(n) ∈ M gelten. Nun ist aber
N<σ(n) ∩ M = N≤n ∩ M = ∅,
was (1.1) widerspricht. Somit ist also σ(n) ∈ K und damit K = N. Ist nun n ∈ N = K, so gilt wegen
n ∈ N≤n ⊆ N \ M , also n ∈
/ M, was bedeutet, dass M = ∅ gilt. Das widerspricht der Annahme M
nichtleer und damit muss unsere Annahme (1.1) falsch sein.
Nun können wir auch das Schubfachprinzip beweisen.
Satz 1.8 (Schubfachprinzip). Seien m, n ∈ N mit m > n und f : N≤m → N≤n . Dann existieren
a, b ∈ N≤m mit a 6= b und f (a) = f (b), d.h. f ist nicht injektiv.
Beweis. Wir führen den Beweis per Induktion über n. Ist n = 0 so ist m > 0 und f : N≤m → N≤0 = {0}.
Da 0, σ(0) ∈ N≤m und 0 6= σ(0) gilt, folgt die Behauptung. Wir nehmen nun an, dass die Behauptung
für n gilt. Sei m > σ(n) und f : N≤m → N≤σ(n) . Insbesondere ist m > 0 und somit gilt m = σ(k) für
ein k > n. Wir unterscheiden zwei Fälle:
Fall 1 Es gibt a ∈ N≤m mit a 6= m und f (a) = f (m). In diesem Fall ist nichts zu zeigen.
Fall 2 Für alle a ∈ N≤m mit a 6= m gilt f (a) 6= f (m). Wir definieren nun eine injektive Abbildung
g : N≤σ(n) \ {f (m)} → N≤n . Wir unterscheiden wiederum zwei Fälle.
Fall 2.1 f (m) = σ(n). Dann betrachten wir die Abbildung g : N≤σ(n) \ {f (m)} → N≤n mit
g(j) := j.
Fall 2.2 f (m) < σ(n). Dann betrachten wir die Abbildung g : N≤σ(n) \ {f (m)} → N≤n mit
g(j) =
(
j
f (m)
falls j < σ(n),
falls j = σ(n).
Nun ist in beiden Fällen g ◦ f |N≤k : N≤k → N≤n wohldefiniert und k > n. Somit gibt es
nach Induktionsvoraussetzung a, b ∈ N≤k ⊆ N≤m mit a 6= b und g(f (a)) = g(f (b)). Aus der
Injektivität von g folgt nun f (a) = f (b).
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